Das Konzept eines Wagens mit Stromlinienkarosserie und Heckmotor war vor den Erfolgsmodellen von Tatra und Volkswagen bereits von einer Reihe anderer Hersteller in Prototypen erprobt worden. Die frühesten Beispiele dafür stammen aus der Mitte der 1920er Jahre (Claveau).
Von diesen Vorläufern kam der ab 1928 in England entwickelte Burney Streamline der Serienproduktion am nächsten. Zeitweilig interessierte sich sogar Rolls-Royce für den eigenwilligen Wagen.
© Burney Streamline; Bildquelle: http://www.crossley-motors.org.uk
Letztlich übernahm ein anderer britischer Hersteller die Patente von Burney – Crossley aus Manchester. Crossley war eine der vielen Marken, die bis zum Zweiten Weltkrieg hochwertige Automobile bauten, aber mangels Großserienfertigung keine dauerhaften Erfolgschancen hatten.
Bereits vor Beginn der PKW-Produktion im Jahr 1904 genoss Crossley einen guten Ruf als Motorenbauer. In den 1920er Jahren tat man sich mit soliden, leistungsfähigen Fahrzeuge hervor, die auf Käufer mit speziellem Geschmack abzielten. Eine Weile baute man auch den Bugatti Typ 23 “Brescia” in Lizenz, was den Rang der Marke unterstreicht.
Das seltene Glück, einem der Überlebenden der insgesamt rund 19.000 gebauten PKW von Crossley zu begegnen, hatte der Verfasser beim Goodwood Revival Meeting 2015 in Südengland. Dort war auf dem für Klassikerbesitzer reservierten Besucherparkplatz ein Crossley 19.6 hp von 1923 in der raren Karosserieversion “2-door sports” zu bewundern.
© Crossley 19.6hp von 1923, Goodwood Revival 2015; Bildrechte: Michael Schlenger
Während die Linienführung der PKW von Crossley meist konservativ blieb, beschritt man Anfang der 1930er Jahre mit einem auf dem Burney Streamline basierenden Modell einen denkbar unkonventionellen Weg.
Für den neuen Crossley RE Streamline kombinierte man den Entwurf von Burney mit einer traditionellen Frontpartie, verkürzte das Chassis und verbaute im Heck statt des 8-Zylinders einen hauseigenen 6-Zylinder.
© Crossley Streamline; Bildquelle: http://www.crossley-motors.org.uk
Das Resultat hatte mit einem echten Stromlinienfahrzeug wenig gemein, was aber in den 1930er Jahren keine Seltenheit war. Viele Hersteller bedienten sich bestimmter Elemente der Stromlinie, um eine moderne Anmutung zu erreichen, ohne die Kundschaft mit gestalterischen Experimenten zu erschrecken (Beispiele hier).
Crossley gelang mit dem RE (“rear engine”) aber weder das eine noch das andere: So machte die Frontpartie die Bemühungen um eine windschlüpfrige Form zunichte, gleichzeitig fehlte dem Modell jede gestalterische Raffinesse.
© Crossley Streamline aus dem National Motor Museum Beaulieu; Bildquelle: http://www.crossley-motors.org.uk
Kaum verwunderlich, dass die Produktion dieses unharmonischen Gefährts im Jahr 1934 nach nur rund 20 Exemplaren wieder eingestellt wurde. Mindestens zwei davon existieren noch.
Crossley baute nach dieser gescheiterten Rolle rückwärts noch bis zum 2. Weltkrieg herkömmliche PKW-Modelle und beschränkte sich später auf den Motoren- und Omnibusbau.
Doppelstockbusse sollten in den 1950er Jahren die letzten Automobile sein, die das markante Templerkreuz von Crossley auf der Kühlermaske trugen. Immerhin erinnern einige überlebende Fahrzeuge an diese einst stolze Marke.
© Crossley 19.6HP, Goodwood Revival 2013; Bildrechte: Michael Schlenger