Fund des Monats: Scheibler-Tourer von 1906/07

Eigentlich war für den finalen Starauftritt im Monat November 2024 ein ganz anderes Fahrzeug vorgesehen. Jedoch habe ich es irgendwie geschafft, dessen Konterfei verschwinden zu lassen, weshalb ich beim Einsender nochmals vorsprechen muss.

Das bringt mich aber nicht in die Bredouille – denn in meinem Fundus und dem von Sammlerkollegen, welche hier großzügig ihre Schätze teilen, schlummert noch Material für viele „Monde“, wie laut Karl May die gemeine Rothaut zu sagen pflegte.

Also greife ich wie die Lottofee einfach, ohne hinzusehen, in die digitale Fotokiste und zaubere einen anderen Sieger hervor – einen Scheibler!

Puuh, werden jetzt die vermutlich wenigen Kenner dieser frühen Marke aus Aachen denken. Das waren doch wenig aufregende Gefährte mit Ein- und Zweizylindermotoren, zu Beginn (1900) sogar noch mit Reibradantrieb, der nur für geringe Leistungen geeignet war.

Bis 1907 blieben diese schon damals altertümlich wirkenden Fahrzeuge in Produktion. Sie mögen automobilhistorisch interessant sein und erlangten zeitweise gewisse Verbreitung.

Doch erstens bin ich kein Automobihistoriker, sondern Dilettant, und zweitens verlangt der Ästhet in mir, dass der „Fund des Monats“ auch optisch etwas hermachen sollte. Genau das kann ich Ihnen heute in Sachen Scheibler bieten.

Die Gelegenheit dazu verdanke ich einmal mehr Leser Klaas Dierks – neben Matthias Schmidt, Jörg Pielmann, Marcus Bengsch und Jürgen Klein – einer meiner wichtigsten Komplizen in Sachen Vorkriegsautos auf alten Fotos.

Genug der Vorrede – Mitternacht rückt näher und bis dahin muss ich „fertig“ sein. Vergessen Sie also alles, was sie bisher mit der Marke Scheibler verbinden und sehen sich das hier an:

Auch wenn auf diesem Abzug nicht von alter Hand „Scheibler“ vermerkt wäre, wäre dieser mächtige Tourenwagen ein aufsehenerregender Fund.

Derartige Dimensionen und Proportionen erreichten vor 1910 nur wenige Luxusfabrikate. Die Kombination aus hohem Aufbau und niedriger, dabei sehr langer Motorhaube war Merkmal weniger ganz großer Fahrzeuge.

Eine ähnliche Optik mit einer Vielzahl von Luftschlitzen in der Haube findet sich bei deutschen Spitzenmodellen wie denen von NAG und Protos aus Berlin, aber auch solchen von heute weniger bekannten Herstellern wie Dürkopp, Nacke und Priamus.

Übrigens sollte man die lange Haube nicht als Hinweis auf einen Sechszylindermotor fehlinterpretieren. Solche waren damals in deutschen Landen noch äußerst selten.

Nein, die enormen Hubräume damaliger Oberklassewagen waren es, welche bereits bei Vierzylindertypen dermaßen viel Platz beanspruchten.

Wenn Sie jetzt fragen, von welcher Zeit wir hier überhaupt reden, dann haben wir als ersten Hinweis das Fehlen des „Windlaufs“, der ansteigenden Blechpartie zwischen der Motorhaube und der Trennwand zum Innenraum, die 1910 in Deutschland zum Standard im Serienbau wurde.

Einen zweiten Orientierungspunkt liefert die Gestaltung der Vorderkotflügel. Vor etwa 1908 schlossen diese im Regelfall noch nicht in harmonischem Schwung an das Trittbrett an, sondern ihr hinterer Abschluss durch“schnitt“ die Ebene des Trittbretts und reichte etwas weiter nach unten. Auch das ist hier der Fall.

Die abgerundete Oberseite der Vorderkotflügel wiederum ist aber etwas, das ich vor 1906/07 noch nicht mit Bewussetsein gesehen habe. Bei früheren Wagen war die Oberseite durchweg flach ausgeführt, meine ich.

So bin ich ganz unabhängig von der Wagenmarke durch rein stilistische Betrachtung zu der im Titel enthaltenen Datierung 1906/07 gelangt.

Tatsächlich war bis zum 1. Weltkrieg das Erscheinungsbild der meisten deutschen Wagen in erster Linie von allgemeinen Tendenzen geprägt – markentypisch waren fast immer nur der Kühler, oft noch die Motorhaube und die Nabenkappen der Räder.

Jetzt bleibt uns „nur“ noch die Identifikation der Marke und des Typs. Da es in der mir vorliegenden Literatur zu deutschen Wagen der Zeit vor 1910 kein Foto eines vergleichbaren Automobils gibt, liefert die Beschriftung „Scheibler“ den einzigen Hinweis.

Schauen wir doch , was unter der Marke damals angeboten wurde – die Daten sind ja überliefert, bloß an Abbildungen mangelt es. Demnach brachte Scheibler 1904 zwei Vierzylindertypen heraus, die 30 bzw. 40 PS leisteten, damals enorm viel.

Hier eine Reklame für das „schwächere Modell“, die mir Leser Wolfgang Spitzbarth zusandte und die sich so auch in Hans-Heinrich von Fersens Standardwerk „Autos in Deutschland 1885-1920“ (Erstauflage: 1965) findet:

Scheibler-Reklame von 1904 für das Modell 24/30 PS; Quelle: Archiv Spitzbarth

Diese sehr teuren Modelle blieben bis 1907 in Produktion, als der Hersteller sich auf die lukrativere LKW-Produktion beschränkte.

Ich stelle daher die Behauptung auf, dass wir auf dem Foto von Klaas Dierks das Scheibler-Spitzenmodell 35/40 PS mit spektakulären 6,9 Litern Litern Hubraum sehen. Letztere waren auf vier opulent dimensionierte Zylinder mit je fast 13cm Durchmesser verteilt – was erheblich zur Baulänge des Motors und damit der Länge der Motorhaube beitrug.

Gleichzeitig war der Hub der Kolben mit 14 cm nicht außergewöhnlich hoch, was in Verbindung mit den damals üblichen Seitenventilen eine recht flache Bauweise erlaubte.

Technisch machbar war das alles für eine heute kaum vorstellbare Vielzahl von Herstellern – bloß erreichten die wenigsten die zum Überleben erforderlichen Stückzahlen.

Es würde mich wundern, wenn von den großen Scheibler-Wagen zwischen 1904 und 1907 mehr als 100 Stück entstanden. Sonst hätten sie mehr Spuren hinterlassen müssen. Das unterstreicht zugleich den Rang des Fotos, das wir Klaas Dierks verdanken.

Umso erfreulicher wäre es natürlich, wenn doch noch jemand etwas in der Richtung beisteuern könnte, was meine Identifikation bestätigt oder auch verwirft…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Was gibt’s zum Frühstück? Alte Mercedes – in Maßen…

Als ich noch Abonnent einer als Intelligenzblatt geltenden Zeitung aus Frankfurt am Main war, konsumierte ich regelmäßig deren Inhalt von vorne bis hinten (außer dem Sportteil) auf meinen täglichen Bahnfahrten in die Finanzmetropole und zurück.

Morgens waren Politik, Wirtschaft und Finanzen Pflicht – abends gab es dann Feuilleton, Technik & Motor, Wissenschaft & Kunst usw. zur Erbauung.

Dass ich damals darüber belehrt worden wäre, in welch‘ kleinen Häusern „wir“ glücklich sein sollen oder wie zurückgebliebene Männer mit erfolgreichen Frauen umgehen sollten, daran kann ich mich nicht erinnern – auch nicht, dass es keine gesunde Bräune gäbe und Eier zum Frühstück ungesund seien…

Rund 12 Jahre ist es her, dass ich mein Abonnement aufgrund der Tendenz in Richtung politischer Korrektheit kündigte. Seither schaue ich nur noch in die Online-Ausgabe der Gazette gleichen Namens, um anhand der Überschriften zu wissen, wozu ich mich andernorts informieren sollte.

Die oberlehrerhaft vorgetragenen Anweisungen zur richtigen Lebensweise nehme ich dabei lächelnd zur Kenntnis und frage mich, wer dafür zu zahlen bereit ist. Was es zum Frühstück gibt, das weiß ich schon selbst: Einen doppelten Espresso, ein großes Glas Vollmilch und/oder Orangensaft und dann bis mittags erst einmal nichts – denn ich habe zu tun.

Da das sicher ungesund ist, rate ich an dieser Stelle ausdrücklich davon ab. Vielmehr lege ich Ihnen heute ans Herz, im Sinne einer ausgewogenen geistigen Ernährung zum Frühstück einmal alte Mercedes zu genießen – aber bitte in Maßen und nur in Papierform!

Zum genussvollen Auftakt empfehle ich den Konsum dieser Anzeige von Ende 1911:

Daimler „Mercedes“-Reklame aus: Berliner Illustrirte Zeitung, Dezember 1911; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Da bekommt man doch glatt Appetit auf mehr, nicht wahr?

Herrlich, dass man sich hier ganz auf den Genuss der grafisch meisterhaft ausgeführten Anzeige konzentrieren kann. Kein Wort dazu, was man von den „Mercedes“-Wagen der Daimler-Motoren-Gesellschaft halten soll – keine bemühte Werbeprosa, keine von einem biederen Angestellten ausgedachten Botschaften, der mit der Straßenbahn ins Büro fuhr.

Sie ahnen, warum diese Reklame so wirkungsvoll ist – schlicht weil ein Mercedes anno 1911 keinen rhetorischen Rollator brauchte, um seinen Nimbus am Markt aufrechtzuhalten.

„Mercedes“, das war damals eine Garantie für das Beste im Automobilbau in deutschen Landen, der Name war bereits die ganze Botschaft.

Bei der Gelegenheit ignorieren Sie bitte den Hinweis auf die Gestaltung des „Windlaufs“, welcher den Übergang zwischen Motorhaube und Passagierraum harmonisch gestaltete.

Sie wissen, dass sich dieses Element ab 1910 bei allen deutschen Fabrikaten durchsetzte – bloß: ein neuer Leser hat das vielleicht noch nicht mitbekommen, daher die Litanei.

Schon 1913 waren die nun ansteigende Motorhaube und Windlauf zu einem optischen Ganzen verschmolzen – so ist das prinzipiell auch heute noch, sofern die Haube nicht direkt bis an die Frontscheibe reicht. Schauen Sie einfach in der Garage nach.

Gleichgeblieben war 1913 in der „Mercedes“-Werbung der Flachkühler und der Verzicht auf unnötige Belehrungen zu den Meriten der Marke:

Daimler „Mercedes“-Reklame von 1913 aus der Zeitschrift: „Motor“; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Das Jahr 1913 war freilich in einer Hinsicht von Bedeutung für das Erscheinungsbild der „Mercedes“-Wagen selbst, ohne dass dies Daimler eigens betonte.

So wich der traditionelle Flachkühler nun einem schnittigen Spitzühler, auf dem der zuvor mittig angebrachte „Mercedes“-Stern nun beiderseitig glänzte.

Unnötige Worte zu den Autos selbst verlor man nach wie vor nicht:

Daimler „Mercedes“-Reklame von 1913/14; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Auffallend ist neben dem Spitzkühler die neuartige Weise der Abbildung des Wagens als dreidimensionales Objekt und die Lässigkeit der Darstellung. Nicht viel anders pflegte man Vorkriegsautos noch Jahrzehnte später in Comics zu zeichnen.

Diese Spitzkühler-Mercedes begleiteten den Zeitungsleser – sofern er sich diesen Luxus leisten konnte – in Werbeanzeigen den ganzen 1. Weltkrieg über.

Hier haben wir als Beispiel eine Reklame aus der Kriegszeit, die einen Mercedes und im Hintergrund ein Jagdflugzeug mit markant hervorstechendem Reihenmotor zeigt, welcher damals typischerweise ebenfalls von Daimler zugeliefert wurde:

Daimler „Mercedes“-Reklame ab 1914; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Immer noch kein Wort zu den Stärken von Daimler – so sah gekonnte Autowerbung vor rund 110 Jahren aus.

Eines sei hier noch angemerkt: Während das abgebildete Fahrzeug bereits elektrische Parkleuchten besaß, die im Windlauf angebracht waren, sind die Frontscheinwerfer noch gasbetrieben. Darauf kommen wir später zurück.

Zuvor muss ich allerdings noch ein Kriegsfoto einflechten, da sonst die verwöhnten Geschmäcker der Auffassung sein könnten, dass ich sie zum Frühstück ja „nur“ mit alter Reklame abspeisen wollte.

Keine Sorge, auf dem Speiseplan steht heute auch gehaltvollere Kost, und zwar in für uns Nachgeborene leicht verdaulicher Form einer Feldpostkarte von 1916, welche einen 6-Zylinder-Mercedes zeigt:

Daimler „Mercedes“, Feldpostkarte von April 1916; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Die seitlich aus der Motorhaube austretenden Auspuffrohre sind ein Hinweis auf einen Sechszylinderwagen – hier wohl ein mittleres Modell. Die ganz großen Mercedes jener Zeit sind an drei dieser Auspuffrohre zu erkennen.

Damit dieses Frühstückbuffet nicht zu einseitig wird und Ihnen die schweren Karossen aus dem Hause Daimler nicht am Ende unangenehm im Magen liegen, sei als nächster Gang diese Reklame empfohlen, welche einen unerwartet leichten Mercedes zeigt:

Daimler „Mercedes“-Reklame ab 1919; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Mit diesem schlicht und leicht anmutenden Tourer mit wirkungsvoller Zweifarblackierung sind wir in der Zeit direkt nach dem 1. Weltkrieg angelangt.

Daimler bot damals in technischer Hinsicht zunächst wenig Neues – wie die meisten deutschen Hersteller. Doch der Aufbau verweist klar auf die frühen 1920er Jahre.

Nun soll man aber gerade beim Frühstück nicht zuviel zu sich nehmen, weshalb ich Ihnen an dieser Stelle ungern weitere Genüsse auftischen will.

Da mir daran liegt, dass meine Leser hier jedesmal schlauer werden – sofern möglich bei so vielen klugen Köpfen vor den Bildschirmen – bringe ich zur besseren Verdauung zum Abschluss dieses Foto eines Mercedes-Veteranen, der 1925 abgelichtet wurde:

Daimler „Mercedes“ Droschke; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nachdem ich Ihnen zuvor eine – wie ich meine – üppige Auswahl präsentiert habe, sollten Sie nun in der Lage sein, sich von diesem Mercedes ein eigenes Bild zu machen. Nur ein Hinweis: Lassen Sie sich von der nachgerüsteten elektrischen Lichtanlage nicht täuschen.

Wenn Sie genau hinsehen, lockt bei richtiger Auflösung ein Aufenthalt in der „Frühstücksstube“, in der Sie von mehr oder weniger sympathischem Personal erwartet werden und wo Sie nebenher ein Exemplar der „Wanne-Eickler-Zeitung“ studieren können.

Ob das anno 1925 magenverträglicher war als die Presselektüre rund 100 Jahre später oder gar die heute verordnete einseitige Daimler-Diät, das werden wir wohl nie erfahren…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Brauchte etwas Zeit zum Reifen: Stoewer Typ C2 10/28 PS

Von einem feinen Rotwein und eigenständigem Denken abgesehen, brauchen nur wenige Dinge etwas Zeit zum Reifen.

Der klassische Stil im alten Griechenland entwickelte sich nicht zäh und unter Rückschlägen aus archaischen Vorläufern – er war vielmehr plötzlich fast vollkommen da. Ähnliches gilt für Gotik oder Renaissance – es gibt keine Zwischenstadien mit allmählichen Übergängen.

Einige genial Begabte schufen damals oft in kürzester Zeit etwas radikal Neues. Noch der Jugendstil ist so ein Phänomen – beinahe über Nacht taucht er auf, bevor er nach kurzem Eroberungsfeldzug mit dem 1. Weltkrieg erlischt.

Dass großartige Dinge oft unter großem Druck binnen unglaublich kurzer Zeiträume entstehen, diese Beobachtung macht man in so unterschiedlichen Feldern wie der Musik (z.B. Mozarts 21. Klavierkonzert), Literatur (z.B. Jack Kerouacs Nachkriegsepos „On the Road“) oder Luftfahrt (z.B. die Entwicklung der Boeing 747 „Jumbo“).

So wie ein effizientes Unternehmen eher zuwenige als zuviele Mitarbeiter hat, muss für kreative Dinge oft eher zuwenig als zuviel Zeit zur Verfügung stehen. Meine Kategorie „Fund des Monats“ hebt sich nicht zuletzt auch dadurch positiv von meinen sonst langatmigen Episteln ab, dass ich die Beiträge meist kurz vor Mitternacht am Monatsultimo herunterschreibe. Ich bin so gezwungen, wirklich auf den Punkt zu kommen.

Auch in der Frühzeit des Automobilbaus fällt einem die Atemlosigkeit auf, mit der die Entwickler in Europa, dann in den USA, rastlos an der Fortentwicklung dieser Erfindung arbeiteten.

Ein entsprechendes Klima scheint mir hierzulande längst abhandengekommen zu sein. Eine Volkswirtschaft, in der ernsthaft Stuhlkreise zur Work-Life-Balance und anderen Modethemen eingerichtet werden – natürlich während der Arbeitszeit – die ist erledigt.

