Pünktlich zum Wochenende kann ich mich bei der Niederschrift des „Funds des Monats“ Februar 2025 entspannen.
Nur etwas weiße Farbe an den Händen erinnert mich daran, dass ich nach der Schreibtischarbeit gegen Abend noch eine Wandpartie in der Werkstatt gestrichen habe, die ab morgen mit dem neuen Unterschrank für den Ultraschallreiniger verdeckt sein wird.
Auch wenn man es danach nicht mehr sieht, galt es, den in die Jahre gekommenen Putz auf der alten Ziegelmauer in einigermaßen vorzeigbarer Form der Nachwelt zu hinterlassen.
Ich bin zufrieden, wenn ich das Gemäuer, das ursprünglich einmal als Kuhstall diente und ab vielleicht 1920 als Werkstatt genutzt wurde, dereinst nicht so verkommen weiterreiche wie der Vorbesitzer, ein Handwerker“meister“ von eigenwilliger Berufsauffassung.
Rundherum erfreulich, um nicht zu sagen: begeisternd, ist bei aller Patina der Jahrzehnte die Hinterlassenschaft, welche ich Ihnen heute präsentieren darf.
Sie zeigt ein Automobil, das von der vielleicht kurzlebigsten unter den einigermaßen bedeutenden Vorkriegsmarken im deutschen Sprachraum stammte. Wenn ich „Vorkrieg“ sage, ist hier wohlgemerkt die Zeit noch vor dem 1. Weltkrieg gemeint.
Schon 1913 endete nämlich die Geschichte des Herstellers, obwohl dessen erster Wagen erst 1908 präsentiert worden war.
Das versetzt mich in die komfortable Lage, den auf dem folgenden Foto zu sehenden Tourer auf das Jahr genau datieren zu können – und das obwohl ich in der wenigen vorliegenden Literatur kein einziges Bild dazu finden konnte:
RAF Tourenwagen von 1913; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Wenn Sie sich vom „Fund des Monats“ mehr Qualität erwartet haben, dann sei Ihnen gesagt:
Das Originalfoto habe ich in etwa dem desaströsen Zustand übernommen wie meine Oldtimerhalle – selbst mit deutlich erkennbaren oberflächlichen Retuschen stellt sich die Aufnahme hier weit besser da als das Ausgangsmaterial.
Außerdem werden wir noch einmal auf das Thema Qualität zurückkommen, wenn es um die Eingrenzung des Typs eingehen, also bleiben Sie dran.
Zur zeitlichen Einordnung sei unabhängig vom Hersteller bemerkt, dass die trommelförmigen Gasscheinwerfer bei einem Wagen dieser Größe auf ein Modell vor 1920 bzw. vor dem 1. Weltkrieg hindeuten. Denn spätestens ab 1919 waren elektrische Scheinwerfer bei Fahrzeugen der gehobenen Klasse serienmäßig und viele Hersteller boten schon ab 1913/14 zumindest optional elektrische Beleuchtung an.
Dass dieses Exemplar aber nicht lange vor dem 1. Weltkrieg entstanden sein kann, dafür spricht ein weiteres Detail – die horizontale Linie von Motorhaube und anschließendem Windlauf, also der Blechpartie vor der Windschutzscheibe:
Bis etwa 1912 wies der Windlauf in den allermeisten Fällen noch einen steileren Winkel als die Haube auf und war so als eigenständiges Gestaltungselement erkennbar.
1913/14 dagegen wurde bei Fabrikaten aus dem deutschen Sprachraum die durchgehend gerade Linie der beiden Bauteile Standard, die wir auch noch heute an unseren Autos finden – sofern die Motorhaube nicht gleich bis an die Frontscheibe reicht.
Damit wäre der heute gezeigte Wagen bereits auf zwei Jahre genau datiert, ohne auch nur den Hersteller bestimmt zu haben.
Auch das erledigen wir noch entspannt im Vorübergehen. Dazu neigen wir den Kopf um etwa 45 Grad nach rechts und nehmen die Nabenkappe des Vorderrads in Augenschein.
Lesen Sie dort dieselben drei Buchstaben wie ich? Gut, dann haben Sie jetzt einen Wagen der „Reichenberger Automobil-Fabrik“ entdeckt – die unter dem Kürzel „RAF“ firmierte.
Das war zu einer Zeit, als die Buchstabenkombination weder durch den bis in die letzten Kriegstage anhaltenden Bombenkrieg der britischen Royal Air Force noch durch die Mordgesellen der bundesdeutschen Terrororganisation RAF kontaminiert war.
Die RAF, von der hier die Rede ist, war 1907 in Nordböhmen gegründet worden, das damals noch zum Österreichisch-Ungarischen Reich gehörte – für mich einer der bemerkenswertesten Vielvölkerstaaten der europäischen Geschichte.
Die Reichenberger Automobil-Fabrik war mit dem 30 PS leistenden Vierzylindertyp in der gehobenen Mittelklasse eingestiegen, erweiterte dann aber das Angebot sowohl nach oben wie nach unten.
Den Erstling von 1908 hatte ich übrigens vor fast 5 Jahren hier präsentiert, schon damals als Fund des Monats.
Ab 1912 baute RAF auch Wagen mit ventillosen Motoren nach amerikanischem „Knight“-Patent. Diese besonders laufruhigen Aggregate mit Steuerung des Gaswechsels über Hülsenschieber waren nach einer Quelle mit 40 und sogar 70 PS verfügbar.
Zumindest die 40 PS-Version findet sich in der Literatur auch andernorts erwähnt. Die wenigen Abbildungen von RAF-Wagen (vor allem: „Pioniere des Automobils an der Neiße“, Zittauer Geschichtsblätter Nr. 48.) enden 1912 und zeigen durchweg Fahrzeuge mit gegenüber der Motorhaube deutlich steilerem Windlauf..
Da die Marke 1913 von Laurin & Klement übernommen wurde und danach nicht mehr als eigenständiger Hesteller in Erscheinung trat, bleibt aus meiner Sicht nur die Datierung des heutigen Funds des Monats auf genau 1913.
Die Dimensionen des Wagens sprechen gegen die schwächeren Typen (beginnend mit 20 PS). Ich nehme an, dass wir hier eines der RAF-Modelle mit mindestens 40 PS starkem Schiebermotor nach Knight-Patent sehen.
Das wäre ein würdiger Abschluss der kurzen Historie dieses böhmischen Hestellers, zumal da die Übernahme durch den noch weiter oben angesiedelten Konkurrenten Laurin & Klement als Qualitätssiegel verstanden werden darf.
Damit entlasse ich Sie für heute. Ich stelle gerade fest, dass ich jetzt erstmals genügend Aufnahmen von RAF-Automobilen in meinem Fundus habe, um eine eigene Markengalerie eröffnen zu können.
Man sieht wieder einmal: der von allerlei Bedenkenträgern seit Menschengedenken geschmähte Fortschritt ist eine großartige Sache – sogar die Vergangenheit vermag davon zu profitieren, sofern sich jemand ihrer annimmt…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Heute haben wir den seltenen Fall, dass ich die angekündigte Fortsetzung eines früheren Blog-Eintrags mit relativ geringem Abstand bringe – mitunter können dabei nämlich Jahre vergehen oder ich vergesse das Vorhaben einfach.
Solche Freiheiten kann ich mir erlauben, weil ich mich durch Wahl des Formats „Blog“ (kurz für „web log“=Online-Tagebuch) allerlei Zwängen enthoben habe, was Inhalt, Stil, Turnus usw. betrifft.
Während man sich durch die Ankündigung eines „Jahrbuchs“ oder durch die Selbstklassifizierung als Historiker beispielsweise nach außen bindet, kann ich hier das machen, was mir zu später Stunde in Sachen Vorkriegsautos in den Sinn kommt.
Und genau das tue ich – das hat sich für mich sogar zu einer Art Meditation entwickelt, die ich im Unterschied zur Arbeit im Garten oder in der Werkstatt auch nachts praktizieren kann.
Die so ziemlich einzige „Verpflichtung“ meinen Lesern gegenüber besteht in der Serie „Fund des Monats“ und ich weiß schon jetzt, was ich Ende Februar 2025 bringen werde. Es wird auf jeden Fall etwas werden, was Sie nur ganz selten zu sehen bekommen, vielleicht hier sogar erstmals überhaupt.
In Büchern klappt so ein Verwöhnprogramm natürlich nicht, was aber nicht gegen das Format spricht. Ich stütze mich bei aller Selbstverständlichkeit der Nutzung digitaler Technologien bei meinem Themen immer noch hauptsächlich auf Druckwerke.
Mein Favorit in der Hinsicht ist der „Standard Catalog of American Carsuntil 1942“ von Kimes/Clarke, ein weit über 1.500 Seiten starkes Werk. Es zählt zu den meistgenutzten in meiner Automobil-Bibliothek und zeigt trotz Softcover-Formar zeigt seit vielen Jahren keine Verschleißerscheinungen – im Gegensatz zu etlichen deutschen Publikationen, die selbst mit Hardcover schon nach kurzem auseinanderfallen, Pfusch made in Germany…
Besagter Schinken liegt auch jetzt neben mir – rechts vom Rechner, während es sich meine vierbeinige Freundin „Ellie“ zur Linken auf einem Stapel Papier bequem gemacht hat. Damit sind fast alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche „Séance“ gegeben.
Doch wie so oft, kann ich diese auch heute nicht ausschließlich mit „Bordmitteln“ bestreiten – oft sind die Leser, die mir bemerkenswertes Material zur Verfügung stellen, die eigentlichen „Autoren“ – jedenfalls was die Inspiration zur Niederschrift angeht.
Bei der letzten „Dodge“-Epistel hatte ich am Ende darauf hingewiesen, dass die traditionsreiche US-Marke ab Mitte der 1920er Jahre auf dem absteigenden Ast war, bis sie im Zuge der Übernahme durch Chrysler anno 1928 wieder auf die Gewinnerspur kam.
Genau aus dieser Zeit stammt dieses Exemplar:
Dodge von 1928/29; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks
Diese außergewöhnliche Aufnahme verdanke ich Leser Klaas Dierks, der mit sicherem Auge den besonderen Reiz der Situation erkannte.
Nur selten bekommt man die auch am Heck abwechslungsreiche Linienführung einer amerikanischen Limousine so anschaulich vorgeführt wie an diesem einst auf der Fähre bei Ostswine (heute Polen) fotografierten Dodge von 1928/29.
Das Auge erfreut hier das Zusammenspiel der waagerechten Zierleiste mit der am Dachende von oben herabgeführten Linie. Beide schwingen anschließend vereint wieder nach oben um das Heck herum.
Auch die spannungsreichen Kurven von Kotflügel, Heckkoffer und Stoßstange verhindern zuverlässig, dass hier Langeweile aufkommt, so konventionell diese typische US-Großserien-Limousine sonst auch erscheinen mag.
Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wie man Hersteller und Baujahr aus dieser Perspektive so genau bestimmt. Nun, das war im vorliegenden Fall recht einfach. Auf den Radkappen lässt sich nämlich ein stilisiertes „DB“ erkennen, was einst für Dodge Brothers stand.
Diese ursprüngliche Markenbezeichnung wich nach der Übernahme durch Chysler ab dem Modelljahr 1930 dem Namen „Dodge“, sodass wir schon einmal einen ersten Anhaltspunkt haben. Alles übrige findet sich in der erwähnten US-Vorkriegsautobibel.
Dazu zählt auch die Information, dass es sich um einen Sechszylinderwagen handelte. Verfügbar waren Aggregate mit 58, 68 und 78 PS – allesamt für deutsche Verhältnisse beachtlich motorisiert, weshalb sie in Verbindung mit relativ niedrigem Preis ja damals auch so gern gekauft wurden in deutschen Landen.
Nun wird doch die neue Mutter Chrysler angesichts der Wirtschaftskrise ab 1929 dafür gesorgt haben, dass die gerade wieder im Aufschwung befindliche Marke den Umständen entsprechend kleinere Brötchen backte – so möchte man meinen.
Tatsächlich bot man ab Mitte 1929 nun auch eine Variante des kleinsten 6-Zylinderwagens mit kürzerem Radstand an, die sich auch am besten verkaufte. Besonders gut machte sich auf diesem Chassis das „Business Coupe“:
Dodge von 1928/29; Originalfoto: Sammlung: Michael Schlenger
Diese schöne Aufnahme, die einen solchen Dodge-Geschäftswagen von 1929/30 zeigt. hat mir Leser und Oldtimer-Urgestein Helmut Kasimirowicz vermacht – ihm sei bei der Gelegenheit nochmals für seine Großzügigkeit gedankt.
Typisch für das Modelljahr waren die gebogene Scheinwerferstange und die ebenfalls einer Kurve folgenden Luftschlitze in der Motorhaube – beide Elemente verleihen diesem ansonsten optisch kaum auffallenden US-Wagen den dynamischen Charakter.
Wie die Bezeichnung „Business Coupe“ verrät, war dieser kompakte Aufbau vor allem für Vertreterautos vorgesehen. Im vorliegenden Fall haben wir es mit einem Geschäftsauto des bis heute bedeutenden US-Landmaschinenherstellers John Deere zu tun.
Da die Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten schon damals einen in Deutschland erst lange nach dem Krieg erreichten Motorisierungsgrad erreicht hatte, bestand entsprechender Bedarf an Betreuung von Kunden im ganzen Land.
Genau diesem Zweck diente dieser Dodge, mit dem Vertrieb und Service für Geräte („Implements„) von John Deere in den Weiten der USA erbracht wurden.
Zwar ging damals infolge der Depression auch bei Dodge der Absatz stark zurück – doch in der Landwirtschaft blühte trotz aller Probleme weiterhin das Geschäft, jedenfalls für den Landmaschinenkonzern John Deere.
Der unternahm nämlich damals einen unkonventionellen Schritt, wie er typisch für amerikanisches Denken ist. Man schaut zwar in erster Linie darauf, dass sich eine Sache Sicht lohnt, vermag aber dafür durchaus Konzessionen zu machen.
So verzichtete John Deere in der schweren Zeit der Wirtschaftskrise darauf, Schulden von US-Landwirten einzutreiben, gewann aber gleichzeitig auf diese Weise treue Kunden für die Zukunft, was zum bis heute unerschütterlichen Rang der Marke beigetragen hat.
Blühende Geschäfte – das setzt in erster Linie ausgeprägten Geschäftssinn auch in schwierigen Zeiten voraus. In den rationalen Kategorien von Kosten und Nutzen, Aufwand und Ertrag, Risiko und Rendite zu denken, das zählt nach dem enormen Aufschwung der 1950er/60er Jahre in Deutschland heute leider zu den unterentwickelten Disziplinen.
Die Quittung für die schon beinahe modische Geringschätzung des Geschäfts zugunsten realitätsfremder bis suizidaler ideeller Ziele bekommen wir gerade vorgelegt. Ob bei uns auf die selbstverschuldete strukturelle Wirtschaftskrise nochmals erblühende Landschaften folgen, daran habe ich meine Zweifel – der „Business Spirit“ von einst scheint weg zu sein…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Nur so am Rande: Wussten Sie schon, dass 2025 die bei vielen Vorkriegsfreunden so beliebten „Classic Days“ bei Düsseldorf endlich wieder in einem angemessenen Ambiente stattfinden?
Mit dem Standort Schloss Dyck am Niederrhein hatte sich diese Klassikerveranstaltung über viele Jahre den Ruf als Deutschlands schönstes Oldtimer-Event erarbeitet. Für mich waren die Classic Days stets einer der Höhepunkte des Jahres.
Bilder davon durchziehen meinen Blog seit seiner Entstehung vor bald zehn Jahren. Leider wurde 2022 aus Gründen, die hier nicht zu erörtern sind, die Entscheidung getroffen, den Standort auf den Messeparkplatz Düsseldorf zu verlegen – in der Einflugschneise des Flughafens, aber das nur so am Rande.
Nicht nur für mich war dieser Unort ein absolutes „No go“ und die Classic Days waren für mich gestorben, so dachte ich. Doch wie es scheint, erkannte der Veranstalter, dass der einzigartige Charakter der Veranstaltung, die früher auch bei Besuchern aus dem Ausland großen Anklang fand, wieder ein würdigeres Umfeld verdient.
Dieses wurde nun mit dem Rittergut Birkhof unweit des ursprünglichen Veranstaltungsorts gefunden und damit sollte wieder ein Umfeld gegeben sein, in dem speziell Vorkriegsschätze in Würde glänzen können.
Die Kombination aus herrschaftlichem Ambiente und Karossen der Vorkriegszeit ist unschlagbar. Das ist in ganz Europa so und zu den großartigsten Beispielen in der Hinsicht gehört der Concours d’Elegance auf Schloss Chantilly nördlich von Paris.
Von meinem dortigen Besuch anno 2015 habe ich hier wiederholt Bilder gezeigt. Folgende Aufnahme dient heute dazu, ein Fahrzeug zu identifizieren, dem wir heute „nur so am Rande“ begegnen – ein Wagen der französischen Marke „Avions Voisin“:
Voisin auf Schloss Chantilly, September 2015; Bildrechte: Michael Schlenger
Um die spannende Geschichte dieses faszinierenden Herstellers zu erzählen, fehlt mir die Zeit – es muss genügen zu erwähnen, dass er von einem der bedeutendsten französischen Flugpioniere gegründet wurde: Gabriel Voisin.
Er hatte sich nach dem 1. Weltkrieg auf den Automobilbau verlegt, doch die spektakuläre „Art Deco“-Kühlerfigur sollte wie das geflügelte Markenemblem weiter an die Herkunft aus der Luftfahrt erinnern.
Voisin gehört zu den vielen Autoherstellern aus Frankeich, die in den 1920er Jahren einen anderen Kurs einschlugen als deutsche Firmen und auch angesichts der Dominanz von US-Fabrikaten ihre stilistische wie technische Eigenständigkeit wahrten.
Die Ästhetik eines Voisin der 20er sucht ihresgleichen – oft waren diese Wagen nach quasi architektonischen Prinzipien gestaltet und auf den ersten Blick beinahe nachlässig aus einzelnen Elementen zusammengesetzt.
Hier zur Veranschaulichung eine weitere Aufnahme aus Chantilly, die einen unrestauriert erhaltenen Voisin C14 zeigt:
Voisin auf Schloss Chantilly, September 2015; Bildrechte: Michael Schlenger
Trotz der betonten Schlichtheit und des Fehlens jedweden Zierrats – vom prächtigen Kühler abgesehen – weist dieser C14 eine geradezu skulpturenhafte Spannung und Präsenz auf.
