Fund des Monats: Ein Gräf & Stift SR3 der „Holzklasse“

Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich meine, mit Holzklasse bezeichnete man in grauer Vorzeit die dritte Klasse der Eisenbahn, weil die hölzernen Sitzbänke dort keine Polsterung besaßen.

Das war für die dort versammelten Passagiere umso bedauerlicher, als sie in der Regel über kein üppiges Polster am verlängerten Rücken verfügt haben dürften, wie das bei den Angehörigen der höheren Klassen ernährungsbedingt des öfteren der Fall war.

Doch darf man nicht reflexartig die Maßstäbe von heute anlegen und im Fall der Holzklasse gleich himmelschreiende Ungerechtigkeit vermuten.

Denn so wie das erste eigene Automobil mit zwei Zylindern und ohne Heizung damals ein unerhörter Luxus für die Besitzer war, der ihnen eine bis dato undenkbare Reisefreiheit erlaubte, so war der einfachste Eisenbahnwaggon ein kolossaler Fortschritt gegenüber den Verhältnissen, denen der Normalsterbliche über Jahrtausende ausgesetzt war.

Halten wir also fest: Gegen die Holzklasse ist nichts einzuwenden, speziell nicht in Verbindung mit der sprichwörtlichen Verlässlichkeit der Bahn von gestern…

Der Verbindung aus Holz und Klasse lassen sich aber noch ganz andere Seiten abgewinnen – etwa in der Seitenansicht dieses Automobils von Klasse, an dem sich der eigentliche Charme des Einsatzes von Holz sichtbar entfaltet:

Gräf & Stift Typ SR3; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Auch wenn ich Ihnen diese Aufnahme heute als Fund des Monats nahebringe, liegt sie mir schon lange vor – Leser Matthias Schmidt hat sie mir vor Jahren in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt.

So schlummerte sie bereits eine Weile weitgehend unbemerkt in meiner leider überschaubaren Gräf&Stift-Galerie. Von dort fand sie aber immerhin den Weg in die „Coachbuild“-Online-Enzyklopädie, konkret unter dem Namen des Karosseriebauers Armbruster aus Wien.

Dieses Traditionshaus, das schon vor dem 1. Weltkrieg zu den führenden Östereichs zählte, ist jedenfalls als Erbauer der Karosserie des abgebildeten Gräf & Stift überliefert – und als Aufnahmeort Reichenberg in Böhmen (heute: Liberec in Tschechien).

Die Ansprache als Typ SR3 stammt von mir – es kommt angesichts der Dimensionen der Motorhaube auch wenig anderes in Betracht als das 1924 eingeführte Spitzenmodell von Gräf & Stift mit seinem mächtigen 7,8 Liter-Sechszylindermotor:

Das Fehlen von Vorderradbremsen spricht dafür, dass wir es mit einem Exemplar aus dem ersten Produktionsjahr zu tun haben. Wie bei anderen Herstellern im deutschsprachigen Raum auch, dürfte zwar 1924 bereits eine Vierradbremse auf Wunsch verfügbar gewesen sein – als Branchenstandard taucht sie aber erst 1925 auf.

Immerhin war der markentypische Löwe als Kühlerfigur serienmäßig, denn die Firmenplakette ist auf alten Fotos von Gräf & Stift-Wagen mit solchen Spitzkühler nur selten im Detail erkennbar. Die Gestaltung des Kühlers und der Haubenschlitze ist aber ebenfalls hinreichend spezifisch, sodass an der Marke kein Zweifel besteht.

Ein unscheinbares Detail sei bei der Gelegenheit noch erwähnt: die schmale Stoßstange, ein nachträglich montiertes Zubehörteil. Werksseitige und dann auch effektvoll gestaltete Stoßstangen sollten erst die US-Hersteller ab Mitte der 1920er Jahre anbieten.

Was ist aber nun mit der versprochenen Verbindung aus Holz und Klasse? Nun, bei den Manufakturautos jener Zeit war ja eher die Verbindung aus Holz und Metall gängig – fast immer waren die Blechteile des Aufbaus auf einem Holzrahmen angebracht.

Im Fall „unseres“ Gräf & Stift kam Holz jedoch nicht nur unsichtbar als Träger zum Einsatz, sondern wurde bewusst in die Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes einbezogen – nämlich in Form feiner Planken nach Bootsbauermanier:

So ganz begeistert bin ich nicht von dieser automobilen Luxusvariante der guten alten Holzklasse, aber das mag auch daran liegen, dass der Effekt auf einem Schwarz-Weiß-Foto kaum zum Tragen kommt.

Der Reiz ist ja der, dass die mehrfach lackierten Holzplanken ihre Maserung als lebendiges Element einbringen, das mit dem Gleichmaß des toten Blechs kontrastiert. Dahinter mag man tiefenpsychologisch den Wunsch des Städters nach einem Stück Natur in seiner künstlichen Lebensumfeld vermuten – aber vielleicht war es auch nur eine Mode, wenngleich eine an uralte Instinkt anknüpfende.

Der moderne Mensch ist ja überhaupt in vielem noch seinen Vorfahren ähnlich, die sich schon mit der Höhlenmalerei ein Stück lebendiger Natur ins „Haus“ zu holen versuchten. Und Edelholz am Armaturenbrett ist bis in unsere Tage durchaus begehrt – erst kürzlich sah ich ein spektakuläres Beispiel an einem aktuellen Aston-Martin.

Wer täglich draußen ist und sich Bau- oder Feuerholz selbst zurechtmacht, der hat freilich weniger das Bedürfnis, sich mit dem Material auch noch im Auto zu umgeben.

Der Wunsch nach der geglückten Verbindung von Holz und Klasse scheint einst und heute eher eines derer zu sein, die im großbürgerlichen Dasein die „Holzklasse“ der einfachen Leute hinter sich gelassen haben und nun vielleicht einen sympathischen Drang zurück zu den Wurzeln unseres Herkommens verspüren…

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Was für Typen!? Ein Benz Sport-Tourer um 1925

Heute unternehmen wir auf unserem gemeinsamen Trip durch die Autowelt der Vorkriegszeit eine Typenkunde der besonderen Art.

Dabei ist es am Ende gar nicht so wichtig, zu einem genauen Ergebnis zu kommen – denn das Dokument, um das es geht, ist auch so von großem Reiz. Klar ist dabei für mich nur eines: wir sehen hier einen Vertreter der Karosserieform des Sport-Tourers.

Damit bezeichnete man offene Aufbauten, die zwar wie ein klassischer Tourenwagen nur seitliche Steckfenster und ein ungefüttertes Verdeck besaßen, aber weniger Platz boten, meist niedriger gehalten waren und über ein sportlich wirkendes Heck verfügten.

Die Motorisierung blieb in der Regel unverändert, doch die deutliche Gewichtsersparnis dürfte sich fahrdynamisch schon bemerkbar gemacht haben – zumal bei dieser Ausführung die Passagierzahl von vornherein begrenzt war.

Die schwergewichtigen Schwiegereltern mussten also daheimbleiben und das war auch besser so, denn möglicherweise wären sie nicht mit allen dieser Typen als Partie für die Tochter aus gutem Hause einverstanden gewesen:

Benz Sport-Tourer um 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Schon einmal gar nicht geht der Typ links – breitbeinig und mit den Händen in den Hosentaschen posieren, war vor 100 Jahren vielleicht bei Seeleuten üblich, doch bei jungen Männern aus gut betuchten Verhältnissen?

Dass wir es mit Sprösslingen aus „besserem Hause“ zu tun haben, lässt sich zwar nicht beweisen, aber wie Fabrikarbeiter oder Bauernbuben sehen die Jungs nicht gerade aus.

Der ganz rechts wirkt schon ganz so steif wie sein alter Herr mit Direktorposten in einer florierenden Firma oder Kanzlei.

Der in der Mitte schließlich könnte ein Student gewesen sein, eventuell aber auch ein angestellter Fahrer mit typischer Schirmmütze – damals ein klassischer Aufsteigertyp.

So oder so ist man geneigt, amüsiert auszurufen:“Was für Typen!“ Zugleich stellt sich aber auch die Frage „Was für Typen?“, denn davon kommen mit Blick auf den Sport-Tourer mit Spitzkühler mehrere in Frage.

Immerhin beim Hersteller bin ich mir ziemlich sicher – Benz- auch wenn auf den Nabenkappen das typische Emblem zu fehlen schein. Einen Mercedes aus dem Hause Daimler (mit dem Benz 1926 fusionieren sollte) möchte ich ausschließen – aber bilden Sie sich selbst ein Urteil:

Der Spitzkühler ohne Kühlerfigur, die Gestaltung der Vorderkotflügel und der Räder kommt einem jedenfalls ziemlich vertraut vor, wenn man schon viele Fotos eindeutiger Benz-Wagen der 1920er Jahre studiert hat (siehe meine Markengalerie).

Die Vorderradbremsen deuten auf eine Entstehungszeit ab 1925 hin – vorher verbauten deutsche Hersteller meist nur Bremsen an den Hinterrädern und am Antriebsstrang.

Von den Dimensionen her – auch der Räder kommen aus meiner Sicht vor allem zwei Typen in Betracht – der Benz 10/30 PS und der geringfügig längere 11/40 PS (mit 6 Zylindern).

Genau lässt sich das mangels publiziertem Vergleichsmaterial wohl nicht ermitteln. Leider zeigt das in der Online-Bildauswahl knauserige Mercedes-Benz-Archiv unter dem vielversprechenden Titel Benz 11/40 PS „Runabout“ (was einem Sport-Tourer nahekommt) nur einen ordinären Tourer, ansonsten Fehlanzeige.

Aber egal, was das für ein Typ ist – die Wirkung ist letzlich das, was einen hier einnimt.

Dasselbe kann man von Jean Rondeau aus Frankreich sagen – dem meines Erachtens besten Cembalo-Spieler überhaupt. Wie kein anderer bringt er das als langweilig und limitiert geltende Instrument so zum Klingen und Swingen, dass es eine reine Freude ist.

Und selbst wenn Sie mit Meister Bach nichts anfangen können – was ich für einen überwindenswerten Zustand halte – schauen sie sich diesen Typ an, wie er sich seinen Weg zur Arbeit in einer Ruine irgendwo auf dem Land in Frankeich bahnt.

In den nächsten 11 Minuten entführt er einen in eine Welt, in der es noch keine Maschinen gab, aber schöpferische Typen von unerreichter Klasse…

Ab Beginn der sechsten Minute kommt übrigens kurioserweise doch ein Vertreter der Verbrennerfraktion ins Bild – das vielleicht eine Motivation für manchen, „so lange“ durchzuhalten, danach beginnt ohnehin der Teil von Bach’s „Chaconne“ (aus Partita Nr. 2 für Violine), der jeden Jazzer glücklich machen sollte.

Übrigens: Unter bald 1000 Kommentaren unter dieser unerreichten Interpretation eines der großen Meisterwerke der Musikgeschichte fand ich nur zwei in deutscher Sprache…

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Die Haltung macht den Unterschied! Essex Six von 1929

Das ganze Leben lang sind irgendwelche Leute bemüht, dem Einzelnen die „richtige Haltung“ zu vermitteln. Im harmlosen Fall sind es die Eltern, wenn sie einen mahnen: „Junge, halte Dich aufrecht!“ Dagegen ist nichts zu sagen, aber es gehört auch eine eigene Motivation dazu, wenn etwas daraus werden soll.

Ich war als Kind recht dünn und hatte schmale Schultern, war eine Leseratte und hatte mit Sport wenig zu tun – vom üblichen Freizeitradeln und Schwimmen abgesehen.

Irgendwann packte mich der Ehrgeiz – so ab 15 etwa – und ich begann von mir aus an meiner Figur zu arbeiten. Bei schönem Wetter absolvierte ich lange Touren mit dem Rennrad, bei schlechtem Wetter machte ich mit einem Schulfreund, mit dem mich auch die Passion teurer Hifi-Geräte verband, Muskeltraining auf einer selbstgebauten Hantelbank.

Eine vorbildliche Haltung stellte sich nach und nach ein sowie eine Belastbarkeit und Beweglichkeit, von der ich 40 Jahre später noch profitiere. Nur alle Versuche von Lehrern, Pfarrern und sonstigen Pächtern vermeintlicher Wahrheiten, mir eine geistige Haltung in der einen oder anderen Richtung zu vermitteln, blieben vergeblich.

Mit den historischen Kategorien von links und rechts kann ich wenig anfangen – ich war früh ein skeptischer Selberdenker mit null Respekt vor dem, was einem Autoritäten erzählen. Meine Haltung ist davon geprägt, dass ich nur mir alleine gehöre, niemandem verpflichtet bin außer durch Vertrag oder freiwillige Partnerschaft.

Bisher bin ich ganz gut zurechtgekommen im Dasein – aber man muss immer weiter arbeiten an der Haltung – speziell wenn man neuen Herausforderungen begegnet.

Etwa derjenigen, mit einem bleischweren Fahrrad von 1950 ohne Gangschaltung eine Steigung zu nehmen wie hier bei der „Francescana“ im italienischen Umbrien anno 2025, noch dazu mit wollener Anzughose, Straßenschuhen und allerlei Gerödel am Leib:

La Francescana, Umbrien, September 2025; Foto: Giorgia Eleuteri

Hier geht es nicht etwa abwärts, sondern steil aufwärts zum Weingut Arnaldo Caprai, wo auf die Teilnehmer dieser historischen Radsport-Veranstaltung das zweite Frühstück wartete.