Nichts gegen die erwähnte Balance zwischen Anspannung und Entspannung, doch die ist unter Wettbewerbsbedingungen am Weltmarkt 100%ige Privatsache. Bei gerade einmal 35 Stunden Wochenarbeitszeit plus sechs Wochen Jahresurlaub hat jeder Zeit, seine privaten Belange in den Griff zu bekommen. Im Job dagegen ist 100% Einsatz gefragt – dort gibt es nur weniges, was wirklich Zeit zum Reifen braucht.

Wie sah das eigentlich aus, wenn man sich vor rund 110 Jahren etwas Zeit zum Reifen im Automobilbau gönnte?

Weil Sie hier ja auch etwas lernen und sich nicht nur auf meine Kosten unterhalten sollen, will ich das heute am Beispiel der Marke Stoewer aus Stettin illustrieren. Dabei kann ich mich wieder auf die Unterstützung unermüdlicher Sammlerkollegen verlassen.

Den Anfang will ich mit diesem Stoewer von anno 1910 machen, der auf einem Foto aus der Sammlung von Matthias Schmidt (Dresden) auf das Schönste abgelichtet wurde:

Stoewer von 1910 (wohl Typ LT4), Besitzer: Maschinenfabrikant A. Stigler (Bayern); Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Hier sehen wir die kleine, aber enorm anpassungsfähige Firma Stoewer an einer für alle deutschen Autohersteller wichtigen Wegmarke. Im Jahr 1910 führten nämlich alle mir bekannten Fabrikate hierzulande eine in gestalterischer Hinsicht wichtige Neuerung ein.

Die Rede ist von der „Windkappe“, ein auch als „Windlauf“ oder bisweilen „Torpedo“ bezeichneter Blechaufsatz zwischen der noch waagerecht verlaufenden Motorhaube und der Trennwand zum Innenraum.

Dieses Element findet sich ab 1907/08 zunächst im Rennsport und diente der besseren Aerodynamik und damit höheren Geschwindigkeit. Im Serienbau setzte sich dieses Bauteil wie gesagt ab 1910 durch, am konsequentesten im deutschsprachigen Raum.

Der solchermaßen modernisierte Stoewer war wahrscheinlich ein Wagen des Typs LT4 mit 1,6-Liter-Vierzylinder, der angeblich 20 PS leistete, was mir aber etwas zuviel vorkommt.

Schon ein Jahr später, anno 1911, brachte Stoewer die neuen Typen der B-Reihe heraus, deren Motorisierungen nun von 1,6 Liter bis 5 Litern reichten.

Hier haben wir einen Vertreter des 1,6 Liter-Typs B1 (16 PS) eventuell auch des 2,3-Liter-Modells B2 (22 PS):

Stoewer B-Typ von 1911/12; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Typisch für die kleineren B-Modelle von Stoewer, die bis etwas 1912 gebaut wurden, scheinen die geknickt ausgeführten Vorderkotflügel gewesen zu sein.

Dieses Element hätte ich eher in der Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg vermutet, aber mitunter zeigt sich, dass bestimmte Phänomene bereits frühere Vorläufer hatten – sie brauchten offenbar doch etwas Zeit zum Reifen.

Dass die markante Kotflügelgestaltung des Stoewer auf obigem Foto nicht dem Spleen eines einzelnen Kunden entsprang, dafür spricht diese Reklame für einen Stoewer der B-Reihe von 1911/12:

Stoewer-Reklame für die Baureihe B von 1911/12; Original: Sammlung Michael Schlenger

Jedenfalls findet sich dieses Gestaltungsdetail bei der nächsten Entwicklungsstufe – den ab 1913 gebauten Modellen C1 und C2 – nicht mehr.

Sie deckten mit 1,6 bzw. 2,4 Litern ein ähnliches Hubraumspektrum ab wie die kleine B-Typen. Bei der Leistung hatte man unterdessen Fortschritte gemacht.

Hier haben wir eine Originalreklame, welche den Stoewer C1 mit 18 PS zeigt:

Reklame für den Stoewer Typ C1 6/18 PS aus der Zeitschrift „Motor“ von März 1914; Original: Sammlung Michael Schlenger

Den großen Bruder dieses wackeren Stoewer – den Typ C2 mit beachtlichen 28 PS – finden wir im Folgenden auf drei Abbildungen. Sie veranschaulichen, dass Stoewer in der kurzen Zeit ab 1910 einen beachtlichen Reifeprozess durchlaufen hatte.

Den Anfang macht diese recht verbreitete, da in der Nachkriegszeit vom Verkehrsmuseum in Umlauf gebrachte Ansichtskarte. Sie zeigt einen Stoewer C2 – wohl basierend auf einem zeitgenössischen Verkaufsprospekt von 1913/14:

Stoewer C2 10/28 PS, Bauzeit: 1913/14; Ansichtskarte der Nachkriegszeit (Verkehrsmuseum Dresden)

Noch besser als bei der Reklame für den Stoewer Typ C1 6/18 PS erkennt man hier die neue Gestaltung der Vorderkotflügel sowie die markante Ausführung der Frontscheibe, welche beinahe wie auf den oben erwähnten Windlauf aufgesetzt erscheint.

Beide Elemente finden sich – ebenso wie die inzwischen leicht ansteigende Motorhaube – auf dem folgenden Foto, das mir wiederum Matthias Schmidt aus Dresden in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat:

Stoewer Typ C2 10/28 PS von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Nun wissen Sie sicher, weshalb ich so auffallend darauf bestanden habe, dass zumindest manche Dinge „etwas Zeit zum Reifen“ benötigen.

Wann im Fall dieses Exemplars die Pneus geliefert wurden, das ist schwer zu sagen. Tatsächlich war es vor dem 1. Weltkrieg nicht unüblich, dass ein Automobil noch ohne Zubehör, wie beispielsweise die Beleuchtungsausstattung, erworben wurde.

Die Montage des Zubehörs oblag dann dem Autohaus, wobei auf übliche Zulieferer zurückgegriffen wurde. Im vorliegenden Fall scheinen immerhin die Gaslampen und der zugehörige Gasentwickler (der hohe Kasten auf dem Trittbrett) geliefert worden zu sein.

Während noch etwas Zeit für die Reifen benötigt wurde, könnte der ansonsten ladenneue Stoewer im Hof des Autohauses gestanden haben. Geben wir der Sache etwas Zeit zum Reifen und schauen dann noch einmal nach.

Kurioserweise gibt es ein zweites Foto desselben Typs – wenn auch nicht desselben Autos – in einer ähnlichen Situation. Dieses stammt aus der Sammlung von Leser Klaas Dierks:

Stoewer Typ C2 10/28 PS von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Im ersten Moment glaubte ich, dass die Wagen identisch seien, doch wenn Sie genau hinsehen, werden Sie einige Unterschiede bemerken, die nicht nur der Beleuchtung oder dem anderen Standort geschuldet sind.

Dabei werden sie aber eines ganz gewiss feststellen: Auch dieser Stoewer brauchte erkennbar noch etwas Zeit zum Reifen.

Das war jedoch nicht die Schuld der kleinen, aber feinen Firma aus Stettin, die in den rasanten Jahren der Entwicklung vor dem 1. Weltkrieg ein phänomenales Tempo hinlegte und stets unter großem Druck stehend, sehr erfolgreich mit der Zeit ging.

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Ausgedient? Von wegen! Ein Sizaire & Naudin von 1913/14

Wer meinen Blog schon länger verfolgt, der weiß längst, dass ich zum Kulturpessismisus tendiere. Das Treiben der progressiven Kräfte seit 1968 scheint mir ungeachtet einiger bedenkenswerter Motive nur wenige konstruktive Ergebnisse gezeitigt zu haben.

Allerdings gelingt es mir hin und wieder, mich daran zu erinnern, dass wir doch in gewisser Weise in der besten aller Welten leben. Denn auch wenn uralte Kulturkompetenzen zu verlottern scheinen, so gibt es nur wenig, was wirklich ganz und auf Dauer verlorengeht.

Tatsächlich ist uns nahezu alles, was der Mensch irgendwo in der weiten Welt je geschaffen hat, in einer Weise zugänglich, wie das nie zuvor der Fall war. Manches überlebt in der Nische, in Subkulturen, in konservativen Kreisen.

So haben die jahrhundertealte Violine oder das erst einige Jahrzehnte alte analoge Schlagzeug neuere Entwicklungen wie den Synthesizer überstanden. Ähnlich hat die E-Gitarre den Reiz der akustischen Klampfe nicht wirklich schmälern können. Kerze und Edison-Leuchte sind immer noch verfügbar, während moderne LED-Lampen die tristen von Brüssel verordneten „Energiespar“-Laternen längst obsolet gemacht haben.

Was von offizieller Seite oder durch technische Neuerungen aussortiert wird, lebt häufig genug weiter, erhält eine neue, vielleicht andere Daseinsform. Anderes wird nach einer Zeit des Vergessens wiederentdeckt, erlebt eine Renaissance wie etwa die Schallplatte.

Wir dürfen daher zuversichtlich sein, dass es auch künftig noch hocheffiziente Brennwert-Gasthermen, ultrasparsame Dieselmotoren und Benzinaggregate mit blitzsauberen Abgasen geben wird – ganz egal, inwieweit und wo sich Batterieautos ausbreiten oder was irgendwelche Planwirtschaftler als nächste große Sache im Mobilitätssektor vorgeben.

Von Beamten oder Technokraten zum alten Eisen abgestempelt, außer Dienst gestellt, ausgemustert zu werden – das muss längst nicht das Ende bedeuten, im Gegenteil.

Denn eines lässt sich nicht per Dekret beenden: Das menschliche Talent, sich an neue Situationen anzupassen, mit vermeintlich Überholtem etwas Neues anzufangen, alten Dingen neues Leben einzuhauchen, ihnen neue Nutzungen und Freude abzugewinnen.

Zu diesen Gedanken inspirierte mich das folgende Foto, welches mir Leser Klaas Dierks vor einiger Zeit in digitaler Form übermittelte, verbunden mit der Frage, wie der abgebildete Wagen einzuordnen sei:

Sizaire & Naudin Sporttourer von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Dass der Name des Herstellers – Sizaire & Naudin – bestens lesbar auf dem Kühler prangt, hilft nur auf den ersten Blick weiter.

Versuchen Sie einmal im Netz ein Foto zu finden, das einen Wagen des nur von 1905-1921 aktiven französischen Herstellers mit genau diesem Kühler zeigt. Ich habe mich angesichts dieser Schwierigkeiten zunächst einmal an stilistischen Details orientiert.

Der sportliche Aufbau als Zweisitzer mit Rundheck und die Halterungen für Karbidgas-Scheinwerfer verweisen schon einmal auf die Zeit vor dem 1. Weltkrieg. Allerdings brauchen wir in dieser Epoche nicht weit zurückzugehen.

Denn die leicht ansteigende und dann stufenlos in den „Windlauf“ vor der Frontscheibe übergehende Motorhaube ist ein starkes Indiz für eine Entstehung ab etwa 1912.

Das passt recht gut zur Einführung größerer Vierzylindermodelle bei Sizaire & Naudin ab 1911, welche von der Marke Ballot gebaute Motoren erhielten.

Damit endete die Phase des Baus kompakter Zweisitzer mit Einzylindermotoren und ab dann scheint man auch eine neue Kühlerform eingeführt zu haben. Merkwürdigerweise ist diese kaum dokumentiert, jedenfalls online.

Letztlich fand ich aber doch ein Beispiel für einen solchen Wagen mit identischer Kühlergestaltung, der auf 1913/14 datiert ist. Demnach war das Auto auf dem Foto von Klaas Dierks technisch wie stilistisch bei Erscheinen auf der Höhe der Zeit.

Doch zum Zeitpunkt der Aufnahme war das nicht mehr der Fall – der Wagen war wohl „ausgemustert“ worden zu sein, im wahrsten Sinne des Wortes.

Beim näheren Blick auf die Motorhaube erkennt man eine grob übermalte Partie an einer Stelle, wo bei PKW im Dienst des deutschen Heeres im 1. Weltkrieg der Bezeichnung der Armee-Einheit aufgebracht war, welcher der Wagen angehörte.

Meine Vermutung ist folgende: Der Sizaire & Naudin wurde während des deutschen Feldzugs in Belgien und Frankreich erbeutet und in den Wagenpark eingegliedert. Wahrscheinlich gelangte er zu einer Einheit, die auf deutschem Boden stationiert war.

Das würde erklären, dass das Auto nach Kriegsende nicht in die alte Heimat zurückkehrte, sondern aus dem Armeedienst entlassen wurde und einen deutschen Besitzer fand.

Dieser scheint mit dem Ex-Militärfahrzeug ebenso zufrieden zu sein wie ich mit meinem Peugeot 202-Pritschenwagen, welcher ebenfalls einst beim Heer diente.

Heute wird er nur noch ab und zu zur Freude der Mitmenschen eingesetzt wie hier beim Oldtimertag in Bad Nauheim – dabei war das von offizieller Seite gar nicht vorgesehen…

Peugeot 202 beim Oldtimertag in Bad Nauheim; Bildrechte Peter Emling

Wir sehen daran: Manche Dinge – wahrscheinlich die meisten – sind nicht annähernd vorhersehbar, ganz gleich welches große Licht einst einen Plan gemacht hat…

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Ein Auto zum Abheben: Amilcar Type CGS

Ein Auto, das abhebt, wirklich? Im Rennsport traditionell ein gefürchteter Moment, wenn ein Wagen durch übermäßigen Auftrieb den Bodenkontakt verliert. Dagegen wurden bald probate Mittel eingesetzt, um allzu kühnem Aufwärtsstreben entgegenzuwirken.

Doch dagegen, den Bodenkontakt mit der Wirklichkeit zu verlieren, ist man auch in unseren Tagen nicht gefeit. Seit Jahren verfolgten mit der Fliegerei Vertraute halb spöttisch, halb fassungslos, die Versuche, elektrische Flugtaxis auf den Markt zu bekommen.

Damit sollte zum günstigen Tarif künftig in den Städten der Taxibetrieb in die dritte Dimension verlagert werden. Dabei war weniger die Technik fragwürdig, prinzipiell lässt sich das Konzept der Drohne auf einen entsprechenden Maßstab skalieren.

Aber jeder, der schon einmal in einer Sportmaschine mitgeflogen ist, weiß um die Komplexität der Bewegung in der dritten Dimension – selbst in ländlichen Gebieten.

Pilot und Tower müssen den Luftraum ständig aufmerksam beobachten, auf Hindernisse oder Verzögerungen muss in genau einstudierter Weise reagiert werden, was eine Disziplin und Erfahrung erfordert, welche die eines Taxifahrers auf dem Boden weit überschreitet.

Nicht zuletzt ist jedes Fluggerät plötzlichen Änderungen der aerodynamischen Verhältnisse ausgesetzt – Luftlöcher, Aufwinde und Scherwinde verlangen großes fliegerisches Können speziell bei der Landung, weshalb diese bis heute von Berufspiloten übernommen wird.

Ich kenne das ein wenig von Mitfluggelegenheiten im Aero-Club Bad Nauheim – sei es mit der behäbigen Focke-Wulff „Stieglitz“ der Vorkriegszeit, sei es mit einem hochmotorisierten „Yakovlev“-Militärtrainer, mit dem ich Rollen und Parabelflüge absolvieren durfte (nichts für Leute mit Kreislaufschwäche, nebenbei).

Und nun soll Fliegerei ausgerechnet in städtischen Ballungsgebieten demokratisiert werden? Soll einfach jedes Flugtaxi starten und landen können, wo es der Passagier will? Völlig illusorisch. Damit ist die Sache erledigt, weil Tür-zu-Tür-Service unmöglich ist.

Dennoch flossen 1,5 Milliarden an spekulativem Kapital in ein solches Projekt in deutschen Landen, welches kürzlich die Flinte ins Korn werfen musste. Doch das Geld ist volkswirtschaftlich nicht weg, es ist jetzt nur in anderen Händen und wird hoffentlich in aussichtsreichere Verwendungen fließen.

Gleichwohl gefällt mir die Verbindung von Fliegerei und Automobilismus ausnehmend gut. Hier als Beispiel mein komplett original erhaltener und nur technisch überholter Peugeot 202 als Gast beim Flugtag beim Aero-Club Bad Nauheim im Jahr 2014:

Peugeot 202 UH, Flugtag Bad Nauheim 2014; Bildrechte: Michael Schlenger

Zwar ist mein wackerer Peugeot-Pickup, der sein Dasein beim französischen Militär begann und später von einem Bauern in der Champagne übernommen wurde, bevor er nach Jahren des Schlummers zu mir gelangte, leistungsmäßig nicht gerade zum Abheben geeignet.

Er ist als LKW klassifiziert und sein Motor ist gegenüber der Limousine gedrosselt, ab Tempo 70 wird es zäh mit dem Vorwärtsdrang. Aber er macht zum Abheben viel Freude und alle, die ihn sehen, verlieben sich in seine Optik mit den hinter dem Kühler sitzenden Scheinwerfern.

Doch es geht auch durchaus sportlich, was die Kombination aus Auto und Flugggerät angeht. Das will ich Ihnen anhand eines Fotos zeigen, das ich jüngst erworben habe.

Mir war auf Anhieb klar, dass es einen Sportwagen der französischen Marke Amilcar von Mitte der 1920er Jahre zeigte – nur der genaue Typ war noch ungewiss. Auch ein hübsches Detail an dem Auto hatte ich beim Erwerb noch nicht bemerkt.

Aber schauen Sie sich das einfach selbst an – möchte man da nicht innerlich abheben?

Amilcar Typ CGS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ja, so muss ein leichter Sportwagen um Mitte der 1920er Jahre aussehen, nicht wahr?

Bootsheckkarosserie, tiefe Türausschnitte im schmalen Aufbau, damit genügend seitlicher Bewegungsspielraum vorhanden ist, vor allem für den Wagenlenker.

