Gruß vom Adler aus Italien: Aquila

Am Wochenende bin ich von einer meiner kleinen Fluchten nach Italien zurückgekehrt – zumindest physisch.

Wieder war ich in Umbrien – der einzigen italienischen Region, die nicht ans Meer grenzt und die eine Balance aus Natur und Menschenwerk bietet, die ihresgleichen sucht.

Am Morgen der Abfahrt von meinem Aufenthaltsort Collepino bot sich mir folgender Anblick:

Blick auf Spello (Umbrien) von Osten, März 2023: Bildrechte: Michael Schlenger

Dies ist das an den Ausläufern des Monte Subiaso gelegene Städtchen Spello – wie alle umbrischen Hügelstädte über 2.000 Jahre alt, dennoch voller Leben und mit Hingabe gepflegt.

Keine Bausünde der Nachkriegszeit trübt das Bild, hier wurde und wird nur der örtlich anstehende leicht rosafarbene Kalkstein verbaut und auch bei Sanierungen nur der typische Tondachziegel verwendet, dessen Form sich seit der Römerzeit nicht verändert hat.

Niemand kommt auf solche Geschmacklosigkeiten und Primitivlösungen, wie sie im “reichen” Deutschland seit Jahrzehnten beim Bauen im historischen Bestand gang und gebe sind. Dabei lag diese Region 1945 ebenso am Boden und die Menschen waren bitterarm.

Die Front zwischen Wehrmacht und Alliierten war gnadenlos auch durch diese idyllische Welt gewandert. Weder US-Bombenterror noch verstörende Verbrechen des deutschen Militärapparats an Zivilisten blieben den Umbrern erspart.

Erst ab den 1960er Jahren begann sich die Region – wie das übrige Italien – zu erholen. Ungebrochen ist der Stolz auf eine uralte Geschichte und eine Kulturlandschaft, deren Anmutung sich seit der Antike nicht geändert hat, sieht man vom Gewerbe in der Ebene ab.

Die fruchtbaren Böden werden nicht für den Anbau sogenannter Biokraftstoffe missbraucht, die Hügel und Berge sind nicht den Profitinteressen der Windindustrie geopfert worden. Umbrien ist im wirklichen Sinn grün geblieben, nicht grünlackierten Lobbys ausgeliefert.

Diese Eindrücke sind aber nicht alles, was ich aus dem Land südlich der Berge mitgebracht habe. Vielmehr darf ich automobile Grüße vom italienischen Adler überbringen.

Vielleicht denkt jetzt einer an die gleichnamige Marke aus Frankfurt/Main, die tatsächlich sehr früh auch in Italien eine Niederlassung unterhielt:

Adler-Reklame von 1906/07; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Dies ist das erste und einzige Zeugnis früher Adler-Wagen aus Frankfurt/Main aus Italien, das mir bislang begegnet ist.

Dass Automobile von Adler dort größere Verbreitung fanden, wage ich zu bezweifeln, denn Wagen vergleichbarer Qualität brachte die italienische Industrie selbst zustande. Und sogar mit dem Namen “Adler” hatten die Frankfurter kein Alleinstellungsmerkmal.

So waren es bereits vor über 2.000 Jahren die römischen Legionen, die mit ihren Feldzeichen den Adler als erste in andere Länder gebracht hatten – zunächst gewaltsam, dann mit den Segnungen einer haushoch überlegenen Zivilisation.

Da wundert es nicht, dass der Adler schon lange vor der faschistischen Episode unter Mussolini als symbolträchtige Figur herhalten musste.

Hier schmückt er die Monatsschrift des italienischen Touring Clubs von Oktober 1916, die mir mein Wetterauer Oldtimer-Kamerad Rolf Ackermann zur Verfügung gestellt hat:

Mitgliederzeitschrift des Touring Club Italiano von 1916; Original aus Sammlung Rolf Ackermann

Wer schon immer wissen wollte, was das Vorbild des Adlers der deutschen Luftwaffe ab den 1930er Jahren war, weiß es jetzt vermutlich.

Nebenbei: Weite Teile der als ikonisch geltenden Symbolik im NS-Regime sind der Ästhetik im späteren italienischem Faschismus entlehnt, um es wertfrei auszudrücken.

“Aquila” heißt der Adler im Lateinischen und wie etliche andere antike Wörter hat er es unverändert ins Italienische geschafft.

Etwa zu dem Zeitpunkt, als Adler aus Frankfurt/Main die oben gezeigte Reklame in Italien platzierte, also 1906, wurde in Turin die “Fabbrica Italiana d’Automobili Aquila” gegründet.