Ich kannte den Anstieg vom Vorjahr und hatte mich gut vorbereitet – aus der Ebene heraus Tempo aufbauen und dann, wenn die Steigung zunimmt aus dem Sattel gehen.

Die Fotografin hatte ich gerade erspäht und sie drückte im rechten Moment auf den Auslöser – die richtige Haltung, auch die innere, zahlte sich aus.

Damit war ich indessen bei der Gelegenheit nicht allein .- auch diese junge Dame nahm die Situation an und absolvierte sie mit etwas, was nur (einigen) Frauen möglich ist: Anmut, frei nach Friedrich Schiller „Schönheit in Bewegung“…

La Francescana, Umbrien, September 2025; Foto: Giorgia Eleuteri

Was das alles mit dem Essex des Modelljahrs 1929 zu tun hat? Nun, vordergründig nichts – denn dazu fehlen zwei Räder, sechs Zylinder und gut 50 Pferdestärken.

Das war das Rezept und die Marke, mit welcher der US-Hersteller Hudson in den 20er Jahren den europäischen Markt eroberte – mit einigem Erfolg auch in Deutschland.

Dieses Exemplar ist ein typisches Beispiel für den 29er Jahrgang, das ich bereits bei anderer Gelegenheit vorgestellt habe.

Essex Six, Modelljahr 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ok, die Merkmale des 1929er Essex – die doppelte Reihe Luftschlitze in Verbindung mit sechseckigen Nabenkappen und durchgehender Zierleiste – werden hinreichend deutlich.

Aber in Sachen Haltung lässt die Aufnahme doch deutlich zu wünschen übrig, oder?

Dieses Haltungsdefizit wird sogleich korrigiert und das auf eine Weise, die deutlich macht: Die einzig richtige Haltung kommt aus dem Einzelnen, sie will selbst erarbeitet und selbst erprobt sein – die Mutter muss hier keine Nachhilfe mehr geben:

Essex Six, Modelljahr 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das ist wieder einmal ein Autofoto ganz nach meinem Geschmack. Der Wagen liefert die ideale Kulisse und die nötige Struktur, um sich selbst zu inszenieren: „Seht her, das bin ich!“

Die richtige Haltung macht tatsächlich den Unterschied – wenn sie denn die eigene ist…

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Auf Wunsch auch gender-gerecht! Presto Typ D 9-30 PS

Wer keine echte Arbeit hat oder die Lösung echter Probleme scheut, der bastelt sich Ersatz-Betätigungsfelder. Da freiwillig keiner dafür das Portemonnaie aufmachen würde, muss man dann freilich an öffentliche Gelder kommen.

So werden mit Steuergeld auch die Hobbys Einzelner wie die Gender“forschung“ alimentiert – m.E. eine Pseudowissenschaft, die aber kreativ im Aufstellen immer neuer unfundierter Behauptungen ist, mit denen man andere Leute drangsalieren kann.

Kurioserweise bekam das Fach erst Auftrieb, nachdem die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter erreicht worden war – die viel zu lange auf sich hatte warten lassen.

Da sich danach partout noch keine Gleichverteilung von Jungs und Mädels in Boutiquen und Bergwerken, Friseurstudios und Forstwirtschaft, Maschinenfabriken und Marketingagenturen einstellen wollte, musste etwas Neues her.

Den Anfang machte die These, dass zwischen Mann und Frau praktisch keine Unterschiede bestehen, weshalb alle Ladies für jeden Männerjob genauso gut qualifiziert sind wie die Herren – bloß von den bösen Buben ausgegrenzt werden.

Merkwürdigerweise ging dies meist mit der Forderung einher, den Damen via Quote Zugang zu hochbezahlten Positionen in den Teppichetagen der Konzerne zu verschaffen.

Diese Einseitigkeit habe ich nie verstanden, denn beim Teeren auf der Straßenbaustelle ist es doch auch ganz schön. Doch das war egal, denn in der nächsten Stufe wurde „wissenschaftlich bewiesen“, dass das Geschlecht ohnehin nur eine Konstruktion der Gesellschaft sei, weshalb man es beliebig wechseln könne.

Ein weitere Variante des „Gender“-Hokuspokus war dann die These, dass es ganz viele Geschlechter gebe, für die nun wiederum „Forschungs“gelder benötigt werden.

Über die Auswüchse der Gender-Mythen in der Linguistik will ich mich nicht auslassen – die Vorstellung, dass sich irgendwer ausgegrenzt fühlen könnte, wenn man sagt: „der Mensch“ – „die Person“ – „das Mitglied“, ist schlicht albern.

Jetzt fragen Sie sich wohl: „Wie kommt man darauf, einen Beitrag zum Presto Typ D 9/30 PS – einem der meistgebauten deutschen Autos der frühen 1920er Jahre – so einzuleiten?“

Hier haben wir übrigens so ein Exemplar – eventuell auch ein Typ E 9/40 PS mit Vorderradbremse – mit krasser Gender-Ungerechtigkeit, die wird aber heute korrigiert:

Presto Typ D 9/30 PS; „Fahrt nach Eutin – am Ukleisee“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nun, wie immer dient dieser Blog mir dazu, Erlebtes und solches zu verarbeiten, was mich nebenher beschäftigt. Im vorliegenden Fall geht das so:

Heute abend bastelte ich an einem Damenrad der Marke „Presto“ aus den 1930er Jahren – ein vermurkstes Teil, das ich für kleines Geld erstanden hatte. Zwei Dinge daran waren mir es wert – der Kettenschutz mit originalem Markenschriftzug und das schöne gelochte Kettenblatt mit gut erhaltener Verzahnung.

Beides benötigte ich für ein anderes „Presto“-Projekt – ein Herrenrad derselben Zeit, das über die originalen 26-Zoll-Laufräder verfügte, die zur damaligen „Ballonrad“-Ausführung passten, bei welchem aber besagte Teile fehlten bzw. in desolatem Zustand waren.

Das Damenrad hatte ein schweres Leben in der Nachkriegszeit gehabt – jemand hatte es mit Anhängerkupplung versehen, auf das originale hintere Ritzel ein größeres geschweißt, um die Übersetzung unter Last günstiger zu gestalten, und eine verstärkte Kette montiert.

Dass der grazile Schwanenhalsrahmen das ohne Schäden überstanden hatte, zeugt von der Qualität der Rohre und der Lötungen. Vermutlich war das Gerät auch noch von einem Kerl gefahren worden, der richtige Wartung für überflüssig hielt, der Antrieb war jedenfalls mit verharztem alten Fett nahezu blockiert.

Nach dieser Feierabendkonfrontation mit dem ästhetisch reizvollen Konzept des Damenrads und derbem Tun von Männerhand lag es nahe, das zu verarbeiten, zumal da ich gerade erst ein „neues“ Foto eines Presto-9/30 PS erstanden hatte.

Wie immer möglichst billig wie auch meine Fahrräder, die selten mehr als zweistellige Beträge kosten. Warum auch mehr bezahlen, es war bei aller Qualität Massenmaterial, auch und gerade wenn Adler, Brennabor oder Opel draufsteht.

Die Dinger sind zehn- und hunderttausenfach gebaut worden, die Keller und Speicher der ganzen Republik stehen noch voll damit, täglich tauchen neue „Raritäten“ auf, für die oft Mondpreise aufgerufen und bisweilen auch bezahlt werden.

Während auch die Fahrräder von „Presto“ nicht selten sind – sonst hätte ich nicht dieses Jahr gleich zwei für Mann und Frau in meiner Region erstehen können – sieht das bei den Autos der Marke heute ganz anders aus.

Obwohl ich kein Markenexperte bin, werden Sie die meisten davon auf den Fotos in meiner Presto-Galerie finden. In natura wird es viel schwieriger als im Fall der Presto-Fahrräder.

An dieser Stelle kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, dass in der bis heute selbstverständlichen Dualität von Damen- und Herrenrad der Hausverstand der Normalsterblichen gegenüber den Kopfgeburten der Gender-Priester/innenkaste triumphiert.

So muss es auch heute mit einem Dokument in rückständigem Schwarz-Weiß bleiben, aber immerhin: die Genderbalance stimmt einigermaßen und die modisch-bunte Vielfalt des Erscheinungsbilds dieser Familie kann man sich ja dazudenken:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Erstaunlich, dass man den D-Typ von Presto sogar hier auf Anhieb wiedererkennt – der Spitzkühler mit der angedeuteten „Nase“ am oberen Ende und die vorne scharfgeschnittenen Kotflügel sind sichere Merkmale.

Diese Klarheit in automobiler Hinsicht sowie die schlichte Welt von Männchen und Weibchen in einer zufälligen, aber völlig annehmbaren Mischung ist es, welche mich an diesem Dokument erfreut.

Leider weiß ich sonst gar nichts darüber, die Rückseite des Abzugs ist nicht beschriftet, und ich kann mit der Silhouette der Bauten im Hintergrund nichts anfangen.

Sicher kann aber ein sachkundiger Leser solide Fakten dazu beisteuern – wobei auch phantasievolle Überlegungen zu den abgebildeten Personen willkommen sind. Ich vermute, über deren jeweiliges Geschlecht können wir Einigkeit erzielen, aber davon abgesehen bin ich offen für alle irgendwie fundierten Interpretationen…

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Dagegen sind die Alpen nur Staffage: Steyr 220 Cabrio

Wer wie ich öfters die Schweiz von Norden kommend durchquert, der bekommt – mit etwas Glück – bei günstiger Wetterlage den Alpenhauptkamm in all‘ seiner Majestät präsentiert.

Dieser Anblick nutzt sich auch beim x-ten Mal nicht ab und rückt die irdischen Dinge in die rechte Proportion. Auch wegen solcher demutfördernder Erlebnisse ist das Reisen horizonterweiternd. Mag sein, dass ich deshalb mit den Kopfgeburten eines Kant aus Königsberg nichts anfangen kann – angeblich ist er nie von dort weggekommen.

Heute muss ich allerdings eine neue Einsicht vermelden. Selbst die Alpen können verblassen, wenn man nur das richtige Automobil davor platziert. Mit dem kürzlich besprochenen Hanomag „Sturm“ wäre das wohl nicht passiert.

Dabei hat der heutige Star auf vier Rädern mit dem Dickschiff aus Hannover auf dem Papier etwas Wichtiges gemeinsam – einen 2,3 Liter Sechszylindermotor mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen (ohv) mit 55 PS.

Dass wir es heute aber nicht mit einem wuchtigen Produkt teutonischen Maschinenbaus zu tun haben, sondern mit lässiger Raffinesse aus Österreich, das lassen bereits Details wie die acht (statt nur vier) Kurbelwellenlager ahnen. Gleichzeitig spricht die 12 Volt-Elektrik dafür, dass man seinen Kunden keine 6 Volt-Funzeln und müden Anlasser zumuten wollte.

Die Rede ist vom 1936 eingeführten Typ 220 der österreichischen Traditionsmarke Steyr. Dessen Reiz entfaltet sich aber erst jenseits Papierform auf der Straße vor Alpenpanorama:

Steyr 220 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

In der Ausführung als feines 2-Türen-Cabrio ist der Wagen weit entfernt vom jüngst vorgestellten Hanomag „Sturm“ – den es freilich auch mit eleganten offenen Aufbauten gab.

Der Kühlergrill ohne Mittelsteg ist ein Hinweis auf ein ab 1937 gebautes Fahrzeug, ansonsten muss ich passen, was die genauere Ansprache angeht. Denn vom Steyr 220 wurde eine dermaßen erschlagende Vielfalt an Manufaktur-Cabrios gebaut, dass kaum ein Wagen aussieht wie der andere.

Mal variiert die Scheinwerferposition, mal die Haubengestaltung (Luftschlitze und/oder -Luftklappen), angedeutete Trittbretter oder keine usw.

Die deutsche Zulassung – hier eine bayerische aus der frühen Nachkriegszeit – spricht dafür, dass wir es mit einem Aufbau aus Deutschland zu tun haben:

Wer in der frühen Nachkriegszeit über einen dermaßen leistungsfähigen und eleganten Wagen verfügte, der konnte sich glücklich schätzen. Der Steyr 220 blieb noch eine ganze Weile konkurrenzfähig – nur wenige Autos übertrafen ihn in den 50er Jahren.

Damit konnte man sich sehen lassen und die Alpen schrumpften zur Staffage – nicht nur bildhaft , sondern auch die Ansprüche an Motorisierung und Fahrwerk betreffend.

Heute scheinen die überlebenden Fahrzeuge auf Österreich konzentriert zu sein, was ich schade finde, weil die österreichischen Marken in Deutschland einst keineswegs exotisch waren, sondern von Kennern hochgeschätzt wurden.

Nach dieser Charmeoffensive sollte doch ein sachkundiger Leser aus unserem südlichen Nachbarland nur zu gerne mehr über die Cabrioversionen des Steyr 220 berichten…

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Kölsche Klasse schont die Kasse: Ford Model B 40-4

Wenn man wie ich in einem Zipfel des einstigen römischen Imperiums großgeworden ist und sich für die Geschichte seiner Heimatregion interessiert, kann es passieren, dass man ein lebenslanges Faible für die klassische antike Zivilisation entwickelt.

Auch wenn die Wetterau „nur“ etwa 180 Jahre lang zum Römerreich gehörte, sind die Spuren immer noch allgegenwärtig. Ob die stark gesicherte Grenze – der „Limes“ – mit unzähligen Kastellen und Wachtürmen, ob die in die Hunderte gehende Gutshöfe oder die schnurgeraden Straßen – vieles ist sichtbar geblieben oder ergraben worden.

