Reif für die Insel – das sind alle die, denen der deutsche Hang zur kollektiven Neurose auf die Nerven geht – aktuell etwa in Form von Dieselverteufelung, Klimapanik und Gender-Gaga.
Reif für die Insel sind auch die, die fassungslos sind, weil in einem Land mit rekordverdächtiger Abgabenhöhe und Vorschriftendichte berufs- und bildungsfernen Politikern nur eines einfällt: noch mehr Verbote und Ablasszahlungen.
Wen außerdem der funktionalistische Furor vieler Landsleute in Form grauer Schutthalden statt Vorgärten, Hochglanzdachziegeln und dezimeterdicker Fassadendämmung an Altbauten abstößt, dem bleibt nur eines: ab auf die Insel!
Auf meinem alljährlichen Trip zum Goodwood Revival im englischen Sussex ist mir diesmal mehr noch als sonst der heilsame Kontrast zu deutschen Gefilden aufgefallen.
Jedem ist zu empfehlen, sich selbst ein Bild des auf dem Lande herrlich historisch gebliebenen Englands zu machen, um festzustellen, welche Verwüstungen bei uns die “Moderne” angerichtet hat – real und in den Köpfen.
Um zu verdeutlichen, was ich meine, hier einige Schnappschüsse ohne fotografischen Anspruch, die ich auf meiner Reise zu meinem B&B und dortselbst gemacht habe:
Traditionspflege und der Erhalt des Erbes der Altvorderen wird in England ganz großgeschrieben. Man weiß dort: Der sogenannte Fortschritt vollzieht sich ohnehin, da muss man nicht in vorderster Front dabei sein und schon gar nicht in großmäuliger “Wer, nicht wenn wir”-Manier das Vorbild geben wollen.
Gewissermaßen das Hochamt der britischen Traditionspflege ist zweifellos das “Goodwood Revival Meeting” in der Nähe der altehrwürdigen Römer- und Bischofsstadt Chichester in West Sussex.
Dort geht es um weit mehr als “nur” historischen Motorsport mit Wagen der 1930er bis 60er Jahre auf dem legendären Kurs rund um einem einstigen Weltkriegsflugplatz. Es geht um die Wiederauferstehung einer ganzen Epoche, die in vielerlei Hinsicht nicht einfach war, uns heute aber dafür in anderer Hinsicht fast heiter und unkompliziert erscheint.
Das erklärt die Begeisterung, mit der zehntausende Goodwood-Besucher in “period dress” schlüpfen, oft ganze Familien. Bei keiner Klassikerveranstaltung ist daher auch der Frauenanteil so hoch. Kein Wunder: In der Öffentlichkeit wagt sich in unserer angeblich so liberalen Zeit kaum noch jemand so attraktiv zurechtgemacht auf die Straße oder ins Büro – man könnte ja “Geschlechterstereotype” bedienen.
Hier eine wiederum subjektive Auswahl entsprechender Beispiele vom ersten Tag der diesjährigen Veranstaltung:
Doch bleiben hier nicht die Vorkriegsautos ein wenig auf der Strecke? Keine Sorge, auch sie kommen ausführlich zu ihrem Recht.
In der ersten Runde zeige ich Aufnahmen, die eine oberflächliche Vorstellung davon vermitteln, welche Unmengen an Prestigeautos der 1920/30er Jahre in Goodwood ihre Aufwartung machen.
So waren dutzende mächtiger Bentleys im Sportdress bei einem Sonderlauf auf der Strecke zu sehen. In ähnlicher Form wird einem das aber auch bei den Classic Days auf Schloss Dyck geboten.
Abwechslungsreicher fand ich daher die zahlreichen “normalen” Vertreter der britischen Nobelmarke, die man hierzulande fast nie zu sehen bekommt. Viele dieser Prachtexemplare stehen in Goodwood für jedermann zugänglich einfach auf dem Besucherparkplatz herum:
Daneben gibt es noch die beiden Kategorien der Alltagsfahrzeuge und Exoten, die ebenfalls in großer Zahl auf eigener Achse angereist sind, einige sogar vom Kontinent – sie sind im nächsten Teil meines Berichts an der Reihe.
Außerdem will ich nach und nach zu Wagen besonderen Kalibers individuelle Porträts im Blog bringen. Vielleicht wird durch den Genuss dieser Bilder ja noch der eine oder andere ebenfalls “reif für die Insel”, wenn er es nicht ohnehin schon ist.
Ich bin wahrlich kein Freund von Massenveranstaltungen, aber beim Goodwood Revival Meeting fällt es unendlich leicht, in die Menge einzutauchen. Hier feiert sich das alte Europa, und auch wenn man ein halbes Dutzend Sprachen zu hören bekommt, hat man das Gefühl, unter sich zu sein – wenn der Leser weiß, was ich meine.
Ich wüsste keinen anderem Ort, an dem einem so viele glückliche Menschen begegnen – und das hat nur zu einem Teil mit den herrlichen alten Autos zu tun…