Auf den Titel meines heutigen Blog-Eintrags bin ich besonders stolz – denn bei wer weiß wievielen Lesern beginnt beim Stichwort “Nachkriegs-Capri” gleich das Kopfkino und transportiert sie zurück in die 1970/80er Jahre.
Auch wenn sie damit das Thema um Längen verfehlen – eine lässliche Sünde. Gehört doch der “Capri” aus dem Hause Ford zu den attraktivsten Nachkriegskreationen des längst auf dem absteigenden Ast befindlichen Pioniers der Massenmotorisierung.
Ich kann sogar mit eigenen Erinnerungen dazu aufwarten. Ein Klassenkamerad kaufte sich als ersten Wagen einen orangefarbenen Capri 2 mit 3 Liter-Sechszylindermotor.
Die Aussicht von innen auf die lange Motorhaube kann ich noch ebenso abrufen wie die Tatsache, dass das Gerät über eine blattgefederte Hinterachse verfügte. Für uns Vorkriegsfreunde ein vertrautes Detail – für Ford dagegen kein Ruhmesblatt.
Dennoch ist der Capri unvergessen, in meinem Fall auch deshalb weil besagter Schulkollege ihn alsbald aufs Dach legte. Ein Beifahrer hätte das nicht überlebt…
Meine zweite Capri-Erinnerung reicht rund 30 Jahre zurück. Ich hatte als Student zwar wenig Geld, aber für sündteure Italienurlaube hatte ich stets genug zusammengespart. So ging es einst im Schlafwagen über Rom nach Neapel und von dort mit dem Bummelzug “Circumvesuviana” nach Sorrent, das der Insel Capri gegenüberliegt.
Während meiner zwei Wochen Aufenthalt in dieser himmlischen Gegend, welche die legendär schöne Amalfiküste umfasst, musste auch eine Überfahrt nach Capri sein.
Dort wollte ich damals die Reste der Villa des römischen Kaisers Tiberius besichtigen, die man zu Fuß erreichen kann. Dazu galt es freilich, den kleinen Hauptort der Insel zu durchqueren, der eigentlich immer von Touristen aus aller Welt bevölkert ist.
Dort hielt es mich nicht lange, ich nahm die berühmte “Piazetta” mit der winzigen Kirche Santo Stefano nur am Rande wahr und wanderte weiter.
Von der Tiberiusvilla aus lässt sich die Insel übrigens auf schmalen alten Pfaden in erstaunlicher Einsamkeit umrunden – man muss nur den rechten Abzweig finden und die grandiose Küste bis zu den berühmten Faraglioni gehört einem fast allein.
Heute, viele Jahre später, bin ich wieder auf der Piazetta gewesen – im Nachkriegs-Capri anno 1950. Klingt chronologisch etwas merkwürdig, und ist in einem Vorkriegsauto-Blog zusätzlich irritierend. Aber sehen Sie selbst:

Was auf den ersten Blick chaotisch wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein Kleinod. Es reicht, an der eigentümlichen Kirche Santo Stefano auf der Piazetta von Capri-Stadt vorbeigehuscht zu sein, um sie auch nach langer Zeit wiederzuerkennen.
Eine kurze Bildrecherche bestätigte: Diese auf 1950 datierter Abzug aus einem Berliner Fotogeschäft erzählte von einem Aufenthalt deutscher Reisender auf Capri fünf Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs.
Damals waren die Wunden auf beiden Seiten noch längst nicht verheilt. Italien war durch die Ausplünderung für die deutsche Kriegswirtschaft ab 1943 verarmt und zigtausende Italiener hatten Zwangsarbeit in Deutschland leisten müssen.
Und dann kamen just fünf Jahre nach Kriegsende wieder Deutsche ins Land. Nach allem, was ich weiß, überwog auf italienischer Seite der gesunde Geschäftssinn und oft wohl auch natürliche Gastfreundschaft.
Aber selbstverständlich war das nicht, dass man die Deutschen es in der Regel nicht spüren ließ, dass viele ihrer uniformierten Landsleute kurz zuvor noch Gegner und Ausbeuter waren. Rühmliche Ausnahmen gab es freilich auch und sie genießen bis heute großes Ansehen.
Zurück ins Jahr 1950 nach Capri und hinein ins chaotische Treiben, das ein Pier Paolo Pasolini damals kaum hätte besser mit der Kamera einfangen können:

Hier trifft alles zusammen: Die ältere Generation, die elegant gekleidet im Schatten flaniert, und der drahtige junge Bursche, der im Unterhemd über die sonnendurchflutete Straße schreitet – den Kopf einem großen Tourenwagen zugewandt, der fast die ganze Breite zum Wenden zu benötigen scheint.
Im Hintergrund erkennt man vage ein weiteres Auto, das ebenfalls noch in der Vorkriegszeit zu verorten ist. Was ist hier los und warum hat hier jemand genau in diesem Moment auf den Auslöser seiner Mittelformatkamera gedrückt?
Schwer zu sagen. Was uns so reizvoll an der Situation vorkommt, mag auch vor über 70 Jahren einen fähigen Fotoamateur spontan begeistert haben.
Er hat alles richtig gemacht – bis auf eines: Die Marke des Tourers hätte er schon für uns festhalten können, denn der Wagen ist kaum zu identifizieren aus dieser Perspektive.
Das Auto wirkt auf den ersten Blick so, als stamme es vom Ende der 1920er Jahre, doch die seitlichen Schürzen an den Vorderkotflügeln tauchen erst Anfang der 1930er Jahre auf.
Solche offenen Aufbauten wurden übrigens für Taxis auf Capri noch viel länger gefertigt. Das erfuhr ich bei meinem letzten Aufenthalt auf der Insel vor einigen Jahren. Denn das gerade bereitstehende Taxi, das mich damals in charmanter Begleitung in den höhergelegenen Ort Anacapri brachte, war ein Fiat der 1980er Jahre in einer Ausführung als offener Fünfsitzer!
Sie sehen: Auch im Nachkriegs-Capri hat viel Vorkriegszeit überdauert. Am besten genießen Sie das, wenn Sie Capri-Stadt links liegen lassen und hoch nach Anacapri fahren.
In dem weit ruhigeren Städtchen sollten Sie unbedingt die Villa San Michele besuchen, die sich einst der schwedische Arzt und Buchautor Axel Munthe errichten ließ.
Was er dort der Nachwelt hinterlassen hat, ist einer der magischsten Orte in Europa überhaupt. Die Zeit dort oben über den Felsen der Insel, die so viel gesehen hat, scheint stillzustehen. In der weiß gekalkten Villa und dem herrlichen Park finden sich zahllose antike Werke, die Munthe einst mit mit sicherem Geschmack zusammengetragen hat.
Wenn nicht gerade eine Reisegesellschaft dort ist, gehören Ihnen diese bis heute liebevoll bewahrten Schätze praktisch alleine.
Am äußersten Ende des Parks befindet sich ein Säulengang, der in einer Art Loggia endet. Dort schaut eine altägyptische Sphinx über das Meer und ich verspreche Ihnen: Diesen Blick über den Golf von Neapel mit dem Vesuv im Hintergrund vergessen Sie nie:

Erfahrene Leser meines Blogs wissen natürlich, was ihnen jetzt blüht: Der Autor geht auf Reisen in den Süden und so wird es für etwas mehr als eine Woche hier keine automobilen Neuigkeiten aus der wundersamen Welt von gestern geben…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Köstlich, danke!
Auf unserer Silberhochzeitsreise 1995 besuchten wir die Insel Capri und auch die Villa Munthe. Der Gästeführer erklärte uns dabei, dass die Sphinx Wünsche erfülle, wenn über das Hinterteil gestreichelt wird. Das tat ich auch und wünschte mir zum Abendessen “Frikadellen”. Und was geschah: Beim Abendessen im Hotel wurden tatsächlich Fleischbällchen serviert. Seitdem glaubt meine Frau wieder an Wunder! Buona vacanza nell’Italia felice senza Berlusconi!
Die Zeche für totalitäre Regime zahlt immer und überall die breite Masse. Die Italiener haben damals übrigens nicht die “Seite gewechselt”, sondern aus eigener Kraft dem Mussolini-Regime den Stecker gezogen und kapituliert. Zum Gegner Deutschlands wurden sie dann nur durch das Wüten der Wehrmacht gegen den einstigen Verbündeten, dessen empörende Zeugen einem in Italien ebenso auf Schritt und Tritt begegnen wie die zahlreichen Zerstörungen durch den alliierten Bombenterror – das Bewusstsein dafür ist noch sehr wach und beides hat dazu beigetragen, dass man von niemandes Größenwahn in unseren Tagen vereinnahmt werden will.
Beim “Nachkriegs-Capri” wandert meine Erinnerung ins Jahr 1979, da war es allerdings ein Capri I statt II, und anstelle des Essex-V6 war er als 1700 GT oder 2000 GT zwar nur vierzylindrig, aber doch hinreichend kraftvoll motorisiert – und er überdauerte zumindest bis in die 90er Jahre, sodaß ich denke, es gibt ihn heute noch !
Aber zur “Gegnerschaft” und dem “Seitenwechsel” muß man wohl etwas weiter ausholen :
Denn wer hat schon 10 und 5 Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkriegs Kriege von der Cyrenaika bis zum Horn von Afrika entfacht und dabei Genozide an den Berbern und Abessiniern begangen, wer hat den Krieg in die Adria, die Ägäis und nach Afrika getragen und dann die Kehrtwende gemacht ? Wer die Zeche bezahlen muß – das sieht man auch heutzutage wieder.
Aber kehren wir so besser auf Goethes Spuren mit Mignons Lied in das Land der Zitronen und Zypressen zurück – jedoch nicht wandernd wie Wilhelm Meister, sondern die Amalfiküste entlang fahrend – vielleicht um Capri im Ford Capri zu erreichen – ein Traum, der so nicht nur vor 50 Jahren wahr werden konnte – oder vor 33 Jahren im Trabant 601 ! So wünsche ich Ihnen einen schönen Italienurlaub und freue mich auf die Fortsetzung Ihrer Oldtimerberichte !