Heute kommen wieder einmal die Freunde der einst hochbedeutenden Frankfurter Marke Adler auf ihre Kosten – und das in einem unerwartet sportlichen Kontext.
Adler gehörte zwar zu den wichtigsten und angesehensten deutschen Vorkriegsherstellern, aber Sportlichkeit verband man mit ihr nur am Rande.
Für teure Werkseinsätze bei sportlichen Prüfungen hatte man selten etwas übrig – das Prestige der Marke ergab sich aus der Qualität und Zuverlässigkeit der Wagen. Ein Adler war selten progressiv, genau das schätzte die Kundschaft bis weit in die 1920er Jahre.
Ein gutes Beispiel dafür war das Mittelklassemodell Adler 6/25 PS, das von 1925 bis 1928 gebaut wurde. Rund ein Dutzend zeitgenössischer Fotos dieses Typs sind inzwischen in meiner Adler-Galerie zu finden – meist in Tourenwagenausführung wie hier:

Seltener findet man auf zeitgenössischen Aufnahmen geschlossene Aufbauten des Adler 6/25 PS mit seinen charakteristischen Scheibenrädern.
Doch neben klassischen Limousinen gab es vereinzelt sogar Landaulets, die wohl am ehesten im Taxibetrieb Verwendung fanden. Solche speziellen Aufbauten dürften von Karosseriebetrieben eigens angefertigt worden sein.
So bot Adler ab Werk auch eine schicke Ausführung des Typs 6/25 PS als offener Zweisitzer an, die es auch mit stärkerer Motorisierung gab:

Nun könnte man meinen, dass aus dieser Reklame nicht unbedingt zu schließen ist, dass der sportliche Sport-Zweisitzer auch mit der Motorisierung 6/25 PS verfügbar war und dass man vielleicht bloß mit dem Erscheinungsbild der weit stärkeren Modelle warb.
Das gab es zweifellos auch schon damals, doch im vorliegenden Fall lässt sich nachweisen, dass es auch den eher kompakten Adler 6/25 PS mit einem solchen Aufbau gab.
Hier sehen wir ein entsprechendes Fahrzeug aus fast identischer Perspektive und die Scheibenräder verraten, dass es sich um einen Typ 6/25 PS handelt:

Typisch für diesen Aufbau ist das Notverdeck, das niedergelegt nicht viel Platz beansprucht, und das flach abfallende Heck.
Besäße nun noch die Tür einen tiefen Ausschnitt, würde man den Wagen als reinrassigen Roadster ansprechen, doch so etwas bot Adler erst in den 1930er Jahren an.
Davon zu unterscheiden ist die Ausführung als zweisitziges Cabriolet. Davon konnte ich zwar leider noch kein Foto aus Vorkriegszeiten dingfest machen, doch hatte ich das Glück, im Jahr 2012 in meiner Heimatstadt Bad Nauheim ein erhaltenes Exemplar abzulichten:

Dieser schöne Wagen repräsentiert einen amerikanischen Karosserietyp – ein offener Zweisitzer mit gefüttertem Cabrio-Verdeck und ausklappbarem Notsitz im Heck – dem legendären “Schwiegermuttersitz”.
Man beachte hier die wesentlich höhere Gürtellinie und das aufwendige Verdeckgestänge – beides Elemente, die sich am minimalistischen Sport-Zweisitzer nicht finden.
Ein solches 2-sitziges Cabriolet strahlt auch im moderaten Format eine gewisse Eleganz aus, doch Sportlichkeit hätte man ihm nicht zugesprochen.
Allerdings muss Sportlichkeit nicht unbedingt an ein dynamisches Erscheinungsbild oder gar eine herausragende Motorisierung geknüpft sein. Sie kann auch eine Haltung sein und aus purer Entschlossenheit resultieren.
Perfekt illustriert wird dies durch folgende Aufnahme aus der Sammlung von Leser Klaas Dierks, die “nur” einen serienmäßigen Adler 6/25 PS Tourenwagen zeigt – aber wenn das nicht sportlich ist, was die beiden Insassen hier veranstalten, was dann?

Ist dieser Schnappschuss eines unbekannten Amateurs nicht die Wucht? Entstanden sein dürfte er bei einer der zahllosen lokalen Veranstaltungen mit mehr oder minder sportlichem Anspruch, bei denen meist serienmäßige Wagen zum Einsatz kamen.
Mit einem Foto wie diesem hätte Adler glatt Werbung machen können für das wackere 6/25-Modell, das sich eine Weile gut verkaufte. Doch wären typische Adler-Kunden vermutlich nicht davon angetan gewesen.
Sportlichkeit war so ziemlich das Letzte, was man von der Traditionsmarke erwartete, und dieses “Rennfoto” wäre vermutlich auf Unverständnis gestoßen. Doch gab es ganz offenbar damals auch eine kleine Fraktion, die Spaß an solchen Aktivitäten hatte.
Ob der Adler 6/25 PS mit seinem simplen seitengesteuerten Motor dafür so gut geeignet war wie der mit obenliegender Nockenwelle ausgestattete Fiat 509, der zeitgleich angeboten wurde und auch in Deutschland als Basis für Sportversionen beliebt war?
Vermutlich nicht – doch oft genug zählt die innere Einstellung, die den Unterschied macht.
Technische Unterlegenheit durch kalkuliertes Risiko und Einsatzfreude wettzumachen, das war eines der Kennzeichen des heroischen Zeitalters, das spätestens mit der Etablierung des Fahrradhelms bei Sonntagsradlern und Kleinkindern auf Dreirädern sein Ende fand.
Es gibt aber noch eine andere Dimension von Sportlichkeit – die sich einst aufs Schönste mit dem Automobil verband und dieses regelmäßig zum Statisten degradierte.
Unerwartet sportlich stellt sich in dieser Hinsicht auch dieser Adler des Typs 6/25 PS dar, der auf eine Weise geadelt wird, die in einem neuen Zeitalter des freudlosen Puritanismus und aggressiven Jakobinertums neuerdings als unschicklich gilt:

Diese schwer überbietbare Aufnahme eines einst in Berlin zugelassenen Adler des Typs 6/25 PS wurde mir von einer oldtimerbegeisterten Dame aus den USA zugesandt, die den schönen Namen Karen Starr Venturini trägt.
Auch so etwas, meine Damen und Herren, illustriert die Schönheit des klassischen Sportwagens – ganz gleich, was unter Haube schlummert. Vergleichbares wird schon lange nicht mehr gewagt – die Hüter der politischen Korrektheit ruhen nie.
Doch gibt es noch solche Zeugen einer Zeit, die zwar ihre eigenen Probleme hatte, sich aber einen gesunden Ausgleich zu verschaffen wusste. Etwas ganz Ähnliches praktiziere ich hier als Heilmittel gegen allerlei virulente Neurosen…
© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.