So fährt sich’s freier: „Freia“ Zweisitzer

Auch wenn der Individualverkehr in den Ballungsgebieten stark zugenommen hat und speziell die PKW-Pendelei für viele nur ein notwendiges Übel darstellt – das Freiheitsversprechen des Automobils, welches von Anbeginn seine Faszination ausgemacht hat, erweist sich spätestens dann als ungebrochen, wenn es in die Ferne geht.

Unabhängig von Fahrplänen und ohne die Zumutungen öffentlicher Verkehrsmittel, deren Versagen hierzulande inzwischen auch bei sonst höflichen ausländischen Gästen für Spott sorgt – also nach eigenem Gusto Fahrzeit, Route und Tempo bestimmen zu können, das ist ein Luxus, den sich heute jedermann leisten kann (noch).

Mit einem billigen Gebrauchtwagen mit kleinem Benzin- oder Dieselmotor gelangt man heute mühelos in ein paar Stunden an die See, in die Alpen oder in lockende Nachbarländer. Dabei hat sich jedoch eines in hundert Jahren nicht geändert: weniger Gewicht bedeutet bei gleicher Leistung mehr Bewegungsfreiheit auf vier Rädern.

Das Gewicht war und ist Feind Nr. 1, wenn es um Agilität und geringen Verbrauch beim Automobil geht. Das gilt nicht nur für heutige, für den Normalbürger unbezahlbare Batteriekutschen. Das war erst recht zu einer Zeit der Fall, als die Motoren vor allem bei Wagen der Einstiegsklasse allgemein nur wenig Leistung boten.

Der Grund war nicht technisches Unvermögen, sondern der Kostenfaktor. Autos waren vor allem im Deutschland der Vorkriegszeit gemessen am Einkommensniveau dermaßen teuer, dass in der Einsteigerklasse gespart werden musste, wo es nur ging: Am Material und an der Montagezeit, am Hubraum und am Verbrauch natürlich.

Dennoch bot in den frühen 1920er Jahren schon so ein Wägelchen wie dieses mit kompaktem 1,3-Liter-Vierzylinder bis dahin ungekannte Reisefreiheit, weshalb sich der Aufbau als viersitziger Tourenwagen besonderer Beliebteit erfreute:

Freia S5 5/15 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese rare Aufnahme eines „Freia“-Wagens aus dem schönen Städtchen Greiz in Thüringen habe ich bereits vor einigen Jahren hier präsentiert.

In dem damaligen Blog-Eintrag ist auch etwas zur Geschichte der Marke zu lesen, wenn daran Interesse besteht.

Man mag es kaum glauben, doch das Auto auf obigem Foto war tatsächlich ein viersitziger Tourer – zu erkennen an den zwei Seitenscheiben, die in typischer Tourenwagenmanier auf die Karosserie aufgesteckt wurden und auch weggelassen werden konnten.

Leser Matthias Schmidt aus Dresden steuerte seinerzeit eine weitere Aufnahme eines „Freia“-Tourenwagens bei, bei dem besser zu erkennen ist, dass es tatsächlich eine rückwärtige Sitzbank für Mitreisende gab:

Freia S5 5/15 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt

Bei diesen Spitzkühlermodellen handelt es sich um frühe Exemplare aus der Freia-Serienproduktion , die 1921 mit dem Typ S5 begann. In diesem Modell befand sich unter der Motorhaube ein simpler Seitenventiler mit 15 PS .

Der spärlichen Literatur ist zu entnehmen, dass es ab 1923 – wohl parallel zur Einführung eines Rundkühlers – einen wesentlich stärkeren Motor gab, der bei identischem Hubraum nun dank kopfgesteuerter Ventile ganze 20 PS leistete, nach anderen Angaben sogar 25 PS.

Lachen Sie nicht! Bei einem Fahrzeuggewicht von schätzungsweise 5-600 Kilogramm macht sich jede zusätzliche Pferdestärke positiv bemerkbar.

Bei derartigen Exzessen muss der Fahrer eines solchermaßen potenten Freia-Wagens freilich darauf achten, dass er sich das Mehr an Leistung nicht an anderer Stelle wieder ruiniert. Wie gesagt: Das Gewicht ist der Feind der Freiheit auf vier Rädern!

Zwei Dinge sind auf diesem Sektor im Blick zu behalten: Zum einen gilt es, das eigene Gewicht in Zaum zu halten – jeder Motorradfahrer weiß, dass der eigene Bauch alles zunichtemacht, was an der Maschine an Leichtbaumaterial verbaut oder an Teilen demontiert werden kann.

Zum anderen ist zu vermeiden, dass das Gefährt durch das Gewicht von Mitreisenden belastet wird, die nicht zum engen Kreis der Favoriten im eigenen Dasein gehören.