Drahtspeichenräder mit Zentralverschluss und minimalistische Kotflügel helfen, das Gewicht gering und die Optik rasant zu halten. Dabei werkelt unter der Motorhaube bloß ein Vierzylinder mit 1,1 Litern Hubraum.

Trotz der strömungsungünstigen Seitenventil-Konstruktion, die immer noch auf dem ersten Amilcar des Typs CC von 1921 basierte, holte man aus dem Motor ab 1923 bereits standfeste 33 PS heraus. Das sollte auch zehn Jahre später noch beachtlich sein.

Ein Spitzentempo von 115 km/h war mit diesem Wagen drin und wir dürfen davon ausgehen, dass sich dies wie heute mehr als 150 km/h anfühlte. Für gewisse Fahrsicherheit sorgten die vier Stoßdämpfer und die Vierradbremse – vor 1925 keineswegs Standard.

Was die Karosserie betrifft, bot Amilcar selbst keine Aufbauten ab. Das Hauptgeschäft in der Hinsicht übernahm die Firma Duval, die viele Variationen über das Thema des sportlichen Zweisitzers anbot.

Hier haben wir eine Ausführung mit lang nach hinten gezogenen Vorderkotflügeln, die neben einer anderen Version offeriert wurde, welche das Rad umfasste.

Die extrem reduzierte Form des hinteren Kotflügels ist neben den fast in Wagenmitte angebrachten Ausleger-Blattfedern der Hinterachse eines von vielen Details, die den Wagen als Amilcar erkennbar machen.

Eher ungewöhnlich ist die recht hohe und fast senkrecht stehende Frontscheibe. Mag sein, dass sie einer Forderung der jungen Dame am Steuer entsprang, die Wert auf eine modische Kopfbedeckung auch in solchen sportlichen Lebenslagen legte:

Wie das Licht auf ihrer Kappe, dem Pelz und dem hellen Mantel spielt und strahlt, das lässt einem das Herz höher schlagen und die nach Schönheit dürstende Seele schweben.

Wie schon so oft konstatiert: Es gibt kein Automobil, das nicht durch die Anwesenheit einer ansehnlichen Frauensperson das entscheidende Element erhält, welches seine Wirkung vervollkomnet.

Leider wissen wir nichts über die Schöne, die uns über einen Abstand von rund 100 Jahren anlächelt, als sei es gestern gewesen. Die Umstände des Erwerbs lassen aber vermuten, dass der Wagen in Deutschland zugelassen war – bei Amilcar keine Seltenheit, denn kein einheimischer Hersteller bot in dieser Hubraumklasse damals Vergleichbares.

Alles schön und gut, mögen Sie jetzt sagen, wir mögen dergleichen Abschweifungen ebenfalls. Aber was ist denn jetzt mit den in Aussicht gestellten fliegerischen Qualitäten dieses Amilcar?

Wenn Sie es partout nicht mehr aushalten, dann sagen wir der Erscheinung am Steuer nun: „Adieu Madame, es war schön, ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.

Abschließend wenden wir uns dem Detail des Wagens zu, welches mich zum Titel des heutigen Blog-Eintrags inspiriert hat.

Also, bilde ich es mir ein, oder ist hier als Kühlerfigur nicht ein Flugzeug zu sehen?

Das zu beurteilen und auch die Interpretation des Standers neben dem Scheinwerfer überlasse ich gerne Ihnen, liebe Leser.

Ich habe noch einiges zu erledigen, und Sie werden davon profitieren in nächster Zeit, wenn Sie wie ich die Betrachtung solcher alter Autofotos als eine erhebende und vielleicht sogar beflügelnde Erfahrung empfinden…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Erinnerungen an treue Gefährte(n): Ford „Eifel“

Das Wortspiel im Titel mag nicht das Originellste sein – aber es trifft genau das, worum es heute gehen soll. Erinnnert werden soll an den Wert des Privaten, das im besten Fall selbst größte Umbrüche der Zeitgeschichte zu überdauern vermag.

Dabei ist man gut beraten, sich auf treue Weggefährte(n) verlassen zu können, ob auf zwei oder vier Beinen oder auch vier Rädern.

Die von starken Überzeugungen und fundierter Zuneigung bestimmte Wahl der Partner auf dem Weg durchs das Dasein bietet die solideste Basis – ganz gleich was einem Familie, Nachbarn oder sonstiges soziales Umfeld aus selten selbstlosen Motiven anraten.

Die Gelegenheit, dieses Thema anhand des Ford „Eifel“ der zweiten Hälfte der 1930er Jahre zu illustrieren, gab mir dieser Tage Frank Seifert. Er sandte mir Fotos zu, die Automobile seines Großvaters zeigten und bat um Bestätigung der Typansprache.

Dem kam ich nur zu gerne nach – zum einen, weil ich keine Arbeit hatte, denn Herr Seifert hatte selbst bereits ins Schwarze getroffen. Zum anderen weil ich so ein weiteres sehr reizvolles Foto zeigen kann, welches mich auf wundersame Weise an diese bereits vor längerem vorgestellte Aufnahme aus meinem eigenen Fundus erinnerte:

Ford Eifel, Ausführung ab 1937; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Foto, das ab 1948 in der damaligen amerikanischen Besatzungszone Bayern (siehe die Kennung AB) entstand, illustriert für mich vollkommen die eingangs erwähnte Harmonie zwischen wahren Gefährten, die auch schwere Zeiten zu überdauern vermag.

Das erstreckt sich auch auf den gut erhaltenen Ford des Typs „Eifel“, welcher ab 1935 im Kölner Werk gebaut wurde. Nach dem unglücklich gestalteten Vorgängermodell „Köln“, das zudem für seine Größe untermotorisiert war, bot der „Eifel“ mit seinem 34 PS leistenden 1,2-Liter-Vierzylinder ausreichende Fahrleistungen, was Spitze 100 km/h umfasste.

Dazu passend erhielt der „Eifel“ ab 1937 eine am spektakulären Ford V8 orientierte schnittige Kühlerfront, die bereits auf dem ersten Foto zu sehen ist. Hier zur Verdeutlichung eine weitere Aufnahme aus Bayern, hier freilich noch aus der Vorkriegszeit:

Ford Eifel, Ausführung ab 1937; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wiederum sehen wir Gefährt und Gefährten auf erfreuliche Weise vereint. Gut lachen hatten diese Besitzer auch aufgrund des Aufbaus, welcher die besten Seiten eines Cabrios und einer Limousine vereinte – daher die Bezeichnung Cabrio-Limousine, seinerzeit sehr beliebt.

Technisch war der „Eifel“ mit Seitenventilen, vorderer Starrachse und mechanischen Bremsen zwar nicht auf dem Niveau des NSU-Fiat 1100 – damals wohl das beste Auto seiner Klasse aus deutscher Produktion – aber er war deutlich günstiger.

Auch die für Ford damals noch typische äußerst robuste Machart zeichnete ihn aus. So wurde der bis 1939 gebaute Wagen im Krieg für viele Soldaten zum – diesmal allerdings unfreiwilligen – Gefährten, hier ergänzt durch einen sympathischen Vierbeiner::

Ford „Eifel“ (Ausführung ab 1937), im 2. Weltkrieg; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich könnte nun anhand des mir vorliegenden Materials ausführlich den weiteren Weg des Ford „Eifel“ durch Kriegs- und Nachkriegszeit illustrieren, doch das findet sich auch in meiner Markengalerie.

Vielmehr möchte ich nun zum eigentlichen Thema zurückkehren und diesem dabei einen weiteren Aspekt abgewinnen, den ich heute noch nicht beleuchtet habe.

Denn während die meisten Vorkriegsautofreunde den Ford „Eifel“ vor allem in der gezeigten ab 1937 gebauten Version mit Spitzkühler kennen, die mit Abstand am häufigsten war, wollen wir auch der ersten Ausführung unsere Reverenz erweisen.

Gezeigt habe ich diese überhaupt erst einmal, und zwar anhand dieser Aufnahme:

Ford „Eifel“ (Ausführung von 1935/36); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn hier „nur“ der Kühler und die Haubenschlitze anders gestaltet sind, wirkt der Wagen völlig anders – konservativer, weniger modisch, positiv formuliert: klassischer.

Die hohe schmale Kühlerausführung verweist auf die urspüngliche Herkunft des Ford „Eifel“. Er war nämlich bei Einführung anno 1935 nur das in Deutschland mit Linkslenkung gebaute Ford Model C, das in England entwickelt worden war.

Damals folgte die Karosseriegestaltung in Großbritannien eigenen Gesetzen – weder die amerikanischen Tendenzen, noch die auf dem europäischen Kontinent schlugen sich dort besonders stark nieder. Dieses Phänomen sollte bis in die 1950er Jahre Bestand haben.

Während mir diese aristokratisch zurückhaltende erste Version des Ford Eifel lange Zeit etwas altbacken vorkam, schätze ich mittlerweile ihre Qualitäten.

Daran ist Frank Seifert nicht unschuldig, denn auf dem Foto aus seinem Familienalbum, das er mir in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat, erscheint der frühe Ford „Eifel“ perfekt:

Ford „Eifel“ (Ausführung von 1935/36); Originalfoto in Familienbesitz (mit freundlicher Genehmigng von Frank Seifert)

Die Wirkung dieser Aufnahme ist aber nicht nur der harmonisch proportionierten Front des Ford „Eifel“ geschuldet, sondern vor allem dem Mit- und Nebeneinander echter Gefährte(n).

Hier sehen wir nämlich den Großvater von Frank Seifert mit seiner Frau im Jahr 1949 in der malerischen fränkischen Kleinstadt Pegnitz. An ihrer Seite der über den Krieg gerettete Ford und nicht zuletzt ein kleiner, aber nicht weniger wichtiger Vierbeiner in Gestalt eines glänzend posierenden Dackels.

Schön und beinahe zeitlos ist auch der Hintergrund mit alter Bruchsteinmauer, Fachwerk und blühendem Gesträuch neben der Garage, in welcher der alte Kölner Gefährte „wohnte“.

Wie mir Frank Seifert berichtete, war sein Großvater, der ein gutgehendes Malergeschäft betrieb, ein passionierter Autofahrer. Bereits in den 1920er Jahren hatte er einen Brennabor des Typs R 6/25 PS besessen.

Hier sehen wir nun das Paar nach dem 2. Weltkrieg als gealterte Gefährten vereint mit ihren übrigen Wegbegleitern, die ihnen wichtig waren und die deshalb mit auf das Foto mussten.

Man ahnt, dass die letzten zehn Jahre kein Zuckerschlecken waren, aber man sieht hier keine verarmten Leute, sondern durchaus auf ihren Status bedachte Bürger.

In schweren Zeiten die richtigen Gefährte(n) an seiner Seite zu haben, sich auch unter harten Bedingungen seine Würde zu bewahren, das kann offenbar gelingen.

Man muss schon etwas tun dafür und das eine oder andere Opfer ist vonnöten, aber es bleibt der Eindruck eines gelungene Lebens. Opa Seifert sollte übrigens noch bis Mitte 80 selbst Auto fahren, auch wenn das zuletzt etwas abenteuerlich war, wie ich erfuhr…

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Dem Ende entgegen, aber mit Stil: Komnick 8/40 PS

Dieses vorab: Machen Sie sich angesichts des Titels keine Sorgen – es ist alles in bester Ordnung mit dem Industriestandort Deutschland. Den Deutschen des frühen 21. Jahrhunderts geht es blendend – die Konjunktur boomt, die Preise sind stabil, die Rente ist auskömmlich, Immobilien sind wieder erschwinglich und laut Umfrage sind alle glücklich.

So heißt es sinngemäß in dem von mir aus Nostalgie bevorzugten Online-Presseportal, in dem ich morgendlich nur die Überschriften lesen, um zu wissen, was gerade als relevante Meinung gilt. Anschließend bilde ich mir als gewohnheitsmäßig kluger Kopf mein eigenes Urteil anhand anderer Quellen und vor allem: anhand eigener Beobachtung und Überlegung.

Man muss schon die Verhältnisse vor 100 Jahren bemühen, um mit Recht festzustellen, dass es der breiten Masse heutzutage verdammt gutgeht.

Tatsächlich war die Armut der meisten Deutschen Mitte der 1920er Jahre, die zu Unrecht als die Goldenen 20er gelten, bestürzend. Ein Automobil – überhaupt jedes Kraftfahrzeug – war für den Durchschnittsverdiener völlig unerreichbar. Allenfalls ein Fahrrad konnte man sich über viele Monate zusammensparen.

Im wirtschaftlich miserablen Umfeld jener Zeit ging es bei zahlreichen deutschen Autohersteller dem Ende entgegen – das galt auch für solche, die bereits seit der Jahrhundertwende im Geschäft waren.

Dazu zählte der am weitesten im Osten angesiedelten Hersteller in Deutschland überhaupt: Komnick aus Elbing in Westpreußen.

Vor ziemlich genau 100 Jahren – im August 1924 – machten die markanten Wagen mit der ungemein stilvollen Kühlerfront, die den Schild mittelalterlicher Ordensritter zitierte, wohl ein letztes Mal bei einem Sporteinsatz Furore:

Komnick 8/40 PS; Sieger bei der ADAC-Fahrt durch die Cadiner Berge (Ostpreussen) im August 1924; aus Prospekt von 1924/25

Angeblich besaß der 8/40 PS Wagen der Marke Komnick einen drehfreudigen Motor mit Ventilsteuerung über obenliegende Nockenwelle, welcher von der Marke Dinos entlehnt worden war, die anno 1924 die Produktion eingestellt hatte.

Diesen Wagen, der in der Praxis deutlich über 50 PS leistete, bot Komnick mit einer Vielfalt von Aufbauten an, die damals teilweise bereits zum alten Eisen gehörten:

Komnick 8/40 PS; 6-sitziger Tourenwagen und Außenlenker; aus Prospekt von 1924/25

Speziell der „Außenlenker“ mit separatem Coupé-Aufbau für die Passagiere war Mitte der 1920er Jahre nicht mehr auf der Höhe der Zeit – den dazu erforderlichen Chauffeur konnte sich kaum noch einer leisten.

Hinzu kam, dass die Komnick-Wagen besonders teuer waren, weshalb auch der kompakte 4-Sitzer-Tourer für Selberfahrer und erst recht die Limousine kaum Absatz fanden:

Komnick 8/40 PS; viersitziger Tourenwagen und Innenlenker; aus Prospekt von 1924/25

Zwei Dinge muss man der Marke Komnick allerdings lassen:

Man ging dem Ende äußerlich mit Würde und Stil entgegen. Außerdem waren die Motoren Musterbeispiele für aufgeräumte und beinahe kunstvoll gestaltete Aggregate, wie sie damals in deutschen Landen eher die Ausnahme darstellten.

So fühlte sich Joachim Fischer anno 1927 in seiner trocken benamten Publikation „Handbuch vom Auto“ bemüßigt, das Komnick-Motor eigens zu präsentieren, merkwürdigerweise als „Normalmotor“, was er gerade nicht war:

Komnick 8/40 PS-Motor: Abbildung aus: Handbuch vom Auto, Joachim Fischer, 1927; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Als dieses Werk anno 1927 erschien, ging es bei Komnick bereits rapide dem Ende entgegen – jedenfalls, was den Bau von Personenwagen angeht.

Das letzte mir vorliegende zeitgenössische Zeugnis eines Komnick-Autos ist das folgende, ebenfalls aus der Fischerschen Publikation, und nun mit Vorderradbremsen:

Komnick 8/40 PS: Abbildung aus: Handbuch vom Auto, Joachim Fischer, 1927; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Der Autor konnte nicht ahnen, dass er mit seiner Bezugnahme auf die Komnick-Wagen keine glückliche Wahl getroffen hatte.

Im Erscheinungsjahr seines Buchs war die Komnick-PKW-Produktion bereits Geschichte. Überhaupt ging damals sehr vieles in der Hinsicht zuende und man fragt sich, ab wann den Zeitgenossen klar wurde, welcher Umwälzungen Zeuge sie waren.

Heute las ich, dass die urbritische Marke Jaguar die Herstellung von Verbrennerwagen einstellt und eine Produktionspause einlegt. Ab 2026 will man dann Batteriewagen in der Preisklasse von 100.000-200.000 (Währung in diesen Sphären egal…) bauen.

Wenn das ernstgemeint ist, geht auch heute einiges dem Ende entgegen, doch ohne dass es Ersatz gibt. Darin – und im Stil – liegt vielleicht ein Unterschied zu den späten 1920er Jahren…

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Adlig, bürgerlich und arbeitsam: 1927er Erskine

Das ist ja großartig„, mögen jetzt die Anhänger der klassenlosen Gesellschaft ausrufen. Endlich werden die Stände von einst vereint und die Aristokraten bekommen etwas zu tun!

Nun in gewisser Weise stimmt das – aber nur heute in diesem Blog-Eintrag.

Zwar kann man den alten Adel abschaffen und zur bürgerlichen oder gar Arbeiterexistenz nötigen. Doch über kurz oder lang bildet sich eine neue Aristokratie – sie nennt sich zwar nicht so, fühlt sich aber ebenso überlegen und führt sich genauso auf.

Da dies leider nicht zu ändern ist – das lehren Geschichte und Gegenwart- wollen wir uns dennoch hier am zumindest harmonischen Nebeneinander von gleich drei Klassen erbauen.

Die Inspiration dazu lieferte mir kürzlich Leser Klaas Dierks, der mich um die Identifikation eines Autos bat, das im Hintergrund einer Aufnahme aus den 1930er Jahren zu sehen war.

