Aller guten Dinge sind drei: Noch ein Kühn 8/40 PS

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum der Zahl “Drei” in so vielen Zusammenhängen besondere Bedeutung beigemessen wird?

In der christlichen Theologie kennt man die heilige Dreifaltigkeit, unter Autonarren den kaum weniger heiligen Dreier-BMW und in der Vorstellung verwirrter Ideologen drei Geschlechter (mindestens).

Da ich weder zum Glauben noch zum Aberglauben neige, halte ich es mit der nüchternen Feststellung, dass alle Zahlen bis 12 in der fernöstlichen wie abendländischen Tradition eine besondere Bedeutung haben können – man sucht sich halt das heraus, was gerade passt.

Heute ist es das Motto “Aller guten Dinge sind drei”, das ganz ausgezeichnet zu dem passt, was ich präsentieren möchte.

Denn fast anderthalb Jahre, nachdem ich den nur Spezialisten bekannten Kühn 8/40 PS als Fund des Monats anhand von zwei Aufnahmen zeigen konnte, ist mir dieser Tage ein drittes Foto “zugelaufen”, welches einen weiteren Wagen dieses Typs zeigt.

Regelmäßige Leser meines Blogs erinnern sich vielleicht an dieses bemerkenswerte Dokument:

Kühn 8/40 PS am Josephskreuz; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Foto hatte ich über die Jahre immer wieder vergeblich studiert, bis dann irgendwann der Groschen fiel – das ist ein Kühn 8/40 PS!

Dabei handelte es sich um ein Eigengewächs der Karosseriebaufirma Otto Kühn aus Halle (Saale), welches sich der Technik des Opel-Sechszylindertyps 8/40 PS bediente. Wie es scheint, wurde dieser Wagen nur 1928/29 gebaut, die Stückzahl ist unbekannt.

Gemessen an der Häufigkeit von Fotos dieses speziellen Wagens dürfte eine hohe zweistellige oder niedrige dreistellige Zahl in Betracht kommen. Denn ganz so furchtbar selten sind zeitgenössische Aufnahmen dann doch nicht.

In der Neuauflage von Werner Oswalds Standardwerk “Deutsche Autos 1920-45″ (Motorbuch-Verlag, 2019) findet sich auf S. 257 ein Foto aus der Sammlung von Gerd Klioba, das mir überhaupt erst die Identifikation “meines” Kühn 8/40 PS ermöglichte.

Daraufhin stieß ich selbst auf ein zweites Exemplar :

Kühn 8/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dies war die bis dato beste Aufnahme eines Kühn 8/40 PS – man erkennt hier gut die eigenständige Kühlerform mit der Mittelstrebe, dem Markenemblem und der Kühlerfigur, die an das Wappen von Halle (Saale) erinnert.

Hat man einmal diese Frontpartie gesehen, erkennt man sie unter tausenden Vorkriegswagen wieder – und so gelang mir schließlich ein dritter Fund, der das Motto meines heutigen Blog-Eintrags rechtfertigt.

So genügte ein kurzer Blick auf diesen im Original größeren und ziemlich verblassten Abzug, um zu vermuten, dass sich hier ein weiterer Kühn verbirgt:

Kühn 8/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser in Berlin zugelassene Kühn 8/40 PS ist unter den mir bisher bekannten Vertretern seines Typs insofern einzigartig, als er auf dem Schweller unterhalb der Türen zwei Schutzbleche trägt, die in dieser Form an Opel-Wagen ab 1929 verbaut wurden.

Zuvor waren diese Bleche oben abgerundet und trugen das berühmte Opel-“Auge”. Demnach dürfte dieser Kühn 8/40 PS zu den letzten produzierten Wagen seines Typs gehört haben. Ab 1930 beschränkte man sich in Halle wieder auf den Karosseriebau.

Wem auf dieser Aufnahme zuviele Menschen zugegen sind und zuwenig vom Auto zu sehen ist, dem kann geholfen werden.