Das ist kein einfallsloser Kasten, wie er von vielen deutschen Herstellern um die Mitte der 1920er Jahre in einem Anfall von Funktionalismus produziert wurde, bevor die modernen Gestaltungstendenzen aus den USA dieser Verirrung ein Ende machten.
Überhaupt fällt auf, wie anders die Auffassungen von gelungener Formgebung in Frankreich bis in die 1970er Jahre sein sollten. Wem in der oberen Mittelklasse das Angebot von Mercedes und BMW einfach zu langweilig war, fuhr Citroen.
Nachhaltig beeindruckt hat mich schon als Jugendlichen der metallicbraune CX eines Nachbarn. Später entdeckte ich die DS und sogar den 2CV als gestalterische Meisterwerke, wie sie nur in Frankreich entstehen konnten und deren Qualitäten von den Spaltmaß- und Dämmfetischisten hierzulande nicht verstanden wurden.
Aber das nur am Rande…
Nun wollen wir endlich sehen, was das für ein Wagen war, der mich zu den heutigen Betrachtungen inspiriert hat. Er findet sich zusammen mit einem sportlichen Tourenwagen der ebenfalls französischen Marke Berliet hier als Randerscheinung:
Voisin und Berliet, aufgenommen um 1930; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo und bei welcher Gelegenheit diese beiden so unterschiedlichen Wagen aufgenommen wurden.
Das Foto könnte anlässlich eines Rennens oder einer Parade entstanden sein, wobei mir die unterschiedlichen Kennzeichen Rätsel aufgeben. Nach Frankreich sehen sie jedenfalls nicht aus.
Könnte Belgien die Lösung sein?
So oder so fällt es schwer, auch die beiden Wagen genau zeitlich einzuordnen. Irgendwann um die Mitte der 1920er Jahre sind sie wahrscheinlich entstanden.
Wenn Sie jetzt sagen, dass doch die Vorderradbremsen des Wagens links am Rand einen Datierungshinweis geben müssten, dann muss ich Sie enttäuschen.
Wie unter anderem Delage bot auch Voisin früher als die meisten deutschen Hersteller Vierradbremsen serienmäßig an – erstmals beim 4-Liter-Typ C3 anno 1922.
Vom Aufbau ist hier zu wenig zu sehen, um eine zeitliche Eingrenzung zu wagen, außerdem fehlt es mir an Literatur zu den Modellen von Voisin, die bis 1939 entstanden. Für diesbezüglich Hinweise wäre ich dankbar.
Eine Sache noch am Rande: Ich habe bereits Karten für die „Classic Days 2025“ geordert und plane, das ganze Wochenende (1.-3. August 2025) dort zu sein.
Sie auch? Wenn ja, vielleicht sehen wir uns dort ja…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Heute müssen Sie wieder etwas Geduld haben, bevor ich zur Sache komme. Denn es haben sich einige Dinge wunderbar zusammengefügt, dass ich sie zunächst für mich festhalten möchte.
Eines vorab: Das trübe Wetter und die noch trüberen Aussichten auf weitere Schuldenorgien für immer mehr Waffen, die hierzulande niemand bedienen kann bzw. oder will – das gehört gewiss nicht dazu.
Also gilt es weiterhin, unverdrossen an seinem eigenen Eiland der Glückseligkeit zu arbeiten. Ich befinde mich in der Lage, diesbezüglich über nahezu unerschöpfliche Quellen zu verfügen – gemeint sind nicht etwa infinite Geldmittel, sondern so vielfältige Interessen, dass ich nach getaner Arbeit überlegen muss, wovon ich mich nun ablenken lasse.
Neben den vielen Projekten in der Oldtimerhalle gibt es da noch einiges, was ich hier bislang nicht habe anklingen lassen.
So bin ich seit Teenie-Zeiten ein Hifi-Jünger und habe mir schon damals mit Ferienarbeiten teure Gerätschaften auf diesem Sektor geleistet. Zusammen mit einem Klassenkameraden war ich anno 1984 vermutlich einer der jüngsten Besitzer eines CD-Spielers, was damals das Non-Plus-Ultra genauer Musikwiedergabe galt.
Aus der damaligen Zeit ist mir eine Leidenschaft für inzwischen längst historische Hifi-Geräte geblieben. Speziell die Verstärker der 1970/80er haben es mir aufgrund ihrer Optik angetan. Eine kleine Sammlung solcher Geräte habe ich über die Jahre aufgebaut.
Heute abend nahm ich erstmals das älteste Teil dieser Kategorie in Betrieb – einen Verstärker der Mittsiebziger aus dem Hause Pioneer. Technisch nichts Spektakuläres, aber optisch ein Leckerbissen und mit über 500 DM damals sehr teuer.
Auch so etwas will übrigens restauriert werden, damit es wieder funktioniert wie einst. Korrodierte Kontakte sind zu reinigen und ausgetrocknete Elektrolyt-Kodensatoren müssen ersetzt werden. Kann man mit etwas Geduld selbst erledigen, muss man aber nicht.
Ich bevorzuge wie bei meinen Fahrzeuge technisch überholte Geräte – man kann nicht alles im Leben selbst machen. Jetzt läuft der Pioneer SA-500A erstmals im Hintergrund und zwar mit Bachs Kantate BWV 169 „Gott soll allein mein Herze haben…“.
Zwar zähle ich zur agnostischen Fraktion, glaube also nicht an Götter, schließe sie aber auch nicht aus. Um die Vollkommenheit der Bach’schen Musik erkennen und genießen zu können, bedarf es nur eines offenen Ohrs und Herzens – sowie langer Hörerfahrung.
Ich habe fast 30 Jahre gebraucht, um Bach lieben zu lernen. Nahegebracht hat mir diese Kunst leider niemand – soviel zum Stand von Erziehung und Bildung hierzulande.
Wenn ich die Wahl hätte unter allen Komponisten, würde ich im Sinne von BWV 169 ohne zu zögern sagen: „Bach – er allein soll mein Herz haben„.
Und, schon sind wir beim Thema! Denn im Hintergrund wie im Vordergrund geht es genau darum – um unbedingte Favoriten, wenn auch auf eher profanen Sektoren.
Das großartige Anschauungsmaterial dazu verdanke ich Leser Klaas Dierks, der mir vor einiger Zeit diese digitale Kopie eines seiner Beutestücke zusandte:
Hanomag Roadster um 1930; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks
„Er allein soll mein Herz haben“ – das gilt schon einmal für diese aufregendste Version der kleinen Vierzylindertypen 3/16, 3/18 und 4/20 PS, mit denen der Maschinenbauer Hanomag aus Hannover ab 1929 der Konkurrenz begegnete.
Während die Serienmodelle – das zweisitzige Cabriolet, die drei- bis viersitzige Limousine und die Cabrio-Limousine – in der Literatur und in meiner Markengalerie erschöpfend dokumentiert sind, liegt mir zu dieser sportlichen Ausführung nichts vor.
Der Türausschnitt und das Notverdeck rechtfertigen die Ansprache als klassischen Roadster nach britischem Vorbild und was die Optik angeht, kann man nur sagen: „Er muss es sein!“.
Ich vermute, dass unter der Haube mindestens der 1,1 Liter-Motor zu finden war, der serienmäßig 20 bzw. 23 PS leistete, aber für sportliche Zwecke vermutlich auf mindestens 25 PS leistungsgesteigert werden konnte.
Vielleicht kann ein sachkundiger Leser mit Fundus an Materialien zu einschlägigen Sportveranstaltungen in der 1 Liter-Klasse um 1930 mehr zu diesem Exemplar sagen.
Die Identifikation als Hanomag ist übrigens durch das markentypische Pferdchen auf dem Kühlwassereinfüllstutzen gesichert. Auch entspricht der gesamte Vorderwagen den Serienausführungen.
Insofern darf man einen Werks“rennwagen“ ausschließen – dieser attraktiv gestaltete Roadster sieht eher nach einer Sportversion für den ambitionierten Hobbyfahrer aus.
„Nur er allein“ kam für den sportlich veranlagten Hanomagfahrer in Betracht – dasselbe gilt für die Dame auf dem Werbeplakat im Hintergrund, die hier ihr Herz ganz dem „Metzeler„-Ballonreifen vermacht zu haben behauptet.
In Wahrheit war es natürlich anders. Die von Eros entzündete Dame von Welt schwärmte schon damals weniger für solche Schöpfungen aus der automobilen Sphäre, als für deren leicht zu erbeutende Besitzer.
Das Belegfoto dafür konnte ich vor einigen Jahren bereits vorstellen und bis heute konnte mir niemand Genaues zu diesem ebenfalls der Roadster-Fraktion angehörigen Hanomag desselben Typs sagen.
Während ich von der dünnen Dokumentation der an sich überschaubaren Auto-Palette dieses Herstellers ein wenig enttäuscht bin, findet dieses Filmfoto meine unbedingte Begeisterung – denn hier ist das Motto eindeutig: „Nur ER allein…“:
Hanomag „Roadster“ um 1930; Aufnahme aus dem Film „Spiel im Sommerwind“ von 1938; Archivfoto des Niederdeutschen Beobachters, Bildrechte: Terra-Filmkunst GmbH; Original: Sammlung Michael Schlenger
Damit kann man durchaus zufrieden sein, auch wenn sich die Identität dieses Hanomag „Roadster“ von ca. 1930 nicht mehr genau ermitteln lässt.
Zufällig liefert Meister Bach uns – wie ich meine – passend zu diesem herrlichen Foto in der eingangs erwähnten Kantate Opus BVW 169 den kurzen, aber schönen Schlusschoral „O süße Liebe, schenk uns Deine Gunst“:
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Die Sonntage immer den Künsten – so stellt man es sich als Schöngeist gerne vor, wenn das Wochenende ansteht.
Doch sollte es anders kommen. Ich hatte mit den Nachbarn in der angrenzenden 350 Jahre alten Domäne erörtert, wie man die alte Weide zurechtstutzt, deren Äste schon wieder auf dem Dach meiner Autohalle auflagen.
Da der Sonntag prächtig zu werden versprach, gingen wir am frühen Nachmittag zu dritt ans Werk – mit Säge für’s Grobe, dann Astschere und schließlich der klassischen „Löwe“-Amboßschere, die ich jedem Gartenbesitzer ans Herz lege.
Bei der Arbeit unterhielten wir uns über dies und das, ließen uns vom Kater Karlo und Besuchern ablenken. Zwischendurch gab es eine Improvisation am verstimmten Flügel im Haupthaus, einen Espresso und im übrigen: tiefblauen Himmel und Sonne satt.
Nach drei Stunden Handarbeit am Sägebock und reicher Brennholz-Beute für den übernächsten Winter ging es heim. Endlich wieder draußen, dachte ich, endlich mal was Neues nach drei Monaten Abstinenz. Die Müdigkeit nach getaner Arbeit, herrlich!
Solchermaßen beschwingt wollte ich auch im Blog etwas Neues bringen – mir kam eine Fotoserie in den Sinn, in der es nur um gutgelaunte Autobesitzer und ihre Wagen geht.
Bei zwei Marken bzw. Modellen werde ich diesbezüglich immer wieder fündig – bei den Adler-Frontantriebswagen und den DKW-Zweitaktern der 1930er Jahre.
In Sachen Adler will ich schon seit langem eine Serie mit den schönsten Aufnahmen bringen, doch bisher fehlte die Zeit dazu. Hier ein Vorgeschmack darauf:
Adler „Trumpf“ Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Heute abend fiel mir bei der Durchsicht der noch nicht eingescannten DKW-Fotos auf, dass es dort ebenfalls zu viele sind, um schnell aufbereitet zu werden.
Keine Sorge, eines Tages bringe ich dieses Verwöhnprogramm, bei dem Typen, Technik usw. keine Rolle spielen – alleine die gelungene Inszenierung soll zählen.
Als ich das Material sichtete, stieß ich indessen auf etwas anderes, welches mit einem Typ zu tun hat, den ich inzwischen als „abgehakt“ betrachtete, so oft ist er inzwischen vertreten.
Die Rede ist vom ersten DKW-Serienauto überhaupt, dem ab 1928 gebauten Typ P 15 PS. Dieser einfache, aber attraktiv gestaltete Wagen besaß einen Zweizylinder-Zweitaktmotor mit 600ccm Hubraum – eine naheliegende Wahl für den bisher mit Zweitakt-Motorrädern enorm erfolgreichen Hersteller.
Wie meine DKW-Galerie zeigt, wurde der Wagen meist als offener Zweisitzer gekauft. Einer davon ist auf der folgenden Aufnahme zu sehen:
DKW Typ P 15 PS Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Ich dachte mir, dass ich hier endlich mal etwas Neues in der Hinsicht zeigen muss – denn die Abdeckung des Innenraums mutet doch sehr merkwürdig an, oder?
Man hätte auch einfach das Verdeck aufspannen können. Hat jemand eine Idee, was wir hier sehen? Und: wo die Aufnahme entstand?
Das Barockschloss im HIntergrund erinnert zwar stark an die Würzburger Residenz, aber es scheint sich doch um eine andere Örtlichkeit zu handeln.
Wenn den DKW-Kennern unter den Lesern meines Blogs auch das noch zu konventionell ist, dann sei ihnen gesagt. Gleich gibt es endlich mal etwas Neues in Sachen DKW P 15 PS.
Wir werden dabei mit Berliner Damenmode um 1930, schlesischem Drogenhandel, einer geheimisvollen Doppelbelichtung und einer Rarität aus Sachsen konfrontiert.
Den Anfang macht diese schöne Aufnahme:
DKW Typ P 15 PS, Cabrio-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Ein hübsches Dokument, das wohl irgendwann Anfang der 1930er Jahre auf einer Chaussee entstand.
Wenn Ihnen der DKW Typ P 15 PS hier so beeindruckend dimensioniert erscheint, dann liegt das allein daran, dass die freundliche junge Dame daneben kaum 1,60 Meter maß, das war nämlich die Höhe des Autos.
Sie macht ja durchaus gute Figur, aber wer um Himmelswillen hat ihr in Berlin – dort war der DKW zugelassen – dieses unmögliche Kleid geschneidert? Ich dachte bisher, dass die Sackkleider mit unter der Taille angebrachtem Gürtel eine kurzlebige Geschmacksverirrung der 1920er Jahre waren, aber offenbar wird hier immer noch eines getragen.
Immerhin hat unser Fotomodell noch eine zweite Chance bekommen und da wirkt sie gleich ganz anders, auch wenn dafür andere Sachen schiefgelaufen sein mögen.
So ließ man sich mit demselben Wagen in einer unbekannten Stadt irgendwo in Schlesien ablichten – ausgerechnet vor dem Haus des örtlichen Drogenhändlers:
DKW Typ P 15 PS, Cabrio-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Mir gefällt dieses Foto trotz einiger Fragwürdigkeiten ganz außerordentlich. Die Drogenhandlung „Silesia“ nehme ich als Schlesierkind mit einem Lächeln zur Kenntnis. Vielleicht findet ja jemand den Aufnahmeort heraus.
Auch die Doppelbelichtung aufgrund versäumten oder nicht funktionierenden Filmtransports in der einst verwendeten Kamera stört mich nicht im geringsten.
Denn das Wesentliche ist hier in erfreulicher Klarheit festgehalten. Dieser DKW P 15 PS war nämlich ein Exemplar von nur gut 230 Stück, die 1929/30 als viersitzige Cabrio-Limousine gebaut wurden.
Der großzügige Aufbau war eigentlich für das neue Vierzylindermodell von DKW vorgesehen, dessen Fertigstellung sich jedoch verzögerte. Das zusätzliche Gewicht der Karosserie war natürlich der Agilität des Autos nicht zuträglich.
Eine echte Verkaufsbremse war auch der heftige Preis von 3.200 Reichsmark. Denn für dasselbe Geld – bzw, ab 1930 für 500 Mark weniger – bekam man eine Limousine von Opel mit 20 PS leistendem Vierzylindermotor.
Das einzige Argument für den DKW mag damals noch der geringe Hubraum und die daran anknüpfende niedrige Steuer sowie die Einfachheit des Motors gewesen sein. Der als Nachfolger 1930er herausgebrachte Vierzylinder-DKW 4=8 hatte zwar mehr Leistung, war aber im Wettbewerb ebenfalls unterlegen.
Erst mit den meisterhaft gezeichneten Fronttrieblern lief DKW zu großer Form auf und hinterließ bis lange nach Ende des 2. Weltkriegs Spuren. Denen gehen wir bei anderer Gelegenheit nach…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Beim Titel meines heutigen Ausflugs in die automobile Welt von gestern werden vielleicht manche Leser aus Nachbarländern Deutschlands schlucken. Wenn es mit „Hurra“ im Opel über die Grenze ging, dann war das wiederholt mit Tod und Verderben verbunden.
Sicher, im 21. Jahrhundert müssen wir Deutschen uns nicht mehr schuldig fühlen deshalb, aber die brachiale Kriegführung in praktisch allen Nachbarstaaten – nur die Schweiz kam knapp davon – ist nun einmal unser historisches Erbe.
Man muss nicht die entlegenen Kriegssschauplätze in Norwegen und Griechenland oder auch weit im Osten heranziehen, um sich die Frage zu stellen, was deutsche Truppen eigentlich überall dort verloren hatten.
Schon im Fall des vor der Haustür liegenden Belgiens, mit dem niemand irgendwelche Rechnungen offenhatte, muss man feststellen, dass unsere Vorfahren im 20. Jahrhundert ein im wahrsten Sinne verheerendes Bild abgegeben haben.
Wobei die bei dieser Gelegenheit entstandenen Autofotos für den einschlägig Interessierten freilich oft von großem Reiz sind. Hier haben wir einen typischen Opel-Tourenwagen, der 1916 fotografiert wurde:
Opel Tourenwagen im 1. Weltkrieg; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Ob dieser Wagen nun an der Ost- oder Westfront eingesetzt war, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Geschichte der auf der Motorhaube vermerkten 208. preußischen Infanteriedivision erlaubt anno 1916 beide Möglichkeiten.
Das kriegerische Treiben unserer Ahnen in ganz Europa mahnt dazu, sich in Konflikten der Neuzeit nicht abermals in vorderster Front hervortun zu wollen. Beruhigend ist indessen, dass die auf diesem Sektor einst unzweifelhafte „Kompetenz“, den ganzen Kontinent anzuzünden, in deutschen Landen heute nicht annähernd mehr vorhanden ist.
