Wir leben in merkwürdigen Zeiten: Nie zuvor gab es Automobile, welche die Umwelt derart wenig belasten wie moderne Verbrennerwagen. Sich mit den Abgasen in der Garage ins Jenseits zu befördern, dürfte heute schwierig werden (übernehme keine Haftung).
Dennoch gilt er aus Sicht der herrschenden Ideologie zumindest in Europa als Auslaufmodell, ohne dass ein vollwertiger Ersatz für jedermann in Sicht wäre.
Dabei steht der Verbrenner in der Gesamtenergiebilanz – also unter Einbeziehung des Herstellungsprozesses und der Entsorgung – nach wie vor konkurrenzlos dar. Von der Frage, woher der Strom für Millionen von Elektroautos herkommen soll, ganz abgesehen.
Wirkliche Luftverpester sind Autos seit den 1980er Jahren nicht mehr. Jüngere Leute wissen gar nicht, wie übel einst das nur mittelprächtig verbrannte Gemisch roch, wenn es aus dem Auspuff kam.
Vielleicht sollte man die Prediger der angeblich emissionsfreien Batteriemobilität einmal mit der Zeitmaschine zurück in die Vorkriegsepoche schicken, um zu erfahren, was früher echte “Stinker” waren.
Dann würden sie vielleicht diesem zwar eindrucksvollen, aber letzlich noch recht ineffizienten Fahrzeug begegnen:

Solche großzügig dimensionierten Limousinen bot Fiat ab Mitte der 1920er Jahre auch hierzulande mit einigem Erfolg an – man findet sie jdenfalls oft mit deutschem Kennzeichen (hier: Bezirk Oldenburg-Lübeck).
Besonders leistungsfähig war der schon seit 1922 gebaute Sechszylindertyp 519, der dank 75 PS rund 115 km/h Spitze erreichen konnte. Dafür brauchte es beim damaligen Stand der Technik freilich erheblichen Hubraum (4,8 Liter).
Während beim Typ 519 im Zylinderkopf hängende Ventile für eine bessere Gemischzufuhr und damit sauberere Verbrennung sorgten, war dies bei den beiden kleineren Sechyzlindertypen 525 und 520 nicht der Fall.
Dort waren noch nach alter Väter Sitte seitlich stehende Ventile verbaut, die zwar einen einfachen Betätigungsmechanismus erlaubten, aber dem Gaswechsel nicht zuträglich waren. Mit dieser Technik waren gut 65 PS (Typ 525) bzw. rund 45 PS (Typ 520) drin.
Mit Fiats kleinstem und schwächsten Sechszylinder haben wir es nach meiner Einschätzung auf dem vorliegenden Foto zu tun – wobei die Modelle mitunter schwer zu unterscheiden sind.
Zwar war so ein Fiat 520 auch mit dem Limousinenaufbau viel leichter als heutige Wagen dieser Größenklasse, dennoch musste sich der kleine und wenig agile Motor einigermaßen damit abmühen, was der Effizienz speziell in bergigem Gelände nicht zuträglich war.
Wem die Mehrausgaben für die deutlich souveränen großen Sechszylinder zuviel waren, musste daher über Alternativen nachdenken.
Der ökologisch korrekt denkende Zeitgenosse von heute würde vielleicht etwas von “nachwachsenden Rohstoffen” fabulieren, inspiriert von dem Holzstapel auf dem Foto:

Doch die Verwertung solcher Biomasse war damals nur mit einem Holzvergaser möglich, was einem nochmals weniger Effizienz und wenig erbauliche Abgaswerte beschert hätte.
Dass die Sache funktioniert, wurde unfreiwillig im 2. Weltkrieg nachgewiesen, als mit Holzgas angetriebene Wagen eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten waren, noch automobil unterwegs zu sein (sofern man das nicht in Diensten der Wehrmacht “durfte”).
Ein spezieller alternativer Antrieb wurde aber einst mit Erfolg am Fiat 520 erprobt und zwar anhand einer serienmäßigen Limousine ganz ähnlich der auf obigem Foto.
Das Experiment fand im April 1929 bei Einsiedl (Böhmen, heute Tschechien) statt. Es wurde unter realistischen Alltagsbedingungen unter freiem Himmel durchgeführt.
Dabei sollte bewiesen werden, dass der in Betracht gezogene alternative Antrieb ausreichend bemessen war, um auch einen recht großen Wagen aus einer feuchten und schlüprigen Wiese über eine Böschung auf die Straße zu ziehen.
So konnte es bei den damals kaum befestigten Untergründen und mäßigen Fahrwerken mit wenig wirksamem Reifenfprofil durchaus vorkommen, dass man in einer allzu schwungvoll genommenden Kurve aus derselben in die Botanik getragen wurde.
Zwar ist der genaue Ausgang des Experiments mit dem alternativen Antrieb nicht überliefert, doch immerhin hat sich eine Aufnahme erhalten, welche den Fiat in dem Moment zeigt, unmittelbar bevor dieser Antrieb zum Einsatz kam.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der erprobte alternative Antrieb aus der Region bezogen wurde und ausschließlich auf nachwachsenden Rohstoffen basierte. Die Versuchsanordnung macht auch heute noch Eindruck und stellte sich so dar:

Sehen Sie? Mit etwas gutem Willen und der richtigen Technologie klappt es mit dem umweltfreundlichen Antrieb selbst bei alten “Stinkern” wie dem Fiat 520.
Könnte dies das Vorbild sein, dass den hehre Motive vorgebenden Ideologen unserer Tage als alternative Mobiliät für das hartnäckig autovernarrte Volk vorschwebt?
Dann könnte am Ende doch Kaiser Wilhelm mit seinem Ausspruch recht gehabt haben: “Ich halte das Automobil für ein vorübergehende Erscheinung – die Zukunft gehört dem Pferd.”
Dumm nur, dass damit die Zweiklassengesellschaft zurückkehrt, denn ein einfaches Auto mit ordentlicher Leistung kann sich heute (noch) jeder leisten – für zwei PS auf vier Beinen muss man dagegen schon ein wenig Spielgeld übrig haben…
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.