Mehr als drei Jahre ist es her, dass ich hier erstmals einen Wagen der Firma Mannesmann anhand eines zeitgenössischen Originalfotos vorstellen konnte.
Das Gefährt kam mir so exotisch vor, dass ich es seinerzeit als “Fund des Monats” präsentierte.
Das verdiente es auch im Hinblick auf die exklusive Karosserie, der zu verdanken ist, dass sich ebendiese Aufnahme auf S. 266 der Neuauflage des Klassikers “Deutsche Autos 1920-1945” von Werner Oswald (2019) wiederfindet:

Inzwischen könnte ich mit den Fotos aus meiner Sammlung und denen Gleichgesinnter ganze Bände füllen. So gesehen hat sich mein 2017 gestarteter Blog ausgezahlt.
Noch nie in der Nachkriegszeit stand einer breiten Öffentlichkeit eine derartige Vielfalt und Masse an Dokumenten zu Vorkriegs-Automobilen im deutschen Sprachraum zur Verfügung – und das kostenlos (für Leser, nicht für uns Sammler, die hier ihre Schätze ausbreiten).
Neben den Kontakten und der Resonanz von mehreren tausend Besuchern monatlich hat mir mein zugegeben laienhafter Ansatz, ohne speziellen Schwerpunkt, aber beharrlich alte Autofotos zu besprechen, selbst eine steile Lernkurve beschert.
Will heißen: Was mir noch vor einiger Zeit exotisch vorkam wie die Automobile von Mannesmann, beginnt immer häufiger zur Selbstverständlichkeit zu werden. Ich mache dies daran fest, dass eine Marke in meinen Fotogalerien plötzlich eine eigene Kategorie erhält.
Das markiert dann das Ende des Nischendaseins, und genau das ist inzwischen mit Mannesmann-Automobilen geschehen, für die es nun eine separate Galerie gibt.
Dazu tragen immer wieder Aufnahmen von Sammlerkollegen aus der ganzen Welt bei, die nicht “Bildrechte” an Papierabzügen reklamieren, die sie auf dem Flohmarkt oder im Netz erstanden haben, sondern einfach herzeigen, was sie an Land gezogen haben.
Ein Beispiel dafür ist dieses Foto, das Jason Palmer aus Australien beigesteuert hat. Er ist selbst Besitzer diverser Vorkriegsfahrzeuge und interessiert sich unter anderem auch für deutsche Fabrikate der zweiten Reihe.
Diese Aufnahme ist seiner Sammelleidenschaft zu verdanken:

Dass es sich um einen Mannesmann handeln könnte, das vermutete Jason bereits selbst. Ich will nicht wissen, wieviele “Experten” das hierzulande hinbekämen.
Weit davon entfernt, selbst ein Spezialist für solche weniger gängigen Fahrzeuge zu sein, konnte ich nachweisen, dass es sich in der Tat um einen Mannesmann handelt.
Möglich war dies, weil Matthias Schmidt aus Dresden – neben Klaas Dierks und Marcus Bengsch eine meiner wertvollsten Quellen hervorragender Fotodokumente – eine Aufnahme genau eines solchen Fahrzeug beisteuern konnte.
Ich habe schon viel gesehen, aber es macht mich selbst immer noch sprachlos, was nach fast 100 Jahren an Originalmaterial in publikationsfähiger Güte auftaucht – es scheint bloß kaum einen der “Experten” zu interessieren, die mehr daraus machen könnten.
Also machen wir eben hier etwas damit:

Der Tourenwagen auf dieser idealen Aufnahme entspricht bis ins letzte Detail – die Insassen ausgenommen – dem Auto auf Jason Palmers Foto.
Genau so sah ein Mannesmann des Typs WII 5/20 PS aus, wie er ab 1923 in unbekannter Stückzahl gebaut wurde. Selbst der Suchscheinwerfer und der Fahrterichtungsanzeiger zu beiden Seiten der Windschutzscheibe stimmen überein.
Sehr schön lassen sich hier Details studieren, welche sich bei anderen solcher Kleinwagen der 20er Jahre nicht finden und so zur Identifikation beitragen.
Bemerkenswert ist zum einen das weit nach oben reichende Blech, welches auf dem hinteren Kotflügel angebracht ist. Markant ist zum anderen die nach innen geneigte statt sonst vertikale Schwellerpartie zwischen Trittbrett und Aufbau mit dem durchbrochen gearbeiteten Schutzblech unterhalb der Tür – wie damals üblich von innen zu öffnen.
Entscheidend für die Identifikation des Wagens als Fabrikat von Mannesmann ist etwas anderes – die eigenwillige Markenplakette auf dem Kühler mit gehämmerter Oberfläche:

Vielleicht hat ein Leser eine Idee zur Bedeutung der beiden “Augen” links und rechts des Markenschriftzugs, die durch die Gestaltung des Kühlerblechs noch akzentuiert werden.
Bei der Gelegenheit sei auch auf das “M” auf der Name der Drahtspeichenräder verwiesen, das ebenfalls typisch für die Marke war. Das war seinerzeit das Detail, das mir den Schlüssel zur Identifikation des Wagens auf dem eingangs gezeigten Foto lieferte.
Bemerkenswert finde ich an dieser Stelle auch das Blech, welches auf der Innenseite des in Fahrtrichtung links befindlichen vorderen Rahmenauslegers angebracht ist. Selbiger war in Form eines auf der Seite liegenden “U” ausgeführt, sodass wir hier eigentlich in den Hohlraum des Rahmens schauen können müssten.
Ein solches Blech zur optischen “Glättung” des Rahmens ist mir noch nicht begegnet. Man lernt nicht aus, was die Automobile der 20er Jahre angeht,
Damals entwuchs das Auto der Nische. Ob es dort wieder verschwinden wird, wie es die heimliche Agenda der Ideologen zu sein scheint, die Verbrennerwagen verbieten wollen, bleibt abzuwarten.
Ich glaube das nicht, bin aber auch bereit, das Benzin künftig wieder in der Apotheke zu kaufen wie einst Bertha Benz, für mich die eigentliche Erfinderin des Automobils.
Mit ihrer kühnen Fahrt sorgte sie 1888 dafür, dass der von ihrem entscheidungsschwachen Ehemann entwickelte Wagen, in den sie ihre Mitgift investiert hatte, endlich raus aus dem Schrauberstadium und dorthin kam, wo er hingehörte – auf die Straße.
Und das gilt für Vorkriegsautos allgemein: Raus aus der Nische – hinein ins Vergnügen!
Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.