Man war vielleicht etwas später dran als der Namensvetter aus Deutschland, doch dafür machte man gleich Nägel mit Köpfen.

Während viele Hersteller noch mit separat gegossenen Zylindern arbeiteten, besaßen die von Giulio Cesare Cappa konstruierten Aquila-Wagen von Anfang an einen einzigen Motorblock und das Getriebe war direkt angeflanscht.

Die Kurbelwelle lief in Kugellagern, die Einlassventile befanden sich strömungsgünstig im Zylinderkopf und als erster Serienhersteller überhaupt verbaute Aquila Leichtmetall-Kolben. Wie gesagt: 1906/07!

Neben Vierzylindern bot Aquila früh auch Sechszylindermotoren an, die bei deutschen Fabrikaten damals eine seltene Ausnahme blieben. Mit diesem Programm blieb man bis in den 1. Weltkrieg präsent.

Besonders stolz war man darauf, dass sich Aquila-Wagen auch im Ausland einiger Beliebtheit erfreuten, darunter auch den USA und sogar Australien. Das ergibt sich aus einem Bericht in der Mitgliederzeitschrift des Touring Club Italiano von Juni 1914.

Auch dieses Originaldokument verdanke ich Rolf Ackermann, hier das Titelblatt:

Mitgliederzeitschrift des Touring Club Italiano von Juni 1914; Original aus Sammlung Rolf Ackermann

Die Auflage von 160.000 Stück ist für das Jahr 1914 bemerkenswert hoch, auch wenn sicher nicht alle Exemplare an die italienischen Clubmitglieder (“soci”) gingen.

Zum Vergleich: Im Deutschen Reich gab es Mitte 1914 insgesamt gerade einmal 95.000 PKW, Motorräder und LKW (Quelle: Otto Meibes, Die deutsche Automobilindustrie, 2. Auflage, 1928).

Insofern scheint das Automobil kurz vor dem 1. Weltkrieg in Italien mindestens eine derartige Aufmerksamkeit genossen zu haben wie in Deutschland.

Zurück zum italienischen Adler – dem Aquila aus Turin. In der erwähnten Zeitschrift von Juni 1914 findet sich eine lobende Besprechung (oder eher als solche verkappte Reklame) des kleinen Vierzylindertyps K mit 15 PS Leistung:

Mitgliederzeitschrift des Touring Club Italiano von Juni 1914; Original aus Sammlung Rolf Ackermann

Hervorgehoben wird die Belastbarkeit und absolute Zuverlässigkeit der Konstruktion, die viele tausend Kilometer klaglos bei moderatem Benzinverbrauch absolviert, wie Langstrecken-Prüfungen in Frankreich erwiesen haben.

Am Ende wird neben dem 15 PS-Typ ein weiteres Vierzylindermodell mit 30 PS Spitzenleistung sowie ein großer Sechszylinder erwähnt, der 50 PS leistet, außerdem ist die Rede von Einbaumotoren mit bis zu 200 PS.

Hier haben wir noch einmal den kompakten Aquila K-Typ von 1914 in der Ausführung als offener Zweisitzer mit sportlich anmutenden Drahtspeichenrädern:

Mitgliederzeitschrift des Touring Club Italiano von Juni 1914; Original aus Sammlung Rolf Ackermann

Nur ein Jahr später, im August 1915, werden in der Mitgliederzeitschrift des Touring Club Italiano erneut die Meriten des Aquila Tipo K hervorgehoben.

Dabei wird auf die laufende Verbesserung im Detail hingewiesen, die sich nicht notgedrungen auch in äußerlichen Merkmalen niederschlagen muss.

Immerhin wird nun neben dem bereits bekannten Sport-Zweisitzer auch eine fünfsitzige Tourenwagenausführung gezeigt, außerdem eine LKW-Version:

Mitgliederzeitschrift des Touring Club Italiano von August 1915; Original aus Sammlung Rolf Ackermann

Inzwischen ist der 1. Weltkrieg in vollem Gang und seit Mai 1915 befindet sich Italien im Krieg gegen Österreich-Ungarn, ohne bis Kriegsende 1918 wirklich relevante Gebietsgewinne erzielen zu können. Die gab es dafür anschließend anstrengungslos in Form von Südtirol.

Unterdessen hatte die Fabbrica Italiana d’Automobili Aquila bereits 1917 die Segel gestrichen. Der einstige Chefkonstrukteur Giulio Cesare Cappa sollte später bei Fiat und anderen italienischen Herstellern wie Ansaldo und OM noch zu großer Form auflaufen.

Das aber ist eine andere Geschichte, die nichts mehr mit dem Adler aus Turin zu tun hat…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.