Egal wohin ich komme, die Hinterlassenschaften Roms interessieren mich am meisten – das ist einfach, wenn man immer innerhalb der einstigen Reichgrenzen gelebt hat und mit ganz wenigen Ausnahmen auch nur dort gereist ist.

Da wundert es nicht, dass ich mich an Köln die rund 400 Jahre währende Geschichte als Hauptstadt der römischen Provinz Niedergermanien am meisten interessiert. Neben dem Dom, der mich im Vergleich zu anderen Kirchen dieses Kalibers eher kalt lässt, steht ein typisches Beispiel für den erbärmlichen Betonbaustil der Nachkriegszeit, das jedoch eine wahre Schatzkammmer der Antike beherbergt – das Römisch-Germanische Museum.

Nachdem die Bombardierungen der Westalliierten und die anschließenden Verheerungen des „Wiederaufbaus“ dem historischen Zentrum Kölns die Seele geraubt haben, ist besagtes Museum für mich der einzige Grund, hin und wieder die Stadt anlässlich einer Sonderausstellung aufzusuchen.

Was Kölsche Klasse angeht – übrigens war in der Colonia auch ein Teil der „Classis Germanica“ stationiert, also die Rheinflotte der römischen Armee – lasse ich ansonsten nur die Hervorbringungen des Ford-Werks gelten, das 1931 in Betrieb ging.

Dort entstand von 1932 bis 1934 in wohl überschaubaren Stückzahlen der Nachfolger des auch in Deutschland gut nachfragten Ford Model A. Der vor allem optisch überarbeitete neue Typ B mit 40 PS-Vierzylinder wurde in den USA zwar rasch zugunsten des brandneuen V8-Modells auf identischem Chassis eingestellt.

In Deutschland sollte der sensationelle Ford V8 aber erst später in die Gänge kommen – ein Thema für den Blog, das ich angesichts der Masse an Material seit Jahren vor mir herschiebe. Stattdessen wurde der Ford B in Köln erst einmal als Vierzylindertyp 40-4 gebaut – jedenfalls ist das mein Eindruck auf Basis der wenigen verfügbaren Fotos.

Hier haben wir eine erst kürzlich erworbene Aufnahme, die so einen Vertreter der Kölner Klasse für den Mann mit knapper Kasse zeigt:

Ford Model B 40-4 mit Kölner Zulassung; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das Kölner Model B, das wir hier in klassischer Ansicht schräg von vorne und leicht von unten aufgenommen sehen, war natürlich nur im Vergleich zum V8 etwas für Leute mit knapper Kasse – das waren die, welche beim Benzinverbrauch etwas mehr auf die Mark achten mussten.

Für den deutschen Durchschnittsverdiener dagegen war in den 1930er Jahren jedes Auto von vornherein unerschwinglich. Selbst ein leichtes Motorrad war ein Luxusgegenstand und für ein gutes Fahrrad war der Gegenwert mehrerer Monatsgehälter zu sparen.

Vor diesem Hintergrund ist der damalige Autobahnbau ab in Deutschland als reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und Prestigeangelegenheit zu sehen, was die Leistung der Planer und Baufirmen keineswegs schmälert – die darf man losgelöst vom Auftraggeber durchaus bewundern, gerade gemessen an heutigen Verhältnissen.

Warum man dem Model B von Ford auf zeitgenössischen Fotos deutlich seltener begegnet als seinem Vorgänger, erkläre ich mir damit, dass Ford mit dem Modell „Köln“ (Y-Type) ab 1933 ein simpleres und günstigeres Auto anbot, das sich besser verkaufte.

Vielleicht weiß aber auch ein Leser mehr darüber – mit den deutschen Ford-Modellen jener Zeit kenne ich mich nicht sonderlich gut aus.

Die V8-Modelle von Ford kommen auch noch zu ihrem Recht – die vielen in Deutschland dokumentierten Fahrzeuge dieses Typs scheinen heute völlig verschwunden zu sein – ein weiteres Mysterium, für das ich allerdings eine Erklärung zu haben glaube…

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Etwas Farbe gefällig? Neues vom Hanomag „Sturm“…

Wer würde sich angesichts der näherrückenden dunklen und meist grauen Jahreszeit nicht etwas mehr Farbe im Alltag wünschen?

Nachdem das mit dem Goldenen Oktober dieses Jahr nichts mehr wird – in meiner Heimatregion, der hessischen Wetterau, regnet und windet es seit Wochen überwiegend – konnte ich mich dieser Tage immerhin an den Farben des wilden Weins am benachbarten Gartenhof von Löw erfreuen, dessen Blätter sich in unserer Einfahrt sammelten und ein herrliches Bild abgaben.

Fast tat es mir leid, die Pracht zusammenzufegen, aber irgendwann schlägt eine malerische Melange in Unordnung um, und das mag ich gar nicht – was nicht heißt, dass ich alles so in Ordnung zu halten vermag, wie ich mir das wünsche.

Immer wieder kommt mir bei meinen selbstgeschaffenen Aufgaben und vielfältigen Neigungen die Notwendigkeit zum Geldverdienen dazwischen. Kaum meint man, alles im Griff zu haben, kommen wieder einige eilige Aufträge herein und alles andere bleibt tagsüber stehen und liegen.

Auch das Wochenende muss mitunter dran glauben und sechs Wochen bezahltes Nichtstun kenne ich seit gut 10 Jahren nicht mehr – die Vorteile des Freiberuflerdaseins überwiegen indessen.

Ebenfalls seit rund 10 Jahren gelingt es mir immerhin, nebenher diesen Blog am Leben zu halten, der monatlich stabil rund 5.000 Besucher anzieht. Das dürfte in etwa das Potenzial derer im deutschen Sprachraum sein, die sich hauptsächlich für Vorkriegsautos interessieren und keine „German Angst“ vor dem Internet haben.

Mir genügt das, zumal es mir vor allem darauf ankommt, eine sonst nirgends zu findende markenoffene sowie kosten- und werbefrei zugängliche Fotodokumentation von Vorkriegswagen in Europa aufzubauen.

Zu den gar nicht mal so exotischen Marken, die merkwürdigerweise andernorts nicht annähernd so umfassend im Netz präsent sind wie in meinen Galerien, gehört der Maschinenbauer Hanomag aus Hannover.

Während viele damit vor allem das minimalistische „Kommissbrot“ – den Typ 2/10 PS von Ende der 1920er Jahre – verbinden, interessieren mich eher die richtigen Autos der Marke, die einigermaßen auf der Höhe der internationalen Entwicklung waren.

Mein Favorit ist das 6-Zylindermodell „Sturm“, das von 1934-39 gebaut wurde. Neben schicken Cabriolets dieses Typs begegnen einem vor allem Limousinenausführungen – aber auch diese Klassiker können je nach Aufnahmesituation extravaganten Reiz entfalten:

Hanomag „Sturm“; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Den prächtigen Pfau im Vordergrund erkennt man ohne Spezialwissen als solchen, doch benötigt man im Fall des geschlossenen Viertürers dahinter gewisse Vorkenntnisse.

Dass wir es mit einem Hanomag zu tun haben, das kann man dem Flügelemblem entnehmen, welches nur sehr entfernte Verwandschaft mit dem von „Adler“ aus Frankfurt am Main aufweist.

Während der parallel gebaute und ziemlich verbreitete Vierzylindertyp „Rekord“ nur vier der seitlichen Luftklappen in der Motorhaube besaß, waren deren fünf der 6-Zylinderversion „Sturm“ vorbehalten.

So beeindruckend dieser Wagen mit seinem gut 20 Zentimeter längeren Radstand auch daherkam, waren mit 50-55 PS aus 2,3 Litern keine großen Sprünge möglich. Das war in Ordnung, denn immerhin Dauertempo 100 auf den neuen und mangels Masse leeren Autobahnen war damit machbar – mehr bot auch der Mercedes-Benz 230 damals nicht.

Vielleicht hätte man bei der Namenswahl dieses durchaus repräsentativen Hanomag aber weniger reißerisch sein sollen. „Stürmisch“ unterwegs war man mit diesem Fahrzeug ebensowenig, wie man als Pfau Flugrekorde aufzustellen vermochte.

Dass kurze Strecken aber durchaus elegant im Fluge zurückgelegt werden können, das weiß ich aus eigener Anschauung, weil die Pfauendamen aus der Nachbarschaft schon einmal über den First unserer alten Ziegelsteinscheune geflogen kamen.

Schade, mag man beim eingangs gezeigten Foto denken, dass man den trefflich fotografisch eingefangenen Pfau nicht in Farbe bewundern kann. Die sonst so spannende Schwarz-Weiß-Ästhetik der Vorkriegsfotos hat bisweilen auch ihre Nachteile.

Doch zumindest was den Hanomag „Sturm“ angeht, kann ich dem verständlichen Wunsch nach etwas Farbe nachkommen. Ob nun im Original bereits so fotografiert oder nachkoloriert, hat dieses in der Vorkriegszeit abgelichtete Exemplar besonderen Reiz:

Hanomag „Sturm“; Originale Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Vor dem Café von Konditor Otto Winkler in Wernigerode im Harz stand in den späten 1930er Jahren ein Hanomag Sturm. Sein Konterfei und das des schönen Baus im Stil der frühen 20er wurde einst auf einer Ansichtskarte verewigt.

Mein Exemplar ging erst im Oktober 1959 im Osten unserer Republik auf die Reise, als ebenfalls Herbst war und die Landsleute noch nicht wussten, wie trüb die Aussichten waren und wie lang das Grau der sozialistischen Elendswirtschaft anhalten würde…

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Mit 105 ein „Youngtimer“: Vinot & Deguingand um 1920

Ich bin zwar erst 56, aber alt genug, um mich an Zeiten erinnern zu können, als ein 20 Jahre alter Wagen einfach nur als Gebrauchter oder alte Kiste bezeichnet wurde.

Ein begabter Zeitgenosse erfand dafür aber irgendwann die modische Bezeichnung „Youngtimer“, um ein neues Marktsegment zu kreieren, von dem die Leute glauben sollten, der begehrte Oldtimerstatus sei darin schon enthalten, man müsse nur noch etwas warten.

Die Vorstellung, dass jedes ordinäre Altvehikel durch bloßen Zeitablauf automatisch in den Oldtimer-Adelsstand erhoben wird, ist einigermaßen naiv. Es ist keine exakte Wissenschaft, aber die Leute und der Markt urteilen nicht nur anhand des bloßen Alters darüber, ob bei einem Autoklassiker ein ausreichender Nostalgiefaktor gegeben ist.

Mir fällt da als abschreckendes Beispiel der Talbot Samba in Cabrio-Ausführung ein, mit dem mich während meines Wehrdiensts 1988/89 ein Kamerad öfters mit in die Kaserne nach Rotenburg/Fulda nahm. Das Ding war gerade erst ein paar Jahre alt, wirkte aber schon damals wie das heillos veraltete Produkt einer sozialistischen Bananenrepublik.

An den Golf 2 in Dieselausführung – mein Fahrschulauto – erinnere ich mich ebenfalls mit Schaudern, weil das Armaturenbrett im Leerlauf schepperte und die deutschen Gestalter dieses Geräts die italienischen Design-Gene des Ur-Golf gründlich ausgemerzt hatten.

Bevor ich mir etwaige Freunde solcher Gruselgefährte der 80er zum Feind mache, ziehe ich mich besser in die sicheren Gefilde des Vorkriegsautomobils zurück. Denn tatsächlich würde jedes Kind bei jedem überlebenden Exemplar heute zuverlässig „Ein Oldtimer!“ ausrufen.

Das hat natürlich mit der speziellen Formgebung zu tun, die spätestens ab 1950 bei den meisten Herstellern Geschichte war. Einzelne Ausnahmen wie der Citroen Traction Avant, diverse MGs und Mercedes-Benz bestätigen lediglich die Regel.

Doch möchte ich einen Sonderfall zeigen – einen Vorkriegswagen, der sich trotz seines heutigen Alters von 105 Jahren lediglich als Youngtimer einordnen lässt – jedenfalls auf diesem Dokument:

Vinot & Deguingand um 1920; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Natürlich werden Sie jetzt sagen, dass ein Auto kaum besser den Stil eines echten Oldtimers verkörpern könnte als dieser Tourenwagen. Und von der reinen Papierform her haben Sie auch recht.

Denn dieses in die Jahre gekommene Gefährt lässt sich anhand des Markenemblems auf dem Kühlergrill – der von einem Oval umgebenen Buchstabenkombination „VD“ – als Vinot & Deguingand identifzieren.

Was klingt wie ein ehrwürdiges Chateau in der (aus meiner Sicht überschätzten) Weinregion des Bordeaux, war eine französische Autofirma, die von 1901 bis 1926 aktiv war.

Anhand der Kühlerform, der geraden Linie von Motorhaube und anschließendem Windlauf sowie der Kotflügelgestaltung würde ich das Exemplar auf meinem Foto als Modell von ca. 1920 ansprechen (vgl. Reklamen von 1919 bzw. 1921).

Vielleicht kann ein sachkundiger Leser den Typ näher eingrenzen, mir fehlt dafür die Expertise und die Zeit. Bei den in die tausend gehenden französischen Nischenmarken muss ich die weiße Flagge hissen.

Als obiges Foto entstand, hatte gerade die französische Regierung die weiße Flagge angesichts des raschen Durchbruchs der deutschen Angreifer im Sommer 1940 gehisst – bei aller Ungemach der anschließenden Besatzung letztlich eine weise Entscheidung, die dem Land weitgehende Zerstörung und gigantischen Blutzoll ersparte.