Ganz vorne ist ein Opel „Blitz“ mit Aufbau als Leichenwagen zu sehen – eine Kategorie, die ich in meinem Blog ebenso ignoriere wie Unfallautos, in denen jemand schwer verletzt oder gar getötet wurde.

Denn hier soll die Vergangenheit aufleben und wir wollen unseren automobilbesessenen Vorfahren einen letzten großen Auftritt ermöglichen – so als wären sie noch unter uns. Genau das wird heute der Fall sein – freuen Sie sich darauf.

Nun aber erst einmal zu dem Rätselfoto von Klaas Dierks in Form dieses Ausschnitts – den erwähnten Opel „Blitz“ erahnt man rechts unten am Bildrand.

Erskine-Pickup, Adler „Standard 6“; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Als erfahrener Sammler hatte Klaas Dierks natürlich die großzügige Limousine mit dem dreieckigen Kühleremblem und dem markanten Lochkreis der Räder bereits als Typ „Standard 6“ identifiziert, den die Frankfurter Adlerwerke mit einigem Erfolg ab 1927 bauten.

Der nach amerikanischem Vorbild gestaltete, 45 PS leistende Adler repräsentiert heute den alten Adel – nicht nur wegen der Namensähnlichkeit, sondern auch weil er für die Verhältnisse im alten Europa stand, die damals von den Aufsteigertypen aus den USA überflügelt zu werden begannen.

Letztere gesellten sich hemdsärmelig und selbstbewusst zu den zwar traditionsreicheren aber eher steifen Vertretern aus der Alten Welt. So kommt einem jedenfalls der kompaktere Wagen hinter dem Adler vor, der mit seiner Ladefläche keine Hehl daraus machte, dass er der Arbeiterklasse angehörte. Berührungsängste kannte er offenbar nicht.

Was war das nun für ein Fabrikat, welches sich trotz seiner bodenständigeren Erscheinung hier gleichberechtigt in das Defilee einreiht?

Genau das konnte ich zunächst nicht beantworten. Die Gestaltung des Kühler mit dem nach oben zeigenden mittigen „Zipfel“ war mir noch nicht begegnet. Dummerweise war der Schriftzug auf dem Kühlergrill auch auf dem Originalabzug nicht zu entziffern.

Mein Gefühl sagte mir allerdings bereits, dass dieser kantige Arbeitertyp aus den Vereinigten Staaten stammen musste. Er musste aus einer Klasse stammen, in der man keinen Wert auf großspuriges Auftreten Wert legte und auffallenden Zierrat mied.

In diesen Sphären ging es sparsam zu und so geht dem Wagen auch die Fülligkeit des danebenstehenden Adler ab, der in einer Welt des Überflusses mit schweren Bratensoßen und üppigen Torten zuhause war. Dorthin unternehmen wir gelegentlich wieder einen ausgiebigen Ausflug, liebe Adler-Freunde – versprochen!

Der Zufall wollte es nun, dass ich im Anschluss an die Anfrage von Klaas Dierks diese großartige Aufnahme erwerben konnte, die den Schlüssel zur Lösung des Rätsels enthielt:

Erskine von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir nun nach altem Adel und Arbeiterklasse die Vertreter des gehobenen Bürgertums, welche im Deutschland der Vorkriegszeit die einzigen waren, die sich überhaupt ein Auto leisten konnten.

Im Unterschied zu vielen anderen Aufnahmen wirken die solchermaßen privilegierten Zeitgenossen endlich einmal entspannt und gut aufgelegt – wozu sie allen Anlass hatten.

Das waren Leute, die auch das nötige Kleingeld hatten, um ihren Kindern schöne und nicht gerade billig wirkende Kleidung zu kaufen.

Die Herren waren gewiss beruflich erfolgreiche Männer und die beiden charmanten Damen hatten ihre prominenten Vorbilder aus Theater und Film genau studiert, welche in den Gesellschaftsmagazinen wiedergegeben waren, die man abonniert hatte.

Noch interessanter als dieses Dokument gehobener bürgerlicher Verhältnisse ist für uns freilich die Frage, was das für ein Wagen war, welchen diese Leute fuhren.

Das sollte doch nun eine Kleinigkeit sein, so dachte ich und nahm die Kühlerpartie näher unter die Lupe, als dies auf dem Foto von Klaas Dierks möglich war:

Das Emblem mit horizontalem Schriftzug und jeweils darüber und darunter erkennbaren annähernd runden Elementen kam mir irgendwie bekannt vor. Aber der Groschen aus den längst vergangenen Zeiten der deutschen Mark wollte einfach nicht fallen.

In solchen Fällen hilft des öfteren ein Besuch auf Claus Wulffs genialer Kühleremblem-Website – man muss bloß Geduld haben und sich durch die stetig wachsende Markenfülle durcharbeiten.

Die Mühe lohnte sich auch dieses Mal und ich fand die kurzlebige US-Marke „Erskine“ als Lösung. Diese existierte von 1927-30 und war quasi das Discount-Angebot von Studebaker speziell für den europäischen Markt.

Dazu hatte man dem Wagen einen für US-Verhältnisse kompakten 6-Zylindermotor (von Continental) verpasst, der 40 PS aus 2,4 Litern Hubraum leistete.

Damit grenzte man sich geschickt vom Ford „Model A“ ab, das dieselbe Leistung bot, aber nur einen Vierzylinder besaß, dessen größerer Hubraum obendrein von den absurden europäischen Steuergesetzen benachteiligt wurde.

Vor diesem Hintergrund kamen die Werbeleute von Studebaker auf die Idee, den leistungsmäßig klar in der Arbeiterklasse angesiedelten Erskine als „The Little Aristocrat“ anzupreisen.

Diese Art Humor zeigt, dass man die Unterscheidung der Klassen in den Staaten nicht sonderlich ernstnahm. Jeder Bandarbeiter in South Bend (Indiana) wo der Erskine entstand, konnte sich damals ein Auto dieser Klasse leisten, welches in Deutschland damals nur einer dünnen Schicht von Gutverdienern zugänglich war.

Sie sehen am Ende: In Sachen Erskine verschmelzen alter Adel, gehobenes Bürgertum und robuste Arbeitertypen auf letztlich kaum unterscheinbare Weise.

Der „Little Aristocrat“ aus den Staaten begann seine Karriere in deutschen Landen zunächst in gutsituiertem Bürgertum, fand aber nach ein paar Jahren eine neue Anstellung in Verhältnissen, in denen harte Arbeit gefragt war – dafür wurde er zum Pickup umgebaut.

Das Foto von Klaas Dierks dürfte den Erskine am Ende seiner Laufbahn zeigen. Vielleicht fand er kurz nach dem 2. Weltkrieg aber noch einmal eine Anstellung, bei der seine robusten Qualitäten gefragt waren – bis er im Nebel der Geschichte verschwand…

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Auch das war einst echte Wertarbeit! Skoda 645

Den Kult um die angeblich unerreichte deutsche Wertarbeit habe ich nie verstanden – jedenfalls nicht im Hinblick auf Automobile.

Wie in anderen Ländern auch finden sich in Deutschland neben großen Geniestreichen ebenso ausgemachte Fehlkonstruktionen, neben Vorbildern in Sachen feinster Verarbeitung ebenso mies gemachte Klapperkisten.

Der Mercedes-Stern konnte einen lahmen Roster wie den Heckflosser meines Vaters zieren, aber auch den genialen „Baby-Benz“ 190 der 1980er Jahre, der heute noch im Alltag zu finden ist – nach Meinung vieler eines der besten Autos der Marke der letzten 40 Jahre.

Volkswagen baute anfangs gnadenlos zuverlässige und ewig haltbare Autos wie den Käfer, der in Gestalt des 63er Exportmodells mit schickem Faltschiebedach bis Ende der 80er der Alltagswagen meiner Mutter war. Leider wurde er im Jahr meines Führerscheinerwerbs, der mir auf einem unkultivierten und dröhnigen Golf II Diesel gelang, gegen einen bräsigen Opel D-Kadett eingetauscht, der Rost, Plastikinterieur auf Ostblockniveau und Motormalaisen bot.

Nach einer solchen Historie war der erste und einzige deutsche Wagen, den ich je besaß, natürlich ein Käfer, den ich für 2.000 Mark mit ca. 100.000 km auf der Uhr erwarb. Er blieb mir bis Kilometerstand 220.000 treu, als der noch originale Motor nach über 10 Jahren Vollgas-Ganzjahresbetrieb aufgab. Für den Wagen mit Motorschaden bekam ich dann noch 1.000 EUR – meine beste Erfahrung mit deutscher Wertarbeit, ach nee: er kam ja aus Mexiko!

Seither habe ich nur ausländische Fabrikate besessen – vor allem englische (MGB, Jaguar XJ6, Landrover Serie III) und italienische (Fiat 1100, Innocenti-Mini). Alle haben bloß ein paar Tausender gekostet und vom Fiat abgesehen haben sie hohe sechstellige Laufleistungen. Ein Platter am MGB, ein kaputter Zündkondensator beim Inno und eine abgerissene Antriebswelle beim Landy waren die einzigen Defekte – keiner verhinderte, das ich wieder heimkam (beim Landrover rettete mich der Allradantrieb).

Ok, werden Sie jetzt sagen, aber die werden sicher nur wenig gefahren. Stimmt, auch wenn ich mit dem MGB schon in Italien und mit dem Jaguar in England war.

Im Alltag – und das heißt vor allem auf meinen Touren nach Italien – fahre ich einen Dacia „Duster“. Also ebenfalls keine deutsche „Wertarbeit“ – entwickelt in Frankreich und gebaut in Rumänien – oje…

Nach problemlosen, komfortabel und verbrauchsgünstig absolvierten 45.000 km weiß ich, warum sich der Duster seit vielen Jahren so gut verkauft. Für vergleichbare Qualität und Ausstattung (u.a. zuschaltbarer Allradantrieb) hätte ich für ein deutsches Fabrikat fast das Doppelte ausgeben und eine langweilige Optik akzeptieren müssen.

Dazu passt – und jetzt kommen wir zum eigentlichen Gegenstand der heutigen Betrachtung – dass den Volkswagen aus Wolfsburger Produktion die qualitativ mindestens ebensoguten, aber günstigeren und viel margenstärkeren Skodas im selben Konzern gegenüberstehen.

Die Tschechen schaffen das Kunststück mit weit weniger Arbeitern mehr Gewinn zu erwirtschaften und das bei anerkannter Top-Verarbeitung – so las ich kürzlich.

Das glaube ich sofort. Denn auch wenn es bedingt durch den Kommunismus in der einstigen Tschechoslowakei keine Konstruktionstradition bei Skoda gibt, die in die Gegenwart reicht, ist es eine altbekannte Sache, dass die Tschechen schon vor dem 2. Weltkrieg eine Reihe ganz ausgezeichneter und oft gutaussehender Autos bauten.

Vielleicht erinnern sich einige Leser noch an diese schöne Aufnahme eines Skoda 645 in Österreich, die ich vor gut zwei Jahren hier vorgestellt habe:

Skoda 645 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Cabriolet mit hell abgesetzten Zierleisten handelt es sich um Skodas Sechszylindertyp mit 45 PS – daher die Bezeichnung 645 – der 1929 eingeführt wurde und von dem bis 1934 rund 750 Stück gebaut wurden.

Daneben bot Skoda mit dem Typ 860 auch einen beeindruckenden Achtzylinderwagen an, von dem aber keine 50 Stück entstanden.

Wie alle tschechischen Hersteller hatte Skoda das Problem eines zu kleinen lokalen Markts im Anschluss an die Zerschlagung des österreichisch-ungarischen Reichs anno 1918. Das stand einer Skalierung der Produktion entgegen, welche die Voraussetzung für niedrigere Preise gewesen wäre.

So blieben auch die Skodas jener Zeit trotz zeitgemäßer Konstruktion und bester Werkmannsarbeit ausgesprochen seltene Erscheinungen – weshalb jedes „neu“ auftauchende Foto zu begrüßen ist, weil es die Marke ins verdiente Licht zu rücken hilft – so wie hier:

Skoda 645; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie ich den Wagentyp identifiziert habe, muss ich wohl nicht eigens erklären – alles Nötige dazu findet sich auf dem Kühlergrill – das würde man sich bei manchem anderen Wagen der Vorkriegszeit ebenfalls wünschen.

Hübsche Details sind neben der dreidimensional gestalteten Kühlerfigur, deren Silhouette sich bis in unsere Tage erhalten hat, die beiden vor der Windschutzscheibe angebrachten Lüftungseinlässe – eine markante Alternative zu den sonst gebräuchlichen seitlichen Belüftungsklappen.

Wohl nicht mehr klären lässt sich die Frage, woher dieser Skoda kam – das Nummernschild könnte sogar ein deutsches gewesen sein – und wo er unterwegs war. Ich tippe auf eine Bergregion irgendwo auf dem Balkan – aber das ist ein weites Feld.

Festzuhalten bleibt, dass Skoda mit seinen Sechszylinderwagen – 1931 folgte noch der kompakte Typ 633 – damals hervorragende Beispiele für echte Wertarbeit ablieferte. Der inländische Hauptkonkurrent Praga war nur hinsichtlich der Stückzahlen überlegen (vgl. diesbezüglich: P. Kozisek/J. Kralik: L&K- Skoda, Teil 1 1895-1945, hrsg. 2004).

Zum Abschluss können Sie sich hier ein eigenes Urteil von der gelungenen Anmutung und hervorragenden Verarbeitung des Skoda machen – der innen mit aufwendiger Holzausstattung geradezu luxuriös erscheint:

Videoquelle: Yuotube.com; hochgeladen von FreeMotionCanvas

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Wider das Schwarzweiß-Denken: Presto P Spitzkühler

Geht Ihnen das auch so auf die Nerven wie mir, dass bei Personen des öffentlichen Lebens immer wieder betont wird, ob einer „schwarz“ oder „weiß“ ist? Ich dachte eigentlich, dass rassistische Raster überholt seien.

Dennoch werden sie immer noch gern bemüht, wenn es es der Freund-Feind-Bestimmung oder der Unterscheidung zwischen Gut und Böse dient. Außerdem gibt es in der Realität niemanden mit ganz schwarzer oder ganz weißer Hautfarbe. Besonders kurios die Fälle, in denen Personen mit schlicht südländischem Teint „den Schwarzen“ zugeschlagen werden.

Man sollte meinen, dass dergleichen Selektionen Geschichte seien. Gelten lasse ich als Ausnahme bestenfalls die Darstellung auf alten Fotos. Doch auch da gibt es nur selten echtes tiefes Schwarz und echtes strahlendes Weiß.

Meist herrschen – wie im richtigen Leben die Grautöne vor – allerdings im positiven Sinne, denn sie sorgen für die Abstufungen im Spektrum, welche die Bilder von einst auch ohne Farben mehr oder wenig lebendig machen.

Als Beispiel mag diese Aufnahme dienen, die einen Wagen der Marke Presto aus Chemnitz zeigt, wahrscheinlich einen Typ P 8/25, der bis 1919 gebaut wurde – hier auf einem Foto der frühen 1920er Jahre:

Presto Typ P 8/25 PS: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die feinen Zwischentöne auf solche Fotos sind nicht nur ästhetisch wirkungsvoll: Generell entfalten sie ihren Reiz, wenn es um Automobile geht, die sich der eindeutigen Zuordnung entziehen – also dem Schwarzweiß-Denken zuwiderlaufen.

Vor längerer Zeit stellte mir Leser Jason Palmer aus Australien eine Aufnahme in digitaler Form zur Verfügung, die ebenfalls einen Presto aus der Zeit kurz vor oder kurz nach dem 1. Weltkrieg zeigt – wohl auch einen Typ P 8/25 PS, der seit 1913 in Produktion war.

Doch dieses Exemplar wies ein Detail auf, das nicht zum übrigen Schwarzweiß-Schema in Sachen Presto passen wollte – einen Spitzkühler nach Vorbild von Benz bzw. Daimler:

Presto Typ P 8/25 PS: Originalfoto: Sammlung Jason Palmer (Australien)

Eine solche Ausführung auf offenbar identischem Chassis war mir noch nie begegnet und sie sollte lange Zeit die einzige bleiben.

Zwar waren kurz vor und kurz nach dem 1. Weltkrieg solche Spitzkühler bei etlichen deutschen Herstellern ab Werk als Alternative zu Flachkühlern oder im Zubehör erhältlich. Bloß bei Presto schien mir das andernorts nicht dokumentiert zu sein.

Das Bild änderte sich, als mir Leser Matthias Schmidt (Dresden) gleich zwei Fotos eines ganz ähnlichen Presto in digitaler Form zur Verfügung stellte.

Hier haben wir die erste Aufnahme:

Presto Typ P 8/25 PS: Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Wie der Presto auf dem Foto von Jason Palmer besitzt dieser Presto eine Frontbeleuchtung, die so erst nach dem 1. Weltkrieg Standard wurde. Typisch ist die Kombination aus großem Hauptscheinwerfer und leicht angewinkelten kleinen Lampen zur Ausleuchtung von Kurven.

Wann dies genau aufkam, ist mir nicht bekannt, aber ich habe das mit Bewusstsein nur bei frühen Nachkriegsautos gesehen, während elektrische Hauptscheinwerfer bei vielen Fabrikaten bereits kurz vor dem 1. Weltkrieg optional erhältlich waren.

Den 1920er Jahren zuzuordnen ist außerdem der Fahrtrichtungsanzeiger auf der linken Seite neben der Windschutzscheibe.