Außer markigen Worten ist verglichen mit den Verhältnissen von einst heute nichts Nennenswertes zu erwarten. Das wird so sicher auch von unseren Nachhbarn empfunden, die sich allenfalls fragen, warum die Deutschen heute so furchtbar viel Geld dafür ausgeben, militärisch ein hoffnungsloser Fall zu sein.
Das Schicksal der einst so bedeutenden Marke Opel – endlich komme ich zum eigentlichen Thema – ist ein emblematisches Beispiel für den schleichenden Kompetenzverlust der einst so gefürchteten und in einigen Bereichen auch bestaunten Deutschen.
Dass Opel bis in den 1. Weltkrieg vom Kleinwagen bis zur Luxusklasse das gesamte Spektrum abdeckte und zu den bedeutendsten Herstellern im deutschen Sprachraum gehörte – das kann man sich kaum noch vorstellen.
Wer wie ich in den 1970/80er Jahren aufgewachsen ist, kann sich noch an die schon damals als peinlich empfundenen Versuche der Rüsselsheimer erinnern, an alten Ruhm anzuknüpfen – Rohrkrepierer wie der „Senator“ und der „Monza“ waren das Ergebnis.
Dabei hatte man bei Opel schon nach dem 1. Weltkrieg einsehen müssen, dass man künftig kleinere Brötchen backen muss. So zählte ab 1921 der neuentwickelte Typ 8/25 PS (M21) mit 2-Liter-Vierzylinder zu den meistgebauten Modellen.
Sie begegnen dem Wagen mit dem typischen gemäßigten Spitzkühler und der geteilten Frontscheibe in meinem Blog öfters – hier eine noch nicht vorgestellte Aufnahme:
Opel 8/25 PS Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Während es parallel auch noch stärkere Modelle mit 35 bzw. 50 PS gab, blieben diese doch seltener und waren bei ähnlicher Optik auch größer.
Opel bot das bis 1924 gebaute 25 PS-Modell nicht nur als üblichen geräumigen Tourer und als (sehr rare) Limousine an, sondern auch als sportlichen Zweisitzer.
Ihm haben wir uns schon das eine oder andere Mal gewidmet – zur Erinnerung hier ein weiteres Foto aus der Sammlung von Leser Matthias Schmidt:
Opel 8/25 PS Zweisitzer; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt
Außerdem scheint es eine Art „Sport-Tourer“ gegeben zu haben, also einen offen Viersitzer mit niedrigem und kürzer anmutendem Aufbau.
Ich bin ihm bisher nur einmal begegnet und hatte ihm seinerzeit nicht viel Bedeutung beigemessen.
Nun habe ich aber dieser Tage eine zweite Aufnahme erworben, die so einen 25-PS-Opel mit auffallend kurzem und niedrig gehaltenen Tourer-Aufbau zeigt.
Das Foto bezieht seinen Reiz nicht zuletzt aus dem tradtionellen Haus mit Schindeldach und ebenfalls mit Holzschindeln verkleideten Fassade – daher erst einmal die Gesamtansicht:
Der Baustil verweist auf Südwestdeutschland -genauer kann ich ihn nicht einordnen – und dazu passend trägt dieser Opel-Tourer eine Zulassung in der Provinz Baden.
Die Frontpartie des Wagens wirkt aufgrund des niedrigen und vergleichsweise kurzen Passagierraums ungewöhnlich dominierend.
Doch bezieht man die Dimensionen des Lenkrads und den Beifahrer ein, wird klar, dass auch dies „nur“ einer der relativ kleinen Spitzkühler-Opels der frühen 1920er Jahre war.
Kann es sein, dass Opel auf dem verkürzten Chassis des weiter oben gezeigten Sport-Zweisitzer auch eine Art Sport-Tourer anbot, der zwar Platz für vier Insassen bot, aber nicht die größere Beinfreiheit des Standard-Tourers?
Dafür spricht aus meiner Sicht der minimale Abstand zwischen der vorderen Sitzreihe und dem Beginn der hinteren Kotflügel. Für eine sportliche Anmutung sorgen hier zudem die eher dekorativ gemeinten kleinen Türen:
In der mir zugänglichen Literatur zu den Opels der ganz frühen 1920er Jahre – zu nennen ist hier vor allem die verdienstvolle „Opel Fahrzeug Chronik 1899-1951“ von Bartels/Manthey -konnte ich nichts in der Hinsicht finden.
Vielleicht findet sich ja doch einmal jemand, der alle die vielen Fotos solcher Opel-Spitrzkühlerwagen in einer Systematik unterbringen kann.
Auf den heute in französischer Hand befindlichen Hersteller braucht man dabei nicht zu setzen, wohl aber auf die zahlreichen Besitzer zeitgenössischer Originalprospekte, die doch die aussagefähigen Partien ihrer Schätze leichterhand im Netz auf einer Website zugänglich machen könnten, wie das bei anderen Marken teilweise geschieht.
Nie war es leichter, dieses Material ohne jedes Risiko der (überschaubaren) interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen – warum passiert dann so wenig in der Hinsicht?
Einen rührigen Aktivisten auf dem Sektor „frühe Opels“ bis Anfang der 1920er Jahre kenne ich aber zum Glück. Das ist Bart Buts aus Belgien, der vermutlich die bedeutendste Sammlung an einschlägigem Material besitzt – inklusive mehrerer Originalfahrzeuge.
Und so geht auch das heute vorgestellte schöne Opel-Foto mit „hurra“ nach Belgien – von wo aus ich Gegenzug immer wieder mit Material bedacht werde, das für mich wertvoll ist.
So stelle ich mir die Zusammenarbeit vor mit unseren Nachbarn im 21. Jh. vor, nachdem wir Deutschen es einst gründlichst versemmelt haben – mit Belgiern, Niederländern, Briten, Dänen, Franzosen, Polen, Tschechen, Russen, Österreichern, Italienern…
Mit Gleichgesinnten aus allen diesen Ländern pflege ich regen Austausch und von wenigen Ausnahmen abgesehen habe ich den Eindruck, dass dort in Sachen Vorkriegsautos bedeutend mehr aus dem Auspuff kommt als bei uns…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Nicht nur in den internationalen Beziehungen bedarf es nach Zeiten des Kalten Kriegs und verkrusteter Feindbilder irgendwann eines Eisbrechers, wenn ein neuer Frühling einziehen soll. Es passt vielen kalten und heißen Kriegern nicht, aber genau das erleben wir gerade.
In meiner kleinen heilen Welt auf dem Lande bekomme ich davon zwar nur das mit, was ich den Nachrichten entnehme, darunter bewusst ausländischen Quellen, dennoch meinte ich heute etwas ähnliches am eigenen Leibe zu spüren.
In der Regentonne – einem einfass aus Frankreich – befand sich zwar noch eine dicke Eisschicht, doch mit ein paar Hammerschlägen war sie Geschichte. Auf die segensreiche Wirkung des Hammers, von kundiger Hand beherzt geführt, kommen wir noch zurück.
Nachdem die letzten Nächte bitterkalt gewesen waren, hat sich das Wetter endlich eines Besseren besonnen. Vorfrühlingshafte Temperaturen in der hessischen Wetterau weckten heute die Lebensgeister und verscheuchten leichterhand alle trüben Gedanken.
Nach getaner Büroarbeit nutzte ich die eine Stunde Licht bis Sonnnenuntergang noch beflügelt zu einigen Arbeiten im Garten. Endlich wieder im Freien, endlich wieder etwas Produktives tun, endlich sich wieder in alle Richtungen bewegen können – herrlich!
Wie jedes Jahr bei den Vorboten des lang ersehnten Frühlings dasselbe Empfinden, wie verwandelt zu sein, ohne genauen Anlass heiter und voller Tatendrang zu sein.
Leser Matthias Schmidt aus Dresden hatte mir mit perfektem Timing das dazu passende Foto in digitaler Form zugesandt.
Bevor wir dazu kommen, zum Vergleich noch eine kurze Erinnerung daran, wie miesepetrig viele Insassen deutscher Vorkriegswagen auf zeitgenössischen Fotos oft dreinschauen.
Jetzt gehörten sie schon zu den oberen zenhtausend, die sich überhaupt ein Auto leisten konnten und dann schafft man es meist nicht für einen Moment freundlich oder zumindest entspannt dreinzuschauen.
Mir hat dieses Phänomen schon oft die Freude an sonst gelungenen Situationen mit interessanten Autos vergällt.
Ein Beispiel dafür haben wir hier in Form eines Hansa Typ C 8/24 PS – eines Modells des norddeutschen Herstellers aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg, aufgenommen um 1920:
Hansa Typ C 8/24 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Das ist das bis heute einzige Foto dieses Modells in meinem Fundus und dann soviele Trauermienen! Doch zum Glück geht es auch anders und das noch dazu am Beispiel des direkten Nachfolgetyps aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg.
Hansa brachte den Wagen nämlich optisch nur leicht modernisiert als Typ P 8/26 PS neu heraus. Die markante Kühlerpartie wurde beibehalten, die Kotflügel wurden stärker der Radform angepasst, und die ganze Linie geglättet.
Die weit oben angebrachten Griffmulden in der Motorhaube wurden prinzipiell beibehalten – ein für lange Zeit ein typisches Detail bei den Hansa-Wagen.
Den größten Unterschied machen aber beim Nachkriegstyp mit weiterhin 2,1 Litern Hubraum, aber höherer Spitzenleistung (es werden teilweise auch 30 PS genannt), die Passagiere aus.
Hier ist das Eis der Verbiestertheit gebrochen und alle Insassen zeigen sich bestens aufgelegt:
Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden))
Es werden nicht nur die extra PS und die knapp 10 Zentimeter an zusätzlichem Radstand gewesen sein, die zur guten Laune diese Hansa-Insassen geführt haben.
Es war ein prächtiger Tag mit vollem Sonnenschein, man konnte es sich leisten, zum Vergnügen mit dem eigenen Auto auszufahren – und das zu einer Zeit, in der es der weit überwiegenden Mehrheit der Deutschen miserabel ging.
So ansteckend die Stimmung an Bord hier auch ist – uns bereitet dieses Auto nach gut 100 Jahren nicht nur Freude, sondern auch etwas Kopfzerbrechen.
Denn die Lenkung befindet sich hier auf der in Fahrtrichtung linken Seite – was erst zur Mitte der 1920er Jahre zum Standard wurde. Gleichzeitig verfügt der Hansa aber noch nicht über die ebenfalls um 1925 sich durchsetzenden Vorderradbremsen.
Man kann dem mit einer Datierung auf 1924 einigermaßen Rechnung tragen, denn das war das letzte Produktionsjahr des Typs P 8/26 PS, dessen Nachfolger der nochmals etwas längere 8/36 PS mit Vierradbremse war.
Aber es gibt ein weiteres Detail, welches irritiert. Damit meine ich nicht die schöne Kühlerfigur, die einen hammerschwingenden Jüngling im Schneiderseitz zeigt, perfekt passend zum Kühlergehäuse mit Hammerschlag-Optik:
Nein, nicht einzuordnen ist hier etwas anderes, nämlich das Reifenformat 820×120.
Das passt vom Durchmesser und der Breite nicht zum Hansa Typ P 8/26 PS, aber auch nicht zu dessen Nachfolger 8/36 PS – jedenfalls wenn man der Überlieferung in der Literatur zu deutschen Autos jener Zeit (W. Oswald, H. Schrader) Glauben schenkt.
Die dort zu findenden Reifenformate weichen ab. Aber das soll uns nicht verdrießen. Die Angaben können falsch sein oder sich nicht auf die gesamte Bauzeit beziehen.
Übrigens ist mir aufgefallen, dass alle Hansa-Wagen des mutmaßlichen Typs P 8/26 PS in meiner Markengalerie Linkslenkung aufweisen, obwohl das Modell von 1921-24 gebaut wurde. Könnte es sein, dass die Marke zu den ganz wenigen in Deutschland gehört, die bereits Anfang der 1920er Jahre auf Linkslenkung umstellten?
Wie dem auch sei – für mich ist das Eis nun gebrochen und gerne lasse ich mich von der heiteren Gestimmmtheit der Insassen des Hansa auf dem Foto von Matthias Schmidt anstecken.
Der Verstand sagt zwar, dass es ganz so schnell dann doch nicht geht – vor Mai wird es selten stabil schön in deutschen Landen, aber der Mensch lebt auch von der Hoffnung…
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Ich gebe es zu – der Titel des heutigen Blog-Eintrags ist nichts für schwache Nerven. Der Gedanke, gleich in der Notaufnahme als hoffnungsloser Fall eingestuft und zur „Ersatzteilgewinnung“ ausgeweidet zu werden, ist kein schöner.
Wie bei anderen kontroversen Themen muss man sich aber damit auseinandersetzen – weil es keine objektiv richtige Sicht dazu gibt. Wie im Fall von Abtreibung und Todesstrafe erscheint es mir klug, extreme Positionen zu vermeiden.
Das bedeutet, die Sache weder völlig auszuschließen noch sie zu leicht zu machen. Die Entscheidung über den Umgang mit dem Leben anderer ist eine ernste Angelegenheit, sie sollte so schwer wie möglich fallen und vermieden werden, wenn es irgend geht.
Völlig abwegig erscheint mir im Fall der menschlichen Organspende nur die Idee, dass diese der Normalfall in dem Sinne sei, dass ein grundsätzlicher Anspruch „der Gesellschaft“ auf die Organe eines Individuums bestünde, wenn es „hirntot“, aber sonst noch lebendig ist. Nur wer das vorab durch Willensbekundung ausschließe, könne verschont bleiben.
Diese Sicht ist für mich Ausfluss einer Gesinnung, für die mir die Worte fehlen. Man kann und sollte über alles streiten können, aber alles hat seine Grenze dort, wo der Bürger zur Verfügungsmasse eines übergeordneten Apparats wird.
Das ist meines Erachtens keine moralische Frage – subjektive Moralkategorien haben in den meisten Lebensbereichen nichts zu suchen und schaffen mehr Probleme als sie lösen.
Es genügt, den für Lebenswillen eines Individuums zum Ausgangspunkt zu nehmen. Das darin zum Ausdruck kommende Selbsteigentum kann der Einzelne nur selbst einschränken.
Eigentlich wollte ich nicht so weit abschweifen, aber ein Blog ist ein Format, in dem Dritte dem Verfasser dabei folgen können, wie er sich einem Thema nähert. Für mich ist die Einleitung eine Konzentrationsübung, bevor der entspannende Teil folgt, der dann meist schnell heruntergeschrieben ist.
Wechseln wir also aus dem fahlen Licht der Notaufnahme in den Freiluft-OP-Saal einer Auto-Klinik vor rund 115 Jahren – und damit an einen Ort, wo Organtransplantationen zur guten Praxis gehörten und „ärztliche“ Kunst auf eigene Weise geübt und gepflegt wurde:
Chauffeurschule um 1910; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger
Na, was sagen Sie? In dieser „Klinik“ stellt sich das Thema erfreulich „organisiert“ dar, oder?
Denn an der „Sächsischen Chauffeurschule“ wurden Autos nicht zwecks Teileentnahme geschlachtet, sondern hier wurde das Zerlegen, Reparieren und Zusammensetzen trainiert, auf dass der „Patient“ anschließend geheilt in den Alltag entlassen werden konnte.
Solches lernten die Berufsfahrer zu einer Zeit, als sie noch selbst in der Lage sein mussten, allfällige Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten selbst auszuführen.
Geübt wurde am (zumindest zuvor noch) lebenden Objekt. Selbst wenn der „Herztod“ schon eingetreten war – mit Sachkunde, Fleiß und den richtigen Materialen war eine vollständige Wiederherstellung der „Lebensfunktionen“ möglich.
Ein typischer „Patient“ war in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg ein Wagen der Berliner Marke NAG“, die in meinem Blog zu den häufigsten Vertretern zählt. Die Form des Kühlergehäuses ist bereits unverkennbar, das Kühleremblem bestätigt die Identifizierung:
NAG „Puck“, 1908-1910
Die geringe Größe des Kühlers spricht für das Kleinwagenmodell „Puck“ des renommierten Herstellers, das ab 1908 mit Motorisierung 4/12 PS gebaut wurde.
Das Aggregat scheint hier noch vollständig zu sein, nur die Kühlwasserschläuche zum Kühler wurden gelöst und die Motorhaube entfernt.
Die hinten zu sehende Stirnwand – welche zugleich die Abtrennung zum Fahrerabteil war – unterstützt die frühhe Datierung.
Ab 1910/11 wurde auch bei NAG der aus dem Rennsport übernommene Windlauf übernommen, eine kappenartige Blechpartie, die den Übergang von der Motorhaube zur Windschutzscheibe strömungsgünstiger gestaltete und unter der die Stirnwand verschwand.
Was so ein „Puck“ aus dem Hause NAG zu leisten vermochte, wenn er sachgerecht gewartet wurde, das habe ich hier vor einiger Zeit anhand eines Exemplars gezeigt, das vor der Silhouette der Stadt Todi im oberen Tibertal (Umbrien) abgelichtet worden war:
NAG 6/12 PS „Puck“ bei Todi (Umbrien); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Da es südlich der Alpen wahrscheinlich keine NAG-Niederlassung gab und Automobile in Mittelitalien noch eine ganz große Rarität waren, musste der Fahrer seinen „Puck“ wirklich so gut kennen wie ein guter Hausarzt seine Patienten.
Bei einem Problem war keine „Überweisung“ an Spezialisten möglich, also musste die Konstruktion und die Ausbildung der Chauffeure ganz darauf ausgelegt gewesen sein, in jedem Fall zumindest die Situation zu stabilisieren und im besten Fall zu heilen.
Jedes dieser Fotos ist ein Beleg dafür, dass dies in den allermeisten Fällen gelang, sonst hätte sich niemand mit so einem enorm teuren Gegenstand auf Reisen begeben. Mir nötigt das Können der damaligen Konstrukteure, Handwerker und Fahrer größten Respekt ab.
Ohne allerbeste und das heißt gründliche und disziplinierte Ausbildung wäre nichts von alledem möglich gewesen. Für diese angehenden Chauffeure war dieser Aufenthalt in der „Auto-Klinik“ sicher einer, den sie mit Leidenschaft absolvierten.