Nach der Kapitulation wurden allerorten deutsche Soldaten einquartiert und Autos, die man altersbedingt nicht mehr für die Truppe einkassieren konnte, dienten zumindest als beliebtes Fotomotiv für die „Landser“, von denen die meisten noch nie in einem PKW gesessen hatten. Deutschland war nämlich trotz des als Beschäftigungsmaßnahme dienenden Autobahnbaus im Vergleich zu Frankreich ein automobiles Entwicklungsland.

Solche Aufnahmen sind daher nicht selten, zumal in der Frühphase des 2. Weltkriegs noch reichlich Filmmaterial vorhanden war, das man für solche Aufnahmen verjuxen konnte.

Ein besonders hübsches Beispiel, das ebenfalls einen französischen Youngtimer unter deutscher Besatzung zeigt, ist das nachfolgende:

unbekanntes französisches Landaulet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Blenden wir für einen Moment die Zeitumstände aus – ich bin der letzte, welcher für die deutschen Kriegsführung ab 1939 Sympathie aufbringen kann – man muss trotz allem in der Lage sein, den Einzelnen in einem Moment des Geschehens zu sehen.

Hätte dieser junge Luftwaffenoffizier nicht eher das Zeug zum Filmstar gehabt, anstatt mit seinen Kameraden seinem kriegerischen Handwerk nachzugehen?.

Die Paradoxie dieses Fotos liegt darin, dass man sich seines Reizes nicht entziehen kann und doch weiß, dass alles falsch und katastrophal war, was diese Männer seinerzeit mehr oder weniger gezwungenermaßen, mehr oder weniger begeistert taten.

Dieses Paradoxe hat vor Jahren ein amerikanisches Mitglied meiner Facebook-Vorkriegsautogruppe scherzhaft auf den Punkt gebracht: „The Germans should have won the war – they had the cooler cars and smarter uniforms„.

Das aus US-Mund will ich unwidersprochen stehenlassen. Auch der Humor ist ein Mittel, um irgendwann ein gesundes distanziertes Verhältnis zum Horror der Vergangenheit zu erlangen – Voraussetzung dafür, wieder ein normales Verhalten an den Tag zu legen, anstatt mit irrem Furor angebliche Buchstaben-Vergehen zu verfolgen…

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Gleich zwei fliegende Holländer? Chevrolet „Master Eagle“

Eines vorab: Irgendwelche Scherze zulasten unserer Nachbarn liegen mir nicht.

Wir Deutschen sind (wie alle Völker) gut beraten, anderen Nationen mit Respekt und Sympathie für das, was uns trotz mancher Gemeinsamkeit merkwürdig erscheint, zu begegnen. Was uns eint, ist zwar angenehm, doch erst das, was uns unterscheidet, macht Europa zu einem wundersamen Kaleidoskop der Kulturen.

So kommen auch die beiden mutmaßlichen fliegenden Holländer heute bei mir gut weg – vielleicht handelte es sich auch um fliehende Holländer, das kann keiner mehr wissen.

Ob wir es überhaupt mit Holländern zu tun haben, das überlasse ich am Ende Ihrem Urteil. Wie ich auf das sprachliche Bild kam, das erfahren Sie gleich, wenn Sie das fotografische Bild gemeinsam mit mir konsumiert haben.

Zuvor fliegen wir jedoch noch rasch über den Atlantik, blieben dabei aber in derselben Zeitzone – jedenfalls, was die Epoche angeht. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an diese beiden Herren aus den Staaten, die ich hier schon einmal präsentiert habe:

Chevrolet „Master Eagle“ von 1933; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der neu wirkende Wagen, vor dem sie so lässig posieren, war eines der spannendsten US-Autos seiner Zeit – es handelt sich um einen Chevrolet „Master Eagle“ von 1933.

Der Wagen besaß eine klassische, beinahe europäische Optik mit Spitzkühler und verband diese dezent mit modernen Gestaltungselementen wie den gerade erst aufkommenden seitlichen Kotflügelschürzen und ausstellbarem Dreiecksfenster. Markant, aber nicht aufgesetzt wirken die moderat dimensionierten Luftklappen in der Haube.

Unter derselben arbeitete ein feiner Sechszylindermotor mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen (ohv) – bei den meist aus dem Hubraum schöpfenden US-Aggregaten eher die Ausnahme als die Regel. 60 PS aus gut 3 Litern Hubraum waren das Ergebnis.

Wenn einem das Gesamtpaket von den äußeren wie inneren Werten beeindruckend erscheint, muss man freilich eines wissen: Nach amerikanischen Maßstäben war das bloß ein Auto der Einsteigerklasse, darunter gab es nicht viel.

Knapp eine halbe Million Exemplare des 1933er Chevy wurden damals an den Mann gebracht – einschließlich der etwas simpler ausgestatteten 50 PS-„Mercury“-Variante.

Bei solchen Qualitäten – einschließlich synchronisiertem Getriebe beim „Master Eagle“ – und solchen Stückzahlen wäre es verwunderlich, wenn einem dieses Auto nicht auch in Europa begegnen würde.

Genau das kann ich mit dem folgenden Foto belegen, das so einen Chevrolet „Master Eagle“ bei einem Stop während einer wohl längeren Reise zeigt:

Chevrolet „Master Eagle“ von 1933; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So leicht es fällt, den Wagen wiederzuerkennen, so groß ist der Kontrast, was das Erscheinungsbild der davor abgelichteten Herren angeht.

Die beiden Fotos illustrieren aus meiner Sicht ganz nebenbei die enormen kulturellen Unterschiede zwischen dem alten Europa und der Neuen Welt – die man übrigens auch in Lateinamerika registriert, wenn man Spanien als Maßstab zugrundelegt.

Man darf sich nicht von den gemeinsamen sprachlichen Wurzeln in die Irre führen lassen – die Amis haben mit den Engländern kulturell ungefähr soviel gemeinsam wie die Brasilianer mit den Portugiesen. Das soll keine Wertung in irgendeine Richtung sein, es ist nur wichtig, um die häufigen Missverständnisse zwischen den Völkern beiderseits des Atlantiks zu „verstehen“ – sie sprechen nur vordergründig eine gemeinsame Sprache.

Nachdem wir das im Vorübergehen abgehandelt hätten, kehren wir zu unserem schön in der Landschaft geparkten Chevy von anno 1933 zurück. Mit dem „Meister-Adler“ flogen mutmaßlich zwei Holländer gen Süden, wie das heute auch noch schöner Brauch ist.

Ich komme deshalb darauf, weil ich meine, auf dem ovalen Nationalitätskennzeichen am Heck des Wagens die spiegelverkehrte Prägung „NL“ zu erkennen. Sollte ich mir das nur einbilden, dann bringen Sie mir es bitte schonend bei oder gehen Sie ganz darüber hinweg.

Denn während ich diese Zeilen schrieb, hörte ich eine Reihe verschiedener Interpretationen der Ouvertüre zur Oper „Der Fliegende Holländer“, die Richard Wagner als gerade einmal 28-jähriger schrieb, nachdem er auf der Flucht vor seinen Gläubigern eine dreiwöchige turbulente Seereise von Riga in Lettland nach London überstanden hatte.

Die Story macht den ollen Wagner, der von kleinen Geistern als umstritten tituliert wird, doch gleich viel spannnender, oder? Zugegeben: Ich habe rund 30 Jahre gebraucht, um mir seine Musik zu erschließen, aber womöglich geht das schneller, wenn man nicht mit dem Ring des Nibelungen anfängt, sondern erst einmal beim Fliegenden Holländer anheuert.

Vielleicht mag ja heute einer mitgehen auf diese Reise. Den idealen Einstieg dazu bietet nach meinem Geschmack Meister Thielemann mit dem Orchester der Festspiele Bayreuth. Er gilt in manchen Kreisen als so krass konservativ, wie das SPD-Kanzler Helmut Schmidt heute wäre, mit dem er vielleicht nicht nur den scharf gezogenen Scheitel teilt.

Thielemanns Interpretation der Overtüre zum Fliegenden Holländer ist an den richtigen Stellen so wogend-wuchtig, wie man sich das bei diesem Thema wünscht. Aber er meidet dabei die aggressiven metallisch-schneidenden Bläsereinsätze, wie sie manche andere Dirigenten (z.B. Karajan) von jeher bevorzugen.

Wagner braucht dergleichen plumpe Wochenschau-Effekte überhaupt nicht und seine romantischen Seiten sind die reine Wonne, wenn man sich auf ihn einlässt…

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Doktorwagen im XL-Format: Hansa-Limousine um 1913

Beim Stichwort „Doktorwagen“ denkt der Vorkriegsautofreund vermutlich am ehesten an die frühen Zweisitzer von Herstellern wie Opel, die einst von Landärzten und Veterinären gekauft wurden, um schneller (oder überhaupt) zu ihren Patienten zu gelangen.

Das war ab etwa 1905 der Fall und erstmals wurde der phänomenale praktische Nutzen des Automobils auch Skeptikern vor Augen geführt. Am Wochenende konnte der Doktorwagen dann zum Flanieren mit der Gattin eingesetzt werden.

Hier haben wir einen typischen Vertreter dieser Gattung, gebaut von der Hansa-Automobil-Gesellschaft (HAG) als 10 PS-Zweizlinder bzw. als 12 PS-Vierzylinder ab 1906/07:

Hansa A10 oder A12 von 1906-1908; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Bei der Gelegenheit gibt es etwas Grundsätzliches festzuhalten, und zwar die Form des Kotflügels betreffend. Man versteht hier auf Anhieb, wieso das Teil mit einem aus der Vogelwelt entlehnten Begriff benamt wurde.

Die expressive Gestaltung mit nach unten zunehmender Breite wich ab etwa 1908 allgemein einer schlichteren Ausführung, deren unteres Ende an das Trittbrett anschloss und dessen Breite nicht mehr überschritt.

Sollte das zu abstrakt formuliert sein, werden Sie auf der folgenden Aufnahme sehen, was damit gemeint ist. Diese stammt wie das erste Foto aus der Sammlung von Leser Klaas Dierks, der als „Nordlicht“ der Marke Hansa nicht nur geografisch nahesteht.

Bevor wir dazu kommen, vergegenwärtigen wir uns dies: Zwischen dem eingangs gezeigten „Hansa“ und dem nachfolgend gezeigten liegen gerade einmal sechs bis sieben Jahre.

Überlegen Sie einmal, ob Sie jeden vor sechs Jahren eingeführten Wagen heute auf Anhieb von einem aktuellen Modell derselben Marke unterscheiden könnten.

Daran kann man ermessen, dass das Automobil in seinem Lebenszyklus längst in seiner Reifephase angelangt ist. Es gibt nur noch geringfügige Verbesserungen, selbst das Elektroauto ist eine Variation über ein altes Thema und ist in seinem Erscheinungsbild kaum vom Mainstream zu unterscheiden.

Vor 120 Jahren sah das ganz anders aus – damals vollzog sich die Innovation so schnell, wie das in unseren Tagen im Bereich der digitalen Technologie der Fall ist (jedenfalls dort, wo die Kompetenz dafür vorhanden ist, also nicht im Industriemuseum Deutschland).

So sah also der „Doktorwagen“ aus dem Hause Hansa kurz vor dem 1. Weltkrieg aus:

Hansa Limousine um 1913; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Haben Sie die gewölbte Frontscheibe dieser geräumigen Limousine bemerkt? Das war vor dem 1. Weltkrieg nur bei sehr gehobenen Fahrzeugen zu finden. Dass wir uns in der Vorkriegszeit befinden, das verrät die Form der Scheinwerfer – sie waren noch gasbetrieben.

Dieses Luxusgerät mitsamt Chauffeur soll ein Doktorwagen sein? Gewiss, es steht sogar auf der Tür zum Passagierabteil: „Dr. S“ ist dort zu lesen.

Das verwies auf einen Dr. Schneider aus Leipzig, so ist es mit diesem Foto überliefert. Er selbst muss ein begeisterter Automobilist gewesen sein, denn er trägt eine Fahrermütze wie sein Chauffeur, eventuell saß er gern auch selbst am Volant.

Leider wissen wir nicht, wie unser Dr. Schneider zu soviel Geld gekommen war, um sich einen Wagen dieser Klasse leisten zu können. Als Hausarzt wird er kaum so viel verdient haben – es sei denn, seine Gattin hatte das nötige Kleingeld mit in die Ehe gebracht.

Klären können wir aber immerhin, mit was für einem Fahrzeug wir es hier zu tun haben. Dass es sich ebenfalls um einen Hansa handelt, habe ich ja leider bereits mit dem Titel verraten. Aber wie komme ich darauf?

Nun, eine gute Quelle ist meine Hansa-Galerie, in der sich dieses Foto eines Wagens mit identischen Details an der Motorhaube findet:

Hansa Tourenwagen um 1913; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dass dieser Wagen einen offenen Aufbau trägt, ist unerheblich – nur die Frontpartie war damals marken- und typspezifisch.

Die Ausführung der Motorhaube mit zwei Griffmulden und nach hinten versetzten Luftschlitzen findet sich meines Erachtens erst bei späten Hansa-Exemplaren ab etwa 1913.

Die eher kleinen Modelle mit 18 bis 24 PS sahen zwar ähnlich aus, doch die Länge der Motorhaube ist ein Indikator für eine stärkere Motorisierung. In Frage kommen die 30 PS leistenden Typen D (nur 1912) bzw. E (ab 1912) sowie die Typen G und E mit 36 bzw. 45 PS (1912-1914).

Im Fall unseres Doktorwagens im XL-Format spricht das schiere Gewicht des geschlossenen sechsfenstrigen Aufbaus für eines der Spitzenmodelle.