Also: Kein Schwiegermuttersitz im Heck und bloß keine zweite Sitzbank für verzichtbare Vertreter der buckligen Verwandschaft, falsche Freunde und sonstige Trittbrettfahrer.

Einen „Freia“-Fahrer, der dies alles beherzigt und die ultimative Konsequenz daraus gezogen hat, sehen wir auf dem folgende Foto, welches mir Leser Klaas Dierks kürzlich in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt hat:

Freia S5 5/15 PS; Originalfoto: Klaas Dierks

Sieht dieser Zweisitzer nicht großartig aus? Dabei verfügt er über dieselben bescheidenen Abmessungen wie der Tourer – bis auf das Heck, das hier praktisch nicht vorhanden ist.

Weder die Schwiegermutter noch der zum selbstgefälligen Schwätzen neigende „Autoexperte“ aus dem Nachbarort findet hier die Gelegenheit, huckepack zu fahren.

Nur die bessere Hälfte – und die beste Cousine von allen – fänden hier noch Platz, aber auch nicht viel. Ein Anreiz mehr, das Gewicht in sportlich verträglichen Grenzen zu halten.

Jetzt wüsste man nur gern noch etwas mehr über diesen rasant wirkenden „Freia“: Wie schnell lief der Wagen mit dem kleinen 1,3 Liter-Motor unter der endlos langen Haube ? Wie groß war der Tank und wie weit kam man damit?

Das alles gilt es noch in Erfahrung zu bringen, denn Gewicht ist sehr wichtig, aber eben nicht alles, wenn es um die möglichst unbegrenzte Freiheit auf vier Rädern geht.

Aber großartig sieht er schon aus, dieser Freia-Zweisitzer und wenn man gerade an einem Seelenschmerz leidet, hat der Gedanke therapeutische Wirkung, durch die Zeit zu reisen und mit so einem Gerät einfach allem davonzufahren, was einen beschwert…

Literaturhinweis: Einen kurzen Abriss der Freia-Historie findet man in: Automobil & Motorrad-Chronik, September 1976

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Fund des Monats – Freia 5 PS-Typ im Doppelpack

Wer mit von einem langen Arbeitstag geschwächten Augen im Titel meines heutigen Blog-Eintrags das ersehnte Wort „Freitag“ zu erkennen meint, irrt leider.

Die altskandinavische Göttin Freia war entgegen verbreiteter Meinung nicht einmal Namensgeberin dieses Wochentags; das war wohl eher ihre germanische Kollegin Frigga, mit der sie nur entfernt verwandt gewesen zu scheint.

Nachdem dieser wichtige Punkt geklärt ist, können wir uns dem eigentlichen Fund des Monats zuwenden. Warum der einst nach besagter Göttin benannt wurde, wird man wohl nicht mehr in Erfahrung bringen.

Vermutlich war es der positive Klang des Namens, der Freiheit verhieß zu einer Zeit, in der die Lebensverhältnisse für die allermeisten Deutschen denkbar beengt waren.

Trotz der allgemein desolaten Lage nach dem 1. Weltkrieg – erst Anfang September 1919 hatte Großbritannien die über das Kriegsende fortdauernde fatale Seeblockade aufgehoben – gab es nach wie vor einen kleinen Markt für den Luxusgegenstand Automobil.

Viele Begüterte, die Vermögen über den Krieg hatten retten können, oder von der umfassenden staatlichen Kriegswirtschaft profitiert hatten, ahnten das kommende Desaster in Form einer Aushöhlung der Währung angesichts astronomischer Staatsschulden.

Das erklärt den Autoboom in der Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg, der nicht nur etablierten Herstellern zugutekam, die meist einfach bisherige Modelle weiterbauten. Aussicht auf gute Geschäfte sahen auch unzählige neue Firmen, die eine Manufakturproduktion speziell im Bereich leichter Kleinwagen sahen, die oft sportliche Attribute aufwiesen.

So war das auch im Fall des Herstellers dieses Viersitzers mit Spitzkühler, langer Motorhaube und filigranen Drahtspeichenrädern:

Freia 5 PS-Modell; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nach einigen Recherchen gelangte ich zur Ansicht, dass diese 1931 entstandene Aufnahme aus meiner Sammlung einen Wagen der Marke „Freia“ aus Greiz in Thüringen zeigt.

Die Firma war von einem Investorenkonsortium 1920 gegründet wurde. Ab 1922 baute man den von Arthur Schuh aus Greiz entworfenen neuartigen „Freia“-Kleinwagen .

Doch lange Zeit war ich mir der Sache nicht ganz sicher, mir fehlten Vergleichsstücke und der Kühler ist leider nur unscharf abgebildet.

Dessen Form, das deutlich vorstehende Kühleremblem, die ungewöhnlichen Auslaßschlitze in der Haube und die Drahtspeichenräder waren zusammengenommen aber starke Indizien dafür, dass wir es hier mit einem der „Freia-Wagen zu tun haben.

