Heute geht es weiter auf der im Juli begonnenen Suche nach Spuren der einst im schlesischen Breslau beheimateten Automarke Beckmann. In der letzten Folge waren wir bereits bei den ersten selbstkonstruierten Wagen mit bis zu 30 PS Leistung angelangt.
Eigentlich müssten wir das nächste Kapitel ab 1905 aufschlagen, in dem die Beckmann-Wagen immer mehr an Format gewannen.
Doch bei der Beschäftigung mit Vorkriegswagen muss man es im 21. Jahrhundert nicht eilig haben – die Epoche liegt bereits so weit zurück, dass man sich die eine oder andere Abweichung von der Chronologie leisten kann, wenn sich der Anlass dazu ergibt.
Nur zu gern lasse ich mich von der öden geraden Linie der Geschichtschreibung ablenken, vor allem dann, wenn ein Beinahe-Zeitzeuge und Nachkomme eines einstigen Autofabrikanten mich mit reizvollem Material versorgt.
Die Rede ist von Christian Börner, Urenkel des Gründers der Beckmann-Autowerke.
Er hat mir nicht nur das Material zu den beiden bisherigen Folgen dieser Spurensuche zur Verfügung gestellt. Ihm verdanke ich auch eine bemerkenswerte Rückblende in das Jahr 1903, in deren Mittelpunkt – unter anderem – ein Beckmann-Auto steht.
Heute soll Christian Börner selbst zu Worte kommen und zwar anhand dieses Fotos:

“Wer sind diese drei Kinder? Welches Fahrzeugmodell ist das? Wann und wo ist das Foto entstanden?” Das mögen Sie jetzt fragen.
Mein Name ist Christian Börner, und ich will es Ihnen erzählen.
Zunächst zu den Fahrzeuginsassen, oder eher Fahrzeug“auf“sassen: Das sind die drei Kinder des Fabrikbesitzers Paul Beckmann, meines Urgroßvaters.
Am Lenker sitzt etwas arrogant Otto (Jg. 1894), als wüsste er, dass er einst die Nachfolge seines Vaters antreten würde. Das war zwei Jahre nach dessen Tod im Jahr 1914 der Fall, als Otto volljährig und uneingeschränkt geschäftsfähig wurde.
In der Mitte hat die 1896 geborene Erna Platz genommen, meine Großmutter. Sie schaut wenig begeistert drein, sie mochte das Autofahren ihr Leben lang nicht.
Anders verhielt es sich mit ihrer Schwester Ilse (Jg. 1898), die vis-a-vis sitzt und sich uns zuwendet. Man sieht es ihr noch nicht an, aber sie sollte später als Sportfahrerin auf Beckmann Karriere machen.
Was lässt sich zu der abgebildeten Voiturette sagen?
Nun, es handelt sich um die seitlich offene Version (Beckmann-Modell XIV), deren Produktion 1901 begann und 1903 endete. Aber ich kann es noch genauer sagen. Hier sehen wir die erste Version mit senkrechter Lenksäule und Hebel. Denn ab 1902 gab es eine schrägstehende Lenksäule mit Lenkrad.
Diese Aufnahme stammt von 1903 und zählt zu den drei Fotos, welche die Frauen meiner Familie bei ihrer Flucht aus Breslau im Januar 1945 als einziges „Erbe“ retten konnten.
Meine schon erwähnte Großmutter und ihre Tochter Ursula hatten wichtigeres Fluchtgepäck mitzuschleppen und vor dem Erfrieren zu bewahren – den ein halbes Jahr alten Enkel Christian. Ihnen ist es zu verdanken, dass Sie heute meine Zeilen lesen können.”
Soweit Christian Börner im O-Ton.
Er weiß auch augenzwinkernd zu berichten, dass die Beckmann-Wagen die ersten mit Sicherheitsgurt waren. Wenn Paul Beckmann seine Kinder auf dem Automobil umherkutschierte, sicherte er sie nämlich mit Ledergurten davor, beim Bremsen oder in scharfen Kurven aus dem Wagen zu fallen.
Gefällt Ihnen diese persönliche Rückschau in Sachen Beckmann, die Sie wohl nirgends anders finden?
Dann schauen Sie zur Mitte des nächsten Monats wieder in meinen Blog, wenn die nächste Folge ansteht. Aber gern auch vorher – es gibt ja soviel zu erzählen…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Auf den Punkt gebracht, danke!
Die Apostrophierung als “Spielzeugauto” bezog sich ja
auf gerade die hier verewigte Szenerie – mitnichten auf diese Art von “Kleinwagen” ! Als Zwischenstadium vom Kutschen- abgeleiteten, was Bauart (vorwiegend Holz), Form
(noch den Kutschwagen weitgehend entsprechend) des frühen Autonobils und der mit dem Ur- Mercedes einsetzenden
zweckentsprechenden Gestaltung als Fahrzeug kam ihr zu der Zeit sicher eine große Bedeutung für die Entwicklung einer ganz neuen Fahrzeug- Katgorie mit eigenem Antrieb und eigenem Anspruch zu.
Erster Vertreter dieser Bauform
war bereits der Daimlersche “Stahlradwagen”.
Die gemeinsame technologische Grundlage dieser Bauart bildete
die neu eingeführte Massenherstellung von nahtlos gezogenem Stahlrohr.
Daraus konnten die tragenden
Hauptkomponenten (Rahmen,
Achsen u. A. mit einfachen Werkstattmitteln dargestellt werden. Das Bild des kleinen Becknann zeigt dies deutlich!
Dieser Beckmann-Wagen glich wie viele deutsche Wagen seiner Zeit äußerlich und Dieser frühe Beckmann glich optisch wie technisch stark den damals führenden Vorbildern aus Frankreich, vor allem von DeDion-Bouton. Auch der 1-Zylinder-Motor war kein Eigengewächs, sondern wurde zugekauft. Als Spielzeug-Auto würde ich diese in Frankreich entwickelten Wagentypen nicht bezeichnen, denn sie brachten den Durchbruch für das alltagstaugliche Serienautomobil und wurden genau deshalb von den meist rückständigen deutschen Herstellern eifrig kopiert.
Meine Oma war zwar ebenfalls Breslauerin, ihr Gesichtskreis reichte aber wohl nicht bis in die Beckmannschen Werkstätten.
Sie wusste jedenfalls nichts von
Erlebnissen mit Automobilen zu berichten, dagegen viel von den Schulausflügen (erst als Schülerin, später als Lehrerin) und Wanderungen auf den Zopten oder im Riesen- oder Isergebirge.
Das zeigt auch, daß – auch im bürgerlichen Milieu – das Automobil noch lange brauchte, ehe es im unmittelbaren Lebensbereich weiter Bevölkerungskreise ankam.
Wie schon beschrieben war ihr erster Bericht über eine Autofahrt der von der Busdahrt
auf dem Oberdeck eines Berliner Dopperdeckers, wo man mit dem Geäst der Straßenbäume zu kämpfen hatte und um den Verbleib der Wagenradhüte fürchten mußte!
Leider ist wohl nichts über die doch angesichts der verschiedenen sichtbaren Hebel und Pedale an ungewöhnlichen Stellen offenbar interessante Technik des kleinen Spielzeug- Autos zu erfahren ?