Heute knüpfe ich an einen Bildbericht an, den ich vor gut drei Jahren verfasst habe – seinerzeit in der Rubrik “Fund des Monats”. Für diese Kategorie reicht es heute zwar nicht ganz, dennoch lohnt es sich, bis zum Schluss “dranzubleiben”.
Zum Einstieg habe ich das Foto eines unbekannten Amateurs gewählt, das dieser zusammen mit einer Reihe weiterer 1925 beim Taunus-Rennen geschossen hat. Ich hatte diese Aufnahme in meinem seinerzeitigen Blog-Eintrag bewusst ausgespart, da ich vom selben Fahrzeug Fotos in besserer Qualität zeigen konnte.
Für meine heutigen Zwecke eignet sich das Dokument aber durchaus und so zeige ich es nun erstmals der Öffentlichkeit, nachdem es 95 Jahre in einem privaten Album schlummerte:

Der kleine Zweisitzer ohne Kotflügel und Scheinwerfer sowie außen an der Karosserie entlanggeführtem Auspuffrohr ist eines der beiden Siegerautos von NSU, mit denen die württembergische Marke 1925 beim Taunusrennen Furore machte (Buchtipp dazu: Holger Rühl, Die Automobilrennen im Taunus).
Dank der Zuverlässigkeit des Wagens gelang ein phänomenaler Doppelsieg gegen stärkere Konkurrenz. u.a. von Bugatti und Mercedes. Die ganze Geschichte dieses ruhmreichen Einsatzes ist in meinem früheren Blog-Eintrag hier nachzulesen.
Für heute genügt es zu wissen, dass der Motor des siegreichen Werksrenners von NSU auf dem Aggregat des gerade erst neu eingeführten 5/25 PS-Typs basierte.
Dem Serienmotor wurden durch klassisches “Frisieren” mehr PS entlockt – also durch Überarbeitung des Ansaugtraktes und optimierte Ventilsteuerung. Vielleicht wurde auch die Kurbelwelle erleichtert und besser ausgewuchtet, um die Drehfreudigkeit zu erhöhen.
Außerdem wurde ein Roots-Kompressor verbaut, der für ein energiereicheres Gemisch und damit größere Leistungsausbeute sorgte. Die damit verbundene Mehrbelastung muss der 1300ccm Motor problemlos verkraftet haben – keine Selbstverständlichkeit.
Solchermaßen frisiert behielt der NSU seine sprichwörtliche Zuverlässigkeit – ein Faktor, der damals oft über Sieg oder Niederlage entschied.
Kein Wunder, dass der NSU 5/25 PS auch mit dem robusten Serienmotor und konventioneller Karosserie als zuverlässiger Partner von dieser jungen Dame geschätzt wurde, die sich ihrerseits sportlich “frisiert” in Szene gesetzt hat:

Dieses schöne Dokument verdanke ich Leser Klaas Dierks, der nicht nur ein Auge für die technische Qualität solcher Fotos, sondern auch einen ausgeprägten Sinn für die ästhetische Wirkung hat und dem damit immer wieder Funde wie dieser gelingen.
Die Aufnahme lebt vom Charme der zierlichen jungen Dame, die ihren Arm lässig – beinahe zärtlich – auf das riesige Lenkrad vor ihr gelegt hat, über das sie kaum hinwegschauen konnte.
Es sind aber auch Unregelmäßigkeiten wie die verrutschte Startnummer auf der Motorhaube und die Reflektionen auf der glänzenden Flanke des Wagens, die diesem klassischen Tourer der 1920er Jahre Leben einhauchen.
Ohne diese Zutaten wäre der Wagen aus dieser Perspektive völlig beliebig – noch schlichter lässt sich ein solcher Tourer kaum gestalten.
Entsprechend schwierig war die Identifikation des Typs. Nach einigen Bildvergleichen landete ich bei den NSU-Wagen mit Flachkühler und Vorderradbremsen, wie sie ab 1926 gebaut wurden.
Einen praktisch identischen Tourenwagen findet man beispielsweise auf S. 86 von Klaus Arths famosem Buch über “NSU Automobile” (Verlag Delius Klasing, 2. Auflage, 2015). Einzige Abweichung dort ist das als Zubehör erhältliche, seitlich montierte Ersatzrad.
Bleibt die Frage, ob man nun einen Typ 5/25 PS oder den parallel erhältlichen und weit stärkeren Typ 8/40 PS vor sich hat. Mein Eindruck ist der, dass sich beide hauptsächlich durch den um 50 cm differierenden Radstand unterschieden.
Infolgedessen war beim NSU 8/40 PS der Abstand zwischen den Türen wesentlich größer als auf dem Foto, das mir Klaas Dierks zur Verfügung gestellt hat.
Ansonsten fanden sich bei beiden Typen die Stahlspeichenräder mit fünf Radbolzen, die Vorderradbremsen, die vertikalen Luftschlitze, die langrechteckigen Türen ohne außenliegende Griffe und die Wartungsöffnung am hinteren Ende der Schwellerpartie, über die die vordere Blattfederaufhängung geschmiert werden konnte.
Über die Zahl der einst gefertigten Fahrzeuge des NSU 5/25 PS konnte ich nichts in Erfahrung bringen. Viele werden es nicht gewesen sein, wenn ich die sehr geringe Zahl der historischen Fotos als Maßstab zugrundelege, die ich von diesem Modell (oder auch den zeitgleichen weiteren NSU-Typen) bislang finden konnte.
Offenbar vermochte man die im Renneinsatz bewiesene Zuverlässigkeit nur bedingt in Verkäufe von Serienwagen umzumünzen. Da NSU wie die meisten deutschen Hersteller auch nach 1925 noch weitgehend in Manufaktur produzierte, standen wohl die daraus resultierenden hohen Preise einem größeren Erfolg entgegen.
Umso wertvoller sind die wenigen Dokumente dieser Fahrzeuge, die einst so glänzenden Eindruck machten. So belegte der hier gezeigte NSU 5/25 PS ausweislich der Beschriftung des Abzugs bei der “Württembergischen Zuverlässigkeitsfahrt” den zweiten Platz.
Zum anderen lässt sich hier die aufwendiger Handarbeit zu verdankende Güte der Lackierung gut nachvollziehen. Darin spiegelt sich nicht nur ein hell geschotterter Platz wider, sondern auch der Fotograf mit Dreibeinstativ, wenn ich mich nicht täusche:

So ist hier zumindest in Teilen die Person mitverewigt, der wir dieses Zeugnis einstiger Zuverlässigkeit und Frisierkunst aus württembergischen Landen verdanken…
Übrigens: Wer zeitgenössische Originalfotos der NSU-Automobile aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre sein eigen nennt, macht mir und meinen Lesern eine große Freude, wenn er diese zu detaillierten Würdigung in meinem Blog und Einreihung in meine noch ausbaufähige NSU-Galerie zur Verfügung stellt.
© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.