Diese besaßen einen kompakten Vierzylinder mit 5 Steuer-PS, der anfänglich seitengesteuert war – die Ventile standen also neben den Zylindern und wurden direkt von der untenliegenden Nockenwelle angetrieben. Mit dieser zwar einfachen, aber ineffizienten Konstruktion warf das Aggregat nur rund 15 PS ab.

Immerhin zeichneten sich die Freia-Autos von Anfang durch einen ungewöhnlich tiefen Schwerpunkt und eine entsprechend gute Straßenlage aus. Das rief nach einer stärkeren Motorisierung, um das sportliche Potential des Chassis voll ausnutzen zu können.

Ende 1923 machte man Nägeln mit Köpfen und bot das Freia 5-PS-Modell mit einem Motor an, der zwar nach wie vor nur 1,3 Liter Hubraum aufwies, dank eines hochmodernen Ventiltriebs nach Vorbildern aus dem Rennsport (Ventiltrieb durch obenliegende Nockenwelle und Königswelle) aber nun 20 PS (später 25 PS) Spitzenleistung abwarf.

Das klingt heute bescheiden, sorgte aber speziell bei der nur einige hundert Kilogramm Ausführung als Sportzweisitzer für eine Agilität, die für ein gewisses Aufsehen sorgte.

Dieser anspruchsvolle Antrieb war auch in Verbindung mit konventionellen Aufbauten erhältlich. Ob man es nun mit dem braven 5/15 PS-Typ oder dem „scharfen“ 5/20 PS-Modell zu tun hatte, sah man von außen wohl nicht – jedenfalls liefert die spärliche Literatur zu „Freia“-Automobilen keinen Hinweis darauf.

Erfreulich ist aber, dass mein Sammlerkollege Matthias Schmidt (Dresden) gleich zwei „neue“ Originalfotos eines weiteren Freia-Wagens auftreiben konnte, die bestätigen, dass die Zuschreibung des Wagens auf meiner eingangs gezeigten Aufnahme korrekt ist.

Hier zunächst eine ebenfalls etwas unscharfe, aber aussagefähige Ansicht von schräg vorne:

Freia 5 PS-Modell; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Die Kühlergestaltung ist vollkommen identisch, auch die Griffmulde der für einen Vierzylinder ungewöhnlich langen Motorhaube sitzt an der richtigen Stelle. Die markant geformten Lufschlitze ahnt man allerdings nur.

Ein Unterschied betrifft die Ausführung der Vorderkotflügel. Während sie am Wagen auf meinem Foto weit nach hinten geschwungen sind, fallen sie hier kurz aus und folgen der Radform – was angesichts des Manufakturcharakters der Produktion aber wenig besagt.

Passend zur Herkunft der Freia-Wagen ist ein Nummernschild aus Thüringen montiert, wenngleich es keinen Anlass zur Annahme gibt, diese Wagen seien nur lokal vertrieben worden – dafür wäre der Markt einfach zu klein gewesen.

Endgültige Gewissheit verschafft uns schließlich die zweite Aufnahme desselben Wagens:

Freia 5 PS-Modell; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Hier prangt der Name der altskandinavischen Göttin gut lesbar auf dem Kühler, die in der Mythologie übrigens mit einem von Wildkatzen gezogenen Wagen umherfuhr.

Dieser Aufwand war im Fall dieses „Freia“ freilich nicht nötig – bloß die genaue Motorisierung bleibt aus meiner Sicht vorerst unklar.

Weiß ein Leser vielleicht, ob sich die frühen Wagen der Marke mit dem konventionellen 5/15 PS-Motor äußerlich erkennen lassen? Der Spitzkühler ist zwar in den 1920er Jahren bei vielen Marken nur eine vorübergehende Erscheinung, doch bei anderen wurde er bis etwas 1925 beibehalten oder war sogar wahlweise neben einem Flachkühler verfügbar.

Letzteres scheint mir auch bei den flotten Freia-Wagen der Fall gewesen zu sein – jedenfalls finden sich in der Literatur auch auf 1924 bzw. 1926 datierte Wagen der Marke mit Spitzkühler, während andererseits schon ab 1923 Flachkühler-Versionen existierten.

So oder so war aber 1927 Schluss mit der Autoproduktion im übrigens sehr sehenswerten Städtchen Greiz. Trotz einiger sportlicher Erfolge – über die vielleicht ein Leser Genaueres weiß – blieben die Verkaufszahlen offenbar zu niedrig.

Firmengründer und Konstrukteur Arthur Schuh stellte immerhin noch die Ersatzteilversorgung der rund 800 gebauten Freia-Wagen sicher, bevor er ins Audi-Werk in Zwickau wechselte (vgl. Horst Ihling, Autoland Thüringen, 2002, S. 82).

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.