Seine Profession ernstzunehmen, war eine Frage der Ehre, zumal das eigene materielle Wohl davon abhing, sein Metier völlig zu beherrschen und den Besitzern der Autos, für die man verantwortlich war, Ungemach zu ersparen.
Mit Ernst und Stolz bei der Arbeit, vielleicht auch eine Empfehlung für die Gegenwart:
Ob wir hier einen weiteren NAG nach erfolgter Organentnahme sehen, das vermag ich nicht sicher zu sagen.
Von der Machart des Motors her mit vier aus dem Block herauschauenden Kolben und am Ende angeflanschter Schwungscheibe könnte das aber passen. Denn der kleine „Puck“ besaß einen kompakten Monoblockmotor mit 1,6 Litern Hubraum.
Gut gefällt mir, wie sich hier der grimmig dreinschauende Herr neben dem Motor wie ein Großwildjäger neben seiner Beute präsentiert, nur dass er mit einem Schraubenschlüssel bewaffnet ist. Der Mann neben ihm dürfte zur Leitung der „Auto-Klinik“ gehört haben.
Schön, dass auch die Sekretärin der Einrichtung zu sehen ist, sie durfte am Lenkrad des Wagens sitzen, sicher eine willkommen Abwechslung zur Schreibmaschine. Vielleicht war sie aber auch mit der damaligen High-Tech-Kommunikation vertraut, dem Telegramm.
Dieses erlaubte die erste weltumfassende Kommunikation in (Beinahe) Echtzeit. Dass der Telegramm-Dienst noch bis 2022 in Deutschland in Betrieb war, habe ich soeben mit Erschütterung gelesen, aber es passt zur pathologischen Technologieskepsis in unserem vor dem 1. Weltkrieg noch praktisch in allen Bereichen führenden Land.
Apropos Skepsis: Man kann nie skeptisch genug sein, sowohl was die eigenen Gewissheiten angeht als auch die anderer. Denn der NAG, den ich heute als mutmaßlichen „Puck“ 6/12 PS aus der Zeit von 1908-10 vorgestellt habe – zumindest in Teilen – könnte ebenso der Nachfolger „Darling“ 6/18 PS gewesen sein.
Die einschlägige Literatur – zu NAG leider dürftig und veraltet – behauptet zwar, dass der „Darling“ erst ab 1911 den „Puck“ ablöste, doch fand ich in einer 1910er Ausgabe der Zeitschrift „Jugend“, nach welcher der Jugendstil benannt ist, diese Reklame:
NAG „Darling“; Originalreklame von 1910 aus Sammlung Michael Schlenger
Auch die Angabe der Motorisierung 6/14 PS spricht für eine frühere Einführung noch 1910, während die bis 1914 gebauten Varianten stärker waren (letzte Bezeichnung: 6/18 PS).
Somit muss die Identität unseres heutigen NAG-Patienten in der Auto-Klinik offenbleiben.
Um 1910 jedenfalls wird es gewesen sein, dass man irgendwo in Sachsen an einer Chauffeurschule dem Berliner Gewächs nicht nur den Puls fühlte, sondern beherzt eine vorübergehenden Organentnahme zu Lehrzwecken an ihm praktizierte.
Der kleine NAG wird das überlebt haben, die Wagen der Marke gehörten damals zum Besten, was die deutsche Autoindustrie in größeren Stückzahlen zustandebrachte. Später mag er noch einmal als Organspender gedient haben, aber seine Zeit war bald abgelaufen.
So wie die Lebenserwartung der Menschen vor über 100 Jahren in bedrückender Weise viel niedriger war als heute – die wenigsten wissen dieses heutige Privileg eines langen Lebens zu schätzen, viele können nichts mit ihrer Zeit anfangen – so war auch den damaligen Autos kein langes Dasein beschieden.
Nach fünf Jahren waren sie veraltet und nach zehn Jahren wurden sie meist aus dem Verkehr gezogen. Heute sind viele Autos ohne weiteres für 20 bis 30 Jahre gut, sofern man sich darum kümmert. Chauffeurschule und Auto-Klinik braucht es dazu nicht mehr.
Vieles lässt sich heutzutage mittels Selbststudium in Typenforen oder auf YouTube beheben oder zumindest so weit eingrenzen, dass man weiß, was zu tun ist. Das wirklich ewige Leben, das haben aber nur die ganz frühen Automobile, sofern sie noch existieren.
Dieser Tage stieß ich auf ein wunderbares Dokument, in dem ein alter Herr aus den USA von seinem 1913er „Regal Underslung“ erzählt.
Nicht nur ist das eines der schönsten US-Autos seiner Klasse aus jener Zeit – es fasziniert auch, wie dieser Amerikaner in freier Rede in wohlgesetzten Worten und klaren Sätzen 25 Minuten lang von seinem Wagen erzählt.
Selbst wenn Sie nur über Schulenglisch verfügen, werden Sie dieser Geschichte mit Gewinn folgen können – im Zweifelsfall hören und sehen sie es nochmals an:
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Da hat es unser Blog-Wart aber auf einmal eilig. Hat er doch kürzlich erst das zur aktuellen Jahreszeit passende Foto eines FN in Eiseskälte gezeigt (hier). Gewiss, doch in meinem Blog unternehme ich ganz nach Tagesform gern virtuelle Ausflüge in die von mir bevorzugte Jahreszeit – den Sommer.
Der Winter kann ja durchaus seine Reize haben, speziell wenn bei Frost die schon merklich höherstehende Sonne vom tiefblauen Himmel scheint wie heute.
Erstmals kam sie wieder nachmittags über das Dach meiner Oldtimer-Scheune – in Wahrheit ein massiver Ziegelbau mit schönem offenen Dachstuhl. So konnte ich im windgeschützten Hof noch etwas Buchenholz für die verbleibenden Tage des Februar ofengerecht zukleinern.
Die Bewegung an der frischen Luft hat mir die letzten Monate gefehlt – wenngleich meiner vierbeinigen Mitbewohnerin Ellie das Verständnis dafür fehlte und sie mich vom malträtierten Polstersessel im geheizten Wintergarten aus beaufsichtigte.
Vom Schwung der Spaltaxt zusätzlich beflügelt wanderten die Gedanken in den Sommer und nach getaner Arbeit fand ich im Fotofundus das dazu passende Bildmaterial.
„Abholen“ möchte ich Sie zunächst mit dieser winterlichen Aufnahme, bevor wir uns anschließend einer beflügelten Vorschau auf den Sommer hingeben:
Wanderer W10 (frühe Ausführung); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Hier finden wir uns mitten im verschneiten Wald wieder, und der einzige „Wanderer“, der sich bei dieser Gelegenheit blicken lässt, ist der gleichnamige Wagen des Typs W10 6/30 PS, neben dem sich die darin Reisenden gewiss nur kurz zur Fotozwecken aufhalten.
Der Hersteller des Wagens wäre auch ohne das geflügelte „W“ auf dem Kühlwasserstutzen zu ermitteln gewesen, denn das eigentliche Markenemblem befindet sich darunter.
Die Kühlerfigur war bei Wanderer erst etwa 1929 eingeführt worden, während der abgebildete Wagen bereits seit Herbst 1926 in Produktion war. Die schmucklose Vorderpartie sollte der Wanderer W10 noch bis 1930 beibehalten.
Um was für eine Variante (W10-I, II oder III) es sich genau handelte, lässt sich meines Erachtens nach nicht mit Bestimmtheit sagen und es ist auch egal.
Wir halten uns nicht länger damit auf, denn wir wollen ja eigentlich einen Vorgeschmack vom Sommer erhaschen. So bleibt es bei der Festellung, dass es sich eher um eine frühe Ausführung des W10 mit eventuell nachgerüsteter Kühlerfigur handelt.
Von Vorfreude beflügelt wechseln wir nun Jahreszeit und Ambiente – wobei sich das Thema Wanderer auf erfreulichere und vielfältigere Weise manifestiert.
Wir nähern uns mit respektvollem Abstand, damit der Kontrast nicht zu heftig ausfällt. Außerdem können wir so das schöne Hotel Alpenrose würdigen, das sich in Bayrischzell befindet und heute noch genau so aussieht – zumindest von außen:
Wanderer W10-IV in Bayrischzell; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Neben dem beeindruckenden historischen Hotelgebäude wirkt der Wanderer mit Berliner Zulassung winzig. Doch bot er in der Limousinenausführung für ein Auto der unteren Mittelklasse ausreichenden Komfort auch für längere Fahrten.
Der 30 PS leistende 1,6 Liter-Vierzylinder hatte bei voller Besetzung freilich nur in der Ebene genügend Leistung. Eine Gebirgstour wäre darin eine Quälerei für Mensch und Maschine gewesen.
Wanderer hatte das Defizit erkannt und dem W10 von 1927-1928 eine deutlich elastischere 40-PS-Maschine mit 2 Litern Hubraum verpasst. Sie wurde aber dann wieder einkassiert, weil man lieber den neuen 6-Zylindertyp W11 mit 50 PS an den Mann bringen wollte.
Der 1,6-Litermotor mit 30 PS wurde unterdessen weitergebaut und sollte bis Produktionsende des Wanderer W10 beibehalten werden.
Die Frontpartie hatte man aber 1930 so überarbeitet, dass der Wanderer endlich seinen unnötig unscheinbaren Charakter verlor und ein markantes „Gesicht“ erhielt, das ihn optisch deutlich aufwertete.
So glänzte einem die nunmehr verchromte statt nur vernickelte neue Kühlermaske schon von weitem entgegen, sodass sich der Wagen frühzeitig als modernisierter Wanderer W10 zu erkennen gab:
Wanderer W10-IV in Bayrischzell; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Auch technisch war einiges verfeinert worden.
Die traditionelle Maggentzündung war durch eine Batteriezündung (12 Volt) ersetzt worden. Ein Luftfilter und ein moderner Zenith-Vergaser wurden verbaut.
Die hauseigene Gestängebremse war durch eine per Drahtseil betätigte (System Perrot) ersetzt worden, die eine gleichmäßigere Bremswirkung ermöglichte. Vorder- und Hinterachse hatten hydraulische Hebelstoßdämpfer erhalten, die den Fahrbahnkontakt verbesserten und das Aufschaukeln der Karosserie bei Unebenheiten eindämmten.
Damit war der Wanderer W10 angesichts der Krise im deutschen Automobilbau 1930 noch einmal reaktiviert und geschickt verjüngt worden. Das hatte Erfolg und so blieb der adrette Wagen in der ersten Hälfte der 1930er Jahre noch eine Weile präsent.
Für die Großstädter war dies ein Wanderer ganz nach ihrem Geschmack, denn so hatten sie zwar das Gefühl auf dem Land zu sein, mussten aber nicht zwingend per pedes gehen. Die zweibeinigen Wanderer hatten demgegenüber klar das Nachsehen, sehen hier aber auch so gesund gebräunt aus, wie das sein soll:
Viel mehr vermag ich dieser Situation nicht abzugewinnen und auch zum Wanderer W10 in seinen vielfältigen Erscheinungsformen ist inzwischen alles gesagt (Quelle dazu: Th. Erdmann/G. Westermann, „Wanderer Automobile„, Verlag Delius-Klasing, 2. Auflage, 2011, .
Er gehört zu den häufigeren Gästen in einem Blog (siehe auch meine Wanderer-Galerie), wenngleich er nicht die Klasse des 6-zylindrigen Schwestermodells W11 10/50 PS erreichte. Der hatte sich allerdings mit der auf diesem Sektor dominierenden US-Konkurrenz angelegt, was ihm nicht gut bekam, weshalb er viel seltener blieb.
Weitere Wanderer-Episoden wird es freilich geben – ich habe noch jede Menge Material zu den ganz frühen wie auch den späten Typen. Wir werden der sächsischen Marke also immer wieder einen Besuch abstatten – solchermaßen beflügelt entlasse ich Sie für heute…
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Hinweis: Heute geht es hier mehr als sonst politisch zu. Das als Warnung für die in dieser Hinsicht etwas ängstlicheren Leser.
Zu den Konstanten der letzten 100 Jahre gehört, dass man in Europa stets die eigenen Maßstäbe an die USA legt.
Für viele Briten sind die Amis Barbaren in einer abtrünnigen Kolonie, denen man die Ohrfeige der Unabhängigkeitserklärung nie verziehen hat. Sich von denen in zwei Weltkriegen retten lassen zu müssen, das hat schwer am Selbstbild genagt.
Auf dem Kontinent – speziell in Deutschland – herrscht seit Generationen eine bloß aus längerer Geschichte gespeiste Überheblichkeit, wobei man seit etwa 1930 nur noch von den Beständen lebt und nichts Neues mehr beizutragen vermag.
Oft herrscht die Auffassung, dass die USA nur eine neuere Variante europäischer Traditionen repräsentieren sollte, zumal man da ja Englisch spricht. Doch so wie das Amerikanische eine eigene Sprache darstellt, ist auch die Mentalität eine eigene.
In den Vereinigten Staaten haben sich Einwanderer aus aller Welt als Volk gefunden und neu „erfunden“. Das erklärt, warum die Millionen von Amerikanern, deren Vorfahren aus Skandinavien, Deutschland oder Italien stammten, schon in der zweiten Generation die Muttersprache nicht mehr sprachen.
Man war froh, den Verhältnissen in der Alten Welt entronnen zu sein. Die Gemeinsamkeit der Neuankömmmlinge war, bei Null anfangen und mit jedem klarkommen zu müssen.
Wir reden hier nicht von den Problemen der als Sklaven „importierten“ Schwarzafrikaner – das ist die bedrückende Geschichte einer kleinen Minderheit, sondern von der weit überwiegenden Mehrheit der frei in den USA Geborenen.
Besuchern der USA fällt die Unbekümmertheit und Direktheit der Amerikaner im persönlichen Umgang auf, das allfällige Selbstbewusstsein, die Redegewandheit und das Fehlen von Respekt vor albernen Insignien wie etwa Doktor- und Adelstiteln.
Was dagegen zählt, sind hart erarbeitete Meriten in beruflicher Hinsicht. Offensiv ausgestellter Wohlstand gilt als erstrebenswert und der große Auftritt – am besten mit der ganzen Familie – gehört ebenso zum guten Ton wie das Bekenntnis zu Religiosität.
Wer nicht imstande ist, diese Rhetorik und Selbstinszenierung lässig zu nehmen, etwa weil er die Perspektive meist in materiell prekären Verhältnissen lebender deutscher Journalisten übernimmt, der gelangt zu falschen Einschätzungen.
Schon als Jugendlicher fand ich es verstörend, wie einst ein honoriger – wenn auch wenig erfolgreicher – US-Präsident wie Jimmy Carter von den studierten Meinungsbildnern hierzulande als minderbemittelter Erdnussfarmer verspottet wurde.
Später war es Ronald Reagan, den man hierzulande als Cowboy und gefährlichen Zündler darstellte. Ich hatte es mir schon ab den 80er Jahren zur Gewohnheit gemacht, mir mein Bild möglichst aus US-Quellen zu bilden und das heißt: sprachlich im Original.
Einfach war das nicht, aber ein von meiner in Genf bei den Vereinten Nationen arbeitenden Tante finanziertes Abonnement des legendären „National Geographic Magazine“ erlaubte es mir, die Mentalität der Mehrheit in den USA zu verstehen.
Umgekehrt war es ein Leichtes, die Heiligsprechung eines Schönredners wie Obama seitens deutscher Medien zu durchschauen. Der Durchschnittsamerikaner verbindet mit ihm nach meinem Eindruck nichts, was seine Lebensverhältnisse verbessert hätte.
Sie können sich jetzt vermutlich denken, was ich von den Stereotypen halte, die hierzulande immer noch unters Volk gebracht werden, was den nach guter deutscher Tradition aktuellen „Verrückten“ im Weißen Haus betrifft.
Das kommt davon, wenn man sich sein Urteil nicht direkt anhand des amerikanischen Originals bilden will oder kann.
Man muss hier die Befindlichkeit einer Verlierernation als mildernden Umstand in Betracht ziehen. Ich jedenfalls bin froh, dass der seit 1945 in den Staaten entstandene Augias-Stall mit parlamentarisch unkontrolliertem Treiben Dutzender Staatsagenturen jetzt zumindest ansatzweise durchgespült wird.
Kritik an der CIA und den US-Pharmakonzernen war einmal eine aufgeklärte Position. Jetzt passt es aber nicht, wenn diese von Leuten vertreten wird, für die es nur zwei Geschlechter gibt und die auch anderem ideologischen Schwachsinn den Kampf angesagt haben.
Das soll zu diesem Thema genügen. Jaja: Bombenterror, Vietnamkrieg, Rassentrennung… das weiß ich alles. Ist aber Geschichte. Den aktuellen Präsidenten messe ich an dem, was er leistet, ganz gleich wie sehr er hiesige Hohepriester in Funk und Fernsehen verstört.
So, da ist er endlich – der nach einem von Amerikas größtem Präsidenten benannte Lincoln:
Lincoln „Convertible Coupe“, Modelljahr 1934; originales Werksfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Dieser Wagen setzte anno 1934 eigene Maßstäbe – amerikanische Maßstäbe:
Unter der Motorhaube arbeitete ein 150 PS starker 12-Zylindermotor – aber ein klassischer Seitenventiler, der seine Leistung vor allem aus dem Hubraum (6,6 Liter) bezog.
Das Getriebe wiederum war auch nach europäischen Maßstäben modern, es besaß eine Synchronisierung, die Schalten ohne Doppelkuppeln und Zwischengas erlaubte.
Verrückt für Europäer waren die Maßstäbe, was die Bremsen betrifft – sie waren zwar servounterstützt, aber nicht hydraulisch. Rückständig oder einfach pragmatisch? Man darf annehmen, dass die Amis bei diesem Gerät schon wussten, wie man es wirksam verzögert.
Aber was ist mit der Bezeichnung als „Convertible Coupe“. Waren die bei Lincoln verrückt? „Convertible“ bedeutet, dass man das Dach niederlegen kann. Ein Coupé aber hat ein festes Dach.
Und dann schreiben sie „Coupe“ auch noch ohne „accent aigu“ und sprechen es falsch aus „Kuup“. Verdammte Bande von Idioten! – hört man jetzt Klaus Kinski aus Europa donnern.
Tja, in den Staaten bestimmt man die Maßstäbe eben selbst. Ein „Convertible Coupe“ ist keine Verbeugung vor den Franzosen, denen man einst noch vor den Briten in Amerika den Strom abgestellt hatte. Es ist einfach die US-Bezeichnung für „Zweifenster-Cabriolet“.