Von diesem nachgerüsteten Detail abgesehen, ist der abgebildete Wagen praktisch identisch mit dem Spitzkühler-Presto auf dem zweiten Foto von Matthias Schmidt:

Presto Typ P 8/25 PS: Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Da die Nummmernschilder beider Wagen mit „IV“ (für den Raum Chemnitz) beginnen und sogar das Reifenprofil übereinstimmt, ist zu vermuten, dass es sich um dasselbe Auto handelt.

Wie kann das aber sein, wo doch das Auto einmal schwarz und einmal weiß erscheint? Tja, das ist genau die Falle des Schwarzweiß-Denkens, in die man so gerne tappt – speziell auf dergleichen historischen Fotos.

Je nach Beleuchtung, Belichtung, Entwicklung, Qualität und Erhaltung des Abzugs kann ein und dieselbe Farbe im Schwarz-Weiß-Prozess ganz hell oder ganz dunkel erscheinen.

Denkbar, dass der Presto auf dem ersten Foto rot lackiert war – dann kann er auf einem solchen Foto dunkelgrau erscheinen, aber eben auch hellgrau. Das lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Außerdem kann der Wagen natürlich umlackiert worden sein.

Letztlich ist es auch egal, denn so oder so läuft ein Presto jener Zeit mit Spitzkühler jedwedem Schwarzweißdenken zuwider. Es gibt meines Wissens keine Literatur dazu, welche solche Exemplare zeigt und zeitlich wie typbezogen einordnet.

Dass es tatsächlich noch mehr dieser Zwischentöne gab, die gern übersehen wurden, das beweist eine weitere Aufnahme aus dem Fundus von Matthias Schmidt, welche ebenfalls einen Presto mit Spitzkühler zeigt – aber mit einer abgeflachten Variante:

Presto Typ P 8/25 PS: Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Was der renommmierte Hersteller aus Chemnitz in den chaotischen Jahren der frühen Nachkriegszeit alles fabrizierte, um sich über Wasser zu halten, bis man mit dem völlig neuen Presto Typ D 9/30 PS ab 1921 einen großen Erfolg landete, das fasziniert.

Immer wieder erstaunt mich die Vielfalt an neu auftauchenden Facetten bei deutschen Vorkriegswagen speziell der ersten Jahre nach dem 1. Weltkrieg. Mit stereotypem Schwarzweiß-Denken wird man der prallen Wirklichkeit jener Zeit nicht gerecht…

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Mut zur Lücke: Ist das ein Dixi R5 5/14 PS?

Zwei Dinge habe ich in der Schule wirklich gründlich gelernt. Das eine war Latein, das ich von der siebten Klasse bis zum Abitur belegte.

Meine mündliche Abiturprüfung in Latein legte ich über die Liebesgedichte des römischen Dichters Catull (1. Jh. v. Chr.) ab, obwohl ich von der Materie damals in praktischer Hinsicht wenig Ahnung hatte. Das stand dem schulischen Erfolg jedoch nicht im Wege.

Das zweite Fach war Mathematik – wie beim Lateinischen war hier pure Logik gefragt – die im Unterschied zu Musik oder Kunst kein Talent erfordert, sondern „nur“ Disziplin.

Während ich den Lateinunterricht stets gemocht habe, kam mir die Mathematik immer als notwendiges Übel vor.

Nachdem ich an der Universität im Hauptstudium die gefürchtete große Statistikprüfung knapp bestanden hatte, welche Volkswirte absolvieren müssen, hatte ich genug von Mathematik.

Eine Sache aus dem Mathematikunterricht am Gymnasium ist mir aber noch gegenwärtig.

Es war der Spruch eines kreativen Lehrers, welcher seine Computerfirma auf seine Frau angemeldet hatte. Nachmittags konnte er sich ihr hingebungsvoll widmen – der Firma – denn ein Mathematiklehrer muss sich wie ein Lateinpauker nicht weiterbilden.

Mut zur Lücke“ pflegte er zu sagen, wenn sich jemand seiner Sache nicht sicher war. Das sagte mir damals nicht viel, aber hängengeblieben ist es trotzdem.

Heute komme ich darauf zurück. Denn beim folgenden Foto, welches ich Leser Matthias Schmidt (Dresden) verdanke, brauche ich Mut, um eine mutmaßliche Lücke zu füllen:

Dixi Typ R5 5/14 PS (vermutlich); Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Wer hier spontan einen Dixi der Fahrzeugwerke Eisenach erkennt, liegt schon einmal richtig.

Den vorne abgerundeten Spitzkühler in Kombination mit vier nach hinten geneigten kurzen Luftschlitzen in der Motorhaube gab es so nur bei Dixi kurz nach dem 1. Weltkrieg.

Sieht doch ganz aus wie der ab 1921 gebaute Typ G1 6/18 PS, welchen ich hier schon öfters dokumentiert habe, oder?

Aber haben Sie Mut zur enormen Lücke, die uns zeitlich von damals trennt, und schauen Sie einmal genau hin:

Dixi Typ G1 6/18 PS, Bauzeit: 1921-23; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Dixi des Typs G1 6/18 PS stimmt etliches überein mit dem eingangs gezeigten Wagen: Kühlerform, Haubenschlitze, Drahtspeichenräder und „Tulpen“-Karosserie.

Aber eines weicht deutlich ab, nämlich die Beleuchtungsanlage. Diese war beim Dixi des Typs G1 stets elektrisch, wie das Anfang der 1920er Jahre Standard war.

Das Foto von Matthias Schmidt zeigt jedoch ein Fahrzeug, dessen Scheinwerfer zumindest der Form nach noch gasbetrieben waren. Auch der Schwung der hinteren Kotflügel erinnert eher an Modelle aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg.

Zwar gab es auch elektrische Scheinwerfer, welche die Trommelform der gasbetriebenen Vorläufer aufnahmen, aber an einem Nachkriegs-Dixi habe ich diese noch nie gesehen.

Angesichts der bisher leider mangelhaften Dokumentation der Dixi-Typen jener Zeit bleibt nur zu sagen: „Mut zur Lücke“ und selbst eine vorläufige These aufzustellen. Es gab nämlich parallel zum ab 1921 gebauten Dixi-Typ G1 6/18 PS noch das kurz vor Beginn des 1. Weltkriegs eingeführte Modell R5 5/14 PS.

Die Angaben dazu im bisherigen Standardwerk zu den Dixi-Wagen – H. Schraders Werk „BMW-Automobile“ von 1978, welches auch die Dixis abdeckt – sind fragwürdig. Der Typ R 5/14 PS habe eine elektrische Beleuchtung und eine innenliegende Schaltung gehabt.

Garniert wurde das Ganze mit der Abbildung eines Wagens mit außenliegender Schaltung und Gasbeleuchtung. Mut zur Lücke hatte man offenbar bei der Bebilderung nicht.

Meine Vermutung ist dennoch die, dass das Foto von Matthias Schmidt einen Dixi des Vorkriegstyps R 5/14 PS zeigt, welcher nach dem 1. Weltkrieg noch kurze Zeit weitergebaut wurde. Dass dies bis 1925 der Fall gewesen sein, wie Schrader behauptet, ist abwegig.

Gewissheit in der Frage erwarte ich mir eher von Zeitgenossen, welche sich in unseren Tagen mit der Dokumentation der Dixi-Wagen vor der Übernahme durch BMW befassen.

Ich weiß von einem Buchprojekt in der Hinsicht und fiebere seiner Fertigstellung entgegen. Da man mit Vorkriegsautos letztlich nie fertig wird, auch wenn deren Historie naiven Zeitgenossen „abgeschlossen“ erscheint, möchte ich zu „Mut zur Lücke“ aufrufen.

Reifen soll so ein Projekt schon und aus der Hüfte schießen, wie ich das hier gern tue, kann ein ernsthafter Automobilhistoriker nicht. Aber man sollte das Ziel auch nicht ewig nur anvisieren, irgendwann muss man auch abdrücken.

Nachladen kann man dann immer noch, wenn man ausreichend munitioniert ist, und dann kann man korrigieren oder präziser werden – insofern Mut zur Lücke!

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Französische Verhältnisse: Renault-Limousine von 1927

Hat man noch die besten Zeiten der guten alten BRD mitbekommen – für mich waren das die 1970/80er Jahre – kann man zu dem Eindruck gelangen, dass in unseren Tagen einiges hierzulande ins Rutschen gerät.

Die lange Zeit ausgewogene Balance zwischen den Kräften in der Gesellschaft scheint nicht mehr gegeben.

Ich will an dieser Stelle nicht konkreter werden – wer mit offenen Augen und eigenem Urteil ausgestattet die gegenwärtigen Verhältnisse betrachtet, mag im Privaten wie im Politischen entsprechende Beobachtungen machen.

An sich handelt es sich um Schieflagen im Machtgefüge, die sich wieder ins Lot bringen ließen, doch dazu wären Korrekturen an allzu einseitig gewordenen Verhältnissen vonnöten.

Das passende Foto dazu fand ich heute abend auf der Rückseite eines Albumblatts, bei dem mich eigentlich dessen Vorderseite angesprochen hatte – das wollte ich Ihnen nicht vorenthalten, bevor es zur eigentlichen Sache geht:

Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir es offenbar mit einer nicht mehr im Gleichgewicht befindlichen Situation zu tun. Dabei handelt sich allerdings um französische Verhältnisse, wie sie sich auch in unseren Tagen bei unseren linksrheinischen Nachbarn konstatieren lassen.

Gewinnt eine Seite zu sehr an Gewicht und rückt zu weit weg von der soliden Mitte, bekommen die Dinge eine riskante Neigung.

Die Gegenseite ist zwar zahlenmäßig überlegen, kann sich aber keine ausreichende Geltung verschaffen, vielleicht mangelt es an Koordination oder – schlimmer: an der Einsicht in den Ernst der Lage.

Wo ist denn diese Aufnahme entstanden, die sich so trefflich zur Beschreibung aktueller Verhältnisse eignet?„, mögen Sie jetzt fragen. Ich wüsste es nicht, hätte nicht jemand einst unter der Aufnahme lapidar vermerkt: „à Sarlabot„.

Eine kurze Recherche führte dann in der Tat mitten in schönste französische Verhältnisse, nämlich in die Region Calvados in der Normandie.

Dort befand sich im beschaulichen Urlaubsort Dives-sur-Mer- von wo aus angeblich 1066 die Invasionsflotte von William the Conqueror gen England aufbrach – ein als Ausflugsziel beliebtes herrschaftliches Anwesen: die Ferme de Sarlabot.

Die Wippe auf dem eingangs gezeigten Foto findet sich auch auf anderen historischen Fotos dieser Lokalität wieder.

Nur vermuten können wir indessen, dass die zweite Aufnahme, welche von französischen Verhältnissen kündet, einst ebenfalls in dem Ferienort an der Küste entstanden ist:

Renault von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Klar ist, dass wir es zum Teil mit denselben Personen zu tun haben. Außerdem lässt sich der Wagen mit der eigenwilligen Frontpartie und dem großzügigen Aufbau als 6-Fenster-Limousine recht genau ansprechen.

Aus formaler Sicht würde ich das Auto als Renault von 1927/28 identifizieren. Der traditionell auf Eigenständigkeit bedachte Hersteller hielt damals noch an der Anordnung des Kühlers hinter dem Motor fest, weshalb hier kein Kühlergrill zu sehen ist.

Typisch für diese speziellen französischen Verhältnisse waren die Luftschlitze in der Motorhaube, welche nicht dem Ableiten heißer Luft aus dem Motorraum dienten, sondern im Gegenteil dem Zuleiten kühler Außenluft in Richtung Kühler.

Renault hatte diese thermisch problematisch erscheinende Lösung perfekt im Griff, sodass selbst stärkste Modelle der Marke bis etwa 1929 damit ausgerüstet wurden.

Im vorliegenden Fall dürften wir es indessen eher mit einem Modell der Mittelklasse zu tun haben, vermutlich dem Vierzylindertyp KZ. Die äußerlich sehr ähnliche Basisvariante NN dürfen wir mit Blick auf den großen und schweren Aufbau ausschließen.

Noch genauer will ich mich nicht festlegen – denn mit den sehr speziellen französischen Verhältnissen der Renaults der Vorkriegszeit bin ich wenig vertraut. Selbst die Modelle der 1930er Jahre bereiten mir oft Kopfzerbrechen angesichts der Vielzahl der Typen, ihrer optischen Ähnlichkeit und ihrer verwirrend-schönen Bezeichnungen.

Dass uns Deutschen die französischen Verhältnisse oft rätselhaft erscheinen, gehört zu den charmanten Aspekten interkultureller Vergleiche selbst zwischen engen Nachbarn. Wenn es nach mir ginge, können die spezifischen Eigenheiten der europäischen Völker ruhig bestehen bleiben – ein EU-Einheitstyp nach Brüsseler Norm wäre der Tod Europas.

Doch zurück zu den spezifischen Verhältnissen auf dem Renault-Foto. Ist Ihnen auch aufgefallen, dass da jemand zwar formal dem Partner die Treue hält, aber in Wahrheit mit einem anderen Kandidaten liebäugelt?

Entgegen aller Schwüre mündeten diese französischen Verhältnisse am Ende vielleicht in eine neue Balance – so delikat dies zunächst auch scheinen mag.

Im Idealfall ergibt sich ein Einklang von Herz und Verstand, aber schon manche reine Vernunftehe hat sich als segensreicher erwiesen als eine „amour fou“.

Ein Letztes: Woran liegt es, dass ich über das heutige Erscheinungsbild der „Ferme de Sarlabot“ nichts finden konnte? Ist sie bei der alliierten Invasion 1944 zerstört worden oder habe ich bloß nicht richtig gesucht, weil mir die französischen Verhältnisse eher fremd sind?

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Entspannungs-Übung: Benz-Tourer vor 100 Jahren

Ein arbeitsames Wochenende liegt hinter mir und eine arbeitsame Woche steht bevor – doch ich bin zufrieden mit dem Erledigten und schaue dem zu Erledigenden gelassen entgegen.

Das zielgerichtete „tätige Leben“ nach Goethe ist ein gutes Leben – dafür sind wir gemacht.

Zwischenzeitliche Entspannung ist freilich die Vorbedingung, dass die Arbeit uns nicht zu beherrschen beginnt, sondern umgekehrt wir sie beherrschen.

Überhaupt ist Entspannung ein Begriff, der zuwenig Beachtung findet in unseren Tagen, meine ich.

In meiner Jugend war die Entspannungspolitik eines der großen Themen. Dazu gehörte, dass ehemals verfeindete oder sich als Gegner betrachtende Mächte selbstverständlich das Gespräch miteinander suchten.

Die Verweigerung des Gesprächs unter Gegnern ist nicht nur Ausweis mangelnder Souveränität und Ausdruck kindischen Gemüts – „mit Dir rede ich nicht!“ – sie ist auch ein Grund dafür, dass mögliche und nötige Entspannung nicht zustandekommt.

Jeder Kampfsportler, der seinem Gegner die Hand reicht, hat mehr Intelligenz als Zeitgenossen, die aus eigener Hybris oder Mangel an Selbstvertrauen meinen, sich dem Dialog oder auch einer robusten Auseinandersetzung mit Kontrahenten entziehen zu müssen.

Doch diese Facette des Themas Entspannung will ich gar nicht vertiefen – jeder mag Beispiele dafür in unserer Gegenwart finden. Vielmehr geht es heute wirklich nur um eine ganz unbeschwerte Übung zur Entspannung für mich und Sie, liebe Leser.

Dafür brauchen wir keine speziellen Geräte – ein einfaches Foto, das vor rund 100 Jahren entstand, genügt vollauf. Darin sich zu versenken, führt zu tiefer Entspannung, auch wenn es dabei auch ein wenig zu tun gibt, was ich aber als leichte Übung bezeichnen würde:

Benz-Tourenwagen um 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Verflüchtigen sich bei diesem Anblick nicht umgehend alle trüben Gedanken? Weckt diese Aufnahme nicht unmittelbar die Sehnsucht nach dem Sommer und einer Ausfahrt im offenen Automobil und in gutgelaunter Gesellschaft durch eine malerische Landschaft?

So sollten doch die entspannten Momente im Leben aussehen, oder?

Nur zwei Fragen müssen wir beantworten – die erste davon übernehme ich. Was war das für ein Wagen, welcher bei diesem Damenausflug zum Einsatz kam?

Wenn Sie schon etwas länger hier mitlesen, ahnen Sie bereits, was jetzt kommt: Wir müssen uns dazu die Kühler- und Haubenpartie genau anschauen. Denn vor den 1930er Jahren waren eigentlich nur dort Hinweise auf den Hersteller zu finden.

Der übrige Aufbau – ob wie hier ein Tourer, oder eine Limousine, ein Landaulet usw. – folgte allgemeinen Konventionen, die noch in den Traditionen des Kutschbaus wurzelten.

Also: Was ist hier festzuhalten? Zum einen ein spitz zulaufender Kühler, zum anderen eine Motorhaube mit einer Reihe niedriger Luftschlitze in der hinteren Hälfte. Das ist alles.

Aber bleiben wir entspannt – denn das ist alles, was wir brauchen. Spitzkühler waren nach dem 1. Weltkrieg praktisch nur noch bei Herstellern im deutschsprachigen Raum en vogue (ja ich weiß, Fiat verbaute an speziellen Typen vereinzelt auch Spitzkühler).

Schließen wir einmal österreichische Fabrikate aus, bei denen der Spitzkühler weniger ausgeprägt war, denkt man bei deutschen Herstellern angesichts dieser Silhouette vor allem an Adler, Benz, Daimler und beispiesweise Simson.

Beginnen wir mit Adler – könnten wir es mit einem Typ 9/24 PS wie diesem zu tun haben?