Welches davon genau in Frage kommt, das konnte ich auch anhand des mir neuerdings vorliegenden Standardwerks zur Marke Hansa bzw. Hansa-Lloyd (Harro Neumann: Norddeutsche Automobilpioniere, Hauschild-Verlag; Bremen, 2005) nicht klären.

Das Werk kann ich indessen uneingeschränkt empfehlen, zumal da es auch ausführlich auf das Arbeitsumfeld jener Zeit, hochrangige Besitzer und Sportaktivitäten eingeht.

Auch dieses Buch kann zwar nicht alle Detailfragen beantworten, liefert aber im XL-Format Informationen und Bildmaterial zu Hansa, die mir bisher unzugänglich waren. Harro Neumannn hat sich damit aus meiner Sicht zumindest den Dr. h.c. erarbeitet….

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Nicht vollkommen, aber perfekt! Facetten des Fiat 1500

Es geht doch nichts über eine gelungene Paradoxie – die modische Bezeichnung „Sondervermögen“ für noch mehr Schulden gehört allerdings nicht dazu. Das ist eine Beleidigung des Verstands und sagt einiges über die Seriosität der Urheber aus.

Aber dass etwas perfekt unvollkommen sein kann, das hat bei aller Widersprüchlichkeit durchaus Substanz – jedenfalls wenn das Ausgangsmaterial der wohl vollkommenste Wagen der 1,5 Liter-Klasse von Mitte der 1930er Jahre ist.

Kein anderer Hersteller bot damals dermaßen viel Leistung, Laufkultur, Platz und Charakter wie Fiat mit seinem 1935 eingeführten Typ 1500. 45 PS und 6 Zylinder in dieser Hubraumklasse suchten ebenso ihresgleichen wie der enorm bequeme Einstieg dank vier Türen und fehlendem Mittelpfosten.

Kein Wunder, dass sich dieses feine Automobil auch in deutschen Landen einiger Nachfrage erfreute. Jedenfalls finde ich seit Jahren immer wieder „neue“ zeitgenössische Aufnahmen in Deutschland zugelassener Fiats des Typs 1500.

Heute präsentiere ich wieder einen Schwung davon. Auf keiner der folgenden Aufnahmen findet man den Fiat vollkommen – aber wie er sich präsentiert, das ist stets perfekt!

Diesen Eindruck gewinnt man bereits im Fiat-Autosalon von Arnold Klok am Alsterdamm in Hamburg – dort zeichnet sich die unverwechselbare Frontpartie mit den schrägstehend an die Kotflügel angesetzten Scheinwerfern ab:

Fiat 1500 Limousine; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Übrigens bemerkt man auf diesem außerordentlichen Foto von Leser Klaas Dierks ein weiteres unvollkommenes, aber perfekt platziertes Exemplar auf der Straße.

Das wenige, was wir hier sehen, genügt uns vollkommen, um den auch im Heilbronner Fiat-Werk (ex NSU) gebauten Wagen auf dem nächsten Foto auf Anhieb perfekt identifizieren zu können.

In diesem Fall handelt es sich um ein Fahrzeug aus dem Raum Leipzig:

Fiat 1500 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vom Fiat sieht man genug, um sich vollkommen sicher zu sein. Perfekt wird die Aufnahme dann durch den davor posierenden jungen Mann. Im August 1938 ließ er sich so ablichten – ein gutes Jahr später dürfte man ihn nur noch in Uniform gesehen haben, und dann vielleicht nie wieder.

Vielleicht haben Sie auf dem letzten Foto die eigenwilligen vertikalen Türgriffe bemerkt, die weitgehend in die Karosserie eingelassen waren. Auch sie erleichtern die Ansprache des Fiat 1500, selbst dann wenn er sich so mitgenommen präsentiert wie hier:

Fiat 1500 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sehen Sie, so perfekt kann ein unvollkommener Gegenstand wirken – vorausgesetzt es gibt etwas, was einen daran so fesselt wie das Gesicht der jungen Frau, das sich trotz der übrigen Spuren der Zeit ganz wunderbar erhalten hat.

Man muss gar nicht viel erzählen über diesen faszinierenden Wagen – er ist stets perfekt präsent, selbst wenn er sich nur unvollkommen erkennen lässt. Sie werden diesen Typ garantiert immer wieder erkennen, sollte Ihnen mal einer begegnen.

Im Deutschland des 21. Jh. wird das allerdings schwierig, mir ist hierzulande überhaupt erst ein einziger begegnet und das war ein Italien-Import.

Aber zum Glück gibt es diesen Blog und hier können Sie mühelos und sorgenfrei eine Reise zurück in jene Zeit unternehmen, in der ma n dem Fiat 1500 auf deutschen Boden öfters begegnete – etwa im Mai 1936:

Fiat 1500 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich könnte noch eine Weile so weitermachen, aber dann wird die perfekteste Sache irgendwann vollkommen langweilig.

Also variieren wir das Thema zum Schluss noch ein wenig und gewinnen ihm eine weitere Facette ab, die ich gelegentlich auch beim kleineren Schwestermodell 1100 beleuchten will.

Ab 1940 bekam der Fiat 1500 nämlich eine neue Frontpartie spendiert, die weniger geschmeidig wirkte und Tendenzen im US-Automobilddesign aufnahm. Außerdem erhielt er ausstelbare Dreiecksfenster zur gezielteren Belüftung des Innenraums:

Fiat 1500 C Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser technisch unveränderte Fiat 1500C wurde bis 1943 gebaut. Ob und wie lange er auch im Heilbronner Werk gefertigt wurde, ist mir nicht bekannt.

Ein Exemplar davon muss aber während des 2. Weltkriegs in Deutschland gelaufen sein und das ist der oben gezeigte Wagen, der um 1950 in Sachsen aufgenommen wurde. Dafür spricht jedenfalls der umseitige Stempel eines Fotoladens in Bad Schandau.

Wieder eine unvollkommene Wiedergabe des Fiat, aber ein perfektes Foto, finde ich. Denn es hat alles, was ein historisches Dokument des Automobils als Begleiter und Wegbereiter im Dasein seiner einstigen, meist längst verschwundenen Besitzer ausmacht…

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Lust auf Lack & Leder? Protos C1 10/45 PS

Sollten Sie den Titel des heutigen Blog-Eintrags irgendwie frivol finden, ist das allein Ihr Problem – denn bei „Lack und Leder“ denkt der anständige Liebhaber des Klassischen natürlich nur an vierrädrige Leidenschaften.

Mir kommt da etwa mein 1974er MGB GT in den Sinn – einer der allerletzten vor Einführung des „Gummiboots“, also der ungeliebten Variante mit Plastikfront und -heck.

Äußerlich ist der ursprünglich in die Schweiz gelieferte Wagen völlig original – auch der Motor mit inzwischen weit über 200.000 km auf der Uhr ist noch der ursprüngliche.

MGB GT von 1974 in Bad Nauheim; Bildrechte: Michael Schlenger

Doch beim Interieur hatte sich bereits der Vorbesitzer ein geschmackvolles Luxus-Upgrade erlaubt – schöne Ledersitze im klassischen Stil. Leider ahnt man das hier allenfalls – daher ist mir bewusst, dass ich in Sachen „Lack & Leder“ noch liefern muss.

Das tue ich mit Vergnügen anhand eines heute vergessenen, aber einst verbreiteten deutschen Automobils der 1920er Jahre – des Protos C1 10/45 PS aus Berlin.

Das war der Nachfolger des Typs C10/30 – zusammen mit dem Brennabor 8/24 PS, dem NAG C4 10/30 PS, und dem Presto D 9/30 PS eines der meistgebauten deutschen Fabrikate der Mittelklasse zu Beginn der 1920er Jahre.

Neben der auf 45 PS gesteigerten Motorleistung und den serienmäßigen Vierradbremesn war es vor allem die andere Gestaltung der Motorhaube mit zweimal fünf hohen Luftschlitzen, was den Typ C1 vom Vorgänger unterschied.

Hier haben wir ein bisher noch nicht gezeigtes Foto mit einem solchen Exemplar in Landaulet-Ausführung – eventuell ein Taxi:

Protos C1 10/45 PS Landaulet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Von der bei Chauffeuren damals verbreiteten Ledermontur ist hier leider so wenig zu sehen wie von den Ledersitzen meines MG in originaler „Blaze-orange“-Lackierung.

Doch seien Sie unbesorgt – am Ende bekomme ich wie immer die Kurve – als Autoenthusiast ist man ein paar Umwegen gegenüber doch nicht abgeneigt.

Immerhin Leder-Knobelbecher neben auf Hochglanz poliertem Lack gibt es auf der nächsten Aufnahme von 1928 zu sehen. Sie zeigt Soldaten der Reichswehr – also der Armee der Weimarer Republik – neben ihrem prächtigen Tourenwagen:

Protos C1 10/45 PS Landaulet; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Die Fotos aus dem Fundus von Leser Matthias Schmidt aus Dresden sind normalerweise schwer zu übertreffen – doch heute kann ich eine Ausnahme präsentieren.

Das liegt aber nicht nur an der noch überzeugenderen Darbietung in Sachen Lack & Leder, sondern auch daran, dass wir beim folgenden Beispiel wissen, was es für ein Fahrzeug war.

Diesen Umstand wie das Foto selbst verdanke ich Wolfgang Kuessner aus Kiel, der im Netz eine beeindruckende Sammlung an historischen Aufnahmen zur Kieler Geschichte nach Themen sortiert aufgebaut hat.

Er wollte von mir den Hersteller des Fahrzeugs wissen, über das nach seinen Informationen einst der Kommandant der Marinestation Kiel dienstlich verfügte und das 1926 aufgenommen wurde:

Protos C1 10/45 PS Landaulet; Originalfoto: Sammlung Wolfgang Kuessner (Kiel)

Sie können sich vorstellen, dass ich mit Vergnügen die Bestimmung dieser repräsentativen Limousine vornahm. Das Foto wäre indessen – bei allen Qualitäten des Wagens – nur halb so reizvoll, würde nicht der Fahrer in voller Ledermontur davor posieren.

Damals waren die doppelreihige Lederjacke und Schaftstiefel längst bewährter Standard unter Chauffeuren – das war keineswegs dem militärischen Bereich vorbehalten, es handelte sich schlicht um eine ideale Bekleidung bei rauhem Wetter.

Hier hat unser Fahrer allerdings ganz vom Leder gezogen und posiert auch mit entsprechender Hose vor dem tiefschwarzen Lack der Limousine.

Wenn einem jetzt die Phantasie durchgeht und er sich vielleicht noch eine passend mit Reiterhosen, strenger Bluse und burschikoser Krawatte zurechtgemachte Dame hinzuwünscht, dann ist das nicht meine Schuld.

Wenn jemandem DAS fehlt, ist er selbst verantwortlich, das bei Bedarf zu ändern. Es soll ja entsprechende glückliche Paarungen auf diesem Sektor geben…

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Fotorätsel des Monats: Ein früher NAG Typ C4 – oder?

Die Beschäftigung mit Vorkriegsautos auf alten Fotos ist etwas, was zuverlässig verhindert, dass man in Routinen (oder automobilen Ruinen) erstarrt. Denn ein vermeintlich abgeschlossenes Thema wie dieses konfrontiert einen laufend mit Dingen, die man noch nie gesehen hat oder zumindest so nicht kannte.

Dass man dabei auch dem vordergründigen Augenschein nicht trauen darf, dafür war das Fotorätsel des letzten Monats ein gutes Beispiel.

Was aufgrund eines Fotos in der Literatur ein „Joswin“ sein sollte, entpuppte sich dank der Aufmerksamkeit sachkundiger Leser als „Otto“ – wobei sich kaum sagen lässt, welches der beiden Fabrikate mit großvolumigem Daimler-Sechszylinder Anfang der 1920er Jahre sensationeller war.

Dass es bei einem dermaßen raren Nischenfahrzeug noch Überraschungen geben kann – das kann – nun ja – eigentlich nicht überraschen.

Aber wie sieht es eigentlich bei einem zumindest in meiner NAG-Galerie sehr umfassend dokumentierten und in den frühen 20ern sehr verbreiteten Modell wie dem C4 10/30 PS aus, von dem der Berliner Hersteller von 1920-24 etliche tausend baute?

Kann es da ebenfalls noch Rätsel und überraschende neue Erkenntnisse geben? Nun, da es sonst keiner macht – jedenfalls nicht öffentlich – will ich heute dieser Frage nachgehen.

Das sogar einigermaßen systematisch, was nicht immer meine Herangehensweise ist, da dieser Blog im Wesentlichen mein virtuelles Lustschloss darstellt, in dem Gäste zwar willkommen sind, aber keine strukturierte Führung durch alle Gemächer erwarten sollten.

Beginnen wir quasi als Entree mit einem bereits vorgestellten Spitzenfoto, das den NAG C4 10/30 genau so zeigt, wie er am vorteilhaftesten wirkt:

NAG C4 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt, Dresden

Hier kommt er perfekt zur Geltung – der unverwechselbare Spitzkühler mit ovalem Ausschnitt, wie er erstmals beim NAG C4 ab 1920 auftaucht – so scheint es.

Kein anderer Wagen besaß diese raffiniert gestaltete Frontpartie, in welcher der seit Gründung der Marke typische Ovalkühler gekonnt an die in deutschen Landen besonders ausgeprägten Spitzkühlermode angepasst wurde – so scheint es.

Interessant ist nun, dass diese gelungene Vermählung bereits vor Einführung des NAG C4 10/30 PS stattfand – jedenfalls wenn man datierte Reklamen als Maßstab heranzieht.