Das muss man bei aller Traditionsverbundenheit, für die ich regelmäßig eintrete, einfach akzeptieren. Die Amis machen seit ihrer Unabhängigkeitserklärung ihr eigenes Ding, und das in jeder Hinsicht. Europa interessiert sie nur als Absatzmarkt und Reiseziel.
Ihre Maßstäbe sind nach europäischer Auffassung „verrückt“. Aber ist das nicht bizarr?
Im Alten Europa wird oberflächlich seit den 70er Jahren für Vielfalt und Toleranz getrommelt, doch wenn jenseits des Atlantiks die Uhren ganz anders gehen, die Maßstäbe „verrückt“ werden, dann ist es auch nicht recht.
So belächelte man anno 1934 vermutlich hierzulande wieder einmal dieses Massenfabrikat aus dem Hause Lincoln gegenüber der singulären „deutschen Werkmannskunst“:
Moment mal, der 12-Zylinder-Lincoln von 1934 wurde in den beiden offenen Versionen „Convertible Coupe“ und „Dietrich Convertible Roadster“ ja nur in 25 Exemplaren gebaut.
Sollten die irren Cowboys jenseits des Atlantiks neben den Massenmobilen, die sich jeder US-Arbeiter leisten konnte, während in Deutschland nur Privilegierte die Autobahnen nutzen konnten, auch solche Manufakturautos zustandebekommen haben?
Klar konnten sie das – ebenso wie sie einige Jahre später die mal wieder völlig verrückten Krauts mit brillianter Logistik (und erheblichem Blutzoll) erneut in die Schranken wiesen.
Bitte verstehen Sie diesen Beitrag als subjektive und zugespitzte Darstellung, die nicht als Beitrag zur Automobilhistorie gedacht ist. Ich gebe im Blog-Format bisweilen Sichtweisen Raum, die man so nicht im Ersten oder Zweiten Deutschen Fernsehen findet.
Ab morgen geht es dann wieder nur um Vorkriegsautos auf alten Fotos, versprochen!
Nachtrag: Beim nochmaligen Durchsehen fällt mir auf, dass ich die perfekten Proportionen des 1934er Lincoln überhaupt nicht gewürdigt hatte. In gestalterischer Hinsicht war das ein Meisterwerk seiner Zeit, mit kaum einer geraden Linie, wie ich das mag…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Mitte Februar – um diese Zeit beginnt mir mit schöner Regelmäßigkeit die kalte Jahreszeit allmählich zuviel zu werden. Zwar werden die Tage spürbar länger, und heute schien endlich wieder einmal den ganzen Tag die Sonne.
Doch meine Betriebstemperatur erreiche ich erst, wenn es richtig schön warm ist – und damit meine ich 30 Grad Celsius und darüber. Bis es so weit ist, gilt es indessen noch, sich eine ganze Weile zu gedulden.
Gegen Abend verabschiedete ich einen Freund aus alten Zeiten. Wie das so ist nach seltenen Treffen, zog sich die Sache eine Weile hin – es gibt immer noch etwas zu sagen. Wir standen an seinem Auto im Hof, er hatte seine Jacke mit Fellkragen übergezogen und es nicht eilig.
Ich dagegen bloß mit Flanellhemd und hochgekrempelten Ärmeln, denn im Haus war es ja schön mollig, wo der Kaminofen tüchtig sein Werk verrichtete. Draußen war es indessen bitterkalt, der klare Sternenhimmel kündigte eine frostige Nacht an.
Man kann das eine Weile sportlich nehmen und sollte nicht immer gleich ängstlich ausweichen, wenn es mal ungemütlich wird. Irgendwann war es dann aber auch gut, wir sagten einander adieu und ich war froh, wieder ins Haus zu kommen.
In den nächsten Tagen soll es – durchaus typisch für den Februar – noch einmal richtig kalt werden. Mancherorts sind an die 10 Grad Kälte angesagt, was man so liest.
Was machte man bei solchen Verhältnissen vor 110 Jahren – im Februar 1915? Wenn man zu den Glücklichen zählte, die sich nicht dem Horror des 1. Weltkriegs ausgesetzt sahen und denen es auch daheim an nichts fehlte?
Nun, man unternahm eine Ausfahrt im Automobil, natürlich offen, damit man die Winterlandschaft besser genießen kann:
FN um 1911, aufgenommen im Februar 1915; Orignalfoto: Sammlung Michael Schlenger
„Erinnerung an die Fahrt nach Donzdorf bei 8 Grad Kälte, Februar 1915“ so schrieb einst jemand an die Base Hilde Grotz in Göppingen.
Die unweit von Göppingen gelegene Kleinstadt Donzdorf ist nach oberflächlicher Betrachtung keiner großen Rede wert, sieht man vielleicht von dem Schlösschen ab.
Uns interessiert ohnehin weit mehr der beachtlich dimensionierte Wagen mit der auffallenden Ausführung von Motorhaube, dahinterliegendem Tank und von dort zur Windschutzscheibe überleitendem Windleitblech – kurz: Windlauf.
Die Kühlergestaltung mit den horizontalen Streben und dem kronenförmigen Verschluss des Kühlwasserstutzens spricht für einen belgischen Wagen der Marke FN, die hier schon öfters thematisiert wurde. Die FN-Wagen verkauften sich in Deutschland vor dem 1. Weltkrieg bemerkenswert gut, selbst in den 1920er Jahren finden sich noch einzelne Exemplare.
Woran genau das lag, ist schwer zu sagen, da es sich zwar um gut konstruierte und hervorragend verarbeitete Wagen handelte, sie aber technisch keineswegs herausragten.
Ich vermute, dass der belgische Markt für die vielen dort ansässigen Hersteller zu klein war und die Industrie daher auf Export ausgerichtet war. Angesichts der überschaubaren Stückzahlen der deutschen Autoproduzenten wurde jedes zusätzliche Angebot aus dem Ausland absorbiert.
Datieren lässt sich das abgebildete Exemplar auf 1910-12, während die Motorisierung offenbleibt. FN bot damals von Kleinwagen mit 1,5 Litern Hubraum bis zum 6,8 Liter-Luxusauto das volle Spektrum an. Der Wagen auf dem Foto dürfte in der Mitte angesiedelt gewesen sein (Nachtrag: Leser Andrew Brand hält den Typ 1560 für wahrscheinlich).
Sie sehen: Viel Mühe mache ich mir trotz des schönen Fotos nicht, denn die belgischen Marken interessieren in Deutschland heute niemanden mehr, was vor 100 und mehr Jahren noch ganz anders war.
So ändern sich die Zeiten, nur der Lauf der Jahreszeiten nicht.
Nun ist es Mitternacht, draußen zieht Väterchen Frost durch die stillen Gassen. Unsere Freigänger-Katze „Ellie“ hat es sich auf dem alten Sofa im Wintergarten gemütlich gemacht. Jetzt wartet sie darauf, dass ich den Rechner herunterfahre und das Licht lösche.
Dann kommt sie bald zum Kuscheln, denn auch sie mag die Kälte überhaupt nicht, wie wohl ihre unbekannte, aber sicher ebenso liebenswerte Vorfahrin vor 110 Jahren…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
So ganz wohl ist bei mir beim heutigen Titel nicht – denn eigentlich müsste ich ihn etwas anders schreiben. Aber heute profitiere ich ausnahmsweise von der sogenannten Rechtschreibreform. Sie wissen schon: „aufwändig“, „Schifffffahrt“ und andere bedeutende Schöpfungen begabter Bürokraten.
Nach deren final erfolgreichem Feldzug gegen die einheitliche Rechtschreibung – eine Errungenschaft, die den Deutschen mal wieder keiner nachmacht – hat man den Eindruck, das onehin jeeder schraipt wie ehrs für richtich held.
Später werde ich meine Verfehlung noch korrigieren – ich bin nicht nur in dieser Hinsicht „Alte Schule“. Wie sehr ich von gestern bin, das haben langjährige Leser zwar schon geahnt, aber heute bekommen Sie es nicht nur im Wort, sondern auch im Bild vorgeführt.
Machen Sie es sich bequem, denn heute gibt es nichts Neues zu lernen, es werden keine Haubenschlitze gezählt oder zum x-ten Mal erklärt, was es mit dem Windlauf bei der Datierung früher Automobile auf sich hat.
Tatsächlich befassen wir uns mit einem alten Bekannten und doch beinahe modernen Wagen, dem man jedenfalls seine inzwischen über 100 Jahre keineswegs ansieht.
Die Rede ist vom Fiat 501, der 1919 vorgestellt wurde und der erste internationale Großserienerfolg der Turiner werden sollte. Die Konstruktion des neuen 1,5 Liter-Wagens war konsequent auf kostengünstige Produktion nach US-Vorbild ausgerichtet worden.
Bis 1926 entstanden rund 70.000 Exemplare, die in alle Welt verkauft wurden. Kein anderer europäischer Hersteller erreichte in der Einsteigerklasse solche Absatzzahlen. Dabei erwies sich der Fiat 501 als enorm robust und auch für schlechtes Terrain geeignet.
Man findet ihn noch heute beispielsweise in Australien und Argentinien, aber mir ist er doch in seiner Heimat am liebsten.
Ein besonderes Schmankerl in Sachen Fiat 501 in Italien übersandte mir in digitaler Form Leser Christian Börner (unser „Beckmann“-Chronist):
Fiat 501 in Agrigent; Fotoquelle: Christian Börner (Pinneberg)
Diese Aufnahme ist ein Vertreter der Kategorie „Foto vom Foto“ – denn Herr Börner hat bei einem Besuch der sizilianischen Stadt Agrigento dieses gerahmte Originalbild festgehalten, das beim Taxibetrieb hing, dessen Dienste er seinerzeit mit seiner Frau in Anspruch nahm.
Das Foto zeigt einen Fiat 501 der Familie bei einer Ausfahrt in den 1920er Jahren in das antike „Tal der Tempel“ direkt neben der heutigen Stadt.
Im Hintergrund ist der schlank gehaltene Concordia-Tempel zu erkennen, der dank der Umwandlung in eine christliche Kirche die Zeiten glimpflich überstanden hat und zu den besterhaltenen griechischen Tempeln im strengen dorischen Stil gilt.
Wir werden so einem Tourer auf Basis des Fiat 501 heute wiederbegegnen, aber beinahe live und immerhin in Farbe.
Den Anlass dafür lieferte eine Veranstaltung im italienischen Umbrien im September 2024, an der ich wie schon im Vorjahr teilnahm. Die Rede ist von der „Francescana Ciclostorica“ – einer Ausfahrt mit historischen Zweirädern (jetzt richtig geschrieben!) in der Valle Umbra, der geschichtsträchtigen Ebene zwischen Perugia im Norden und Spoleto im Süden.
Am Sonntagmorgen ab neun Uhr treffen die Teilnehmer im zentral gelegenen Foligno – dem römischen Fulginium – nach und nach auf der Piazza della Repubblica im Schatten des herrlichen Doms ein.
Es ist noch eine Stunde Zeit bis zum Start auf drei verschiedenen Rundkursen, die ausgiebig dazu genutzt wird, sich gegenseitig zu bewundern und zu fotografieren:
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
Hier nehmen nicht nur alt und jung teil, sondern auch Vertreter aller Geschlechter – darunter viele Damen, die sich je nach Epoche, in der sie unterwegs sind, zurechtgemacht haben.
Zu den besonders beliebten Fotomotiven gehörte 2024 dieses Paar, das am Wochenende der Veranstaltung seinen Hochzeitstag hatte und diesen auf zwei Rädern – einem Tandem der 70er Jahre – feierte.
Übrigens ist die Nonne rechts auf Bild eine echte Schwester, die seit Jahr und Tag an der „Francescana“ teilnimmt, welche nach dem umbrischen Heiligen benannt ist, der in Italien immer noch größte Verehrung genießt:
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
Doch auch die Vorkriegsfraktion war in charmantester Weise vertreten.
Meine Favoritin – natürlich aus rein historischem Interesse – war die nachfolgend abgebildete Dame, die genau die stilistisch korrekten Pumphosen trägt, mit denen die holde Weiblichkeit vor dem 1. Weltkrieg auf das Fahrrad stieg.
So etwas haben Sie außer auf alter Werbung vermutlich noch nie gesehen, hoffe ich:
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
Übrigens nimmt man es – wie hier zu sehen ist – bei den Rädern nicht allzu päpstlich. Sie müssen irgendwie „Vintage“ sein, also spätestens aus den 1970/80er Jahren.
Für viele ist der persönliche Stil wichtiger, denn die Sache soll vor allem Spaß machen. Rund eintausend Teilnehmer hatten sich eingefunden, die sich nach dem Start und derm Verlassen der Stadt alsbald auf verschieden anspruchsvolle Strecken verteilten.
Die harten Knochen attackierten die heftigen Steigungen hinauf zu den umliegenden Hügelstädten wie Trevi oder Montefalco, während die touristische Fraktion den kurzen, auf die Ebene beschränkten Kurs von etwa 35 Kilometern Länge bevorzugte.
Ich hatte mich ebenfalls für die leichte Nummer entschieden, denn mein Rad hatte nur eine Übersetzung, obwohl es sein Leben einst in den 1950er Jahren als Sportrad mit 3-Gang-Kettenschaltung von „Huret“ begonnen hatte:
„Stricker“-Sportrad der 1950er Jahre; Bildrechte: Michael Schlenger
Da ich nur den alten Rahmen mit der ungewöhnlich aufwendigen Originallackierung erworben hatte, baute ich den Rest nach meinen Vorstellungen auf.
So finden sich an diesem „Special“ seltene französische Pedale der 30er Jahre, Handgriffe und Scheinwerfer der 60er sowie ein moderner Sattel, der aber zum Farbschema passte.
Dieses Gerät – in Verbindung mit passendem Outfit – machte sich vorzüglich im spätsommerlichen Licht und das meinte wohl auch der Fotograf dieser Aufnahme:
La Francescana 2024; Bildrechte: Ildebrando Cascelli
Wenn Sie sich jetzt fragen, wie es sich mit Knickerbockern, Kniestrümpfen, langem Hemd und Krawatte über 30 Kilometer im italienischen Sonnenschein fährt, kann ich nur sagen: ganz vorzüglich.
Entscheidend sind leichte, natürliche Materialien und Kleidung, die nicht zu eng anliegt. Die helle Schirmmütze tut ein übriges.
So abwegig es klingt und auch ist: Selbst die Krawatte hatte ich mit Bedacht gewählt.
Es handelte sich um ein altes Stück, dessen Dekor bei näherem Hinsehen aus Schildkröten besteht. Soviel Spaß und Hommage an den wohl heroischsten Rennfahrer aller Zeiten muss sein: Denn Tazio Nuvolaris Glücksbringer war ebenfalls eine Schildkröte!
Auf folgender Aufnahme können Sie beim Hineinzoomen davon vielleicht mehr erkennen:
La Francescana 2024; Bildrechte: Luciano Angelini
Wie Sie hier außerdem sehen, lässt sich auch im Minirock Rennrad fahren – wenn man es sich erlauben kann.
Um zum Thema Fiat 501 Tourer zurückzukommen: Der fuhr mit den Zweirädern mit, allerdings auf parallelen Routen und traf dann bei wiederholten Gelegenheiten mit uns zusammen – keine Sorge: wir begegnen ihm noch.
Zuvor muss ich Sie noch mit dieser schönen Aufnahme ablenken, auf der Sie auch den Autor sehen, aber er gehört hier definitiv nur zum nachrangigen Personal:
La Francescana 2024; Bildrechte: Daniela Fabbricini
Natürlich ist die Fortbewegung auf nur zwei Rädern eine anstrengende Angelegenheit und so ist es Brauch, dass wiederholt Pausen eingelegt werden, um sich zu stärken.
Was dabei in Italien aufgefahren wird, reicht bei kalorienbewussten Zeitgenossen für eine ganze Woche, aber wer sich bewegt, darf durchaus einen gesunden Appetit entwickeln.
Der Blick dieser sportlichen Teilnehmerin spricht in der Hinsicht Bände. Entstanden ist die Aufnahme in Bevagna, einem Ort, von dem aus ich erst kürzlich zur Andacht in Sachen Daimler & Benz eingeladen hatte (hier).
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
Wie hier zu sehen ist, achte ich stets auch auf die kleinen Dinge, die unser Leben bereichern. Sie verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit.
Die folgende Aufnahme, die am selben Ort entstand, vermittelt eine Vorstellung von der lässigen Atmosphäre der Veranstaltung.
Man lässt sich von den besten Seiten der Historie inspirieren, und genießt es im übrigen, in der Moderne zu leben, die so viele Probleme von einst nicht mehr hat (dafür andere).
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
Unterdessen hat sich eine sportliche Variante des Fiat 501 eingefunden, die ich Ihnen nicht vorhanden will und die für die von unserer Zeitreise überraschten Touristen in Bevagna ein großer Anziehungspunkt war.
Während die Serienausführung des Fiat 501 eine Motorleistung von 23 PS aufwies, bot man werksseitig auch eine 27 PS leistende Sportausführung an.
Lachen Sie nicht: vor 100 Jahren zählten 4 PS extra mindestens doppelt, vor allem in Verbindung mit so einer Optik:
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
Flott, nicht wahr? Aber sollten wir uns nicht auch der „normalen“ Ausführung des Fiat 501 widmen? Fährt die sich etwa nicht gut mit „zwei Rädern“?
Das tut sie und zwar ganz hervorragend, wie wir gleich sehen werden. Zuvor noch ein weiterer Eindruck vom historisch inspirierten Treiben der Zweiradfraktion in Bevagna.
Warum nicht den Dreitagebart mit „Rayban“-Pilotenbrille, Hosenträgern und Kniebundhosen kombinieren? Alles besser als moderner Radlerfummel, meine ich:
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
So, meine Herren, jetzt ist Schluss mit lustig.
Denn „bella figura“ ist in Italien zumindest bei den Damen immer noch eine Disziplin, die absolute Könnerschaft verlangt. Auf dem Sektor sind keine Fehler erlaubt und es bedarf einiger Übung, um zur idealen Form zu finden.
Diese Radlerin – sie fuhr ebenfalls auf einem uralten Drahtesel mit – verfügt über präzise die Instinkte, derer es dazu bedarf. Zielsicher hat sie den Fiat 501 Tourer auserkoren, um sich daneben aufs Vorteilhafteste ablichten zu lassen:
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
So ein Schnappschuss mit einem Telefon aus der digitalen Steinzeit, wie ich es mit mir führte, illustriert wieder einmal, dass nicht die Technik entscheidend ist, sondern die Situation und das Talent des Fotografen, diese zu erkennen und festzuhalten.
