Bilder von DKW-Automobilen und Reklame in chronologischer Reihenfolge
© Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger (sofern nicht anders angegeben), Weiterverwendung nur mit Quellenangabe

Bilder von DKW-Automobilen und Reklame in chronologischer Reihenfolge
© Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger (sofern nicht anders angegeben), Weiterverwendung nur mit Quellenangabe

Goethe hatte einst für sein lebensveränderndes Italien-Erlebnis fast zwei Jahre Zeit. Das brauchte er auch, denn das maximale damalige Reisetempo wurde durch die Pferdekutsche vorgegeben. Zudem hatte ihm sein Arbeitgeber und Gönner Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach unbefristeten Urlaub gewährt – bei voller Bezahlung.
Während man heute ebenfalls das Kutschentempo wählen könnte, scheitert eine derart ausgiebige Italientour am fehlenden Sponsoring. Doch zum Glück hat in der Moderne die wohl lebensveränderndste Erfindung seit der Dampfmaschine stattgefunden, das erschwingliche Automobil für jedermann.
Erst damit ist uns die intensive und umfassende Italienerfahrung möglich, nach der mancher Bewohner barbarischer Zonen des Norden hungert. Meine Leser wissen längst, dass ich einer davon bin. Und bei aller Liebe zur Langsamkeit am Ziel, ist das Auto auf dem Weg dorthin unersetzlich, das erzwingt schon die Topografie speziell in Mittelitalien.
Das eine schließt das andere nicht aus – das intensive Erlebnis vor Ort, für das man sich Zeit nehmen sollte, und die Verkürzung der Distanzen sowie die Einebnung der oft schroffen Höhenunterschiede. Das Auto ist die ideale Zeitmaschine, da es uns das Zeitlose beinahe mühelos zugänglich macht und dabei die Verschwendung kostbarer Zeit minimiert.
Den Beweis dafür möchte ich heute antreten, natürlich wie immer anhand historischer Originalaufnahmen. Das Auto selbst begegnet uns dabei nur vereinzelt als Möglichmacher, bleibt ansonsten im Hintergrund. Wer nur Autos im Kopf hat, wird daher hier wenig finden.
Das aussagefähigste Autofoto aus der ganzen Reihe, mit der ich kurz vor Jahresende etwas Besonderes bieten möchte und in der sehr viel Arbeit steckt, habe ich schon vor einigen Jahren hier gezeigt:
In automobiler Hinsicht werden Sie heute nicht noch einmal etwas vom Kaliber dieses 6-Zylinder-Fiat 522 zu sehen bekommen, der hier auf der römischen Via Appia südlich von Rom an den Resten eines der unzähligen Grabmäler gehalten hat.
Der Wagen wurde zwischen 1931 und 1933 gebaut, doch das Foto entstand erst 1937 oder 1938. Aus diesen beiden Jahren stammen die Reisebilder, mit denen ich Sie dazu einlade, das alte Italien neu zu erfahren – auch Kenner dürfen dabei mit Überraschungen rechnen.
Dieses opulente Weihnachtsgeschenk verdanken wir einem deutschen Paar, das damals in Rom lebte und vermutlich Diplomaten- oder Gesandtenstatus hatte, eventuell im Vatikan.
Das erklärt die vielen zu unterschiedlichen Gelegenheiten im Umland Roms entstandenen Fotos, die häufige Anwesenheit von Geistlichen, das Interesse an Kirchen- und Klosterbauten und nicht zuletzt eine spektakuläre Schiffspartie, die Normalsterblichen (außer der Besatzung) unzugänglich war.
Hier haben wir die beiden, aufgenommen an einem unbekannten Ort:
Diese Aufnahme ist eine der wenigen, die nicht umseitig beschriftet sind. Sie trägt aber denselben Stempel eines italienischen Fotogeschäfts (S.A. Vigano) wie fast alle übrigen Fotos – auch jene, von denen man kaum glauben möchte, dass sie aus Amateurhand stammen.
Übrigens ist obige Aufnahme (mit einer Ausnahme) die einzige, auf der „er“ zu sehen ist. Ich vermute, dass es sich bei ihm um den Schöpfer der meisten Bilder handelt.
Diese sind formal und technisch meist von hoher Qualität, die am häufigsten verwendete Kamera besaß das Negativformat 9×13 cm, ansonsten finden sich die Formate 6,5×10 cm oder 6×6 cm. Es kamen also durchweg Rollfilme mit nur 12 Aufnahmen zum Einsatz.
Es wundert nicht, dass jemand, der über ein geräumiges Auto zum Reisen verfügte, am Filmmaterial nicht sparen musste – wir Nachgeborenen profitieren davon.
Jetzt kann es losgehen, zunächst bewegen wir uns noch im Umland von Rom, dann geht es quer durch den Appennin bis in die Abruzzen, bevor wir nach Süden abdrehen und den Golf von Neapel ansteuern.
Die Via Appia muss noch einen Moment warten – zuvor machen wir einen Abstecher zu Roms alter Hafenstadt „Ostia Antica“, eine Ausgrabungsstätte, die zu den großartigsten Italiens zählt und dennoch selten überlaufen ist.