In stilisierter Form begegnet einem dieses Phänomen bereits auf einer NAG-Anzeige im November 1917:

NAG-Reklame aus: Der Motorfahrer, November 1917; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Damals gab es den NAG C4 noch gar nicht – eventuell nahm man für die Nachkriegszeit geplante Entwicklungen vorweg oder bereits die alten K-Typen von NAG wurden noch während des 1. Weltkriegs mit solchen Kühlern ausgestattet.

Auch 1918 warb man mit einer Abbildung, die einen NAG-Tourer mit Spitzkühler zeigt – leider ebenfalls ohne Hinweis auf die Motorisierung.

Ohnehin gab es damals für Privatpersonen praktisch keine neuen NAGs zu kaufen – die deutschen Hersteller waren mit der Belieferung des Militärs bereits ausgelastet.

NAG-Reklame aus: Der Motorfahrer, November 1917; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Ein weiteres interessantes Dokument in dieser Hinsicht hat mir Leser Wolfgang Spitzbarth in digitaler Form zur Verfügung gestellt.

Es handelt sich um eine NAG-Reklame aus dem ersten Nachkriegsjahr 1919, die sich erkennbar an die auch nach Kriegen immer vorhandene reiche Oberschicht wandte – sei es die alte, welche ihre Verhältnisse bewahren konnte, oder eine neue, welche auch aus einem verlorenen Konflikt als Gewinner hervorging, weil sie dem Staat das geliefert hatte, was er begehrte: Gewehre, Granaten, Grundstoffe usw.

NAG-Reklame von 1919; via Wolfgang Spitzbarth

Auch wenn der Spitz-Ovalkühler oder ovale Spitzkühler hier stark stilisiert wiedergegeben ist, habe ich den Eindruck, dass er anfangs wuchtiger und nicht so fein durchgestaltet war, wie er einem auf den vielen Fotos des NAG C4 10/30 PS ab 1920 begegnet.

Ein Foto, das ebenfalls dafür spricht, hat mir Leser Matthias Schmidt (Dresden) zur Verfügung gestellt. Es zeigt wohl einen NAG C4 10/30 PS der frühen 1920er Jahre. aber sein Kühler scheint mir noch nicht so raffiniert ausgeführt zu sein wie später:

NAG C4 10/30 PS Landaulet; Orignalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Ich mag mich irren, vielleicht hat hier ja jemand einen älteren NAG des K-Typs mit einem der modischen neuen Kühler nachgerüstet.

Jedenfalls kommt mir diese Ausführung noch etwas gröber vor als bei späteren Exemplaren des Typs C4, wofür auch die abweichende Gestaltung der Haubenschlitze und der Radnaben sowie die Montage von Gasscheinwerfern spricht.

Das NAG-Emblem auf der Scheinwerferstange lässt jedenfalls keinen Zweifel am Hersteller.

Noch ungewohnter wirkt schließlich die letzte Variante des NAG-Ovalspitzkühlers, die ich Ihnen heute zumute – sofern es sich um eine solche handelt:

evtl. früher NAG C4 10/30 PS-Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser Tourer bzw. dessen Konterfei macht mir seit Jahren zu schaffen. Das deutsche Kennzeichen will nicht viel heißen, ausländische Fabrikate finden sich zuhauf bereits in den frühen 1920er Jahren – vor allem solche aus dem französischsprachigen Raum.

Nach dem zuvor Gesagten und Illustrierten vermute ich, dass wir es hier mit einem frühen NAG des angeblich erst ab 1920 in Serie gebauten NAG-Typs C4 10/30 PS zu tun haben.

Ich will aber auch nicht ausschließen, dass wir es mit etwas ganz anderem zu tun haben – so selten auch die erwähnte Verbindung aus Ovalkühler und Spitzkühler ist. So gab es bei der französischen Manufaktur Delaunay-Belleville kurzzeitig eine ähnliche Frontpartie.

Damit wären mein Wissen und meine Phantasie für heute erschöpft, was dieses Rätselfoto angeht. Jetzt sind Sie an der Reihe, liebe Leser, und wie immer ist jeder Beitrag willkommen, ganz gleich, wie weit er hergeholt erscheint.

Alles muss gesagt werden dürfen, alles muss sich dem Prüfstein von Logik und Stand des Wissens stellen, alles muss auf Gehalt abgeklopft werden, bevor man es verwirft oder es als plausibel akzeptiert. Nur so kommen wir weiter – wie im richtigen Leben.

Das war’s für heute – ich gönne mir jetzt noch etwas rätselhaft Schönes der anderen Art:

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Dasein heißt unterwegs sein: Ein Steyr Typ XX

Zu den wenigen Dingen, die ich aus der Schulzeit mit auf die Reise durch’s Dasein genommen haben, gehören einige Literaturgrößen.

Das sind der römische Dichter Catull (1. Jh. v. Chr.), dessen Liebeselegien Gegenstand meiner mündlichen Abiturprüfung waren, Meister Shakespeare, aus dessen „Hamlet“ ich mehr über das Dasein lernte als aus irgendetwas anderem, und der amerikanische Schriftsteller Jack Kerouac, dessen poetisch starke Schlusspassage aus dem Roman „On the Road“ mir unvergessen ist:

So, in America when the sun goes down and I sit on the old broken-down river pier watching the long skies over New Jersey and sense all that raw land that rolls in one unbelievable huge bulge over to the West Coast, and all that road going, and all the people dreaming in the immensity of it, and in Iowa the evening star must be shedding her sparkler dims on the prairie, which is just before the coming of complete night that blesses the earth, darkens all rivers, cups the peaks and folds the final shore in – and nobody knows what’s going to happen to anybody besides the forlorn rags of growing old.

Damit endet das literarische „Road Movie“ der 1950er Jahre, das Kerouac vor dem Leser ausbreitet und das zugleich eine Parabel über das Leben als Reise und Suche nach einem Sinn ist. Die Hauptpersonen sind oft im Auto unterwegs, längere Aufenthalte beschränken sich auf Jazz-Clubs und Partys mit irgendwelchen Grundsatzdiskussionen.

Beim Unterwegssein im Auto – idealerweise auf der Langstrecke über die Alpen – beschäftigen mich die Facetten des Dasein besonders. Speziell wenn man eine Strecke gut kennt und nur auf den unmittelbaren Verkehr achten muss, geht mein Kopf gern ebenfalls auf Reisen durchs Gestern, Heute und Morgen.

Kürzlich fand ich ein altes Autofoto, welches das Gefühl des Unterwegssein als Daseinsform und zugleich das bewusste Innehalten besonders schön transportiert:

Steyr Typ XX Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Unweigerlich geht hier der Blick von der Limousine mit Zulassung im Raum Leipzig, die kurz Halt am Rand der Piste macht, dem Straßenverlauf folgend in die Ferne.

Wo mag diese Aufnahme entstanden sein? Vermutlich unmöglich, das noch herauszufinden, gerade das macht die Aufnahme so geeignet, den Augenblick als kurzen Halt auf unbestimmter Route in die Ferne idealtypisch zu illustrieren.

Nun kann es freilich sein, dass sich bei Ihnen, liebe Leser, dieses schöne Gefühl der Melancholie so gar nicht einstellen will – wir Menschen sind ja tatsächlich sehr verschieden, was unser Innenleben angeht.

Allerdings haben wir eine Schnittmenge in Gestalt der Neugier, was die Möglichkeit der Identifikation von Hersteller und Typ des „in the middle of nowhere“ abgebildeten Autos betrifft.

Erstaunlicherweise war die Auflösung eine Sache von wenigen Minuten, obwohl gerade die Heckpartien von Limousinen der Vorkriegszeit kaum dokumentiert sind und oft auch kaum sonderlich eigenständig gestaltet waren.

Was die Dokumentation selbst exotischer Autoansichten angeht, darf ich indessen mit einer gewissen Genugtuung feststellen, dass ich hier nach rund 10 Jahren Arbeit inzwischen selbst soviel getan habe, dass ich meine eigenen Fotogalerien als Referenz nutzen kann.

Dort findet sich unter den österreichischen Marken in der Rubrik Steyr diese prachtvolle Aufnahme:

Steyr Typ XX; Originalfoto aus Familienbesitz (Johannes Kühmayer, Wien)

Rund vier Jahre ist es her, dass ich hier eine Zeitreise in’s Verlorene Land“ unternehmen konnte, auf der wir einem Steyr-Automobil des 2-Liter-Typs XX aus genau dieser Perspektive begegnen.

Dieser Beitrag ist ebenso zeitlos wie die heute vorgestellte Aufnahme und für den Fall, dass jemand unter Schlaflosigkeit leiden sollte, empfehle ich die Lektüre zwecks sanftem Übergang ins Land der Träume.

Davon unabhängig darf ich darauf hinweisen, dass unser Leipziger Fotokandidat „on the road“ genau so eine Limousine des Typs XX aus dem Hause Steyr war.

Dessen dürfen Sie sich anhand dieser Detailaufnahme selbst vergewissern – ich erspare Ihnen in diesem Fall eine langatmige Gegenüberstellung:

Wir sind hier ja nur auf der Durchreise„, so lautete eines der unvergessenen Bonmots meiner Mutter mit unfreiwilligem Migrationshintergrund.

So, ich gebe mich nach getaner Arbeit nun noch dem Genuss einer zeitgenössischen Interpretation des immer aktuellen Autothemas „The Old Way“ hin – hier dargeboten von der quicklebendigen Country-Gruppe The Castellows“ aus den Staaten….

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Kein Anlass zur Bekümmernis: Stoewer D3 oder D9?

Anlass, sich zu ärgern oder das Schicksal vieler Mitmenschen zu bedauern, finde ich beinahe täglich – sei es in den Nachrichten, sei es im Erleben der traurigen Verhältnisse, in denen viele Zeitgenossen hierzulande ihr Dasein fristen.

Die Suggestion vom reichen Deutschland wird nicht nur in den volkswirtschaftlichen Zahlen zunehmend entzaubert, sie erweist sich auch in der täglichen Anschauung der ärmlichen Lebensumstände so vieler als blanker Zynismus.

Ich selber zähle zwar zu den überdurchschnittlich gut Verdienenden, deren historisch einzigartige Abgaben für alles Mögliche verschleudert werden – bloß kaum zur Linderung unübersehbarer Defizite in Infrastruktur, Bildungswesen und Wohnungsbau – doch Anlass zu echter Bekümmernis habe ich persönlich nicht.

Vielmehr kann ich mich nach getaner Arbeit und gezahlten Tributen unbeschwert den Dingen widmen, die mir Freude machen. Eine der Früchte dieser genüsslichen Beschäftigungen ist mein Blog für Vorkriegsautos auf alten Fotos.

Ein reines Luxusprojekt ist das und auch wenn es nicht entscheidend ist, freut mich, dass es nebenher anderen ebenfalls willkommene Ablenkung von einer kulturell immer weniger fruchtbaren Gegenwart bietet.

Die „Probleme“, die sich dabei himmelhoch auftürmen, geben bestenfalls auf den ersten Blick Anlass zur Bekümmernis:

Stoewer D9 Tourer in Eisenach; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Meine Güte, mag man jetzt denken, hier steht das Vorkriegsauto doch arg im Schatten einer mächtig aufragenden Kirche – wie soll man da herausbekommen, womit man es zu tun hat?

Nun, die positiv Denkenden werden sich zuallererst an dieser schönen Aufnahme der Georgenkirche erbauen, die den Marktplatz im thüringischen Eisenach beherrscht. Zumindest dieser Anblick ist uns auch heute noch vergönnt, auch wenn das historische Zentrum 1944/45 stark unter Bombenangriffen der Westalliierten gelitten hat.

Sodann können wir uns – von einer ersten Vermutung getragen – mit Zuversicht an das Wagnis der Identifikation des Tourenwagens am unteren Bildrand machen.

Dabei kommt uns entgegen, dass in den letzten 10 Jahren eine umfassende und ständig weiter wachsende Bildergalerie speziell für die Marke entstanden ist, welche ich von Anfang an in Verdacht hatte – diese hier.

Ebendort – nebenbei gibt es keine vergleichbare Quelle, die allgemein zugäglich wäre – findet sich eine Aufnahme, die uns in unserer „Not“ rasch Linderung verschafft:

Stoewer Typ D3 8/24 PS oder D9 9/32 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Spitzkühler mit dem oben flach liegend angebrachten Markenemblem ist typisch für die D-Typen des Stettiner Herstellers Stoewer ab Anfang der 1920er Jahre – und wir werden diesem Detail gleich in Eisenach wiederbegegnen.

Ob es sich nun um ein spätes Exemplar des Typs D3 8/24 PS mit nunmehr flacher Frontscheibe (bis 1923) oder eine frühe Ausführung des stärkeren Nachfolgers D9 9/32 PS (ab 1924) handelt, sei für heute dahingestellt.

DAS soll für uns heute kein Anlass zur Bekümmernis sein – denn die Identifikation des Eisenacher Tourers als ein solcher Stoewer D-Typ ist erfreulich genug – sehen Sie selbst:

Überzeugt? – Wahrscheinlich schon. Und wenn nicht, dann sind wir uns zumindest in der Identifikation des Denkmals für Eisenachs bedeutendsten Sohn einig: Johann Sebastian Bach. Er wurde übrigens in der Kirche dahinter getauft.

Eines seiner Werke thematisiert den Umgang mit etwaiger Bekümmernis auf die meisterhafte Weise, wie wir sie vom wohl genialsten deutschen Komponisten gewohnt sind.

