Wie spannend selbst die Beschäftigung mit einstigen “Brot-und-Butter”-Automobilen der Vorkriegszeit sein kann, macht der heutige Blogeintrag deutlich – hoffentlich.
Denn die Basis für das Auto, dem wir uns heute anhand eines schönen historischen Fotos nähern, ist “bloß” ein Austin Seven. Doch sollte man den von 1923-39 in rund 300.000 Exemplaren gebauten britischen Kleinwagen nicht unterschätzen.
Der “Seven” war nicht nur ein Riesenschritt in Richtung Volksmotorisierung – was in Deutschland erst nach dem Krieg gelang – er stellte auch die Grundlage für sportliche Sonderausführungen dar.
Eine davon haben wir bereits vor einiger Zeit präsentiert:

Austin Seven “Special”; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Das in England um 1960 entstandene Foto haben wir hier ausführlich besprochen. Da wir bei der Gelegenheit auch die unglaublich anmutende Vorgeschichte des Austin Seven erzählt haben, wollen wir diese heute überspringen.
Stattdessen wenden wir uns einem besonderen Kapitel der Modellgeschichte des Austin “Seven” zu – der Produktion in Deutschland. Wer nun gleich an die Lizenzfertigung im Eisenacher Dixi-Werk denkt, liegt damit nur bedingt richtig.
Denn nach Auslaufen des als Dixi DA1 bekannten Austin-Nachbaus gab es nochmals eine Fertigung des “Seven” in Deutschland, der diesmal “echte” Austins entstammten.
So montierte die in Berlin ansässige Willys-Overland-Crossley GmbH ab 1932 aus (wahrscheinlich komplett angelieferten) Teilesätzen einige hundert Austin “Seven”. Abgesehen von der Linkslenkung entsprachen sie ganz dem britischen Original.
Einen solchen Austin Seven “Made in Berlin” haben wir auf folgenden Foto vor uns:

Austin Seven “Nippy”; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der Wagen ist offenbar nicht nur ein Linkslenker, sondern trägt auch das Austin-Flügellogo auf dem Kühler und weist eine Zulassung in Berlin (Kennung: “IA”) auf – mehr Hinweise auf die Herkunft des Wagens kann man sich kaum wünschen.
Man beachte bei der Gelegenheit die hochwertig gestalteten Details wie die vollverchromten Scheinwerfer und das Steinschlagschutzgitter.
Ein Austin Seven war keine billig gemachte Verlegenheitslösung, sondern ein vollwertiges Auto, nur das Reifenformat erinnert an Cyclecars:
Doch interessanter ist die besondere Ausführung der Karosserie als zweisitziger Roadster mit tiefem Türausschnitt und Notverdeck.
Das gab es nämlich so nur am 1933 vorgestellten Austin Typ 65, der später als “Nippy” (dt.: spritzig, flink) vermarktet wurde.
Die 65 stand übrigens für das Spitzentempo in Meilen, das knapp 105 km/h betrug. Dazu hatte man die Leistung des 750ccm-Vierzylinders auf über 20 PS erhöht und den Wagen windschnittiger gestaltet.
Mit diesem kleinen Sportwagen konnte man sich sehen lassen, wie einst wohl auch die freundliche junge Dame am Lenkrad meinte:
Ganz billig war diese Sportausführung des Austin Seven nicht: Während die Basisversion für 2.100 Reichsmark zu bekommen war, wurden für den in Berlin produzierten Nippy 2.650 Mark aufgerufen.
Doch speziell im Segment sportlicher Zweisitzer hatte die inländische Konkurrenz in dieser Preisklasse praktisch nichts zu bieten. Der nominell gleichstarke BMW 309 war nicht annähernd so flott (Spitze 80 km/h), kostete aber über 4.000 Mark.
Kein Wunder, dass die Ausführung “Nippy” im Deutschland der 1930er Jahre zu den beliebtesten Versionen des Austin Seven gehörte. Mindestens einer davon existiert sogar noch!
Diese und andere faszinierenden Details sind in einem wunderbaren Buch zu finden, das der Verfasser allen Liebhabern von Vorkriegsautos empfiehlt:
Austin und Willys aus Berlin, von Klaus Gebhardt, Verlag Kraftakt, 2013
Noch etwas: Ein sportlich zurechtgemachter Austin Seven gehört noch heute zu den preisgünstigsten Spaßmobilen der Vorkriegszeit – zudem mit ausgezeichneter Ersatzteilversorgung.
Wieviel Freude speziell der Austin Seven “Nippy” macht, das zeigt dieser kleine Film eines britischen Enthusiasten:
Hochgeladen von: Richard J Basquil; Videoquelle: Youtube.com