Wenn man sich in den 1930er Jahren als Deutscher ein Auto leisten konnte – und sei es das kleinste, einfachste und schwächste – dann hatte man an sich allen Grund, zufrieden mit seinem Status zu sein (sofern man nicht dem Feindbild des nationalsozialistischen Regimes und seiner fleißigen Zuarbeiter entsprach).
Es scheint jedoch zumindest eine Ausnahme gegeben zu haben, und mit der wollen wir uns heute ein wenig anhand eines Beweisfotos aus meinem Fundus beschäftigen.
Verantwortlich dafür war ausgerechnet ein Hersteller, der zu den ältesten und eine gewisse Zeit erfolgreichsten in deutschen Landen gehörte: Brennabor aus Brandenburg.
Zwar verlor die Marke nach ihrem Hoch Anfang der 1920er Jahre, als sie die stückzahlenmäßig bedeutendste in Deutschland war, rasch an Bedeutung. Doch noch Anfang der 30er hatte man ein durchaus repräsentativ wirkendes Modell im Angebot:

Dieses auf dem 1929 eingeführten Typ “Ideal” 7/30 PS basierende schicke Automobil besaß einen 1,6 Liter-Vierzylindermotor konventioneller Bauart und stellte ein solides Angebot in seiner Klasse dar – jedenfalls gemessen an anderen deutschen Fabrikaten.
Angeblich sollen rund 10.000 Wagen dieses Brennabor “Ideal” entstanden – doch dies dürfte eine Schätzung sein, wie bei anderen Modellen des schlechtdokumentierten Herstellers.
Da mir bislang weit weniger Fotos dieses Typs ins Netz gegangen sind, als dies bei tatsächlich in solchen Größenodnungen gebauten anderen deutschen Wagen der Fall ist, halte ich die in der Literatur genannte Stückzahl für viel zu hoch.
Tatsächlich war Brennabor zu der Zeit, als der “Ideal” gebaut wurde, mit seiner PKW-Sparte in großen Schwierigkeiten. Da in der Mittelklasse offenbar kein Blumentopf zu gewinnen war, verlegte man sich auf das Kleinwagensegment.
Doch in der 1-Liter-Klasse, in der man 1931 mit dem neu konstruierten Typ C 4/20 PS antrat, tummelten sich bereits einige gut etablierte Hersteller und Brennabor konnte mit seinem Angebot keinen neuen Akzent setzen, auch wenn die Werbung von einem “modernen ” und “technisch vollendeten” Wagen schwärmte:

Da der Absatz dieses solchermaßen angepriesenen Gefährts lahmte, kam man 1933 mit einer optisch überarbeiteten Version heraus – dem Typ D mit nunmehr 22 PS.
Gleichwohl blieb das etwas mehr als 700 kg wiegende Auto ein lauwarmes und lahmes Angebot. Mit Spitze 75 km/h brauchte man damals in der 1-Liter-Klasse erst gar nicht anzutreten, das übertrafen bereits Wagen mit deutlich kleineren Aggregaten wie der DKW F2, der BMW 3/20 PS oder der Hanomag 3/18 PS. Nur der Opel 1 Liter war von ähnlich zäher Charakteristik.
In Anbetracht dieser wenig erbaulichen Konkurrenzsituation war dieser späte Brennabor-Wagen eine traurige Gestalt und man kann nachvollziehen, weshalb die Eigner dieses Brennabor uns hier überwiegend als ebensolche Gestalten erscheinen:

Mir ist bisher keine Aufnahme begegnet, auf dem so viele griesgrämige Zeitgenossen gleichzeitig um ein Auto herum versammelt sind.
Es ist offensichtlich, dass dieses Foto kein Schnappschuss ist, die Situation wirkt sogar sorgfältig inszeniert. Wie kann es da gelingen, fast ausnahmslos so schlecht gelaunt bis desinteressiert zu wirken?
Der Brennabor jedenfalls scheint es nicht geschafft zu haben, so etwas wie Besitzerstolz geweckt zu haben, dabei wirkte die Haubenpartie des überarbeiteten Typs D sogar recht gefällig. Der moderne Frontantriebstyp V5 von Stoewer könnte Pate gestanden haben.
Ich kann mir die miesepetrige Stimmung auf diesem übrigens ziemlich seltenen Dokument nicht so recht erklären, aber sie passt zu der traurigen Gestalt, die der Typ D gegen Ende der Autotradition von Brennabor abgab.
Damit wir uns nicht von der Situation ebenfalls stimmungsmäßig herunterziehen lassen, will ich zeigen, dass es damals in dieser Klasse auch ganz anders ging, nämlich so:

Dass auch diese adrette Cabrio-Limousine in Deutschland zugelassen war, darauf geben einige Insignien am Wagen selbst hinreichende Hinweise. Auch meine ich im Hintergrund eine Autobahn zu erkennen, was zur Entstehungszeit der Aufnahme 1937 passen würde.
Dass die beiden schick gekleideten Damen hier gut lachen haben, ist zumindest mit Blick auf ihren fahrbaren Untersatz nur zu verständlich.
Denn hier haben wir einen Fiat 508, der ab 1932 in der 1-Liter-Klasse Maßstäbe setzte. Schon die erste Ausführung stellte den Brennabor dank hydraulischer Bremsen und Stoßdämpfer, 12 Volt-Elektrik und besonderer Drehfreude des Kurzhubers mühelos in den Schatten. Mit 85 km/h Spitze war er auch das deutlich dynamischere Fahrzeug.
Der hier zu sehende Fiat 508A (ab 1934) wartete zusätzlich mit vier statt nur drei Gängen auf und leistete nun bereits 24 PS. Zu dem Zeitpunkt war der Brennabor 1-Liter-Typ C bzw. D bereits verdientermaßen Geschichte. Angeblich wurden davon rund 1.000 Wagen gebaut, eventuell waren es aber weit weniger.
Fiat dagegen eroberte das 1-Liter-Segment im Sturm. Schon der 508 in der ersten Ausführung von 1932/33 wurde in über 40.000 Exemplaren verkauft, vom Nachfolger 508 A (1934-37) entstanden sogar über 70.000 Stück.
Kein deutscher Hersteller erreichte in der 1-Liter-Klasse annähernd solche Zahlen. Dabei entstanden auch reizvolle Sonderversionen, von denen ich demnächst eine vorstellen werde, denn in diesen trüben Tagen benötigen wir alle dringend eine Stimmungsspritze…
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Das mag sein, ergibt aber keine so stimmige Geschichte 🙂
Hallo,
ich schätze, dass die griesgrämigen Blicke eher darauf zurückzuführen sind, dass der Fotograf die abgebildeten Personen gegen die Sonne hat blicken lassen. Das strengt an und macht den Blick verkniffen.
Gruß,
KD
Bekanntlich bekamen die Nationalsozialisten nie eine Mehrheit bei freien Wahlen, aber das hat am Ende nicht geholfen. Gut organisierte und rücksichtslose antiliberale Kräfte können mit Hilfe raffiniert eingesetzter Medien eine Gesellschaft auch dann terrorisieren, wenn sie eigentlich in der Minderzahl sind. Dass die meisten Deutschen im Alltag das Beste aus der Situation zu machen versuchten, ist verständlich – das Leben musste irgendwie weitergehen. Von daher wäre bei der Brennabor-Aufnahme schon ein Quentchen mehr gute Stimmung drin gewesen…
Natürlich 1931, hab’s korrigiert! Zu den späten Typen E und F fehlen mir noch Bilder. Ansonsten habe ich noch viel Material zu den Brennabor-Typen der 1920er Jahre, das ich nach und nach zeige – auch in der zugehörigen Markengalerie.
Lieber Herr Schlenger, erlauben Sie mir einen kleinen Hinweis, es hat sich hier ein kleiner Fehler eingeschlichen. Der Brennabor Typ C wurde ab 1931 gebaut.
Typ D war ab Frühjahr 1933, wie Sie es auch beschreiben, der Nachfolger vom Typ C. Mit dem Typ E und F gab es 1933 noch tolle Neukonstruktionen, allerdings zu spät.
Gehen wir davon aus dass der Brenabour noch richtig frisch ist kann ich mir vorstellen warum die Erwachsenen so ernst in die Kamera schauen, die Machtergreifung hat sicherlich bei sehr vielen Deutschen zu Trübsal geführt.Sicherlich wird auch bei den Fiat Girls die Stimmung bald im Keller gewesen sein sofern sie nicht zu den ganz harten Nazis gehörten.
Ja, stilistisch war der kleine Brennabor Typ D nicht misslungen – Stoewer hatte ja mit fast identischer Frontpartie (V5) ein durchaus ansprechendes Vorbild geliefert. Dennoch fiel der Wagen am Markt durch und das aus gutem Grund: er war technisch einfach nicht auf der Höhe.
Mit den 6 waagrechten Luftschlitzen und der schönen, leicht geneigten Kühlergrillmaske wirkt der Typ D doch sehr beeindruckend ! Leider stellte Brennabor noch im selben Jahr die Automobilproduktion ein, sodaß auch diese Aufnahme zu einem Kleinod der Automobilgeschichte wurde, da sie doch einen authentischen Anblick dieses letzten kleinen Brennabors bietet. Vielen Dank für Ihre schöne Präsentation !