Adler 9/24 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sie sehen, wie sehr sich deutsche Tourenwagen in der ersten Hälfte der 1920er Jahre ähnelten.

Doch ein Blick auf die Zahl, Höhe und Anordnung der Luftschlitze in der Motorhaube genügt, um den Adler 9/24 PS auszuschließen, der nebenbei heute praktisch völlig unbekannt ist, aber in meiner Adler-Galerie in beachtlicher Zeit vertreten ist.

Ganz ähnlich erscheinen auch die Tourer der Marke Simson aus dem thüringischen Suhl – heute ein noch größerer Exot als die Wagen aus den Adlerwerken in Frankfurt/Main:

Simson Typ Bo 6/22 PS, Bauzeit: ab 1919; Ansichtskarte von 1923

Lassen Sie sich nicht von dem etwas abweichenden hinteren Aufbau mit ausgeprägter „Schulter“partie und der genickten Frontscheibe ablenken, das gab es in den frühen 20ern parallel zu schlichteren Aufbauten mit glatter Scheibe bei den meisten Herstellern.

Auch hier gilt „entspannt bleiben“ – nur die Frontpartie ist entscheidend. Zwar findet sich dort ebenfalls ein prächtiger Spitzkühler und diesmal sogar glänzend vernickelt und nicht lediglich lackiert wie dem zuvor gezeigten Adler.

Doch abermals ist es die abweichende Gestaltung der Haubenschlitze, die uns erkennen lässt, dass dies noch nicht die Lösung ist. Nebenbei: Dass die Luftschlitze in der Motorhaube ein oft entscheidendes Detail sind, gilt für die allermeisten Vorkriegsmarken.

Was nun? Es gab am deutschen Markt dutzende weitere Tourenwagen, welche ebensolche Spitzkühler trugen und etliche davon harren noch der Identifikation.

Doch lassen wir uns von der Wahrscheinlichkeit leiten und halten uns an die damals meistgebauten Fabrikate mit so einem Spitzkühler. Wer denkt da nicht zuerst an Daimlers „Mercedes“? Die Antwort: Ich nicht. Aber dazu kommen wir noch.

Dennoch müssen wir natürlich die Mercedes-These testen. Das lässt sich recht gut anhand meiner einschlägigen Galerie tun, die keinen einzigen Wagen der Marke der frühen 1920er Jahre zeigt, welcher zu passen scheint, was die Anordnung der Luftschlitze betrifft.

Als Beispiel sei dieser Tourenwagen angeführt, welcher von der Größenordnung allerdings in einer höheren Liga angesiedelt war:

Daimer „Mercedes“ 16/45 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Machen wir uns nicht unnötig Arbeit – diese Übung soll ja vor allem der Entspannung dienen und keine wissenschaftliche Abhandlung werden.

Daher erlaube ich mir, einfach zum aus meiner Sicht wahrscheinlichsten Kandidaten überzugehen und das war kein Mercedes, sondern ein Benz – bekanntlich vor dem Zusammenschluss der beiden Marken nicht dasselbe.

Die in der hinteren Hälfte der Motorhaube angesiedelten, recht niedrigen und eng beieinander liegenden Luftschlitze finden sich bei Benz-Wagen bereits kurz vor dem 1. Weltkrieg. Hier ein ungeachtet der Umstände besonders beeindruckendes Exemplar:

Benz-Tourenwagen im 1. Weltkrieg auf Chateau Peltzer (heute: Chateau La Tourelle) in Belgien

So völlig anders die Aufnahmesituation war und so groß der Unterschied in der Motorisierung – der im 1. Weltkrieg aufgenommene Benz war wohl ein Exemplar des Typs 25/55 PS – so offensichtlich ist, dass der Hersteller in den ersten Nachkriegsjahren die wesentlichen Details der Gestaltung beibehalten hat – wie die meisten deutschen Hersteller.

Hier haben wir sehr wahrscheinlich ein Exemplar des kleinen Typs 8/20 PS, welchen Benz nach dem 1. Weltkrieg anfänglich weiterbaute.

Benz-Tourenwagen der frühen 1920er Jahre, wohl 8/20 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Abermals gilt: Entspannt bleiben und den Aufbau ab der Windschutzscheibe ignorieren – nichts, was dort zu sehen ist, war in irgendeiner Weise marken- oder gar typenspezifisch. Jeder Karosseriehersteller kommt dafür in Frage.

Entscheidend bleibt die Kombination aus Spitzkühler und im hinteren Teil der Motorhaube angebrachte, eher niedrige Luftschlitze. Genau dieses Muster findet sich an dem Benz-Tourer, welcher auf folgendem Foto zu sehen ist:

Benz-Tourenwagen der frühen 1920er Jahre, wohl 8/20 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So unterschiedlich auch hier wieder die Gestaltung des Aufbaus ist – diesmal offenbar mit „Tulpenkarosserie“ mit integriertem Verdeckkasten, so groß ist doch die Übereinstimmung mit dem Vorderteil des eingangs gezeigten Tourers mit der Damen-„Mannschaft“.

Ich will nicht einmal ausschließen, dass wir es hier mit einem kleinen Benz noch aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg zu tun haben, auf jeden Fall aber mit einem Exemplar, das spätestens in den frühen 1920er Jahren anzusiedeln ist.

Letztendliche Gewissheit werden wir wohl nicht mehr erlangen können, was die Identität dieses Wagens betrifft.

Ich bleibe in diesem Fall ganz entspannt und kann mit der Arbeitshypothese gut leben (und ruhig schlafen), dass wir es mit einem Benz des Typs 8/20 PS um 1920 zu tun haben, welcher um die Mitte der 20er Jahre aufgenommen wurde.

Die zweite Frage ist aber noch zu beantworten: Wenn hier sechs Frauenzimmer zu sehen sind, muss es doch wenigstens auch den einen anderen Herren gegeben haben, oder?

Wie ist dieser Damenüberschuss zu erklären, welcher natürlich keineswegs zu beklagen ist? Die eine oder andere der Ladies konnte natürlich schon einen Führerschein gehabt haben, das steht außer Frage und ist zu begrüßen.

Aber zu einem entspannten Verhältnis zwischen den Geschlechtern würde ich mir doch auch ein paar Buben dazuwünschen. Waren die alle mit dem Beheben von Pannen an anderen Wagen bei einer gemeinsamen Ausfahrt beschäftigt?

Oder war jemand der Ansicht, dass so ein Benz dann das beste Bild abgibt, wenn er nur mit Frauensvolk in pittoresker Situation abgelichtet wird? Das könnte ich durchaus nachvollziehen, ich vermisse hier zu meiner Entspannung rein gar nichts…

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Altes Messing – neuer Glanz: Hansa trifft Fiat

Mitunter staune ich selbst, auf welchen Wegen ich vom Alltag – oder meiner Wahrnehmung desselben – zum neusten Thema meines Blogs gelange. Aber das ist das Wesen eines Blogs – kurz für „Weblog“, also: Online-Tagebuch.

Man verarbeitet darin für Dritte nachvollziehbar, was einen beschäftigt, belustigt oder auch besorgt – verbunden mit einem Thema, das nicht nur für einen selbst von Interesse ist. So sollte es jedenfalls sein.

Diesmal ist der Anlass zu diesen Zeilen (und dem präsentierten Bildmaterial) ein durchaus privater, aber zugleich einer, der vielen vertraut sein dürfte.

Die Eltern der besseren Hälfte – beide in den fortgeschrittenen 80ern – bewohnen bisher eine Erdgeschosswohnung in einem Haus des späten Jugendstils, sogar mit eigenem Garten. Aber die Zeiten scheinen vorbei, in denen sie ihren Alltag vollständig selbst bewältigen können – eine permanente Betreuung ist vonnöten.

Glücklicherweise wurde im selben Haus kürzlich die Dachgeschosswohnung frei, die wir kurzerhand angemietet haben und für eine Ganztagsbetreuerin herrichten. Ich muss nicht betonen, dass dies sehr viel Geld und Zeit kostet, aber für die bestmögliche Lösung in der Situation gilt es, eigene Belange hintanzustellen.

Nun mag man sich unter einer Dachgeschosswohnung alles Mögliche vorstellen. Doch im vorliegenden Fall handelt es sich um eine großzügige Variante, zwar mit Schrägen, doch mit über 5 Meter lichter Höhe im Wohnzimmer, Terrasse und Blick über die Dächer von Bad Nauheim hinauf auf den Johannisberg – einen Ausläufer des Taunus, welcher irgendwann im Blog noch eine Rolle spielen wird.

Zu den Arbeiten in der Wohnung gehört neben etwas Streicherei vor allem die Aufarbeitung von Details aus den 1980er Jahren. Die Besitzer des Hauses waren damals großzügig, so wurden Massivholztüren mit Messingklinken und -beschlägen verbaut.

Nach über 40 Jahren präsentierten sich diese freilich wenig ansehlich, um es vorsichtig zu sagen – auch wackelte alles bedrohlich. Als Freund hochwertigen Materials in diversen Lebenslagen beschloss ich, die Teile auszubauen und aufzuarbeiten.

Nach ausgiebigem Aufenthalt im Ultraschallbad und anschließender Behandlung mit Polierwatte und -paste sowie Montage neuer Buchsen ist alles wie verwandelt. Erstaunlich, was solche Detailarbeit zum Gesamteindruck einer alten Wohnung beiträgt – ebenso wie Reinigung aller Schalter und Armaturen bzw. Erneuerung, wo nötig.

Vom grünspanigen alten Messing zum frischen neuen Glanz – ein Thema, zu welchem ich zufällig das passende Foto in meinem Fundus fand. Muss kurz überlegen, ob ich es gleich in Gänze zeige oder erst am Ende.

Ich glaube, ich gehe schrittweise vor – ganz wie bei meiner geschilderten Fleißarbeit in Sachen „vom alten Messing zum neuen Glanz“.

Den Anfang macht dieser sichtlich angejahrte Wagen der deutschen Marke Hansa:

Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Auto wirkt wie sein stolzer Fahrer bereits wie ein Veteran – was vor allem an der archaischen Front mit Messing-„Schnabelkühler“ liegt. Ich glaube, man muss nicht eigens erklären, was damit im Unterschied zu einem Flachkühler oder Spitzkühler gemeint ist.

Solche Kühler finden sich an deutschen Wagen ab etwa 1913. Das galt auch für die Marke Hansa, welche damals vor allem die Typen C 8/20 PS und D 10/30 PS in beachtlichen Stückzahlen herstellte.

Etliche Exemplare finden sich in meiner Hansa-Fotogalerie. Dass Hansa nach dem 1. Weltkrieg an dieser Kühlerform festhielt, ist typisch für die traditionelle Gestaltung, welche fast alle deutschen Hersteller bis Mitte der 1920er Jahre bevorzugten.

Hier ein solcher früher Nachkriegs-Hansa, welcher weitgehend dem eingangs gezeigten Exemplar entspricht:

Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Immerhin hatte man bei Hansa den 2,1 Liter-Vorkriegsmotor einer Leistungskur unterzogen – statt 20 PS waren nun schon 26 PS verfügbar – in der unteren Mittelklasse im damaligen Deutschland durchaus achtbar.

Doch so sehr ich diese Wagen aus deutscher Produktion ob ihrer Persönlichkeit schätze, so sehr ist zu konstatieren, dass sie in gestalterischer Hinsicht veraltet waren.

Das wurde spätestens anno 1925 deutlich – nur ein Jahr nach Ende der Produktion des Hansa Typ C 8/26 PS. Vorbei war die Zeit dunkel angelaufenen Messings und angejahrter, speckiger Optik.

Mit einem Mal präsentieren sich die Dinge auf glänzende Weise neu:

Fiat Tourenwagen ab 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Unterschied ist bemerkenswert: Optisch treten der flache Kühler mit klassischem oberen Abschluss nach Vorbild antiker Tempelgiebel und die großen Scheinwerfer hervor, die wie der Kühler vernickelt sind und damit dauerhafteren Glanz versprechen.

Ins Auge fallen außerdem die Doppelstoßstange und die großen Trommelbremsen an den Vorderrädern – letztere spätestens 1925 Standard im Automobilbau, nachdem man zuvor eine Kombination aus Hinterradbremse und wenig effektiver Getriebebremse verbaut hatte.

Der Wagen wirkt nicht nur wesentlich moderner, er erscheint auch ein ganzes Stück größer als der zuvor gezeigte Hansa Typ P 8/26 PS. Ich bin sicher, dass es sich um einen Wagen aus dem Hause Fiat um 1925 handelt, möchte mich aber nicht genau festlegen.

Die seit 1919 gebauten Typen 501 bzw. 505, welche noch 1925 einen solchen Kühler und Vorderradbremsen erhielten, würde ich aufgrund der Länge der Motorhaube ausschließen.

In Frage kommen – nicht zuletzt aufgrund der Gestaltung der Haubenschlitze – aus meiner Sicht eher die daneben verfügbaren 6-Zylindertypen, von deren Existenz die meisten Vorkriegsautofreunde hierzulande kaum etwas wissen.

Von der Klasse des Turiner Angebots der gesamten Vorkriegszeit machen sich viele keine Vorstellung – außer dem niedlichen „Topolino“ der späten 1930er Jahre ist den meisten überhaupt kein Fiat-Modell jener Zeit geläufig.

Das Bild zu ändern ist eine der vielen Motivationen meines Blogs. Also schauen wir einmal, was das für ein Fiat gewesen sein könnte, wenn es kein 501 oder 505 war.

Kandidat 1 ist der Fiat 510 – ein schon seit 1919 verfügbarer kleiner Sechszylinder mit gut 45 PS Leistung. Direkter Konkurrent war hierzulande der gleichstarke Vierzylinder-Mercedes „Knight“, der seine Laufruhe aus dem ventillosen Konzept bezog.

Kandidat 2 – und mein Favorit – ist der Fiat 519. Der wurde ab 1922 gebaut und stellte mit seinem fast 80 PS leistenden 6-Zylinder alles in den Schatten, was in deutschen Landen serienmäßig aufgeboten wurde.

Auch die hydraulischen Vierradbremsen waren bei Produktionsende 1924 ziemlich einzigartig bei Herstellern auf dem europäischen Kontinent.

Das Erscheinungsbild der späten Fiats dieses Spitzentyps entspricht aus meiner Sicht weitgehend dem des Wagens auf dem zweiten oben gezeigten Foto. Natürlich mag ich mich irren und sachkundigere Leser mögen mich korrigieren – die Fiats um Mitte der 1920er Jahre sind auf alten Fotos nicht einfach auseinanderzuhalten.

Dessen ungeachtet möchte ich zum Abschluss die heute vorgestellten Autos nochmals direkt gegenüberstellen. Diese Arbeit hat mir anno 1925 ein unbekannter Fotograf abgenommen:

Hansa Typ P 8/26 PS und Fiat-Tourer von 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sehen Sie nun den Klassenunterschied? Und sehen Sie nun, was mich zum Titel meines heutigen Blog-Eintrags „Altes Messing – neuer Glanz“ bewogen hat?

Mir gefällt dieses Nebeneinander von Alt und (relativ) Jung sehr gut – wie im richtigen Leben. Das Alte weicht unweigerlich dem Neuen, doch letzteres wäre undenkbar ohne die Vorleistung der Vorgeneration.

Daher ist es eine vornehme Pflicht, dem Alten seine Reverenz zu erweisen und sich bestmöglich um die Altvorderen zu kümmern, ohne die eigenen Belangen aus dem Auge zu verlieren. Denn irgendwo müssen die Mittel und Kräfte herkommen, die wir dazu einsetzen.

Noch eines: Ich weiß, dass die eingangs beschriebene Reinigung alter Messingtürgarnituren nur begrenzte Zeit vorhält. Aber die Vergänglichkeit aller Anstrengungen um glänzende Ergebnisse ist kein Grund, die Dinge verkommen zu lassen, die wir ererbt haben…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ausflug in’s Reich der Schatten: Austro-Daimler ADM

Eine zuverlässige Methode, an den Unzuträglichkeiten und Zumutungen der Gegenwart nicht verrückt zu werden, ist die Beschäftigung mit der Vergangenheit.

Die Auseinandersetzung mit den Lebensverhältnissen von einst bewahrt einen vor der Überbewertung des Hier und Jetzt – sie ist stets auch Mahnung an die Endlichkeit und finale Bedeutungslosigkeit aller Dinge.

Man stellt dabei fest, dass wohl kaum ein überzeitlicher, wirklich lebenskluger Gedanke nicht schon vor Jahrunderten oder gar Jahrtausenden gedacht wurde.

So hat mich stets die Illusionslosigkeit der antiken Griechen beeindruckt, für die auf den Tod – von einigen Heroen abgesehen, die zu den Göttern entrückt werden – ein endloses tristes Dämmerdasein als Schatten folgte.

Die Düsterheit der Aussicht auf das Schattenreich – des Hades – erschien mir von jeher als wirkungsvolle Mahnung, das Leben auszukosten und darin möglichst alles zu wagen.

Das Wedeln irgendwelcher Heilsversprecher mit den bunten Reiseprospekten in ein angebliches Paradies kam mir dagegen billig vor – früh fragte ich mich: was macht man da eigentlich die ganze Zeit? – Niemand weiß darauf eine Antwort, aber geglaubt wird’s trotzdem. Es kann ja auch nicht schaden, von daher soll jeder denken, was er will.

Ganz gleich, wovon Sie überzeugt sind oder worauf Sie hoffen, mögen Sie mich heute dennoch auf einem Ausflug ins Reich der Schatten begleiten, auch wenn Ihnen der Gedanke eher fremd ist, dass es der wahre Aufenthaltsort der Toten ist.

