Der Spender des Fotos, das ich heute besprechen darf, verzeiht mir hoffentlich den Kalauer, den ich mir mit dem Titel meines Blog-Eintrags erlaubt habe.
Aber genau so verhält es sich nun einmal: Das Auto, um das es geht, gehörte einst den Großeltern von Klaus Twedell, die in der Zwischenkriegszeit in Rom lebten und deren “O.M.” auf dem Nummernschild eine grandiose Kennung trug: “ROMA”.
Wenn ich es richtig sehe, ist es mittlerweile Geschichte, dass der Name der stolzen italienischen Hauptstadt auf Autokennzeichen voll ausgeschrieben wird.
Während meiner ersten Italienaufenthalte zu einer Zeit, als südlich der Alpen noch einheimische Marken dominierten und engagiert gefahren wurde, gab es schwarze Blechnummernschilder, die die Herkunft eines Wagens erkennen ließen.
Bei der Hauptstadt “ROMA” erlaubte man sich den Luxus, den Namen ganz auszuschreiben – das hatte Stil und nötigte einem Respekt ab. Mit “BONN” wäre das hierzulande auch möglich gewesen – immerhin eine römische Gründung – aber das hätte einem wohlein Lachen abgenötigt wie das heute bei “BERlin” der Fall wäre…
Bevor ich das schöne Dokument aus Klaus Twedells Familienalbum zeige, will ich kurz die Geschichte der “Officine Mecchaniche” – kurz “O.M.” – aus dem oberitalienischen Brescia Revue passieren lassen.
O.M. ist hierzulande vor allem in Zusammenhang mit der legendären Mille-Miglia-bekannt. Beim Auftaktrennen 1927 belegten Wagen des Typs O.M. 665 „Superba“ die ersten drei Plätze. Ein hübscher Zufall, dass ein in Brescia gebautes Automobil das dort beginnende Rennen so glanzvoll gewinnen sollte.
Der „O.M.“-Konzern hatte Ursprung und Sitz aber in Mailand. Dort wurde 1849 ein Kutschbaubetrieb gegründet, der sich später auf den Bau von Eisenbahnwaggons verlegte. Daraus entstand 1899 eine Aktiengesellschaft, die in ihrem Firmennamen den Zusatz „Officine Mecchaniche“ – zu deutsch „Mechanische Werkstätten“ – trug.
Das Mailänder Unternehmen erwarb 1917 die Automobilfertigung des Herstellers Brixia-Züst mit Sitz in Brescia. Die Autosparte blieb selbständig und firmierte unter „O.M. Fabbrica Bresciana di Automobili.“
Die PKW-Produktion konzentrierte sich auf die 1920er Jahre, später beschränkte man sich – nunmehr als Teil des Fiat-Konzerns – auf den Nutzfahrzeugbau.
Wie es der Zufall will, zeigte bereits das erste Foto eines OM, das ich erwerben konnte, eine Lieferwagen auf Basis des PKW-Modells 469:

OM Typ 469 Lieferwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Der Typ 469 war der am längsten gebaute OM. Er löste 1922 den Typ 467 ab, der wiederum Nachfolger des Erstlings 465 von 1919 war.
Die Typbezeichnungen von OM waren denkbar einfach aufgebaut: Die erste Ziffer bezeichnete die Zylinderzahl – hier also vier – und die folgende Zahl den Hub des Zylinders in Zentimetern.
Vom OM Typ 465 mit 1,3 Litern stieg demnach der Hubraum bis zum Typ 469 auf 1,5 Liter. Diese kompakten Motoren entwickelten für die damalige Zeit beachtliche Spitzenleistungen.
Der bis zum Ende der PKW-Produktion bei OM im Jahr 1934 gefertigte Typ 469 mit gerade einmal 1,5 Litern leistete standfeste 30 PS. Deutsche und erst recht amerikanische Hersteller boten in dieser Hubraumklasse nichts Vergleichbares.
Das mag erklären, weshalb auch der eine oder andere OM einst in Deutschland landete – dieser schöne Tourenwagen zum Beispiel:

OM, vermutlich Typ 469; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Bei der genauen Ansprache der PKW-Typen von OM ergibt sich das Problem, dass es keine Literatur gibt, die die einzelnen Modelle so minutiös beschreibt, wie das beispielsweise bei den Standardwerken zu den Auto-Union-Marken der Fall ist.
Zwar liegt mir das großartige Werk über die gesamte Geschichte von OM vor – “OM: Una Storia nella Storia”, Edizione Negri, 1. Ausgabe 1991 – doch spielen die OM-PKWs dort eine Nebenrolle, was aus historischer Perspektive auch gerechtfertigt ist.
So bleibt offen, ob die Vierzylindertypen vom 465 über den 467 bis hin zum 469 äußerlich unterscheidbar sind – speziell in der Frontansicht. Wie es scheint, änderte sich das Erscheinungsbild mit klassischem Flachkühler über die Jahre praktisch nicht.
An dieser Stelle kommt das Foto aus dem Familienalbum von Klaus Twedell ins Spiel:

OM Tourenwagen Typ 469 oder 665; mit freundlicher Genehmigung von Klaus Twedell
Auch wenn es schwer zu erkennen sein mag, haben wir hier den nach unten leicht breiter werdenden Kühler eines OM mit dem typischen Markenemblem vor uns.
Der irgendwo auf einer der typischen italienischen Schotterpisten inszenierte Wagen macht mächtig Eindruck – doch muss leider offen bleiben, ob es sich um ein Exemplar des meistverkauften Vierzylindertyps 469 oder um das ab 1923 parallel gebaute Sechszylindermodell 665 mit 40 PS aus 2 Litern (später 55 PS aus 2,2 l) handelt.
Der Reiz der Aufnahme wird dadurch jedoch in keiner Weise gemindert. Man erkennt die typischen zwei Ausstellfenster in der Frontscheibe und die kantig auslaufenden Vorderschutzbleche, die nach Mitte der 1920er Jahre aus der Mode kamen.
Die Doppelstoßstange nach Vorbild amerikanischer Großserienwagen wird ein nachträglich montiertes Zubehör gewesen sein, das den OM moderner wirken ließ.
Auf dem Nummernschild ist “15943 ROMA” entzifferbar, wenn nicht alles täuscht. Das passt perfekt zur besonderen Familienhistorie von Klaus Twedell, dessen Großeltern vor dem 2. Weltkrieg eine Weile in der italienischen Haupstadt lebten.
Wer von den beiden neben dem OM posierenden Damen nun die Oma war, das weiß nur Klaus Twedell und es soll sein Geheimnis bleiben. An dieser Stelle sei ihm herzlich gedankt für dieses außergewöhnliche Dokument aus der Vorkriegszeit…
© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.