Die ganzen ikonischen Fotos der letzten hundert Jahre sind im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass einer im rechten Moment am richtigen Ort war und im idealen Zeitpunkt auf den Auslöser gedrückt (oder einen ganzen Film für einen Treffer verschossen) hat.
Warum erzähle ich das an dieser Stelle?
Weil ich mich von dem schönen Fiat 501 durch eine andere Erscheinung habe ablenken lassen, die mir bei der Gelegenheit plötzlich entgegentrat:
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
Man müsste ziemlich beschränkt sein, um kein Auge für die Wirkung dieser jungen Dame zu haben, die ebenfalls auf einem historischen Fahrrad gekommen war, aber hier für zumindest einen Moment mit einer Strenge daherkommt, die sprachlos macht.
Das passiert einem öfters in Italien: Die beeindruckenden Frauen, die man eben noch in der Gemäldegalerie bewundert hat, begegnen einem später irgendwo auf der Straße.
Auch dieser hier ernst wirkenden Vertreterin werden wir noch einmal begegnen, und zwar in ganz anderer Stimmung beim letzten Halt unserer Tour auf zwei und vier Rädern, nämlich am winzigen Lago Aiso:
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
Dort, im Schatten hohen Bäume um den See, gab es neben den alten Fiats und üppiger Verköstigung ein besonderes Verwöhnprogramm.
Ein Akkordeonspieler mit guter Stimme trug alte Volkslieder vor, die zum Tanz einluden.
Da die Herren sich auf diesem Sektor eher zurückhaltend gaben, übernahmen die Damen kurzerhand selbst die Führung.
So kommt es, dass wir hier neben Mitveranstalterin Daniela Fabbricini (rechts) zwei unserer feschen Mitradlerinnen nochmals begegnen…
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
So kann es zugehen, wenn man sich vom Stil von einst inspireren lässt und eine verwegene Note hinzufügt. Was das angeht, so pflege ich zu sagen, leben wir in der besten aller Zeiten.
Aber wir müssen auch etwas dafür tun, dass unsere Welt und unsere besten Traditionen erhalten bleiben und zu neuen Ausprägungen des Wahren, Schönen, Guten motivieren, die das Alte Europa zu dem großartigen Ort gemacht haben, der er einmal war.
Dorthin müssen wir zurück und aus den alten Quellen müssen wir neue Kraft schöpfen, um wieder zu uns selbst zu finden und unsere Identitäts-Probleme zu lösen.
Ein guter Anfang wäre, an das anzuknüpfen, was seit sich hundert Jahren bewährt hat wie ein Fiat 501: Innovationsfreude, kühles Kalkül, Anstrengungsbereitschaft, Freiheitssinn, fundiertes Selbstvertrauen und: Sinn für die schönen Seiten des Lebens…
La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger
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Heute kommen nicht nur die Freunde klassischer Mercedes-Cabrios der 1930er Jahre auf ihre Kosten, sondern auch die Liebhaber gediegener Weiblichkeit. Dennoch sind hier Schürzenjäger chancenlos, damit dies gleich klar ist. Heute geht es schwäbisch gesittet zu!
Ich will es gleich bekennen: An sich kann ich den kleinen Mercedes-Modellen 170, 200 und 230 nur wenig abgewinnen, die ab 1933 gebaut wurden. Speziell die Limousinen auf dem normalen Fahrgestell sind mir entschieden zu bieder:
Mercedes-Benz 200 Limousine von 1933/34; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Allerdings lief man in Stuttgart stets zu großer Form auf, wenn es galt, seinen Modellen offene Aufbauten zu verpassen.
Auf dem Standard-Radstand von 2,60 bzw. 2,70 Metern der Typen 170 und 200 hatte ich in dieser Richtung bislang wenig aufregendes in meinem Fundus – so dachte ich.
Sicherheitshalber schaute ich in der Mappe mit noch nicht eingescannten Mercedes-Fotos nach, in der vor allem frühe Modelle auf ihre „Wiederbelebung“ im Blog warten.
Und tatsächlich: Gleich obenauf fand sich diese hübsche Aufnahme, die einen Mercedes 200 von anno 1933/34 mit Cabrio-Karosserie zeigt:
Mercedes-Benz 200 Cabriolet von 1933/34; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Das lässt sich doch gar nicht so schlecht an, dachte ich mir.
Man könnte hier glatt zum Mercedes-Fan werden, jedenfalls was die Optik betrifft. Denn der wenig drehfreudige Seitenventiler mit 40 PS aus 2 Litern Hubraum war kein Ruhmesblatt.
Der direkte Konkurrent Wanderer W22 bot ebenfalls einen 2-Liter-Sechszylinder mit 40 PS, aber dank im Zylinderkopf hängenden Ventilen war er agiler, außerdem gab es eine leistungsfähige 12-Volt-Bordelektrik und vor allem: 3 Metern Radstand!
Da nichts beflügelnder wirkt als Wettbewerb, reagierte man bei Daimler prompt und bot ab 1934 den 200er auch mit 30 cm mehr Radstand an. Davon war nicht nur das markentreue Taxi-Gewerbe angetan, nun waren endlich auch schicke 4-Fenster-Cabriolets möglich.
Dies trugen meist die Bezeichnung „Cabriolet B“ und gehörten neben den Roadstern jener Jahre zu den attraktivsten Werksausführungen.
Mein persönlicher Favorit im mittleren Mercedes-Segment (unter 3 Litern) auf dem Sektor ist das Modell 290 – das ich hier schon einmal vorgestellt habe:
Mercedes-Benz 290 Cabriolet B; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Dieses Prachtexemplar zeige ich zum einen, weil man im Leben von schönen Dingen nicht genug haben kann, vor allem wenn sie nicht „notwendig“ sind – denn dort beginnt die Kultur.
Zum anderen möchte ich hieran den Blick schärfen für einige Details, auf die es gleich ankommen wird:
Die Vorderkotflügel reichen beim ab 1934 gebauten Typ 290 bis fast auf die Stoßstangen herunter. Außerdem besitzen sie seitliche „Schürzen“, die den Blick auf das Chassis verbergen – ein Detail, das der Graham „Blue Streak“ 1932 etabliert hatte.
Auffallend hier zudem die schrägstehende und niedrig wirkende Frontscheibe – wobei das auch auf den Effekt des verwendeten Kameraobjektivs zurückzuführen sein könnte.
Nach dieser Vorbereitung sind Sie nun imstande, die folgende Aufnahme zu goutieren, auch wenn es hier für auf leichte Beute hoffende Schürzenjäger nichts zu sehen gibt:
Dieses schöne Dokument hat mir kürzlich Leser Klaas Dierks in digitaler Form zur Bestimmung des Modells zukommen lassen.
Ich muss zugeben, dass mich die Sache doch einige Zeit gekostet hat, auch wenn hier alles erkennbar ist, was man in solchen Fällen braucht.
Der Aufbau als vierfenstriges Cabriolet B ist einfach bestimmt. Auch ist an den deutlich oberhalb der Stoßstange endenden Kotflügeln ersichtlich, dass wir es nicht mit einem Exemplar des Typs 290 zu tun haben.
Doch was ist von den fehlenden Schürzen zu halten?
Ich meine damit nicht die reisefein gekleideten Damen – die vermutlich professionelle Fotomodelle waren, bei denen abenteuerlustige Schürzenjäger chancenlos waren. Ihnen dürfte eher an einer soliden Partie gelegen gewesen sein.
Nein, hier geht es um die fehlenden Schürzen an den Vorderkotflügeln. Wie gesagt wurde das verlängerte Chassis, auf dem Aufbauten wie das Cabriolet B entstanden, erst 1934 eingeführt. Zu der Zeit hatten sich seitliche Kotflügelschürzen allgemein durchgesetzt.
Wenn sie hier fehlen, ist das nur damit zu erklären, dass man zumindest bei den aufwendigen Cabrios auf Wunsch immer noch Kotflügel ohne dieses moderne Detail anbot.
Gesehen habe ich das allerdings bislang bei keinem anderen offenen Exemplar des Mercedes-Benz 200. Das will freilich nicht viel heißen, denn ich bin alles andere als ein Kenner dieses Fabrikats.
In dem Zusammenhang eine Frage an sachkundige Leser: Es muss bei einer Marke wie Mercedes-Benz doch allgemein zugängliche Dokumentationen auf ähnlichem Niveau geben wie im Fall der Marken der einstigen Auto-Union, in denen akribisch genau alle Werksaufbauten, Extras und Detailänderungen im Zeitverlauf beschrieben werden.
Ich arbeite notgedrungen mit der zweibändigen Paperback-Darstellung von Schrader/Hofer (Heel-Verlag, 1982), die aber vieles offen lässt und obendrein schon nach moderater Nutzung auseinanderfällt.
Da muss es für die Marke mit dem Stern nach über 40 Jahren doch Besseres geben, oder?
Immerhin sind wir in der Hinsicht keine auf oberflächliches Vergnügen abzielende Schürzenjäger, sondern sind ernsthaft an diesen Modellen interessiert, die vielleicht nicht umwerfend sind, aber doch ihren Reiz haben…
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Ich habe es hier schon einmal erzählt: Dass man im Wettbewerb auf Platz 2 oder 3 landet und dennoch als Sieger tituliert wird, das hat mich früh so nachhaltig irritiert, dass ich es bis heute nicht vergessen habe.
Es dürfte in der dritten oder vierten Klasse gewesen sein, als ich meine Urkunde bei den Bundesjugendspielen in der Schule erhielt. „2. Sieger“ im Leichtathletikwettbewerb stand dort – das verstand ich nicht. Ich hatte doch gar nicht gewonnen.
Ich war keine 10 Jahre alt und fühlte mich verschaukelt. Platz 2 oder 3 sind zwar etwas, worauf man ein wenig stolz sein darf, sofern es deutlich mehr als drei Teilnehmer gibt. Doch die Urkunde war für mich durch die alberne Titulierung als Sieger entwertet.
Dass man mit falschen Begriffen die Welt umzugestalten sucht, anstatt die Begriffe nach den Tatsachen zu formen – diese Tendenz begann bereits in den 1970er Jahren, wie so manches andere, das die Fundamente einer Gesellschaft ausgehöhlt hat, deren Wohlstand auf Wettbewerb und Leistung basiert.
Ein Gutes hatte dieses irritierende Erlebnis aber doch, denn es liefert mir die Inspiration für den Titel des heutigen Autoporträts.
Dabei zeigt sich nämlich, dass man auch als Nummer 3 durchaus als glänzender Sieger durchgehen kann – jedenfalls am internationalen Automarkt des Jahres 1924.
Der Weltmarkt bestand damals vor allem aus dem in den USA, der europäische Markt war daran gemessen eher eine Nischenveranstaltung.
Die Nr. 1 in den Staaten war anno 1924 ganz klar Ford. Fast 2 Millionen Exemplare des Model T rollten binnen eines Jahres vom Band, während der Preis auf ein neues Rekordtief von unter 300 Dollar fiel. Mit erheblichem Abstand folgte Chevrolet mit rund 300.000 Autos.
Auf Platz 3 landete Dodge mit etwa 200.000 Wagen. Das war ein bemerkenswerter Erfolg, der den Entwicklungsstand des US-Markts erkennen lässt.
Im Unterschied zu den nur mäßig motorisierten Billigheimern von Ford und Chevrolet, war der Dodge des Modelljahrs 1924 ein deutlich größeres, moderner wirkendes und mit 35 PS Leistung spürbar stärkeres Fahrzeug.
Zwar entsprach es mit seitlich stehenden Ventilen und Zweiradbremse dem allgemeinen Stand der Technik, aber es war für seine Größe und Leistungsfähigkeit so günstig wie kein anderes Auto dieser Klasse.
Möglich wurde dies nicht nur durch die rationelle Großserienfertigung, die alle US-Hersteller gemeinsam hatten, sondern auch durch den Umstand, dass Dodge ab 1922 als erster Autoproduzent auf Ganzstahlkarosserien umgestiegen war.
Damit entfiel der Zeitaufwand für die üblichen blechbeplankten Holzgerippe. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und begründete die Rolle als glänzender Sieger seiner Klasse:
Dodge Tourer, Modeljahr 1924; aufgenommen 1927 bei Riga; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Man sieht an diesem geradezu ideal fotografierten Exemplar, wie vorteilhaft sich der 1924er Dodge von den kompakteren Einsteigermodellen abhob, die Ford und Chevrolet anboten.
Man hatte für dieses Modelljahr den Radstand verlängert und den Schwerpunkt des Wagens gesenkt, sodass er weniger hochbeinig und kompakt daherkam als die Vorgängerausführung, die optisch noch nahe am Chevrolet angesiedelt war.
Neu gestaltet waren die Scheinwerfer, während es die Doppelstoßstangen und die Stahlscheibenräder optional bereits seit 1922 gab. Ein weiteres auch hier verbautes Extra war das vom Fahrersitz aus ablesbare „Motometer“-Thermometer auf dem Kühler.
Auf das Modelljahr 1924 verweist die noch geteilte Frontscheibe, die 1925/26 einer durchgehenden wich, wie bei diesem Exemplar zu sehen:
Dodge Tourer, Modeljahr 1925/26; aufgenommen in Rio de Janeiro; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Wie es scheint, haben wir es bei dem heute vorgestellten 1924er Dodge mit einer Taxiausführung zu tun, die ausweislich der Beschriftung des Fotos 1927 im Raum Riga abgelichtet wurde.
Es ist interessant zu sehen, dass in den 1920er Jahren die vor dem 1. Weltkrieg in Skandinavien sowie in Osteuropa dominierende deutsche Autoindustrie nicht mehr in der Lage war, mit der dortigen Nachfrage Schritt zu halten.
Mit der immer noch überwiegenden Manufakturproduktion – Ausnahmen: Brennabor und Opel – sowie den optisch meist veralteten Modellen aus Deutschland war man der Konkurrenz aus Übersee nicht annähernd gewachsen.
Von den Herstellern aus Europa konnte nur Fiat den Amerikanern annnähernd Paroli bieten. So kam es, dass die Nr. 3 aus den USA am europäischen Markt Mitte der 1920er Jahre einen glänzenden Auftritt hatte und zu den Siegern im dortigen Wettbewerb zählte.
Dass Dodge in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre im Wettbewerb immer weiter zurückfiel und erst nach der Übernahme durch Chrysler (1928) wieder bessere Ränge erreichte, das ist eine andere Geschichte, für die mir bereits einiges Material vorliegt…
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Heute erlaube ich mir, Sie ins schöne Salzburg zu entführen – ja, der Blog-Wart weiß nicht nur die historischen Stätten südlich der Alpen zu schätzen. Auch in Österreich fühlt er sich gut aufgehoben, speziell dort, wo man das Erbe des Alten Europa lebendig erhält.
Mit Erschrecken stelle ich fest, dass mein letzter Aufenthalt in der bereits von den Römern gegründeten Stadt an der Salzach bereits 12 Jahre her ist. Höchste Zeit also, dorthin zurückzukehren.
Den Anlass dazu lieferte mir die virtuelle Begegnung mit einer alten Flamme – der verführerischen Rosalie. Zuletzt präsentierte sie sich hier ausgesprochen offenherzig und eindeutig zum Verweilen einladend:
Citroen „Rosalie“ 15 CV; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Dass wir es tatsächlich mit der Sechszylinderversion des im Volksmund „Rosalie“ genannten, ab 1932 gebauten Modells von Citroen zu tun haben, das verraten die fünf Luftklappen in der Motorhaube. Die Vierzylinderausführungen 8CV und 10 CV besaßen nur deren vier.
Mit 56 PS war die „sechsy“ Rosalie für ihre Größe sehr ordentlich motorisiert. Übrigens wurden die heckgetriebenen Modelle des Typs Rosalie auch nach Erscheinen des innovativen Fronttrieblers „Traction Avant“ (ab 1934) weitergebaut.
Nachdem ich „Rosalie“ für viele Jahre aus dem Auge verloren hatte, traf ich sie kürzlich wieder und das ausgerechnet bei einem neuerlichen Ausflug nach Salzburg.
Ich hatte noch in Erinnerung, dass sich einem dort endlos reizvolle Perspektiven darbieten, wie das nur in historisch gewachsenen, von der „Moderne“ verschonten Städten der Fall ist.
So hatte ich seinerzeit reichlich Gelegenheit gefunden, mit meiner Kamera zu dilettieren:
Salzburg im Winter 2013; Bildrechte: Michael Schlenger
Natürlich war mir auch nicht die herrliche „Landschaft“ aus Türmen und Kuppeln der zahlreichen Kirchen entgangen, die vor allem in der Barockzeit in Salzburg entstanden.
Allerdings muss ich eine davon übersehen haben – und das, obwohl sie die italienischste ihrer Art ist, die man dort findet. Die Rede ist von der Dreifaltigkeitskirche, deren spielerisch zurückschwingende Fassade ihresgleichen nördlich der Alpen sucht.
Doch zum Glück war irgendwann in der frühen Nachkriegszeit ein gleichgesinnter Amateur aufmerksamer als ich und hatte den Bau im damals noch analogen Format festgehalten.
Und dabei war nebenbei auch die schöne „Rosalie“ auf’s Bild gelangt:
Citroen 15CV vor der Dreifaltigkeitskirche in Salburg; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Nicht nur erfreut mich hier das Wiedersehen mit Rosalie, die sich gut gehalten hat – sie scheint nichts von ihrem Reiz verloren zu haben.
Mir scheint dies auch wieder einmal ein Dokument zu sein, welches zeigt, dass Vorkriegsautos keine stilistischen Fremdkörper in vormodernen Stadtumgebungen sind.
Ihre organische Formgebung mit spannungsreichen Bögen anstelle simpler Kastenformen entstammt derselben gestalterischen Tradition wie alle historischen Bauten bis zum Ende des Jugendstils.
Tatsächlich wäre diese Frontalaufnahme der symmetrisch gestalteten Kirche beinahe langweilig ohne die skulpturenhafte Erscheinung des Citroen außerhalb der Hauptachse.