So können auf dem Forum der einst 50.000 Einwohner zählenden Stadt vor dem Kapitolstempel durchaus heute noch solche Bilder gelingen, nur zwei Ordensschwestern wird nicht jeder als Begleitung haben.
Bis zum 1. Stock erhalten sind teilweise die Häuser in Ostia Antica und nachrömische Überbauungen gibt es praktisch nicht, da der zuvor blühende Umschlagsplatz für Waren aus dem ganzen Imperium (und darüber hinaus) infolge des ökonomischen Zusammenbruchs der römischen Zivilisation in der Völkerwanderung ausstarb.
Vom Wohlstand der breiten Bevölkerung künden marmorverkleidete Theken in Gaststätten und Bäckereien sowie zahlreiche Mosaike, die man noch vor Ort bewundern kann:
Im Hintergrund erkennt man übrigens das Theater der Stadt – das übersieht man auf dieser Aufnahme leicht. Ich verbinde angenehme Erinnerungen an den einst von mir initierten Ausflug meiner Abitursklasse dorthin, der im offiziellen Programm nicht vorgesehen war und bei vielen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Statuen und Architekturteile, die andernorts ins Museum verfrachtet worden wäre, finden sich hier noch an Ort und Stelle und zusammen mit der Vegetation ergibt sich eine endlose Auswahl an malerischen Fotomotiven.
Mit eigenen Aufnahmen kann ich an dieser Stelle (noch) nicht aufwarten – ich habe das Fotografieren erst etwas später entdeckt und war seit unserer Klassenfahrt 1987 nicht mehr in Ostia Antica.
Einen ersten Eindruck von dem Areal der ausgegrabenen Stadt vermittelt folgendes Video – es gibt auf Youtube zudem längere Drohnenflüge, die das Ausmaß des Geländes und den Erhaltungszustand anschaulich machen:
Wir kehren nun nach Rom zurück und bereiten uns auf ein langes Wochende in den Albaner Bergen südlich von Rom vor – dort wo sich seit der Antike die Sommersitze der Wohlhabenden befinden – in der Neuzeit als Castelli Romani bekannt.
Dazu verlassen wir die Stadt auf der klassischen Route durch die Porta San Sebastiano. Im näheren Umkreis konnte und kann man die Via Appia durchaus auch ohne Auto genießen, zumindest wenn man gut zu Fuß ist.
Früher bot sich außerdem diese Alternative an:
Doch man bedenke – wir wollen noch rund 200 km auf der Via Appia zurücklegen und außerdem einige Abstecher in reizvolle Ort in den Albaner Bergen machen.
Schon wenige Kilometer von Rom entfernt präsentiert sich die „Campagna“ zunehmend einsam. Die Grabmäler hören auf und nur die endlosen Reihen der antiken Aquäduktpfeiler begleiten einen. Hier haben wir die fast 70 Kilometer lange „Aqua Claudia“:
Die überwiegend unterirdisch verlaufenden Aquädukte Roms wurden bei der Annäherung an die Stadt in der Ebene auf Bögen geführt, um das oft knapp bemessene Gefälle zu halten. Im Fall der Aqua Claudia betrug es im Schnitt knapp 0,4 %.
Daraus ergibt sich, dass im Umland Roms eine ganze Landschaft von den Ruinen dieser bemerkenswerten technischen Bauwerke geprägt ist. Man hat sie inzwischen in einen sehenswerten Park (Parco degli Acquedotti) integriert – hier ein kurzer Eindruck:
Neben den Resten der Aquädukte stößt man in der Einsamkeit der Campagna südlich von Rom immer wieder auch auf Ruinen riesiger Landvillen, die den reichsten Familien gehörten.
Merke: wer es sich leisten kann, flieht am Wochenende aus der Stadt oder wohnt gleich dauerhaft dort – das hat sich bis heute nicht geändert. Nur dem Pöbel möchte man lieber Wohnsärge in städtischen Massenquartieren verordnen, am besten dann auch ohne Auto und ohne Möglichkeit, nach Gusto die Weite der Welt zu erfahren.
So kann man unbehelligt eine Pause im Grünen einlegen, wenn einem danach ist oder einen der Begleiter ein Bedürfnis drückt:
Von dieser hübschen jungen Dame wissen wir als einziger Person den Namen – Paola hieß sie. Meine Vermutung ist die, dass sie die Tochter des Paars aus Rom war und dass ihre Mutter Italienerin war.
Wir begegnen beiden später noch einmal nebeneinander, vielleicht klärt sich das Verhältnis dann. Übrigens passt die Silhouette des Fotografen auf diesem Foto zu meiner These, dass es meist „er“ war, der den Auslöser betätigte.
Hier hat er sich bloß mit der Entfernung etwas vertan – vielleicht war es aber auch „künstlerische Absicht“, die prächtigen Landbewohner mit vier Beinen in den Fokus zu rücken, die seit Jahrhunderten Bilder von der Campagna schmücken.