So dachte ich mir “Aller guten Dinge sind drei” und entschied mich für einen Ausschnitt, der das menschliche Getümmel auf’s Wesentliche reduziert – Vater, Mutter, Kind:

Zu diesem klassischen Familienmodell passt der Wagen ideal, auch für den Fall weiteren, vielleicht etwas verspäteten Nachwuchses.

Anfang der 1930er Jahre begann so ein Kühn 8/40 PS bereits ziemlich “alt” auszusehen und wir dürfen davon ausgehen, dass er noch vor Kriegsbeginn einem moderneren Modell wich.

Speziell in großen Städten wie Berlin war kein Raum, um ein solches in die Jahre gekommenes Automobil einfach irgendwo abzustellen, weil man an ihm hing oder schlicht weil der nächste Schrottplatz zu weit weg war.

Selbst wenn dieser Kühn 8/40 PS noch länger treue Dienste verrichtete – ein 40 PS-Sechszylinder war auch in den 1930er Jahren nicht zu verachten – wird seine letzte Stunde spätestens beim großen “Aufräumen” nach dem Krieg geschlagen haben.

So vermute ich, dass heute keiner dieser Wagen auf Opel-Basis mehr existiert. Doch man soll niemals nie sagen – eine Volksweisheit, der ich aus Erfahrung schon eher zuneige als “Aller guten Dinge sind drei” – und vielleicht weiß ja jemand mehr in dieser Hinsicht…

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Fund des Monats: Kühn 8/40 PS Cabriolet

Ende Juni 2020 – höchste Zeit für den Fund des Monats. Beinahe könnte ich auch den Fund des Jahres präsentieren, doch der ist noch mit der Post unterwegs.

Nicht weiter schlimm, auf ein Dokument aus dem Jahr 1908, das Jahrzehnte auf einem Thüringer Dachboden zugebracht hat, kann man nach so langer Zeit noch ein wenig warten.

So belasse ich es heute bei einer Zeitreise in die späten 1920er und frühen 1930 Jahre – aber die Freunde automobiler Vorkriegsraritäten werden auch so auf ihre Kosten kommen, da bin ich sicher.

Dabei begegnen wir in gewisser Weise einem alten Bekannten aus dem Hause Opel – dem Sechszylindertyp 8/40 PS, den ich schon anhand einiger hübscher Fotos vorgestellt habe. Stellvertretend dafür steht dieses hier:

Opel 7/34 oder 8/40 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese vollkommen konventionelle Limousine baute Opel von 1927 bis 1930 mit einem Sechszlindermotor – anfänglich als 7/34 PS-Modell, später mit 8/40 PS-Antrieb.

Der Wagen war ein Versuch der Rüsselsheimer, den seinerzeit ungemein erfolgreichen US-Großserienfahrzeugen etwas entgegenzustellen. Den in punkto rationeller Produktion überlegenen amerikanischen Marken konnte man damit zwar nicht ernsthaft Paroli bieten, doch immerhin fand Opel in dem Segment einige patriotische Käufer.

Da den dominanten US-Herstellern im Massengeschäft kaum beizukommen war, verlegten sich manche deutsche Marken damals auf Nischen, in denen sie ein Auskommen sahen. Das führte zu einigen interessanten Entwicklungen, die zwar letztlich Sackgassen darstellten, für den Chronisten jener Zeit aber von großem Reiz sind.

Ein außergewöhnliches Beispiel dafür ist hier zu sehen:

Kühn 8/40 PS Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Foto habe ich vor längerem erworben, da mir die Aufnahmesituation reizvoll erschien, den Wagen hatte ich dabei weniger im Auge – der würde sich nebenbei schon ansprechen lassen, so dachte ich.

Allerdings wollte mir trotz einiger Anläufe partout nichts davon gelingen. Weder konnte ich den Aufnahmeort mit der charakteristischen Jugendstil-Stahlkonstruktion identifizieren, noch den Autotyp näher eingrenzen.