Als düsterer Wegweiser auf der Reise dorthin sei diese Anzeige des österreichischen Herstellers Austro-Daimler gedacht, welche im Kriegsjahr 1917 in der Allgemeinen Automobil-Zeitung Nr. 38 erschien:

Austro-Daimler-Reklame aus: Allgemeine Automobil-Zeitung Nr. 38, 1917; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Dass schon vor Ende des 1. Weltkriegs die Dinge heillos aus den Fugen geraten waren, ist an den fast wie von einem Kind gezeichnet wirkenden Buchstaben des Namenszugs zu ersehen, welche sich weder in der Höhe noch in der Breite an die Konvention halten wollen.

Geradezu unheimlich wirkt unterdessen die schattenhafte Silhouette des abgebildeten Tourenwagens und ich muss sagen, dass ich diese künstlerische Darstellung für außerordentlich gelungen halte.

Im Unterschied zur sogenannten Modernen Kunst erkennt man, worum es geht, muss sich aber auf den vom Urheber gewählten Blick einlassen.

Das tue ich mit Vergnügen und fühle mich berufen, meine Assoziation kundzutun in Form dieser fotografischen Aufnahme eines Austro-Daimler des Typs ADM der 1920er Jahre:

Austro-Daimler Typ ADM: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser Wagen wurde einst „auf der Rückfahrt aus Polen“ aufgenommen und war ein erst ab 1923 gebautes Modell der österreichischen Luxusmarke.

Dennoch finde ich es bemerkenswert, wie der Grafiker anno 1917 die Silhouette eines solchen Tourers vorweggenommen hat, auch was die abgerundete Form des Kühlers betrifft. Denn diese gab es vor Beginn der 1920er Jahre noch gar nicht bei Austro-Daimler.

Ob künstlerischer Freiheit oder seherischer Fähigkeit geschuldet, die Anzeige von 1917 hat etwas Unheimliches – nicht zuletzt angesichts der Millionen von Soldaten, die damals in Europa ins Reich der Schatten befördert wurden, weil keine der Regierungen der Kriegsparteien einsehen wollte, dass sie schlicht ihre männliche Jugend für lokale Konflikte und zur Religion erhobene Hegemonieansprüche verheizt, ohne irgendetwas von Dauer zu gewinnen.

Nachdem das Ganze vorbei war und am grünen Tisch der vermeintlichen Sieger Grenzverläufe dergestalt neu bestimmt worden waren, dass künftige Konflikte garantiert waren, gab es einige Jahre relativer Ruhe.

Allerdings zogen spätestens Ende der 1920er Jahre abermals Wolken am politischen Horizont in Europa auf und neuerliche Ereignisse warfen ihre Schatten voraus.

Auf wiederum unheimliche Weise dazu passend entstand im August 1928 diese Aufnahme unterwegs „vom Glocknerhaus nach Heiligenblut“ in den Hohen Tauern in Österreich – so ist es jedenfalls auf der Rückseite des Abzugs vermerkt…

Austro-Daimler Typ ADM: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kenner der Gegend werden sicher genau sagen können, wo dieses Foto entstanden ist und welchen (mutmaßlichen) Grenzübergang oder Kontrollposten es zeigt.

Ich wollte Ihnen auf keinen Fall diese Originalaufnahme vorenthalten, die mit ihren harten Kontrasten, der Düsterheit des Bergmassivs und den langen Schatten der winzig erscheinenden Menschen beeindruckt.

Wie eine Parabel auf das ameisenhafte Treiben des Menschen in einem gigantischen Bau, welchen der Einzelne nicht überschauen kann, kommt mir diese Situation vor.

Aber wir wollen nicht vergessen, dass es hier ja vorwiegend – aber keinesfalls nur – um Vorkriegsautos auf solchen Dokumenten aus längst vergangener Zeit geht.

Also nähern wir uns respektvoll den Schatten der Vergangenheit, zu denen nicht nur etliche Zweibeiner beiden Geschlechts gehörten, sondern auch eine Kolonne an Automobilen:

Eine bemerkenswerte Situation ist das. Man meint hier förmlich Zeuge zu sein, wie sich das Automobil mit Macht Bahn bricht auf Wegen, welche seit Urzeiten vom Menschen zu Fuß und bestenfalls mit vierbeinigen Begleitern begangen wurden.

Noch scheinen die Zweibeiner selbstbewusst und unbeirrt unterwegs zu sein wie seit jeher, doch man ahnt, dass sich die Verhältnisse bald ändern würden und die Welt der Technik die Oberhand gewinnt – mit allen ihren Vor- und Nachteilen.

Im vorliegenden Fall können wir genau sagen, in welcher Form die Welt der Moderne hier kraftvoll und raumgreifend Einzug hält. Denn der Tourenwagen, der uns entgegenkommt, war ein Austro-Daimler des Typs ADM (1923-28), wenn ich es richtig sehe:

Zum Vergleich darf ich auf die zahreichen Fotos dieses kraftvollen 6-Zylindertyps in meiner Austro-Daimler-Galerie verweisen.

Was das Kennzeichen angeht, verlasse ich mich darauf, dass einer meiner Leser schneller als ich herausfindet, wo dieses Exemplar zugelassen war.

Ich möchte am Ende noch ein wenig über die Aussage dieses Dokuments sinnieren. Vordergründig ist es eine bloße Momentaufnahme aus vergangener Zeit wie viele andere.

Doch mich berührt es, wie uns hier die abgebildeten Menschen fast in Bewegung scheinend entgegenkommen, jeder auf seinem eigenen Weg, für einen Augenblick vereint und danach ihrem individuellen Ziel zustrebend.

Wenn sie uns hier so schattenhaft erscheinen und außer ihrer Silhouette kaum etwas von ihnen zu erahnen ist, dann erinnert uns daran, dass sie längst zu den eingangs erwähnten Schatten geworden sind, welche nach Überzeugung der alten Griechen den Endzustand alles menschlichen Daseins repräsentieren.

Wir sind die letzten, welche ihrer auf dem Weg in die ewige Nacht nochmals ansichtig werden.

Wem das zu düster erscheint, dem sei gesagt: In der Anschauung solcher Zeugnisse vergangenen Lebens steckt immer auch die Aufforderung, jeden Tag daran zu arbeiten, mehr aus seinem Leben zu machen, endlich etwas zu wagen, auch Grenzen zu überschreiten – letzlich: über den eigenen Schatten zu springen, bevor einen dieser einholt…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Geht’s auch ’ne Nummer kleiner? Ein Packard von 1927

In Amerika ist traditionell alles ein bisschen größer – Hochhäuser, Unternehmen, Autos – Aber auch in Sachen Auftritt und Selbstbewusstsein ist man in den Staaten ein anderes Kaliber gewohnt. Im kleinen Deutschland wird das oft nicht recht verstanden, auch wenn ein Großteil der heutigen Amis deutsche Vorfahren hat.

Offenbar begünstigt die schwer fassbare Größe des Landes die Entstehung einer gewissen Großzügigkeit und Großmäuligkeit in allen Dingen. Ich habe kein Problem damit, soweit man den American Way of Life mit friedlichen Mitteln zu propagieren sucht.

„Geht’s auch eine Nummer kleiner“, das frage ich mich dagegen schon öfters bei manchem Ambitionen im winzigen, auch bevölkerungsmäßig wenig bedeutenden Deutschland. Da wird von globaler Verantwortung und gar Vorbildwirkung fabuliert – während sich die ungelösten Probleme vor der eigenen Haustür stapeln.

Woher kommt nur dieses teutonische Bedürfrnis sich partout größer zu machen, als man ist? Man denke nur an die Selbstbeschreibung als Land der Dichter, Denker und Ingenieure. Als ob es die nicht ebenso in Frankreich, England und Italien gegeben hätte…

Sieht man einmal von tatsächlich einsamen Größen in der Musik wie Bach, Schubert und Wagner ab, fällt einem wenig ein, was es nicht bei unseren europäischen Nachbarn auf ebensolchem Niveau gegeben hätte. Das ist ja auch kein Wunder, standen sie doch alle in derselben Tradition von Antike, Renaissance und Aufklärung…

Also bitteschön: Geht es nicht eine Nummer kleiner, wenn man meint, sich von anderen abgrenzen zu müssen?

Na klar geht das, und ausgerechnet ein US-Luxusautomobil konnte dabei beste Dienste leisten. So sollten die Nachbarn nicht auf die Idee kommen, dass man angeben wolle.

Das passende Foto habe ich erst vor einigen Tagen erstanden, wie eigentlich immer für einen Fünfer. Auch damit kommt über’s Jahr betrachtet einiges zusammen, aber man bekommt etwas dafür, was einen auf denkbar billige Weise vom Hier und Jetzt ablenkt:

Packard „Runabout“ von 1927; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mit diesem Wagen aus dem Hause Packard – Modelljahr 1927 – fuhren Ende der 1920er Jahre Zeitgenossen aus dem Rheinland herum, die man sich als gut situiert vorstellen darf.

Der Aufbau als offener Zweisitzer – in den Staaten meist als Roadster bezeichnet, von Packard aber damals als „Runabout“ angeboten – wurde von der Mitwelt gewiss wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Anstatt für einen kolossalen Limousinenaufbau hatte man sich nämlich aus Rücksicht auf das fußgehende und radfahrende Volk für „eine Nummer kleiner“ entscheiden. Die Notsitzbank im Heck konnte zudem müden Passanten angeboten werden – kleiner Scherz.

Es musste ja nicht jeder wissen, dass ein Packard immer mit zum Teuersten gehörte, was man überhaupt serienmäßig von einem US-Autohersteller kaufen konnte.

Dabei galt vor allem die feine Achtzylinderversion mit über 100 PS aus mehr als 6 Litern Hubraum unter Kennern als begehrenswert. Wie praktisch alle damaligen US-Wagen wurde auch dieses Spitzenmodell in Deutschland angeboten. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich deutsche Kunden eher für die parallel erhältlichen 6-Zylindermodelle entschieden.

„Geht’s nicht eine Nummer kleiner?“, so dürfte im Autohaus die Frage der um die Finanzen bangenden Gattin nicht selten gelautet haben. „Posieren für die bucklige Verwandschaft kann ich doch auch unabhängig davon, was unter der Haube schlummert.“

Da hatte sie recht, die junge Schöne mit dem intensiven Blick und den feingliedrigen Händen:

Tja, wer kann solchermaßen vorgetragenen Argumenten schon widerstehen?

Und so dürfte „er“ sich frohgemut und leichten Herzens für die „Nummer kleiner“ entschieden haben. Das war im Fall des 1927er Packard die gut 80 PS leistende Sechszylinderausführung auf etwas kürzerem Chassis.

Äußerlich war das ohne Maßband kaum zu erkennen, aber wie gesagt: die Besitzer hatten sich ja bereits bei der Wahl des Aufbaus bescheiden gezeigt.

Während uns das „Downsizing“ unserer Ansprüche an die Lebensqualität von um den Globus jettenden Politikern zum Wohle des Planeten dringend angeraten wird, können wir uns ja ein Vorbild an den Besitzern dieses Packard nehmen und uns oberflächlich für „eine Nummer kleiner“ entscheiden, um heimlich weiter das tun, wonach uns der Sinn steht…

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Wunderliches aus Berlin: NAG C4 10/30 PS

In diesen Tagen erreichen uns aus dem politischen Berlin laufend Neuigkeiten, die einen bisweilen atem- und sprachlos machen. Zuletzt wurde offiziell, dass genügend Papier aufgetrieben werden konnte, um in gut drei Monaten Neuwahlen abhalten zu können.

Das sind doch einmal gute Nachrichten – nicht dass China als Bezieher deutscher „Entwicklungshilfe“ auch hier einspringen muss, nachdem dort so ziemlich alles produziert wird, womit wir unseren Alltag bestreiten, auch wenn AEG oder Bosch draufsteht.

Nehmen wir die Dinge locker und schauen einmal, was vor ziemlich 100 Jahren Wunderliches aus der Hauptstadt in die deutsche Provinz gelangte – in diesem Fall in die Rheinprovinz, wo einst das Kürzel „IZ“ das Nummernschild zierte:

NAG Typ C4 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nun mag einer denken: „Heute hat unser Blogwart aber einen schlechten Tag – die politische Großwetterlage scheint ihm die Sinne zu trüben – ist doch offensichtlich, dass wir es mit einem Exemplar des Anfang der 1920er Jahre gängigen Typs C4 10/30 PS der Berliner Marke NAG zu tun haben. Was sollte daran wunderlich sein?“

Alles richtig, meine Damen und Herren. Es ist schön zu wissen, dass man so ein kritisches und kenntnisreiches Publikum bedient. Dennoch bestehe ich darauf, dass dieser x-tausendfach gebaute NAG im vorliegenden Fall Anlass gibt, sich zu wundern.

Die Vorderradbremsen haben Sie sicher selbst bemerkt. Die wurden im Vorgriff auf den 1925 erfolgenden Wechsel zum Nachfolgertyp D4 10/45 PS den letzten Exemplaren des seit 1920 produzierten C4 10/30 PS verpasst. Damit hätten wir einen Datierungshinweis.

Hier sieht man ausschnitthaft die mächtigen Bremstrommeln auf der Innenseite der Räder:

Aber fällt Ihnen nicht auch auf, dass die Vorderkotflügel ganz anders – viel schlanker und sportlicher geschnitten sind als bei allen Tourern und Limousinen des Typs C4 10/30 PS in meiner NAG-Markengalerie?

Als typisches Beispiel sei dieses Exemplar angeführt, welches in einer bislang einzigartigen Situation festgehalten wurde:

NAG Typ C4 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Es gab neben diesen breiten und ohne Mittelsteg geformten Kotflügeln nach meiner Wahrnehmung eine weitere gängige Variante, die sich bei Tourern, Limousinen und Landaulet dieses Typs findet.

Diese fiel kantiger aus und lief vorne spitz aus, aber auch sie besaß nicht die auffallende „Mittelrippe“ welche an dem eingangs zu sehenden Wagen mit Zulassung in der Rheinprovinz vor allem am Heck gut erkennbar ist.

Hier also ein Beispiel für die zweite oft anzutreffende Variante, in diesem Fall in der Ausführung als Taxi, welche häufig einen den Einstieg der Passagiere erleichternden Kasten auf dem Trittbrett trug:

NAG Typ C4 10/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Langjährige Leser – ich weiß, dass es zumindest einige gibt – wissen, dass ich auch hin und wieder den Sport-Tourer auf Basis des NAG C4 10/30 PS gezeigt habe, der genau solche schmalen Kotflügel mit mittiger „Bügelfalte“ besaß wie unsere eingangs präsentierte mächtige Sechsfenster-Limousine.

Diese sind auf dieser Aufnahme eines NAG C4b „Monza“ gut zu erkennen:

NAG Typ C4b „Monza“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sehen Sie die Ähnlichkeit in der Kontur der Schutzbleche, auch hinten?

Allerdings ist zugleich ein Unterschied erkennbar: die sportlichen Ausführungen, die neben leichteren Aufbauten auch mehr Leistung besaßen, hatten vorne keine Innenkotflügel.

Man kann auf dem obigen Foto deshalb die komplette Innenseite der Räder sehen. Das ist bei der eingangs präsentierten Limousine nicht der Fall, hier nochmals der Ausschnitt:

Aus meiner Sicht liegt es aber auf der Hand, dass man sich zumindest stark am Erscheinungsbild der Sportversionen orientiert hat.

Es ist gut möglich, dass man damit dem Eindruck einer gewissen Schwerfälligkeit entgegenwirken wollte, welche sich aus der Verwendung eines ziemlich beeindruckenden aber auch mächtig schweren Limousinenaufbaus mit sechs Seitenfenstern ergab:

Hier sei nochmals auf die stilistische Ähnlichkeit der Kotflügel mit denen des Sport-Tourers hingewiesen. Dieses Detail kontrastiert auf wunderliche Weise mit dem enormen Aufbau, welcher überdies in einem Mitte der 1920er Jahre an sich veralteten Stil gehalten ist.

Die Welt der pferdegezogenen Kutsche und der motorisierten Sportwagen hat hier ein außergewöhnliches letztes Stelldichein, welches ich Ihnen nicht vorenthalten wollte.

Ob man sich diese wunderliche Erscheinung tatsächlich in Berlin bei NAG selbst ausgedacht hat oder ob wir es eher mit einer sympathisch eigenwilligen Schöpfung aus der zu Unrecht geschmähten „Provinz“ zu tun haben, das sei dahingestellt.

Eines noch für die Freunde der NAG-Wagen jener Zeit. Auch der heute nur gestreifte Sport-Tourer C4b „Monza“ kommt irgendwann wieder zum Zuge – allerdings gibt es daneben so viel anderes, wovon ich mich zu später Stunde meist spontan verführen lasse.

Wundern Sie sich also nicht, wenn ich demnächst wieder etwas bringe, womit Sie so nicht gerechnet haben. Die Welt der Vorkriegsautomobile macht einen immer wieder atem- und sprachlos, mal mit und mal ohne Wunderlichkeiten aus Berlin…

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Ganz schön bescheiden! Peugeot 172 Cabriolet

„Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser lebt man ohne ihr“ – diese Weisheit hat mir meine aus dem schlesischen Liegnitz gebürtige Mutter vermittelt.

Tatsächlich findet sich die erste Erwähnung in der Schlesischen Zeitung anno 1871 – kann also gut sein, dass ihre Großeltern dieses Sprichwort als Lokaltradition vermittelt haben. Allerdings verwendete meine Mutter es stets ironisch, wenn sich mal wieder jemand in der Öffentlichkeit als besonders edles Ergebnis der Schöpfung zu produzieren meinte.