Nachdem wir wieder einmal die überlegene ästhetische Harmonie von traditionellen Bauten und Vorkriegsautomobilen „bewiesen“ haben, können wir uns nun endlich der schönen Rosalie an den Hals werfen – denn neben ihr verblasst doch aller anderer Glanz:
Doch halt, können wir ihr auch wirklich trauen? Ist das wirklich noch „unsere“ Rosalie mit dem Temperament von sechs Zylindern? Oder hat verbirgt sich hinter viel Make-up doch nur die eher schale Vierzylinder-Schwester?
Ich meine, dass unser Gefühl nicht trügt. Denn hier scheint tatsächlich Platz für fünf statt nur vier Luftklappen in der Motorhaube zu sein, auch wenn wir nicht alle davon sehen können.
So geht dieses Rendezvous mit Rosalie nach langer Zeit am Ende gut aus, keineswegs selbstverständlich wenn man einer alten Flamme wiederbegegnet.
Haben auch die Jahre für Abstand gesorgt und ist nun das Verhältnis nur noch platonischer Natur, bleibt in unserem Herzen doch die Erinnnerung wach an das, was einst war. Genau darin liegt die unauslöschliche Schönheit von Vorkriegsautos.
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Langjährige Leser wissen das natürlich: Die besten Momente im Leben sind für mich die ungeplanten, wenn sich alles so fügt, wie es sein soll. Das ist nicht alleine eine Frage des Zufalls, für solche Situationen muss alles vorbereitet sein – aber eben nicht geplant.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, im rechten Moment der entscheidenden Person begegnen, die passenden Worte finden. Oder auch: Alles wohlgeordnet haben, um schnell handeln zu können, wenn das letzte noch fehlende Puzzlestück auftaucht.
Das Foto, das ich Ihnen heute vorstellen darf, illustriert das in vollkommener Weise. Es ergänzt perfekt das Bild eines heute nur noch wenigen Kennern geläufigen deutschen Frontantriebswagens von Mitte der 1930er Jahre.
Neben den Fronttrieblern von Adler und DKW gab es noch einen weiteren Vertreter dieser fortschrittlichen Kategorie – hergestellt von einer der faszinierendsten und langlebigsten deutschen Nischenmarken: Stoewer aus Stettin.
Tatsächlich war es der Stoewer V5, mit dem 1931 erstmals in Deutschland ein frontgetriebener Serienwagen vorgestellt worden war, also noch vor DKW.
Was der einzigartig anpassungsfähige Hersteller an der Ostsee aus dem anfänglich unscheinbar wirkenden Modell binnen ein, zwei Jahren machte, ist phänomenal.
Schon 1932 erschien der Nachfolger R-140, der wie verwandelt war: Der 1,2 Liter-Motor war einem leistungsfähigeren 1,4 Liter-Aggregat gewichen; vor allem aber hatte man dem Fronttriebler ein völlig neue, unverwechselbare Vorderpartie verpasst:
Stoewer R-140 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Mit der eindrucksvollen Kühlermaske wirkte das immer noch recht kompakte Auto weit eindrucksvoller. Aber: So rechte Begeisterung will sich hier noch nicht einstellen.
Einer der Gründe dafür ist der, dass Automobile bei Aufnahmen direkt von vorne nur in Ausnahmefällen ihre ganze Wirkung entfalten können. Dasselbe gilt für die rein seitliche Perspektive, die bis in die 1920er Jahre hinein in Hersteller-Prospekten vorherrschte.
Versierte Fotografen erkannten aber früh, dass die Idealperspektive eine ist, die den Wagen aus spitzem Winkel von schräg von vorne ins Visier nimmt.
Die folgende Aufnahme geht in die Richtung, auch wenn sie noch nicht perfekt ist:
Stoewer R-140 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Der Wagen wirkt hier schon wesentlich attraktiver, dennoch lässt auch diese Aufnahme, die einst bei einer Reise durch die Schweiz entstand, noch Wünsche offen.
Die wenig gelungene Inszenierung der Herren lassen wir mal unkommentiert. Am Auto selbst gibt es nämlich genug zu „beanstanden“, vor allem eines: Irgendwie erscheint der Kühlergrill auch hier etwas bräsig, er könnte dynamischer wirken.
Was ich damit meine, werden Sie gleich sehen. So erkannte man auch bei Stoewer, dass die Frontpartie irgendwie rasanter daherkommmt, wenn man die die Kühlerlamellen noch ein wenig stärker nach oben anwinkelt.
Genau das machte man bei der nächsten Ausbaustufe nur ein Jahr später anno 1934 in Form des R-150. Der besaß nun mit 35 PS aus 1,5 Litern Hubraum eine in der Kompaktklasse achtbare Motorisierung.
Vor allem aber hatte man die Karosserie nun perfektioniert. Das galt zum einen nur für die leicht überarbeitete Kühlerpartie (man vergleiche diese mit der des R-140):
Stoewer R-150 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Zum anderen hatte man den Türen mit einer Chromleiste optisch gesehen die Höhe genommen. Wir kommen gleich noch darauf zurück.
Aber: „Puh“, mögen Sie jetzt wie der Herr neben dem Auto sagen, „das Foto selbst ist aber noch weit davon entfernt, perfekt genannt zu werden.“
Irgendwie springt der Funke auch hier noch nicht über und das liegt nicht bloß an dem Herrn mit den aufgeblasenen Backen. Vielmehr wird die an sich fast ideale Perspektive durch die geöffnete Tür wieder ruiniert.
Wenn man schon die Tür mit der erwähnten neuen Gestaltung studieren möchte, dann doch eher anhand einer solchen Aufnahme, nicht wahr?
Stoewer R-150 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
An sich eine unmögliche Aufnahme, wenn man es nur auf das Auto abgesehen hätte. Aber hier war jemandem die Insassin wichtiger und so ist dieses Foto in ästhetischer Hinsicht eine sehr gelungene Komposition.
Damit lässt sich auch trefflich übergehen zum eigentlichen Star des heutigen Blog-Eintrags, denn wie ich zu sagen pflege: Es gibt kein Auto, dessen Wirkung nicht durch die Anwesenheit einer Frau mit Stil profitieren würde.
Das bringt mich zum eingangs Gesagten zurück und zum Titel „Perfekt, wenn plötzlich alles passt“.
Dass sich heute alles in Sachen Stoewer R-150 Cabriolet ganz wunderbar zusammenfügt, sodass am Ende kein Wunsch offenbleibt, das verdanke ich Jörg W. Hitz aus Chemnitz.
Er bat mich nämlich um Identifikation des Autos, mit dem seine Großmutter in den späten 1930er Jahren aufgenommen wurde.
Das war mir nicht nur ein Leichtes, sondern auch ein Vergnügen, denn das ist genau das Foto, welches den Reiz des Stoewer R-150 Cabrios für mich vollkommen vermittelt:
Stoewer R-150 Cabriolet; Originalfoto aus Familienbesitz (Jörg Werner Hitz, Chemnitz)
Für mich ist bereits der Bildausschnitt genial – es sind alle Vorzüge des Autos einbezogen, ohne den gesamten Wagen zu zeigen. Auch der Aufnahmewinkel ist ideal zu nennen.
Und dann diese wunderbar gedankenverlorene Pose der jungen Dame, die den Wagen mit ihrer Präsenz und ihrer Berührung zu einem Teil der menschlichen Sphäre macht.
Ich wage zu behaupten, dass es schwer sein dürfte, das zu übertreffen – jedenfalls, was das „normale“ Cabriolet des Stoewer R-150 betrifft. Denn daneben gab es ja noch das sensationell gezeichnete Sport-Cabriolet, das ich ebenfalls bereits gewürdigt habe (hier).
Bei einer Gesamtstückzahl von wenig mehr als 1.000 Wagen dieses Typs ist aus heutiger Sicht jedes Exemplar bemerkenswert. Nur wie man sieht: Um es wirklich perfekt präsentieren zu können, dazu muss alles zusammenkommen – so wie hier und heute.
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Wenn Sie Italien wirklich in aller Ruhe erfahren wollen, fahren Sie im Winter dorthin.
Während es um Weihnachten herum noch überall geschäftig zugeht, scheint das Leben im Januar und Februar fast stillzustehen. Draußen wird nur das Nötigste getan, wenn es irgend geht, bleibt man zuhause. Reisende sieht man so gut wie keine.
Nicht nur kommt man von Norden schneller denn je ans Ziel und zurück – 11 Stunden Autofahrt inkl. Tank- und Kaffeestops für 1200 km Strecke sind sonst kaum erreichbar – man hat auch die schönsten Orte für sich und wenn man es richtig anstellt, vergisst man die Zeit.
Am letzten Tag meines Aufenthalts in Umbrien besuchte ich wieder einmal das Städtchen Bevagna – in etwa auf halber Strecke zwischen Perugia im Norden und Spoleto im Süden in der Tiefebene „Valle Umbra“ gelegen.
Man denkt sich nicht, wieviel Großartiges ein umbrisches Städtchen mit 5.000 Einwohnern zu bieten hat und wie hingebungsvoll das architektonische und historische Erbe gepflegt wird. Erstmals erwähnt wird es als „Mevania“ beim römischen Historiker Livius anlässlich einer Schlacht zwischen römischen und umbrischen Truppen um 300 v. Chr.
Nach der Einigung Italiens unter römischer Herrschaft blühte der Ort für einige Jahrhunderte dank seiner verkehrstechnisch günstigen Lage an der Via Flaminia und dem damals schiffbaren Tiber-Zufluss Topino.
Der bis heute innerhalb des alten Mauergürtels liegende und praktisch ohne neuzeitliche Bauten erhaltene Ort bietet Reste römischer Tempel, Thermen und Theater, ein Geschichtsmuseum im Palazzo Lepri, ein sensationelles Bühnenhaus des späten 19. Jhs. (Teatro Torti) – und vor allem jede Menge mittelalterliche Bauten erlesener Qualität.
Man kann dafür durchaus einen Tag einplanen, sofern man sich länger in Umbrien aufhält oder dorthin zurückkehrt, weil man auch nach dem x-ten Mal nicht alles gesehen hat.
Geparkt wird – wie in italienischen Städten bewährt – außerhalb der Stadtmauern, etwa am südlichen Stadtrand, wo die Römerstraße von Montefalco kommend auf Bevagna stößt.
Vom Parkplatz aus geht es am Waschplatz vorbei über eine breite Brücke in die Altstadt:
Brücke in Bevagna (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger
Beschaulich, nicht? Gestört wird das Idyll freilich, wenn man in der Brückenmitte das Schild liest: „Zerstört von den Deutschen im Juni 1944“.
Wie unzählige andere historische Brücken in ganz Italien wurden die Originale – oft römische und mittelalterliche, die Jahrhunderte überstanden hatten – von deutschen Truppen gesprengt, die gegen Kriegsende auf der Flucht vor den vorrückenden Alliierten waren.
Im vorliegenden Fall war dies besonders sinnlos, weil es in Sichtweite weitere Brücken gibt, die unbehelligt blieben. Zudem führt der Zugang über die gesprengte Brücke mitten in die verwinkelte Altstadt, während der schnellste Weg nach Norden um den Ort herum führt.
Vielleicht war eine deutsche Einheit wegen der alliierten Luftaufklärung bei Dunkelheit unterwegs oder irgendein frustrierter Kommandeur wollte unbedingt „ein Zeichen setzen“. Die Italiener bauten ihre Brücke 1946 jedenfalls wieder auf.
Verstimmt geht man weiter, leider gibt es solche Orte in Italien an jeder Ecke. Wollten wir nicht die Zeit vergessen? Ja, aber das klappt nicht immer so, wie man sich das wünscht.
Keine Sorge, es wird gleich besser. Von besagter Brücke kommend geht es durch diese Gasse auf die Piazza Silvestri, wo sich einem eine Kulisse wie aus einem Historienfilm darbietet und das Herz aufgeht:
Blick auf S. Michele in Bevagna (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger
Die Schönheit des Platzes ist kaum mit dem Fotoapparat zu erfassen – man muss selbst dort gewesen sein. Also lasse ich es, mit einer schlechten Aufnahme den Versuch zu unternehmen.
Wie so oft verbergen sich die größten Wunder in Italien nicht in den Bauten, die den Blick als erste auf sich ziehen.
In der Hauptkirche San Michele gibt es nur wenig Aufregendes zu sehen – das Innere ist im Zeitverlauf stark verändert worden.
Doch dreht man sich um, erblickt man die unscheinbare Fassade von San Silvestro. Dort finden wir den ersehnten Raum zur Andacht:
S. Silvestro in Bevagna (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger
Wer mit der Romanik dunkle und abweisend wirkende Kirchenbauten verbindet, wird in Italien regelmäßig eines Besseren belehrt.
Meist wurde in antiker Bautradition heller Kalkstein als Baumaterial gewählt und das Licht des Südens vermag selbst im Winter für noch mehr Helligkeit zu sorgen.
Im vorliegenden Fall hat man etwas mit dezenten Lampen im Gewölbe nachgeholfen, aber das ist auch die einzige Konzession an die Moderne. Die andächtige Stimmung stellt sich in diesem Raum ganz von alleine ein:
S. Silvestro in Bevagna (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger
Ob man nun gläubiger Christ ist oder nicht – man verharrt für eine Weile in Ehrfurcht. Und sei es „nur“ in Bewunderung für die Kunst der Baumeister und Arbeiter, die solche Werke zu schaffen vermochten, die noch nach Jahrhunderten ihre Wirkung tun.
Ebenso gedenkt man der vielen Kaufleute, Handwerker und Bauern, deren Arbeit die Überschüsse abwarf, welche in diese Orte der Andacht flossen, an denen sich die Bürger der Stadt und des Umlands zum Gottesdienst einfanden.
Diese Menschen sind längst vergessen und verweht, doch die Früchte ihres Fleißes sind immer noch da und sind der Stolz ihrer Nachfahren.
Lassen wir es dabei, irgendwann wollen wir uns heute auch noch an Vorkriegsautos erbauen, für die das Gesagte ebenso gilt. Also sammeln wir uns und verlassen diesen Ort der Andacht, nicht ohne noch einen Blick auf San Michele gegenüber zu werfen:
S. Michele in Bevagna (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger
Beglückt treten wir hinaus auf den Platz – abgesehen von zwei spielenden Kindern und einigen Einheimischen, die winterlich gekleidet rasch vorübergehen, ist niemand zu sehen.
Tatsächlich ist es draußen wärmer als in der tiefgekühlten Kirche – bei 10 Grad Plus genügt dem Barbaren aus dem Norden eine Übergangsjacke über dem Hemd.
Unternehmungslustig schauen wir uns um: Die Bar Colonna an der Ecke hat geöffnet und lockt sogar mit Eis – doch uns steht der Sinn nach dem Erlebten nach etwas Anderem.
Wir steigen in unsere bewährte Zeitmaschine, schließen kurz die Augen, und finden uns in einer Stadt nördlich der Alpen wider. Wo genau sie sich befindet, das wissen wir nicht genau, aber es muss eine sein, in der sich sehr viel Wohlstand angesammelt haben muss.
Denn dort betreten wir einen anderen Raum der Andacht, der zwar sehr irdischen Dingen geweiht war, aber für dessen Ausstattung es kaum weniger Fleißes bedurfte. Auch hier begegnen wir dem Materie gewordenen Ergebnis menschlicher Visionen und Anstrengungen – diesmal bloß auf leider vergänglichere Werke gerichtet:
Verkaufsniederlassung von Benz und Daimler; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein
Wenn Sie jetzt meinen, dass sich das Inneres eines Autohauses doch nicht mit einem Gotteshaus vergleichen lässt, dann sage ich: Alles lässt sich miteinander vergleichen, das heißt nicht, das alles gleich ist.
In der Moderne – also ab etwa 1920 – wurden keine Kirchen von dem phänomenalen Rang mehr gebaut wie in den rund tausend Jahren zuvor. Und auch der christliche Glaube – ob es einem gefällt oder nicht – hat nicht mehr die Kraft, ganze Gesellschaften dermaßen durchzuformen und zu beherrschen, wie das einst der Fall war.
Als Agnostiker sehe ich das gelassen, zumal die von unseren Vorfahren auf dem Fundament einer im Schwinden befindlichen Weltsicht geschaffenen Wunderwerke fortbestehen. Auch die klassischen Tempel der Griechen verlangen ja keinen Glauben an die einstige Götterwelt – wenngleich mir diese von jeher sympathisch ist.
Ein Meisterwerk menschlicher Kreativität steht für sich, nichts ist überflüssiger als endlose Erläuterungen von Gedichten, Epen, Gemälden oder Skulpturen.
Und da ich das Automobil der 1920er bis 1960er Jahre in seinen besten Exemplaren für bildende Kunst halte, meine ich, dass es seine Wirkung ohne viele Worte entfaltet.
So schreiten wir heute nun dank Leser Jürgen Klein schweigend durch die Hallen eines unbekannten Autogeschäfts, in dem einst unfassbare finanzielle Werte aus den damals noch separaten Häusern Daimler und Benz versammelt waren.
Beginnen wir im „Seitenschiff“ ganz links:
Verkaufsniederlassung von Benz und Daimler; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein
Hier haben wir den teuersten Aufbau auf Basis eines Benz-Spitzkühlwagens der frühen 1920er Jahre – eine Chauffeurlimousine.
Dahinter ein Daimler mit vermutlich ähnlichem Aufbau. Im Hintergrund ahnt man weitere solche Kaliber.
Beim Eintreten in diesen Tempel werden wir gleich vierer Gefährte ansichtig, davon die ersten drei mit offenem Aufbau.
Schön die grafischen Akzente, nicht nur in Form der Tapete im späten Jugenstil, sondern auch in Gestalt der sich wiederholenden Scheinwerferpaare, die zu leuchten scheinen:
Verkaufsniederlassung von Benz und Daimler; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein
Den unzweifelhaften Höhepunkt findet man indessen – ähnlich wie in mancher Kirche – in einer Nische oder sollte ich, um im Bild zu bleiben, sagen: Seitenkapelle?
Wie schon in antiken Tempeln waren in christlichen Kirchen reiche Stifter gern gesehen, spendierten sie doch oft das gewisse Extra an Ausstattung in Verbindung mit der Auflage, gesondert hervorgehoben zu werden.
In dem Sinne hat hier der „Dekorateur“ dieses Autohauses ganze Arbeit geleistet – der hell lackierte Wagen mit topmoderner Stoßstange kann in seiner Ecke sogar mit eigener Heizung aufwarten, auf dass seine Verehrer besonders gerne bei ihm verweilen:
Verkaufsniederlassung von Benz und Daimler; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein
Was das nun genau für Modelle von Daimler und Benz waren, diese Frage ist so abwegig wie die, welche Farbpigmente ein Freskenmaler der Renaissance einst verwendete.