Immerhin gelang es mir nach einiger Zeit mit Hilfe eines anderen Vorkriegsenthusiasten – Profi-Restaurator Martin Möbus, zumindest den Ort der Aufnahme herauszufinden.

Es handelt sich um den 38 Meter hohen Aussichtsturm “Josephskreuz” auf dem Großen Auerberg bei Stolberg (Südharz), der 1896 in weniger als vier Monaten errichtet wurde. Das wäre auch heute eine phänomenale Leistung – wenn man noch Leute fände, die in dieser Zeit über 100.000 traditionelle Nietverbindungen zuwegebekämen…

Doch das dort einst abgelichtete Auto – offenbar ein Zweifenster-Cabriolet – bereitete weiterhin Schwierigkeiten:

Anfänglich dachte ich an einen Röhr – tatsächlich weist der Wagen auf den ersten Blick einige Ähnlichkeit mit dem Typ 8 R von Ende der 1920er Jahre auf.

Doch die Mittelstrebe auf dem Kühler und die Kühlerfigur sprachen dagegen, wenngleich die Scheibenräder mit vier Radbolzen eine Gemeinsamkeit darstellten.

Erst durch Zufall gelang mir die Identifikation – und zwar anhand eines zweiten Fotos, das ein weiteres Cabriolet desselben Typs zeigt:

Kühn 8/40 PS Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Abgesehen vom geöffneten Verdeck und dem Fehlen der Doppelstoßstange entspricht dieser Wagen vollkommen demjenigen auf der vorherigen Aufnahme. Hier kann man nun auch die Kühlerfigur und das Markenemblem besser erkennen.

Beide Elemente sagten mir zunächst nichts, bis ich eine exakte Entsprechung in der 2019 erschienenen Neuauflage von Werner Oswalds Klassiker “Deutsche Autos 1920-1945” entdeckte (S. 257). Demnach handelt es sich bei dem Auto um einen Kühn 8/40 PS – eine Entwicklung der Karosseriebaufirma Otto Kühn aus Halle (Saale).

Das Unternehmen hatte bis dato nur Aufbauten unter anderem für Opel geliefert, fertigte aber Ende der 1920er Jahre mit individuellem Chassis und Aufbau aber auch ein 8/40 PS Modell, das sich der Technik des entsprechenden Opel-Typs bediente.

Die Aufnahme lief im Mai 1935 als Postkarte – man erkennt rechts unten noch den Abdruck des rückwärtigen Poststempels:

Der Wimpel verweist wohl auf eine von den Nationalsozialisten “gleichgeschaltete” (sprich: verstaatlichte) Organisation – sicher weiß ein Leser mehr dazu.

Die Kühlerfigur scheint typisch für Kühn-Wagen gewesen zu sein, wenngleich mir nicht klar ist, was sie darstellt (auch hier bin ich für Leserhinweise dankbar).

Das Eichel-Emblem auf dem Kühler in Fahrtrichtung links verwies seit den späten 1920er Jahre auf eine Entstehung in Deutschland, während mir das herzförmige Emblem auf der anderen Seite nichts sagt.

Dem Kennzeichen nach zu urteilen war der Kühn im Raum Greiz im östlichen Thüringen zugelassen. Das Kind auf dem Trittbrett mag zum Aufnahmezeitpunkt in den frühen 1930ern vier bis fünf Jahre alt gewesen und könnte hochbetagt noch unter uns weilen.

Wahrscheinlicher ist aber, dass dieses Foto aus einem Nachlass stammt, der niemanden mehr interessiert – außer uns Vorkriegsautofreunden, für die ein solcher Fund ein Glücksfall ist, auch wenn wir leider sonst nichts über die Umstände mehr wissen…

Was aber wurde aus dem Karosseriewerk Kühn? Nun, trotz zwischenzeitlicher Insolvenz im Jahr 1931 hielt man sich mit Sonderkarosserien für Opel über Wasser. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Firma von den Kommunisten enteignet und mit Kathe zum Staatsbetrieb Karosseriewerk Halle zusammengelegt…

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.