Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: “Geht doch!” ist nicht mit der Anweisung an den ordinären Untertan zu verwechseln, sich wieder per pedes zur Arbeit aufzumachen, wenn man sich kein Elektroauto leisten kann. Denn man kann ja auch mit dem Rad fahren wie vor dem Krieg, nicht wahr? – Kleiner Scherz am Rande…
Wer meinen Blog schon länger verfolgt, der weiß, dass ich die Auffassung vertrete, dass das Automobil für jedermann die demokratische Erfindung schlechthin ist – eine Errungenschaft, die es gegen Kreise hierzulande zu verteidigen gilt, die Auto- und Flugverkehr ganz gern wieder für den neuen Adel unserer Tage reservieren möchten.
Nein, “Geht doch!” ist heute bloß ein Ausruf, der meiner Zufriedenheit mit der Tatsache Ausdruck verleiht, dass immer noch prächtige Zeugnisse sonst nur mäßig dokumentierter Fahrzeuge aus der automobilen Kinderstube auftauchen.
Heute darf ich das am Beispiel eines Wagens der Marke Loreley illustrieren, die 1906 von der Maschinenfabrik Rudolf Ley im thüringischen Arnstadt ins Leben gerufen wurde.
Den Anfang machte ein 6/10 PS-Vierzylindertyp, der auf zeitgenössischen Reklamen auch mit “9-10 PS” beworben wurde, was sich damals noch auf die Dauer- bzw. Spitzenleistung bezog und nicht als “9/10 PS”-Angabe (Steuer-PS/Nennleistung) zu interpretieren ist.
Verfügbar war dieses Modell als Zweisitzer mit kurzen Radstand, aber auch als vollwertiger Tourer (damals oft noch “Doppel-Phaeton” genannt). Bis 1908 wurde die Spitzenleistung bei annähernd unverändertem Hubraum (1,5 Liter) auf 14 PS erhöht.
Eine sehr mäßige Prospektabbildung dieses 6/14 PS-Loreley mit viersitzigem Aufbau findet sich etwa im Standardwerk “Autos in Deutschland 1885-1920” von Hans-Heinrich v. Fersen, das auch nach bald 60 Jahren mitunter noch gute Dienste tut.
Schon deutlich besser ist die Abbildung eines Loreley-Tourers 6/14 PS, die sich auf der Ley-Website von Manfred Kaiser in der Rubrik “Automobilbau” findet. Aus ähnlicher Perspektive, nämlich von der Seite, ist ein weiterer Wagen dieser Ausführung in “Autoland Thüringen” von Horst Ihling abgebildet (S. 36).
Bloß die ideale Ansicht schräg von vorne, die blieb uns bis dato vorenthalten, wenn ich das richtig sehe. Doch dank des Sammlerglücks von Matthias Schmidt aus Dresden kann ich heute rufen: “Geht doch!”

Jetzt wissen wir auch, wie der Kühler eines solchen frühen “Ley-Wagens” aussah, in dem sich hier einige junge Herren haben ablichten lassen.
Die Ausführung des “Loreley”Schriftzugs scheint es übrigens so nur bis 1909 gegeben zu haben, was ausgezeichnet zu dem Erscheinungsbild des Autos passt, das man auf jeden Fall auf “vor 1910” datiert hätte.
Da das Auto etwas mitgenommen aussieht, könnte ich mir eine Entstehung des Fotos kurz vor dem 1. Weltkrieg, vielleicht sogar noch kurz danach vorstellen. So oder so gehörte ein solcher Loreley wie auch der dahinterstehende “Adler” bereits zum alten Eisen.
In der Frühzeit entsprachen fünf Jahre einer ganzen Automobilgeneration – heute undenkbar. Undenkbar wäre damals gewesen, dass sich 100 Jahre später praktisch jedermann (noch…) ein eigenes Fahrzeug leisten kann.
Wollen wir wirklich wieder zurück in die Klassengesellschaft, in der individuelle Mobilität das Privileg weniger Gutsituierter (bzw. vom Steuerzahler Ausgehaltener) ist?
“Geht gar nicht!” – ist meine Antwort.
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.