Seine Kantate „Ich hatte viel Bekümmernis“ wird hier in vorzüglicher Weise von der Netherlands Bach Society vorgetragen – übrigens ein Ensemble, das man in Deutschland in dieser Form und Güte vergeblich sucht:

Bach – und überhaupt die Barockmusik – gilt vielen im angeblichen Land der Dichter und Denker inzwischen ja als schwere Kost. Aber ich hab mir diese Kunst auch ohne jede Vorprägung sebst erschlossen – im Elternhaus und in der Schule gab es keinen Bach.

Wer dieses eigentlich sehr eingängige Werk bis zur Auflösung des Themas im Abschlusschor „durchhält“ – was etwa die 10-fache Zeit in Anspruch nimmt, die ein zeitgenössischer Schlager an Aufmerksamkeit verlangt – für den weicht auf einmal alle Bekümmernis – so er denn welche hat…

Und wem das zuviel ist, der mag im Stöbern in den Bildergalerien in meinem Blog Entspannung finden. Ein gute Jazzplatte und ein Glas Wein tun es aber auch…

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Hohe Kunst und Alte Schule: Horch 780 Sportcabriolet

Das Elend der sogenannten modernen Kunst – für die es kein kennzeichnendes Attribut gibt statt dem eigenschaftslosen „modern“ – liegt meines Erachtens darin, dass jeder kreativ Bewegte und Begabte meint, es sei genug, sich genial vorzukommen, einen geschäftstüchtigen Manager und meist kenntnisfreie Käufer zu haben.

Betrachtet man die Kunst über die Jahrtausende, so war es aber immer Voraussetzung, dass man erst einmal das Beste der Altvorderen studierte und irgendwann selbst beherrschte, bevor man sich daran wagte, einen Schritt weiter zu gehen.

Hohe Kunst und alte Schule waren untrennbar miteinander verbunden. Erst wer den „State of the Art“ beherrscht, hatte auch das Handwerkszeug und den Horizont, um Neues zu schaffen, das die alten Meister ebenso aussehen ließ.

Von ganz wenigen Ausnahmen im Bereich der Skulptur und der Malerei sehe ich in der Neuzeit davon so gut wie nichts. Jeder „Kunstschaffende“ ist begabt und auf Anhieb großartig, misslungene oder mediokre Werke gibt es nicht mehr, Stile ebensowenig.

Irgendein Zyniker hat einmal das Bonmot geprägt, dass nur die moderne Kunst es bei der Betrachtung erlaube, umstandslos von sich selbst zu erzählen, ohne dass sich jemand im Studium und Genuss des Werks gestört fühlt.

Diese Vorrede war wie immer überflüssig für meine Leser, aber notwendig für mich. Denn irgendwie muss ich ja einen Anfang finden – speziell wenn der Gegenstand der heutigen Bildanalyse sich auf den ersten Blick wenig zugänglich zeigt:

Horch 780 Sportcabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hohe Kunst und alte Schule sehe ich hier auf’s Schönste vereint.

Wer auch immer diese Aufnahme angefertigt hat, verstand sein Handwerk und hatte zugleich einen ganz eigenen Blick auf die Dinge – Voraussetzung für eine technisch vollkommene und zugleich eigenständige Kreation.

Die Aufnahme mit dem kühn ganz am Rand positionierten Wagen und der schönen Perspektive die kurvige Straße entlang auf eine uralte Felsformation zu würde nicht „funktionieren“, wäre da nicht der gut gelaunte ältere Herr, der wie beiläufig durch die Szene geht. Dabei ist er ebenso treffsicher platziert wie die schlanke junge Dame neben dem Auto.

Uns genügt es freilich nicht, sich an der gekonnten Komposition dieser 1938 in Deutschland entstandenen Privataufnahme zu erbauen. Wir wollen auch wissen, mit was für einem Cabriolet die Herrschaften damals unterwegs waren.

Dafür „zoomen“ wir näher an den Wagen heran – und werden wieder durch den Gleichklang von Hoher Kunst und Alter Schule beglückt:

Fehlt hier irgendetwas? Sollte das Fotomodell auf zwei Beinen moderner daherkommen, vielleicht in einem „sportlichen“ Schlabberanzug und mit einer Plastikflasche in der Hand?

Klar, keiner möchte mit den Umständen anno 1938 tauschen, aber macht es nicht nachdenklich, dass im Vorkriegseuropa eine ganze Menge so war, dass man sich für den Alltag etwas davon abschauen könnte – mehr Stil, mehr Würde im Alltag, vielleicht?

Egal, das wird nichts mehr, wie verwalten bestenfalls noch den ästhetischen Niedergang, damit ist man als in dieser Hinsicht sensibler Mensch bereits beschäftigt genug.

Doch immerhin sind wir noch in der Lage, den scheinbar wie eine Nebensache abgelichtetetn Wagen mit derselben Genauigkeit anzusprechen, mit der das ein Autobegeisterter in den 1930er Jahre getan hätte.

Ich kann es nicht so recht erklären, aber mir sofort klar, dass wir es mit einem Sportcabriolet aus dem sächsischen Hause Horch zu tun haben. Kein anderer deutscher Hersteller kam dafür in Frage. Diese Heckpartie und die Seitenlinie ist Hohe Kunst und Alte Schule.

Für die systematisch Veranlagten nachfolgend eine Anleitung: Wir registrieren Drahtspeichenräder mit großen Chromradkappen, ein oberes Türscharnier auf Höhe einer breiten Zierleiste entlang der Flanke, außerdem – wenn man genau hinsieht – seitliche Luftklappen in der Motorhaube – sowie kolossale vollverchromte Scheinwerfer.

Wer mit diesen Details im Hinterkopf die Modellgeschichte von Horch anhand des vorbildlichen Standardwerks von Kirchberg/Pönisch (Verlag Delius-Klasing) durchgeht, wird im Kapitel zum 8-Zylindertyp 780 fündig, der 1932-34 gebaut wurde.

Dort findet sich auch der wichtige Hinweis, dass sich die Karosserie nur in einem Detail von derjenigen des parallel angebotenen Zwölfyzlindertyps 670 unterschied: den waagerecht geführten Trittbrettern, die auch auf unserem heutigen Foto zu sehen sind.

Das grandiose Sportcabriolet auf Basis des 100 PS starken Horch 780 mit seinem 5-Liter-Reihenachtzylinder (OHC) konnte ich bisher nur in einem Fall dingfest machen (hier) und das ist bald 10 Jahre her.

Aber es sind ja auch nur etwas mehr als 200 Fahrzeuge dieses Typs hergestellt worden. Dabei dürfte das heute gezeigte Foto ziemlich einzigartig sein. Hohe Kunst des sächsischen Automobilbaus trifft hier auf die Alte Schule der Fahrzeugidentifikation.

Mit solchen Ergebnissen lässt es sich aushalten, auch wenn der Herbst nicht nur empfindsame Künstlerseelen melancholisch stimmt…

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Keineswegs vom Militär „verschmäht“: Audi 225 Luxus

Legenden führen ein hartnäckiges Dasein – vermutlich mögen die meisten Leute erfundene Geschichten, die sich gut anhören und dem Chaos der Wirklichkeit vermeintlich Sinn oder zumindest Struktur verleihen.

Die Bereitwilligkeit der Masse, irgendwelche Geschichten von „Hohepriestern“ sofort zu glauben, ohne einmal den eigenen Denkapparat zu bemühen oder die eigene Erfahrung als Prüfstein heranzuziehen, ist von jeher eine der Grundlage von Elitenherrschaft.

Man findet diese Mechanismen, die sich bei einer überwiegend dem Herdenleben anhängenden Spezies wohl überwiegend bewährt haben – sonst gäbe es sie nicht – bereits bei unbedeutenden Themen und Fragestellungen.

Seitdem ich mich einigermaßen systematisch mit Vorkriegswagen beschäftige, belustigt mich die immer wieder in der Literatur zu findende Behauptung, das deutsche Militär habe im 2. Weltkrieg frontgetriebene Automobile „verschmäht“.

Es mag ja sein, dass irgendein frontfern am Schreibtisch kämpfender Beamter im Beschaffungswesen irgendwann mal ein Schriftstück in der Richtung verfasst hat, weil er irgendwo gelesen hatte, dass der Vorderradantrieb stärkerem Verschleiß unterliege.

Das war tatsächlich damals noch der Fall, was aber die Hersteller im In- und Ausland nicht davon abhielt, etliche Frontantriebswagen anzubieten – die auch gerne gekauft wurden.

Stoewer, DKW, Adler und Audi waren in Deutschland die Pioniere des Frontantriebs – und natürlich findet man die entsprechenden Fahrzeuge auch im Einsatz bei der Wehrmacht.

Die chronisch an Fahrzeugmangel leidende Truppe konnte es sich nicht leisten, auch nur irgendein PKW-Modell zu „verschmähen“, das aus den 30er Jahren stammte und wenigstens 20 PS leistete.

Die unzähligen einschlägigen Fotos der „Landser“ sind wie auch in anderer Hinsicht viel aussagekräftiger als offizielle Verlautbarungen.

Auch wenn die folgende Aufnahme erkennbar nach Dienstschluss entstand, hat man nicht den Eindruck, dass diese Herren ein distanziertes Verhältnis zu diesem schönen Vierfenster-Cabriolet hatten:

Audi Typ 225 Luxus, 4-Fenster-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Tarnüberzüge auf den Frontscheinwerfern und der zusätzliche „Notek“-Tarnscheinwerfer neben dem linken Kotflügel sprechen eine eindeutige Sprache: Als dieses Foto gemacht wurde, war der 2. Weltkrieg in vollem Gange.

Während die Tarnbeleuchtung seit Kriegsausbruch auch für die noch in Privathand verbliebenen PKWs vorgeschrieben war, verrät das Kürzel „WH“ auf dem Nummernschild, dass dieses Fahrzeug einer Heeresabteilung der Wehrmacht angehörte.

Dass prestigesüchtige deutsche Offiziere auch an der Front gerne solche Luxus-Cabriolets fuhren, überrascht noch nicht – der Hang zum Irrationalen gilt ja als deutscher Wesenszug.

Aber dieses Exemplar war schon etwas Besonderes, könnte man meinen. Denn es handelt sich eindeutig um den frontgetriebenen Audi des Typs 225, von dem in dieser Ausführung nur ein paar hundert Stück entstanden.

Solche eigentlich nur zum gepflegten Reisen gedachten Nischenfahrzeuge waren schon wegen der Ersatzteilversorgung der Alptraum jedes Logistikers. Und dann noch dieser „umstrittene“ Frontantrieb.

Tatsächlich nahm die Wehrmacht alles, was sie auf dem Sektor bekommen konnte. Die kleinen DKWs mit Frontantrieb wurden meist heimatnah bei der Truppe eingesetzt, während man die ebenfalls frontgetriebenen Typen von Adler auch bei Kampfeinheiten antrifft.

Lachen musste ich gerade wieder, als ich im Audi-Standardwerk von Kirchberg/Hornung (Verlag Delius Klasing) noch einmal das Kapitel zum Typ 225 Luxus überflog. Da stand es schon wieder, dass „die Militärs normalerweise Autos mit Frontantrieb verschmähten„.

Das Ganze garniert mit einem Foto eines Audi 225 Luxus-Cabrios der Luftwaffe bei der Besetzung Belgiens im Sommer 1940 (siehe S. 172).

Nachdem man auch Frankreich einkassiert hatte, beschlagnahmte man tausende frontgetriebener Citroen „Traction Avant“, mit denen es im Jahr darauf mit Hurrah gen Russland ging. Das erwartbar fatale Ergebnis ändert nichts daran, dass die „Praktiker“ in der Wehrmacht frontgetriebene Wagen schätzten – gerade den Citroen.

Noch im Mai 1945 begegnet man auf Filmaufnahmen, die kapitulierende deutsche Einheiten in der Tschechoslowakei zeigen, diese hervorragenden Fahrzeuge – und das nach über vier Jahren Kriegseinsatz.

Von den weit weniger zahlreichen frontgetriebenen Audis haben indessen kaum welche das Aufflammen des „Furor Teutonicus“ im 2. Weltkrieg überlebt. Rund zwei Dutzend davon gibt es laut Literatur heute noch, die meisten davon 4-Fenster-Cabriolets wie auf dem heute gezeigten Foto, das wohl irgendwo beim Feldzug im Westen entstand.

So: Wer jetzt noch einmal im Zusammenhang mit Fronttrieblern etwas von „verschmäht“ erzählt, wird wegen Defätismus umgehend zur Frontbewährung abgestellt…

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Verschwommene Erinnerung: Mercedes-Benz 260 Cabriolet

Kennen Sie das auch? Manches im Leben – mag es auch noch so weit zurückliegen – ist einem in der Erinnerung präsent, als sei es gestern gewesen.

Das können prägende Erlebnisse ebenso sein wie kurze intensive Momente, visuelle Eindrücke, Gesichter von Personen, die man längst aus dem Blick verloren hat, sogar Gerüche oder Düfte, die man sich ins Bewusstsein rufen kann.

Und dann gibt es lange Zeiten, sogar ganze Jahre, mit denen man nichts derart Präzises, scharf Umrissenes verbindet – da ist allenfalls eine ungefähre, verschwommene Erinnerung an eine vergangene Phase im Leben.

Nur im Traum begegnet man bisweilen einem verschütteten Stück der eigenen Geschichte, nicht immer erfreulich, aber mitunter auch erbaulich. Es schlummert jedenfalls viel hinter der Leinwand, auf der wir unser Leben im Alltag oberflächlich wahrnehmen.