Die besten Werke menschlicher Schaffenskraft bedürfen keiner solcher Überlegungen – alles was man darüber wissen muss, das vermitteln sie einem von selbst.
Wem der Vergleich einer romanischen Kirche mit einem Auto-Verkaufsraum der Vorkriegszeit weit hergeholt sein oder gar geschmacklos erscheinen mag, dem sei gesagt:
Jede Zeit mag für sich die Formen entwickeln, mit denen sie fundamentale Leidenschaften zum Ausdruck bringt. Man findet das dort, wo materieller Überfluss und die Freude am opulenten Einsatz von Material und Können herrschen. In solchen Zeiten hat der Mensch die ärgsten Nöte überwunden und kann zu mehr werden als einem Überlebenskünstler.
Dort hingegen, wo nur Verzicht und Einschränkung gepredigt werden, wo das Unnötige und Schöne zur Sünde erklärt wird, dort gedeiht nichts Gutes im Menschen.
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Dem Menschen seine Laster austreiben zu wollen, das scheint ein zeitloses Thema von Leuten zu sein, die sich moralisch überlegen geben – und so komme auch nicht drumherum.
Allerdings bin ich ein entschiedener Befürworter des Lasters – es muss allerdings kein Diesel sein und auf einem PKW sollte er basieren – so etwas gefällt mir.
Klingt einigermaßen merkwürdig, ist aber vollkommen ernst gemeint.
Ich bin in der Hinsicht vorbelastet – da haben wir es wieder – denn ich besitze einen Peugeot 202, der in seinen Papieren als Laster eingetragen ist.
Ob es mit der erlaubten knapp halben Tonne Zuladung zu tun hat oder der Tatsache, dass dieses Gerät vom Peugeot-Werk einst als „Utilitaire“ – also Nutzfahrzeug – verkauft wurde, das weiß ich nicht.
Jedenfalls ist unübersehbar, dass dieser Laster auf dem PKW-Modell basiert:
Peugeot 202 UH; aufgenommen 2022 in Bad Nauheim; Bildrechte: Michael Schlenger
Einen ganz ähnlichen Fall will ich heute vorstellen – unter dem überaus passenden Motto: „Laster von Anfang bis Ende“.
Am Anfang steht das 1932 eingeführte Model B von Ford – ein optisch überarbeiteter und mit nunmehr 50 PS stärkerer Nachfolge des legendären Model A. Dessen Produktion hatte 1931 nach über vier Millionen Exemplaren geendet.
In den USA wurde das Model B mit seinem in die Jahre gekommmen Vierzylindermotor nur ein Jahr lang gebaut – man verlegte sich dann auf den sensationellen V8-Typ, der auch in Deutschland gern gekauft wurde (Bericht kommt irgendwann). Dagegen wurde es im Kölner Ford-Werk in der ursprünglichen Form bis 1934 weitergefertigt, bis es zum moderner gestalteten Ford „Rheinland“ mutierte.
Merkwürdigerweise ist diese „B“-Ware aus dem Hause Ford auf alten Fotos nur selten anzutreffen, obwohl in Köln knapp 1.800 Exemplare gebaut wurden. Mir liegt bislang überhaupt nur eine Aufnahme aus deutschen Landen vor, die ein solches Fahrzeug zeigt:
Ford Model B, aufgenommen 1932; aus Nachlass der Familie Faensen-Löwe (Aachen)
Vom Vorgängertyp unterschied sich das Model B optisch durch die einfache Stoßstange mit Mittelrippe, die geschwungene Scheinwerferstange und den abgerundeten Kühler.
Die Drahtspeichenräder gab es wie schon beim Model A serienmäßig. Nur eine Ausführung kam mit ganz anderen Rädern daher und hier nimmt das Laster seinen „Fordgang“.
Wie schon beim Model A brachte Ford nämlich auch vom „B“ eine Nutzfahrzeugvariante heraus, den Typ „BB“. Der zeichnete sich durch größere Räder und entsprechend mehr Bodenfreiheit und ein verstärktes Chassis aus.
Dieser lasterhafte Ford „BB“ sah von vorne aber immer noch ziemlich genau wie der PKW aus, auf dem er basierte. Auf dem folgenden Foto von Sommer 1935 sehen wir links ein entsprechendes Exemplar:
Ford Model BB; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Die robuste „Arbeiter- und Bauern“-Variante des Ford B war auch im 2. Weltkrieg in verschiedenen Varianten anzutreffen (Beispiele hier).
Kurioserweise stieß das deutsche Militär beim Angriff auf die Sowjetunion ab 1941 auch auf das russische Pendant – den GAZ AA, der auf Basis einer Ford-Lizenz gebaut wurde. Für die Rote Armee wurden alleine davon rund 150.000 Stück gebaut (Quelle).
Viele erbeutete Exemplare fuhren dann neben den in Köln gebauten Wagen des Typs BB auf deutscher Seite herum.
Diese Form des Lasters dürfte spätestens im Mai 1945 ihr Ende gefunden haben, obwohl das Sammelsurium der zuletzt noch existierenden Wehrmachtsfahrzeuge alles Mögliche umfasste, darunter schon 1940 beim Westfeldzug erbeutete bzw. beschlagnahmte französische Wagen.
So ist nicht auszuschließen, dass auch das Model BB auf der folgenden Nachkriegsaufnahme eine „Frontkarriere“ hinter sich hatte:
Ford Model BB, frühe Nachkriegszeit; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger
Mit diesem in der sowjetischen Besatzungszone im Raum Leipzig zugelassenen Wagen mit charmanter Insassin findet das Thema Laster für heute sein glückliches Ende.
Das Bild ist ein schönes Dokument vom Überleben von Vorkriegsfahrzeugen in einer Zeit großer Not, in der jedes einsatzfähige Auto einen unschätzbaren Wert verkörperte.
Dieses Exemplar dürfte einem jungen Paar einen geschäftlichen Neubeginn ermöglicht haben – dass das neue sozialistische Regime später immer intensiv Krieg gegen private Unternehmen führen sollte, das konnten die beiden damals noch nicht wissen…
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Bis heute war ich der Ansicht, dass es Fahrsimulatoren nur auf dem Computer gibt – man kann damit in realistisch erscheinender Umgebung beliebige Autos auf den tollsten Strecken der Welt fahren.
Nicht mein Geschmack, aber es soll jeder selbst zusehen, was er mit seiner Zeit anstellt. Über Vorkriegsautos auf alten Fotos Bloggen ist ja kaum weniger virtuell. Immerhin bin ich dabei aber auf eine ganz neue Bedeutung des Begriffs „Fahrsimulator“ gestoßen.
In dem Zusammenhang habe ich gelernt, dass es neuerdings auch Fahrsimulatoren zum Einsatz in Fahrschulen gibt. Nachdem mir in letzter Zeit Fälle von Fahreleven begegnet sind, die offensichtlich bereits mit der Lenkradbedienung Schwierigkeiten hatten, befürworte ich das unbedingt.
Vermutlich fehlt der Jugend von heute die einschlägige Erfahrung mit Kett-Car und Auto-Scooter – ist ja auch viel zu gefährlich für die Kleinen, die heute schon auf dem Dreirad einen Helm aufsetzen müssen.
Ich kann mich unterdessen erinnern, dass ein Nachbarsbub schon mit 14 die Schaltung des 5er BMWs seiner Mutter vom Beifahrersitz aus bedienen durfte – sie kuppelte, er legte den passenden Gang ein. Das habe ich selbst gesehen, weil ich bisweilen auf dem Heimweg von der Schule mitfahren durfte.
Heute undenkbar – schließlich braucht man in Deutschland sogar einen Führerschein, wenn man im Wald für private Zwecke Holz mit der Kettensäge macht. Nur für höchste Ämter braucht’s keinen Qualifikationsnachweis hierzulande – die Ergebnisse sprechen für sich.
Nun aber zu einem Fahrsimulator, den ich ich tatsächlich auf einer historischen Aufnahme gefunden habe, die mir Leser und Dixi-Urgestein Helmut Kasimirowicz vermacht hat:
Darracq Doppel-Phaeton um 1907; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger (aus Schenkung von Helmut Kasimirowicz, Düsseldorf)
Als Erstes werden sich manche fragen, wie ich bloß den Hersteller dieses auf den ersten Blick beliebig wirkenden Tourenwagens -vor dem 1. Weltkrieg oft noch Doppel-Phaeton genannt – ermittelt habe.
In der Tat sah so kurz vor 1910 fast jedes Auto dieser Größenklasse aus. Doch auf dem Originalabzug war der Schriftzug „Darracq“ auf den Nabenkappen zu lesen – sonst wäre das wohl ein aussichtsloser Fall gewesen.
Darracq gehört zusammen mit De Dion-Bouton, Panhard und Renault zu den französischen Herstellern, die ab 1900 erstmals in größeren Stückzahlen alltagstaugliche Automobile bauten, die nicht nur reinen Sport- oder Repräsentationszwecken dienten.
Damit waren diese die eigentlichen Erfinder des Autos, wie wir es heute als vierrädrigen Begleiter für alle Lebenslagen kennen. Freilich waren auch diese frühen Fahrzeuge noch dermaßen teuer, dass nur sehr gut betuchte Zeitgenossen sie sich leisten konnten.
Eine ganze Gruppe dieser Privilegierten sehen wir in diesem Wagen versammelt – mit einer Ausnahme. Denn der Mann mit dem wachen und selbstsicheren Blick, der uns direkt fixiert, war der eigentliche Fahrer des Darracq.
Der mit Bürobleiche gesegnete Herr am Steuer war dagegen nur ein Fahrsimulator – er war sicher der Eigner des Autos und hatte sich für diese Aufnahme hinters Lenkrad begeben.
Seine wenig outdoor-taugliche Nickelbrille verrät zusätzlich, dass er dort normalerweise nicht anzutreffen war. Übrigens ist es eine häufig auf solchen frühen Autofotos anzutreffende Situation, dass der Chauffeur der Familie mit abgelichtet wurde.
Er hatte damals in etwa den Rang eines heutigen Piloten, der die Beechcraft Bonanza einer vermögenden Familie fliegt und dem man sein Leben sowie ein Fortbewegungsmittel anvertraut, das den Gegenwert eines Eigenheimes repräsentiert.
Ich vermute, dass wir im Hintergrund Teile der Fabrik unseres „Fahrsimulators“ sehen – leider fehlt jeder Hinweis auf die Region oder gar den genauen Ort.
Aber das tut dem Aussagewert dieses für die Zeit sehr typischen Fotos keinen Abbruch und in so einem Fall ist auch der genaue Typ nachrangig. Nur das Entstehungsjahr lässt sich anhand stilistischer Überlegungen und einiger Vergleiche recht gut eingrenzen.
Der Aufbau hätte zwar schon um kurz nach der Jahrhundertwende so aussehen können, doch der das Rad umfassende und genau am Trittbrett endende Vorderkotflügel taucht bei den meisten europäischen Herstellern erst ab 1905/06 auf. Die größte Übereinstimmung fand ich mit Abbildungen von Darracq-Wagen, die auf ca. 1907 datiert sind.
Vor 1910 ist der Wagen auf jeden Fall entstanden, genauer brauchen wir es heute nicht,, denn das Thema war diesmal eher das frühe Automobil als Plattform zur Fahrsimulation…
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In meinem Blog gerate ich oft auf abseitige Pfade, bevor ich irgendwann doch die Kurve kriege und noch zum eigentlichen Thema komme.
„Erzähl‘ bloß nichts vom Pferd“, mag mancher denken, der hier eine streng sachbezogene Auseinandersetzung mit Vorkriegsautos auf alten Fotos erwartet.
Ich weiß ja: Es gibt keine Alternative hierzulande – das meine ich jetzt unpolitisch – aber ich bin hier der Chef vom Janzen und tue, was mir gefällt.
Also erlaube ich mir heute wieder eine Abschweifung und erzähle nebenbei etwas vom Pferd.
Auf den Gedanken kam ich heute, nachdem ich meine Arbeit erledigt hatte – bis kurz nach Mittag erst für den Brot- und Benzinerwerb, dann stand noch etwas Renoviererei an.
Es war gegen halb vier nachmittags, als ich beschloss, zum Supermarkt zu fahren und dabei einen Umweg zu nehmen. Der führte mich von meinem derzeitigen Aufenthalt im italienischen Umbrien auf den über tausend Meter hohen Monte Subasio.
Der Winter hatte sich dort bereits zurückgezogen, es war knapp über null Grad, doch in der Ferne sah man noch die schneebedeckten Gipfel der Appeninen:
Die Qualität dieses Fotos und der folgenden müssen Sie entschuldigen. Ich hatte meine gute Nikon nicht dabei und knipste mit einem uralten Nokia-Smartphone in der Gegend herum.
„Erzähl‘ bloß nichts vom Pferd, komm‘ zur Sache“ – gewiss doch, einen Moment, ich bemühe mich ja. Also noch eine Aufnahme vom Gipfel, die Pferde lass‘ ich ausgeblendet.
„Pferde? Im Winter? Auf über tausend Metern Höhe?“ Natürlich. Sie sind hier bloß außerhalb des Bildausschnitts – etwas weiter rechts wäre eine ganze Herde zu sehen:
„Er erzählt uns doch tatsächlich was vom Pferd! Wo ist denn nun der im Titel in Aussicht gestellte Audi des Typs „Dresden“?
Tja, der wartet geduldig im Tal und gute 1.500 Kilometer weiter nördlich und über 90 Jahre in der Vergangenheit. Gleich ist er an der Reihe.
Doch muss ich vorher noch etwas vom Pferd erzählen.
Das begegnete mir nämlich heute nachmittag auf tausend Meter Höhe und wer sich von so etwas nicht gerne ablenken lässt, ist ein – nun ja, ergänzen Sie etwas Passendes:
Diese Erscheinung ist repräsentativ für eine Pferdegattung, die ganzjährig auf dem Monte Subasio im Freien lebt.
Zwar kümmert sich jemand um diese Herde, aber grundsätzlich finden sich die Tiere alleine zurecht – sie wechseln die Weiden selbständig und verbringen ihr ganzes Leben dort oben.
Als ich das heute sah, war die Idee für diesen Blog-Eintrag geboren, denn vom Pferd erzählen wollte ich Ihnen schon lange etwas.
Ermöglicht hat mir das Leser Matthias Schmidt aus Dresden, der mir bereits vor längerer Zeit ein Foto aus seinem phänomenalen Fundus in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat.
Darauf ist das heutige Thema in großartiger Weise festgehalten:
Hochzeitskutsche und Audi Typ T „Dresden“; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Was Matthias Schmidt bei der Zusendung dieses außerordentlichen Dokuments noch nicht wusste, ist der Umstand, dass es sich bei dem hinter der Kutsche abgebildeten Wagen nicht – wie von ihm vermutet – um einen Horch der späten 1920er Jahre handelt.
Die Gestaltung der Luftschlitze in der Motorhaube deutet vielmehr auf einen Audi von ca. 1930 hin – einen Achtzylinderwagen des Typs „Dresden“, wahrscheinlich
Der 75 PS starke Wagen war der „kleine“ Bruder des Audi „Zwickau“ mit 100 PS Motorleistung. Wie er besaß er einen Reihenachtzylinder, der anno 1927 aus der Insolvenzmasse des US-Herstellers „Rickenbacker“ erworben worden war – vielleicht nicht die allerbeste Idee…
Während vom Audi „Zwickau“ immerhin 450 Exemplare entstanden – nach US-Maßstäben lächerlich wenig – waren es im Fall des etwas kleineren Typs „Dresden“ nur 75.
Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir hier einen davon, erkennbar an den nur fünf statt sechs Gruppen Luftschlitzen in der Motorhaube:
Audi Typ T „Dresden“; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)
Selbst wenn ich mich irren sollte und wir doch einen Audi des „häufigeren“ Typs Zwickau vor uns haben, bleibt es dabei: diese Limousine war einst eine hochexklusive Angelegenheit.
Jetzt ist es mir doch gelungen, Ihnen nichts vom Pferd zu erzählen, wo doch auf derselben Aufnahme gleich zwei edle Exemplare mit einer ebensolchen Kutsche zu sehen sind.
Man fragt sich, was sich davon eigentlich durchgesetzt hat. Mir scheint es, dass zumindest bei Hochzeitskutschen die kräftigen Vierbeiner immer noch das Rennen machen würden. So ein Auftrittt macht einfach mehr her und mit zwei PS kommmt man auch ans Ziel, wie man sieht.
Letztlich ist es so: Wenn man die Leute in Ruhe lässt, setzt sich je nach Anwendungsbereich das durch, was besser geeignet ist. Das muss nicht zwangsläufig immer das Moderne sein.
Es gibt immer einen Ort, an dem auch das Pferd noch seine Daseinsberechtigung hat, sei es als Sportkamerad, als Lebensgefährte auf dem Land oder schlicht, weil es das Gras kurzhält.
Jetzt habe ich Ihnen doch etwas vom Pferd erzählt. Aber das war halb so schlimm, oder?
Nach meiner einschlägigen Begegnung auf dem Gipfel des Monte Subasio ging es in Serpentinen wieder hinunter vorbei am um diese Zeit verwaisten „Eremo delle Carceri“ – wohin sich Franz von Assisi vor 800 Jahren zum Gebet zurückzog:
Nur ein einsamer Radler, der schwer atmend auf den Spuren des (h)eiligen Franz den Berg hinauf pedalierte (er ist links oben noch zu sehen) begegnete mir in der Bergeinsamkeit.
Vom gleichen Ort aus in die andere Richtung gesehen, erblickt man zwischen zwei prächtigen Zypressen die Burg oberhalb von Assisi – einst als Außenposten des räuberischen Kirchenstaats den Bürgern der Stadt verhasst – heute eine romantische Ruine.
Der moderne Wagen rechts im Bild stört, ich weiß, doch es war die einzige Stelle, an der ich parken konnte, ohne auf der Straße zu stehen:
Von hier war es nicht mehr weit bis hinunter nach Assisi, wo ich wieder gen Süden abbog und durch die Hügel oberhalb der Valle Umbra heimwärts kreuzte – denn eigentlich wollte ich ja nur noch einige Einkäufe tätigen…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.