Wie dem auch war, wir kehren zum Auto zurück und nehmen die Albaner Berge ins Visier, die sich in der Ferne im Dunst abzeichnen. Die Sonne steht bereits tief, wir müssen weiter:
Das nächste Ziel ist eine Erfindung von mir, denn es ist in dieser Fotoreihe nicht dokumentiert. Doch liegt es nahe, sowohl geografisch wie auch möglicherweise aufgrund der Beziehungen unserer Reisenden zum Heiligen Stuhl.
Jedenfalls meine ich, dass wir der immer noch pfeilgerade durch die Ebene laufenden Via Appia über Frattocchie folgen sollten, bis es linkerhand hinauf nach Castel Gandolfo geht, dem traditionellen Sommersitz des Papstes.
Hier machen wir Halt für die Nacht und – was unsere Reisenden Ende der 1930er Jahre nicht ahnen konnten – gedenken eines bis heute ungesühnten Kriegsverbrechens.
Im Februar 1944, lange nachdem Italien sich aus dem Bündnis mit Deutschland herausgelöst hatte und kein Kriegsgegner der Alliierten mehr war, erfolgten im Zusammenhang mit der US-Landung bei Anzio südlich von Rom Flächenbombardements auf angebliche deutsche Konvois und Stellungen hinter der Front in den Albaner Bergen.
Bei dem ziellosen Vorgehen wurden mehrere wehrlose Kleinstädte der Region wie Albano, Arriccia, Genzano und Marino stark getroffen, viele Zivilisten fanden den Tod.
Am unbegreiflichsten bleibt das Flächenbombardement der päpstlichen Residenz in Castel Gandolfo, die tausende von Flüchtlingen beherbergte, welche hofften, auf den exterritorialen Besitzungen des Vatikans den alliierten Bombern zu entgehen.
Es half ihnen nichts, Schätzungen zufolge fanden bis zu 1000 Zivilisten im Februar 1944 den Tod, obwohl der Vatikan zuvor in den USA auf die Situation hingewiesen hatte.
Das in Deutschland kaum bekannte Thema italienischer Zivilopfer durch alliierte Bombardierungen wird uns im Folgenden begleiten. Doch erst einmal genießen wir Castel Gandolfo und den herrlichen Albaner See:
Wir steigen wieder ins Auto und fahren nun gegen den Uhrzeigersinn um den grandiosen Krater des längst erloschenen Vulcano Laziale herum.
Auf etwa „3 Uhr“-Position drehen wir rechts ab und fahren nordöstlich in Richtung Rocca di Papa.
Auf dem Weg dorthin halten wir an, denn hier bietet sich abermals die Gelegenheit zum Fotohalt – diesmal vor dem Monte Cavo und diesmal mit dem Auto, das unsere Reisenden für die Tour gewählt hatten – einen deutschen „Wanderer“ des Typs W24 (ab 1937):
Dieser Wagen war zwar in Italien – vermutlich in Rom – zugelassen, aber ein Wanderer war dort dermaßen untypisch, dass er nur auf deutsche Besitzer hinweisen kann.
Wir lassen Rocca di Papa rechts liegen und folgen nordwärts der Regionalstraße in Richtung Frascati, wo wir eine Kiste des lokalen Weißweins erstehen. Wir könnten von dort aus nun einen Abstecher nach Osten gen Tusculum machen.
In der Umgebung des heutigen Ruinengeländes besaßen reiche Römer schon in der Antike Villen – einer davon war Marcus Tullius Cicero, der seines ländlichen Anwesens in erhaltenen Schriften liebevoll gedenkt.
Doch unsere Reisenden haben ein anderes, für mich auf den ersten Blick weniger naheliegendes Ziel weiter nördlich vor Augen – das Kleinstädtchen Monte Compatri:
Zugegeben – malerisch sieht das schon aus, aber in der Region Latium im Umland von Rom sind solche alten Hügelstädte nicht selten und in diesem Fall gibt es nichts Bemerkenswertes zu berichten.
Nach diesen Abwegen erinnern wir uns, dass wir doch eigentlich der Via Appia in Richtung Meer folgen wollten. Jetzt sind wir ganz schön vom Kurs abgekommen, aber kein Problem, im Umland von Rom findet sich immer eine Tankstelle, denn hier wohnen je Menge Großstadtleute mit einer Villa auf dem Land und dem Kleingeld für ein Auto.
Also werfen wir einen Blick auf die Karte und stellen fest: Mit Kurs Südsüdost sollten wir uns wieder der Via Appia nähern. Über schöne Bergstraßen, schon damals gut ausgebaut, sonst wäre so eine Tour eine Tortur im Auto, geht es nun zum nächsten Stopp – Cori:
Spätnachmittags vom Hotel im Tal aus wird ein erster Eindruck des Bergorts fotografisch festgehalten:
Mmh, sieht wenig spektakulär aus, oder? Interessant scheint hier eher die Kiste mit der Aufschrift „Birra Paszokowski“ – einer von einem Polen gegründeten Bierbrauerei mit Sitz in Florenz.
Abwarten – weiter geht’s in Teil 2…
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