Manches davon kann man sich in Erinnerung rufen, wenn man sich darauf konzentriert, kann nach und nach dem Bild vom gestern wieder Konturen und Tiefe geben. Oft bleibt aber eine Unschärfe und man kommt über eine verschwommene Erinnerung nicht hinaus.

Das ist keineswegs zu bedauern, denn mitunter sind es nicht alle Details, sondern die Wirkung des Ganzen, die den Eindruck reizvoll macht.

Was das mit Vorkriegsautos auf alten Fotos zu tun hat? Für den nüchternen Betrachter vielleicht nichts, für den für’s Vage, nicht zu Fassende Empfänglichen viel. Dieses Bild, das einst im Herbst vor über 90 Jahren entstand, ist ein schönes Beispiel dafür:

Mercedes-Benz „Stuttgart“ 260 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Trotz aller Bemühungen bei der Bildbearbeitung hat diese Situation etwas von einer verschwommenenen Erinnerung, durch deren Nebel sich nicht völlig schauen lässt.

Genau das gefällt mir daran, und ob wir den abgebildeten Wagen letztlich genau ansprechen können, ist zweitrangig – die Wirkung ist davon unabhängig.

Mit Mühe meint man einen Mercedes-Stern auf dem Kühler zu erkennen – aber kann das wirklich sein? Das Auto wirkt hier merkwürdig kompakt, jedenfalls gemessen an den Proportionen der meisten Modelle der Zwischenkriegszeit.

Es gab aber tatsächlich einen Mecedes-Benz mit solchen moderaten Dimensionen – das war der 1926 eingeführte kompakte 6-Zylindertyp 8/38 PS. Nach gründlicher Modernisierung firmierte er ab 1929 als Modell 200 „Stuttgart“, hatte aber weiterhin den Makel einer schwachen Motorisierung.

Erst der parallel angebotene Mercedes 260 mit nunmehr 50 PS bot zeitgemäße Leistung. Äußerlich sind speziell die meist ansprechenden Cabriolet-Versionen der Typen 8/38 PS, 200 und 260 schwer auseinanderzuhalten, für mich jedenfalls.

Die gerundeten Vorderkotflügel und die ganz leicht geneigte Windschutzscheibe scheint es beim Typ 8/38 PS noch nichht gegeben zu haben, aber vielleicht waren die Übergänge auch fließend.

Sicher ist nur, dass das eingangs gezeigte Mercedes-Cabrio einen zweitürigen Aufbau mit tiefem Ausschnitt am Heck für das niedergelegte Verdeck besaß – ziemlich genau wie dieses Exemplar, das ich vor längerem als Typ 260 „Stuttgart“ identifiziert hatte:

Mercedes-Benz „Stuttgart“ 260 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wenn dieser Wagen so anders erscheint, liegt das in erster Linie an der hellen Farbgebung mit elegantem Zweifarbschema. Ein solches sommerliches Erscheinungsbild geht unserem heutigen Fotokandidaten gänzlich ab.

Dennoch meine ich, dass wir es mit einem nahezu identischen Modell zu tun haben – und aufgrund der selten zu findenden zwei Scheibenwischer bin ich geneigt, von dem teureren Typ 260 auszugehen. Das Fehlen von Stoßstangen wiederum ist ein Hinweis darauf, dass wir es mit der Standardausführung zu tun haben, nicht mit der reichhaltiger ausgestatteten Luxusversion, die wir wohl auf dem zweiten Foto sehen.

Das führt mich zu der letztlich unmaßgeblichen Vermutung, dass wir auf der ersten Aufnahme das sogenannte Cabriolet „NC“ sehen, eine mir sonst noch nicht begegnete Bezeichnung.

So oder so verschwimmt hier die Erinnerung ans Vorgestern auf das Schönste, dass man sich gar nicht länger mit den Details aufhalten will.

Wann genau und wo die Aufnahme entstand, bleibt ebenso ungewiss wie, wer diese zweifellos gutsituierten Leute waren. Sie sollten jedenfalls in den nächsten Jahren unter die Räder der Geschichte kommen, ganz gleich, was sie selbst für ein Rädchen im Getriebe gewesen sein mögen – niemand kann das mehr wissen.

Nur das Mercedes-Cabriolet bleibt am Ende als einzige relative Gewissheit an diesem Stück verschwommener Erinnerung – und das mag es sein, was solche Dokumente für uns so liebenswert geheimnisvoll macht…

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Minimal mobil – wieder aktuell? Wanderer W8 5/15 PS

Heute nahm ich dieses belustigt zur Kenntnis: Die EU – eine für fest angebrachte Flaschenverschlüsse und andere Fortschritte bekannte Organisation fragwürdiger Legitimation – diskutiert derzeit den Bau billiger Elektrokleinwagen für jedermann.

Dies könne man durch Herabsetzung geltender EU-Fahrzeugstandards unterstützen, wird verlautbart. Mancher mag dabei an die unvergessenen automobilen Segnungen zentraler Planwirtschaft denken – ich fühlte mich an diesen Appell von Wanderer vor gut 100 Jahren erinnert:

Wanderer W8 5/15 PS; Reklame von 1921/22; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Immer bemerkenswert, wenn einem von oben herab mit Ausrufezeichen nahegebracht werden soll, was die Verhältnisse gebieten – als ob der Käufer nicht selbst wüsste, was in seiner persönlichen Situation am angebrachtesten ist.

Aber der Deutsche ist die autoritäre Ansprache seit altersher gewohnt und mir scheint mitunter, dass viele sich damit wohl fühlen – bleiben einem doch so die Anstrengungen des Selberdenkens und die Risiken des eigenen Urteils erspart.

Immerhin wird der Adressat hier noch nicht geduzt, was ebenso positiv zu vermerken ist wie die grafisch gelungene Darstellung des angepriesen Wanderer W8 5/15 PS.

Schön auch, dass man diese erzieherisch daherkommende Werbung sich so genau datieren lässt – sie muss von 1921 oder 1922 stammen. Zwar gab es den Typ 5/15 PS (W3) bekanntlich schon vor dem 1. Weltkrieg und er wurde auch nach Kriegsende weitergebaut.

Doch entwickelte Wanderer einen Nachfolger mit anfänglich identischem Erscheinungsbild, aber modernerem Motor gleicher Leistung – der intern als Typ W8 firmierte.

Dieser wurde ab 1921 beworben und wir dürfen davon ausgehen, dass mit den in der Reklame erwähnten Zeitverhältnissen auf die damals immer schneller galoppierende Inflation angespielt wurde, die sich aus der Entwertung der deutschen Mark durch die hemmungslose Staatsverschuldung ergab.

Da sich das etwas stärkere und erwachsenere Modell W6 6/18 PS kaum verkaufte, blieb der kompakte Wanderer 5/15 PS die Stütze der sächsischen Marke. Wie minimalistisch die damit angebotene Mobilität war, ist an einem Detail wie der Beleuchtung zu erkennen.

Wie auf der oben gezeigten Reklame blieben beim Wanderer W 5/15 PS traditionelle Karbidgas-Scheinwerfer bis 1922 Standard. Bei vollwertigen Automobilen war dagegen elektrische Beleuchtung ab dem Ende des 1. Weltkriegs der Normalfall. Erst ab 1923 wurde dies auch beim Wanderer W8 5/15 PS serienmäßig angeboten.

Gleichzeitig wichen die bis dato flach ausgeführten dünnen Vorderkotflügel stabileren und schön gerundeten – beide Details sehen wir auf dieser Aufnahme:

Wanderer W8 5/15 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So reizvoll der Wagen hier daherkommt, sieht man ihm dennoch die Kompromisse beim Platzangebot an. Maximal drei Personen konnten im Wanderer W8 5/15 PS fahren.

Erst im vierten Produktionsjahr hatte man ein Einsehen – im Herbst 1924 wurde endlich einer viersitzige Ausführung angeboten. Im Ausland hatten die Importeure bereits zuvor von sich aus für entsprechend marktgerechte großzügigere Aufbauten gesorgt.

Man sieht an diesem Beispiel: Von oben verordneter Minimalismus geht an der Lebenswirklichkeit vorbei – die Leute wissen im Normalfall besser, was gut für sie ist und was sie sich leisten können. Weder Unternehmen noch Behörden sollten sich einen Erziehungsauftrag anmaßen, welche Form der Mobilität genau für den Einzelnen optimal ist.

Wir könnten kein einziges der phänomenalen technischen Hilfsmittel in unserem Leben genießen, wenn nicht der Markt, sondern sich oberlehrerhaft gerierende Firmenlenker oder gar wirtschaftsferne Bürokraten deren Richtung vorgegeben hätten.

Selbst ein genialer Erfinder wie Henry Ford erlag der Fehleinschätzung, dass doch das Endziel der automobilen Entwicklung erreicht sei, nachdem sich jeder Arbeiter in den Staaten ein „Model T“ leisten konnte – ein Minimalmobil par excellence.

Der Markt als Ausdruck individueller Präferenzen und der Wettbewerb als bestmöglicher Mechanismus, diesen gerecht zu werden, führten in der Folge dagegen zu den ständigen Fortschritten, an deren Vorteile wir uns stillschweigend gewöhnt haben, während etwaige Nachteile von interessierter Seite einseitig aufgeblasen werden.

Wem minimale Mobilität genügt, der kann sie ja jederzeit ungestört praktizieren – wobei Abstriche bei Unfallsicherheit, Platzangebot und Komfort unvermeidlich sind. Aber das soll doch bitteschön jedem selbst überlassen bleiben wie beispielsweise die Wahl zwischen Festznetztelefon, 0815-Mobiltelefon und Smartphone.

Ans Ziel kommt man bei Bedarf mit ganz unterschiedlichen Varianten – mit einem späten Luxuswagen von Wanderer wie dem 6-Zylindertyp W40 ebenso wie mit einem namenlosen Kleinwagen – es ist Platz für beide in der Welt und beide haben ihre Stärken…

Wanderer W40 (oder 50) und (evtl.) DKW; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

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Hängematte mit vier Rädern! Ein 1934er Dodge Sedan

Was macht man, wenn man den Feiertag für allerlei Aktivitäten rund ums Haus, im Garten und in der Werkstatt genutzt hat, rechtschaffen müde ist und einem für den abendlichen Blog-Eintrag kein wirklich raffinierter Titel einfällt?

Man hält sich nicht lange auf und entscheidet sich für die erstbeste Idee, welche einem die grauen Zellen liefern – sie haben weit mehr parat als das, was wir uns selbst auf den Schirm des Bewusstseins rufen können.

Das ist übrigens die beste Technik, um die mir nur theoretisch bekannte Schreibhemmung zu überwinden – einfach loslegen mit dem, was einem spontan in den Sinn kommt – die Struktur ergibt sich dann aus der Sache – vorausgesetzt freilich, man kennt seine Materie.

Soviel zur Genese des heutigen Titels „Hängematte mit 4 Rädern“ – wie immer eine akkurate Zustandsbeschreibung des noch zu Zeigenden und hinreichend verwirrend, um das Publikum bei Laune zu halten.

Ich muss allerdings warnen – denn das angekündigte Automobil in Form einer Dodge-Limousine des Modelljahrs 1934 liefert nur ein Stück Hintergrund. Apropos: Ein Grund, etwas Hintergrund zu dem Auto zu liefern, bevor es gleich wieder in Vergessenheit gerät.

Der 1934er Dodge war ein typisches Mittelklassegewächs aus dem Chrysler-Konzern – jedenfalls aus Sicht von Käufern in den Vereinigten Staaten. Im damaligen Deutschland war dieses Großseriengefährt hingegen der reine Luxus.

Über 80 PS Leistung aus 3,6 Liter Hubraum, Sechszylinder-Laufkultur, Hydraulikbremsen und unabhängige Vorderradaufhängung – diese Kombination war nur in der Oberklasse zu finden und für den Durchschnittsdeutschen war ohnehin jedes Auto unerreichbar.

In den Staaten wurden 1934 über 100.000 Exemplare des Dodge an den Mann gebracht, teils auch mit verlängertem Radstand. Speziell diese Version dürfte vom Passagierkomfort einer Hängematte mit vier Rädern nahegekommen sein.

Dennoch ist es das nicht, was mich zu dem Bild mit der Hängematte inspirierte. Die Sache verhält sich viel einfacher:

Dodge Sedan von 1934; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Gefällt Ihnen, was Sie sehen? Man müsste schon ein arger Ignorant sein, um diese Aufnahme nicht erfreulich zu finden.

Dieses Foto musste ich haben, obwohl beim Kauf noch nicht klar war, was das für ein Wagen im Hintergrund ist. Das Automobil muss im Leben nicht die Hauptsache sein, es kann auch eine reizvolle Nebensache sein, die uns das Dasein angenehm macht.

Der Gedanke wird von dem Foto geradezu perfekt transportiert, meine ich. Kurioserweise kann ich selbst mit einer Hängematte rein gar nichts anfangen. Ich stelle mir den Aufenthalt darin nicht sonderlich angenehm vor.

Es ist aber nicht bloß so, dass ich eigentlich immer etwas zu tun habe, worin ich Entspannung finde. Es ist vielmehr so, dass ich mir eine andere Art der horizontalen Ruheposition angewöhnt habe, in der meine Katze Ellie auf meinem Rücken herumtretelt, bis sie genug hat und es sich neben mir bequem macht.

Davon eine Viertelstunde täglich, dafür lasse ich jede Hängematte achtlos hängen. Was auch immer ihre Version der Hängematte ist – machen Sie Gebrauch davon und geben sich Ihren spontanen Gedanken hin – das sind meist die besten und fundiertesten…

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