Hand auf’s Herz: In was für Autos sieht man heute noch glückliche Menschen sitzen?
In einem der PS-Monster, die im Dauerstau auf deutschen Autobahnen die linke Spur plattstehen? Oder in einem der “SUVs”, die mit ihrem Spähpanzerformat Dorfstraßen verstopfen, die jahrzehntelang ausreichend dimensioniert waren?
Mal abgesehen von der Verlotterung der Sitten im Straßenverkehr – Verzicht auf Blinken, Missachten der Vorfahrt, ständiges Schielen auf’s Mobilgerät usw. – ist zu beklagen, dass die Leute kaum noch Freude am Fahren haben.
Wie anders war und ist das im historischen Automobil:

“Classic Days” auf Schloss Dyck 2014; Bildrechte: Michael Schlenger
Dieser mit einer Digitalknipse entstandene Schnappschuss – die Dinger wollen auf solche Situationen eingestellt werden, wofür hier keine Zeit war – ist zwar nicht preisverdächtig, drückt aber das aus, worum es heute geht: Freude am Fahren.
In den 1920er Jahren stellte sich selbige hierzulande fast automatisch ein, wenn man sich einen vierrädrigen Untersatz mit Verbrennungsmotor leisten konnte – egal wie unvollkommen er war.
Auch vor 90 Jahren fuhren Bus und Bahn keineswegs jedes Dorf an – schon gar nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit, wenn es vielleicht gerade besonders pressierte.
Unsere Vorfahren waren auf dem Land noch auf Pferdefuhrwerke oder Schusters Rappen angewiesen. Wer ein Fahrrad oder Moped besaß, war schon “privilegiert”, wie das Leuten bezeichnen, denen es nicht passt, wenn nicht alle gleich arm sind.
Was in den Vereinigten Staaten damals selbstverständlich war – dass sich fast jeder Farmer oder Fabrikarbeiter ein Automobil leisten konnte, war im Deutschland der Zwischenkriegszeit undenkbar.
Das erklärt, weshalb sich damals bei uns Leute oft vor fremden Wagen ablichten ließen, um sich wenigstens einmal als “Autobesitzer” geben zu können. Wie sich die wenigen echten Automobilisten gefühlt haben, drückt folgendes Foto besonders schön aus:

Brennabor Typ Z 6/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Lebendiger und sympathischer könnte so ein altes Autofoto kaum sein – man weiß gar nicht, was einem besser gefallen soll: der Wagen oder das bestens gelaunte Besitzerpaar.
Auch regelmäßige Leser dieses Blogs für Vorkriegsoldtimer werden das Modell vermutlich nicht direkt ansprechen können – obwohl es einst keineswegs selten war.
Immerhin haben wir uns mit dem identisch motorisierten Vorgänger bereits beschäftigt. Das war der Typ R der Firma Brennabor aus Brandenburg an der Havel:

Brennabor Typ R 6/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese reizvolle Aufnahme aus dem Rheinland haben wir hier ausführlich besprochen.
Der abgebildete Wagen weist abgesehen vom “B” auf der Kühlermaske äußerlich keine Ähnlichkeit mit “unserem Brennabor” auf. Doch unter der Haube beider Fahrzeuge befand sich derselbe Vierzylindermotor mit 1,6 Liter Hubraum und 25 PS.
Mit dem Nachfolgertyp Z sorgte man bei Brennabor ab 1928 für ein zeitgemäßes Erscheinungsbild, technisch blieb aber alles beim alten. Offenbar scheint den Käufern die Leistung von 25 PS damals genügt zu haben.
Damit wären eigentlich ohne weiteres 90 km/h Spitze möglich gewesen, doch laut Literatur begrenzte man bei Brennabor die Höchstgeschwindigkeit auf 70-75 km/h. Vergessen wir nicht: Damals gab es noch kein Autobahnnetz, und auf dem Land fährt man auch heute im Schnitt kaum schneller.
Trotz der kurzen Bauzeit (1928-29) unterscheiden sich Brennabor-Wagen des Typ Z mitunter in einigen Details:

Brennabor Typ Z aus “Die Motorfahrzeuge” von Paul Wolfram, 1928
Hier fallen vor allem der Lufteinlass im Seitenteil hinter der Motorhaube und die nach vorne schwungvoll auslaufende A-Säule auf – beides Elemente, die bei dem Wagen auf unserem Foto fehlen.
Ansonsten stimmt alles überein: zwei Paare waagerechte Luftschlitze in der Haube, trommelförmige Scheinwerfer und flach gehaltene Scheibenräder.
Das merkwürdige Gerät auf dem Batteriekasten auf unserem Brennabor-Foto ist lediglich eine dort abgestellte Mittelformatkamera mit ausklappbarem Balgen:
Der Verfasser vermutet, dass die oben erwähnten Karosseriedetails bei den späten, also 1929 gebauten Exemplaren des Brennabor Typ Z wegfielen – vielleicht weiß ein Leser Genaueres.
Auf das eichelförmige Emblem im unteren Bereich des Kühlernetzes gehen wir irgendwann näher ein – es ist nicht markenspezifisch und durchaus interessant.
Übrigens können wir auch mit einer raren historischen Aufnahme der Heckpartie des Brennabor Typ Z aufwarten:
Diese Aufnahme, auf der man schön die konzentrischen Zierlinien auf den Felgen erkennen kann, versandte einst der sächsische Besitzer als Postkarte an einen Herrn von Hartmann im Seebad Zoppot bei Danzig (heute zu Polen gehörig).
Hier ist gut nachvollziehbar, wie wenig eigenständig die Heckansichten von Autos vor 1930 waren – sie folgten noch ganz klassischen Kutschenaufbauten.
Einen in die Karosserie integrierten Kofferraum kannte man damals noch nicht. Stattdessen gab es einen häufig demontierbaren separaten Gepäckkoffer, der mit Kunstleder bespannt oder auch ganz in Blech ausgeführt war.
Auch das ist ein Detail, das erkennen lässt, wie grundlegend anders und spannend Vorkriegsautos aus heutiger Sicht sind. Leider haben von den einst so verbreiteten Brennabor-Wagen nicht sehr viele überlebt.
Hier haben wir eine Aufnahme eines Brennabor Typ Z aus Zeiten der “Deutschen Demokratischen Republik” – entstanden wohl um 1960:

Brennabor Typ Z 6/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieses bis auf die Felgen mit “unserem” Brennabor identische Fahrzeug hatte in Ostdeutschland das nationalsozialistische “tausendjährige Reich” überstanden – damit besaß es gute Chancen, auch dessen rotlackierte Fortsetzung ab 1945 zu überdauern.
Mit etwas Glück existiert das Auto noch heute – es sollte sich anhand des speziellen Kennzeichens für historische Fahrzeuge aus DDR-Zeiten identifizieren lassen.
Apropos Glück – hier noch ein Blick auf das Besitzerpaar des eingangs gezeigten Brennabor Typ Z:
So sahen einst glückliche Autofahrer aus – und zugleich sympathische Persönlichkeiten, die in einer zeitgenössischen Werbung gute Figur gemacht hätten.
Die beiden scheinen nebenbei recht groß gewachsen gewesen zu sein – zum Vergleich: für den Brennabor Typ Z ist eine Höhe von 1,75 m überliefert.
Wer damals in Deutschland ein Automobil besaß, hatte es auch sonst zumindest in materieller Hinsicht überdurchschnittlich gut getroffen. Das war und ist kein Garant von Glück – aber angenehmer leben ließ und lässt es sich mit so einem Wagen schon…
© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.
Brennabor war schneller … könnte man hier sagen, denn als Hanomag den 4/23 PS (sowie den 3/18 PS) anbot, hatte Brennabor die Fertigung dieses “Volkswagenmodells” wieder eingestellt und ging einerseits zum Ideal über, ließ aber auch die beiden “1-Liter” Typ C mit 995ccm und dann den Typ D folgen.
http://www.brennabor-brb.de/ansicht/typ-c-1-liter.htm
Stünden IIS-2734 und IE-27500 nun nebeneinander, so könnte man vergleichen : Kühlergrill eingefaßt in elegant abgerundeter Chrommaske, und der Blick wandert vom Markenzeichen unterhalb des Kühlwasserdeckels über die Querstrebe der Lampenhalterung bis zur gleichfalls verchromten Abdeckung des Anlasserkurbelaufnehmers. Der Blick zur Seite führt dann über die Kotflügel zu den beiden mittig geteilten Luftschlitzen, waagrecht beim Brennabor und senkrecht beim Hanomag. Schließlich sieht man eine senkrechte A-Säule und eine ebenso senkrecht aufstehene, aber an der Unterkante mit der Motorhaube konform gewölbte Windschutzscheibe.
So mancher “Six” aus Detroit bot dasselbe Design, jedoch mit 3m Radstand anstelle 2,45 oder 2,60 … und 50 PS für fast dasselbe Geld.