Meist sind es kleine Leute – im Geiste, nicht der Herkunft nach – die arrogantes Auftreten und Geringschätzung des Normalbürgers als Charakterkrücke benötigen. Ihnen ist nicht geläufig, dass gerade Bescheidenheit die schönsten Ergebnisse zeitigen kann.

Allerdings ist Bescheidenheit noch kein Garant dafür, dass es „ganz schön bescheiden“ zugeht – nein, auch das will wie alles im Leben bedacht sein und beherrscht werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich heute an meinen letzten Blog-Eintrag zum Hanomag 2/10 PS anknüpfen – dem angeblich so populären Minimalauto der späten 1920er Jahre, das sich leider bloß einer unter tausend Deutschen leisten konnte – obwohl es denkbar simpel gemacht war, um nicht zu sagen: primitiv.

Dass dies nicht sein musste, hatte ich unter Verweis auf bereits Jahre zuvor etablierte Kleinwagen von Austin, Citroen und Fiat festgestellt.

Auch Hanomag hätte – wie das Opel im Fall des 4 PS-Modells erfolgreich tat – Maß an bewährten ausländischen Produkten nehmen können anstatt auf eine eigenwillige Lösung mit der Anmutung eines Eigenbaus zu verfallen. Dass dieser Sonderweg auf Anklang stieß und stößt, nehme ich zur Kenntnis nach dem Motto: „Jedem Tierchen sein Plaisierchen„.

Allerdings möchte ich meinem Unverständnis nochmals Nachdruck verleihen, und zwar anhand eines weiteren Konkurrenten im Einsteigersegment, der im positiven Sinne das Prädikat „Ganz schön bescheiden“ verdient, auch wenn sich einer der abgebildeten Herren hier sehnsüchtig nach oben zu orientieren scheint:

Peugeot Typ 172; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser flott anmutende offene Zweisitzer war von den Leistungsdaten auf dem Niveau des Hanomag 2/10 PS angesiedelt. Seine rund 11-12 PS Leistung bezog er allerdings aus einem „richtigen“ 700ccm-Motor mit vier Zylindern und Wasserkühlung.

Gestartet wurde das Maschinchen mittels elektrischem Anlasser, wie das ab Anfang der 1920er Jahre rasch Standard wurde. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei rund 60 km/h.

Das alles ließ sich auch kaufmännisch problemlos mit einer gefälligen klassischen Karosserie vereinbaren, die nicht auf irgendwelche neuen Effekte setzte, welche dem Käufer keinen wirklichen Vorteil boten.

Wie schön diese wohlüberlegte Form der Bescheidenheit wirken konnte, das sehen wir auf einer zweiten Aufnahme, welche denselben Wagen mit mehr Charme zeigt:

Peugeot Typ 172; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Erfreuliche klassische Form und makelloses Finish waren also auch bei Peugeot in der Kleinwagenklasse ohne weiteres möglich.

Tatsächlich hatte man in dem Segment bereits ab 1921 mit dem noch bescheideneren Modell 161 „Quadrilette“ reichlich Erfahrung gesammelt.

Unsere französischen Nachbarn hatten auf dem Sektor neben dem Citroen 5CV also ein weiteres attraktives Angebot entwickelt, bevor man bei Hanomag überhaupt auf die Idee kam, sich in der Einsteigerklasse zu engagieren.

Weit über 50.000 Exemplare konnte Peugeot ungeachtet der starken inländischen Konkurrenz zwischen 1922 und 1928 absetzen – wobei man den Typ 172 laufend verbesserte. Ab 1926 beispielsweise wurden serienmäßig Vierradbremsen verbaut.

Nun könnte einer einwenden, dass dieser Peugeot aber doch sicher nur für den heimischen Markt bestimmt und in Deutschland gar nicht verfügbar war – außer vielleicht im Saarland.

„Nö“ möchte ich hier etwas schnodderig antworten. Tatsächlich bot Peugeot auch eine Exportversion an, wobei man offenbar auch auf den deutschen Markt abzielte:

Peugeot Typ 172; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das wäre nun die dritte Aufnahme dieses Peugeot 172 und laut Nummernschild war dieser im Raum Essen zugelassen.

Da man reine Frankophilie im Deutschland der 1920er Jahre als Kaufmotiv ausschließen kann, werden die Besitzer sich wohl aufgrund der überzeugenden (und heimische Produkte aus dem Feld schlagenden) Qualitäten des Wagens dafür entschieden waren.

Mein Verdacht in solchen gar nicht seltenen Fällen ist zudem, dass ausländische Großserienhersteller mit festen Vertriebsstrukturen oft schneller liefern konnten, als das bei den fast ausschließlich noch der Manufaktur verhafteten deutschen Anbietern möglich war.

Bleibt die Frage, um welche Version des Peugeot 172 genau es sich bei dem schön bescheiden daherkommenden Wagen auf diesen drei Fotos handelt. Die Vielfalt der Ausführungen ist im deutschen Vorkriegs-Peugeot-Register besser beschrieben, als ich dies hier tun kann. Als langjähriges Mitglied kann ich die Adresse nur empfehlen.

Ich gehe aber mal in Vorlage und behaupte, dass wir es mit einem Peugeot 172 RE ab 1926 zu tun haben, der an seinen Vorderradbremsen zu erkennen ist. Das abschließende Urteil überlasse ich sachkundigeren Kollegen – meine eigene Peugeot-Erfahrung setzt ja erst mit dem Modell 202 ein (von einer Motorradruine des Typs P-108 abgesehen).

Ganz schön bescheiden gebe ich mich hier ganz bewusst, denn die vielen Peugeot-Typen der Zwischenkriegszeit sind eine Wissenschaft für sich, die hierzulande nur wenige beherrschen. Aber wie schon vor 100 Jahren wissen offenbar einige Enthusiasten auch in Deutschland, was die Automobile dieser Traditionsmarke in allen Klassen auszeichnete…

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Nichts für „Reflecktanten“: Hanomag 2/10 PS

Ich weiß nicht, wie oft ich in meinem Blog schon Bilder des ersten Automobil-Experiments der Firma Hanomag der zweiten Hälfte der 1920er Jahre gebracht habe – meine Markengalerie zeigt jedenfalls eine Auswahl dieser Gefährte mit Typbezeichnung 2/10 PS.

Ich weiß auch nicht, woher die Lust in der Literatur kommt, diese primitiven Schöpfungen als irgendwie fortschrittlich zu adeln und das Publikum, welches das einfach nicht einsehen wollte, für unverständig und überfordert zu erklären.

Anno 1925 ein vierrädriges Fahrzeug mit 1-Zylindermotor ohne Anlasser und ohne Differential anzubieten, zu einem für den Normalbürger unerschwinglichen Preis – das konnte nur ein schlechter Scherz sein.

Einen schlechten Scherz erlaube ich mir daher bereits in der Überschrift und wenn Sie bis ans Ende durchhalten, werden Sie verstehen, was es mit den „Reflecktanten“ auf sich hat.

Ich will immerhin versuchen, dem Hanomag 2/10 PS wenigstens am Anfang irgendetwas Positives abzugewinnen – dabei ist mir diese kecke junge Dame behilflich:

Hanomag 2/10 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das ist so ziemlich die beste Seite, die man diesem Wagen abgewinnen kann, dessen für die Zeit noch ungewöhnliche Pontonform manchem Automobilhistoriker Anlass für Lobeshymnen gab – als sei eine progressive Gestaltung der Zweck eines Kleinwagen.

Ob ein Einsteiger-Automobil tatsächlich populären Ansprüchen genügt oder nicht, darüber entscheiden icht irgendwelche Schreibtisch-Juroren, sondern die Käufer. Und die hatten sich bereits Anfang der 1920er Jahre für vollwertige Automobile ohne modernistisch daherkommenden Firlefanz entschieden.

Man muss dazu gar nicht das Model „T“ von Ford in den USA bemühen, dessen Rolle für die Demokratisierung individueller Mobilität ohnehin einzigartig ist. Schon in Europa gab es mit Fiat 501, Citroen 5CV und Austin 7 kurz nach dem 1. Weltkrieg hinreichend Beispiele dafür, wie ein massenmarkttauglicher Kleinwagen aussieht und was er können muss.

Die beindruckenden Stückzahlen dieser Modelle stehen in denkbar großem Kontrast zu den knapp 16.000 Wagen des Typs 2/10 PS welche Hanomag von 1925 bis 1928 absetzte.

Dass diese Zahl für deutsche Verhältnisse recht hoch erscheint, liegt schlicht daran, dass die hiesigen Hersteller ansonsten kaum Anstalten machten, im Kleinwagenbereich zu Großserienprouktion zu übergehen – einzige Ausnahme war Opel mit dem 4 PS-Typ.

Versetzen Sie sich einmal in die Situation eines Käufers in den späten 1920er Jahren. Bei Opel bekam man für 2700 Mark diesen flotten Zweisitzer mit 16 PS aus vier Zylindern und Spitze 70 km/h:

Opel 4/16 PS, Zweisitzer-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Für knapp 2200 Mark konnte man jedoch auch auf all die Vorzüge des am bewährten Citroen-Vorbild orientierten Opel verzichten und sich einen ungemein eigenwilligen Hanomag-Zweisitzer des Typs 2/10 PS mit Motorrad-Leistung zulegen.

Hoch zu veranschlagen war beim Hanomag der Aufmerksamkeitswert, was im Volksmund für spöttische Bezeichnungen wie „Kommissbrot“ oder „Rasender Kohlenkasten“ sorgte.

Die erfahrenen Leser unter Ihnen wissen natürlich, dass ich hier gerne meine privaten Geschmacksurteile einfließen lassen – mein gutes Recht in einem Blog-Format, welches per se subjektiv und obendrein für die Konsumenten völlig kostenlos ist.

Der einzige Preis, welcher im übertragenen Sinn zu entrichten ist, besteht darin, meine persönliche Sicht ggf. ertragen oder ausblenden zu müssen. Ansonsten können Sie sich ja selbst ein Urteil über die Qualitäten der gezeigten Fahrzeuge bilden.

Dazu gibt es sogleich Gelegenheit am Beispiel des geschmähten Hanomag 2/10 PS:

Hanomag 2/10 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, gefällt Ihnen dieses Exemplar mit seinem protoypenhaft anmutenden Nieten-Finish und würden Sie es dem etwas teureren Opel mit seiner „traditionellen“ Gestaltung vorziehen?

Gewiss, die beiden Herren an Bord mit pelzbesetzten Mänteln oder Jacken machen den Eindruck, als wären sie ganz begeistert.

Aber das verwahrloste Hinterhofambiente, der Backstein hinter dem Hinterrad und der mutmaßlich entsorgte Christbaum in der Ecke gibt Anlass zur Vermutung, dass dieser Wagen eher fragwürdige Hippie-Typen anzog.

Diese Klientel nahm vermutlich auch keinen Anstoß an einem Schreiben wie diesem von 1928, in welchem der damals schwer verkäufliche Hanomag 2/10 PS angepriesen wurde:

Hanomag 2/10 PS-Kundenanschreiben; Original: Sammlung Michael Schlenger

Das Beste an diesem zeitgenössischen Schreiben an einen Hanomag-Interessenten ist aus meiner Sicht der Verweis auf andere potenzielle Käufer – eine uralte Vertriebsmasche – welche sich noch in der Nachdenkphase befinden.

Die Bezeichnung angeblicher weiterer Kunden als „Reflektanten“ – also Leute, die noch über das Angebot reflektieren müssen – war der Sekretärin von Max Groitzsch offenbar ebenso neu wie mir und Ihnen. Also schrieb sie „Reflecktanten“, wie sie es für richtig hielt.

Man lernt nicht aus – auch bei einem vermeintlich abgeschlossenen Thema wie Vorkriegsautos in alten Dokumenten. Indessen bin ich sicher, dass „Reflecktanten“ anno 1928 zu dem Urteil gelangten, dass es bessere Alternativen zum Hanomag 2/10 PS gab.

Dazu gehörte damals neben dem Opel 4/16 PS ein weiterer Kandidat – der Dixi 3/15 PS, ein Lizenznachbau des bewährten Austin 7. Damit setzte sich letztlich auch am deutschen Markt das durch, was bei den europäischen Nachbarn längst Standard war und tatsächlich in die Zukunft wies…

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1a auch ohne vier Ringe: Audi Typ 225 Luxus-Cabriolet

Kürzlich las ich, dass die Firma Audi für den chinesischen Markt erstmals ein Modell ohne die typischen vier Ringe herausbringen will. Und da sie es wohl selbst nicht kann – oder nicht so schnell kann – lässt man die Basis von einem Partner in China entwickeln.

Ob die Rechnung aufgeht und man für einen chinesischen Audi ohne die vier Ringe Audi-Preise durchsetzen kann, sei dahingestellt. Wer den deutschen Automobilbau des 21. Jh. ohnehin für überschätzt hält, wird das achselzuckend zur Kenntnis nehmen.

Der lange nach dem 2. Weltkrieg quasi neu erfundene heutige Serienhersteller Audi mit Sitz in Ingolstadt hat außer dem Namen ohnehin nichts mit der einstigen Manufakturmarke aus dem sächsischen Zwickau zu tun.

Moment einmal, sind denn nicht wenigstens die vier Ringe ein gemeinsames Element? Nun, allenfalls auf den ersten Blick:

Audi Typ 225 Luxus; Originalfoto aus Privatbesitz (Wolfgang Müller-Judex)

Tatsächlich trug auch dieses schöne 4-Fenster-Cabriolet auf Basis des frontgetriebenen Audi 225 Luxus (Bauzeit: 1936-38) die vier Ringe auf der Mittelstrebe des Kühlergrills. Doch das wies bloß auf die Zugehörigkeit der Marke zum Auto-Union-Verbund hin (ab 1931).

Die vier Ringe trugen daher auch die Wagen der übrigen unter diesem Dach vereinten sächsischen Marken – also neben Audi außerdem DKW, Horch und Wanderer.

Eigentlich konnte der Audi Typ 225 Luxus speziell in den meisterhaft gestylten Cabrio-Ausführungen aus dem Hause Gläser (Dresden) auf das Adelsprädikat der vier Ringe der Auto-Union gut verzichten, was bei DKW und Wanderer anders war.

Allerdings gab es bei diesem Modell einen weiteren Hinweis auf die Markenidentität, die auf obigem Foto, das mir Wolfgang Müller-Judex aus seinem Familienalbum zur Verfügung gestellt hat, nicht unmittelbar ins Auge fällt.

Besser sieht man es auf dieser Aufnahme aus dem Leser von Leser Klaas Dierks, welche dasselbe Modell zeigt, hier aber ganz dunkel gehalten, was dem Wagen eine ganz andere, ernsthafte Anmutung verleiht:

Audi Typ 225 Luxus Gläser-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Können Sie die „1“ auf dem Kühler erkennen? Das war seit etwa Mitte der 1920er Jahre die Kühler“figur“ aller Audi-Automobile – hätten Sie das gewusst?

Als eindrucksvollen Beleg möchte ich an dieser Stelle diese Werbung von Audi anführen,. welche 1924 in der Zeitschrift „Motor“ erschien. Sie besticht mit ihrer phänomenalen grafischen Wirkung und kombiniert geschickt die harten Konturen des Emblems mit den lebendigen Formen des abgebildeten Wagens:

Audi-Reklame aus „Motor“, 1924; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Dass Audi sich selbst damals eine glatte „1“ verlieh, zeugt von einem gesunden Selbstbewusstsein, aber gut: Ab 1924 bot man mit dem hochmodernen 6-Zylindertyp M 18/70 PS auch ein Auto an, das man bei anderen deutschen Herstellern vergebens suchte – und sei es nur aufgrund der hydraulisch unterstützten Bremsen.

Mit den ab 1933 gebauten Frontantriebswagen knüpfte man überzeugend an die Tradition des Klassenprimus an – kein anderer deutscher Hersteller bot in dieser Klasse den zukunftsweisenden Vorderradantrieb an (die Fronttriebler von Adler, DKW und Stoewer waren darunter angesiedelt).

Zusammen mit dem hocheleganten Stil der Gläser-Aufbauten, die eine erst in den 1930er Jahre entwickelte eigene deutsche Gestaltungslinie repräsentierten, verdienten die offenen Versionen des Audi Front Typ 225 Luxus meines Erachtens sogar die Note 1a.

Diese Wagen bedurften in der Tat der vier Ringe überhaupt nicht – das möchte ich heute anhand dieses „neuen“ Fotos aus meiner Sammlung illustrieren:

Audi Typ 225 Luxus Gläser-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sehen Sie, was ich meine? Spätestens die „1“ auf dem Kühler lässt keinen Zweifel an der Marke und die doppelte Reihe Luftschlitze in der Motorhaube liefert die ergänzende Information, dass wir es mit einem Audi des Typs 225 Front Luxus ab 1936 zu tun haben.

Den Aufbau als 4-Fenster-Cabriolet gab es m.W. so nur von Gläser und so kann man verstehen, weshalb der junge Mann mit sportlichen Knickerbockern und keckem Tirolerhut so zufrieden mit sich und der Welt dreinschaut.

Ob es überhaupt sein Audi war, sei dahingestellt – vielleicht ergab sich bloß die Gelegenheit, sich besitzergreifend damit ablichten zu lassen.

Festzuhalten bleibt am Ende, dass ein echter Audi gut ohne die vier Ringe auskommt, die heute so gern als markentypisch angesehen werden. Was aus dem entsprechenden Projekt des gleichnamigen Herstellers im fernen China wird, kann uns gleichgültig sein. Wir haben hier andere „Probleme“ – jedenfalls in meinem Blog…

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