Wer meint, dass sich dem in fast 5 Millionen Exemplaren gebauten Model A von Ford keine ungewöhnlichen Seiten abgewinnen ließen, der unterschätzt vielleicht die enorme Wirkung, die der Nachfolger des ehrwürdigen Model T hatte.
Zwar wurde die “Tin-Lizzie” öfter gebaut, doch mehr als 1 Mio. Exemplare eines Typs pro Jahr zu bauen, das gelang Ford erst mit dem gründlich modernisierten Model A. Vor rund 90 Jahren war dies eine Leistung, die nach wie vor atemberaubend ist.
Was brächten die damaligen Konstrukteure und Logistiker von Ford mit dem heutigen technologischen Instrumentarium wohl zuwege? Wäre die moderne Rechenleistung für sie Hindernis oder Beschleuniger ihres Könnens?
Jedenfalls war das Umfeld ein ganz anderes: härtere Auswahl der verfügbaren Talente, striktere Arbeitsdisziplin sowie größere Verantwortung und besserer Überblick der Personen in entscheidenden Positionen.
So streng arbeitsteilig die Herstellung nämlich angelegt war, so stark konzentrierte sich die Konstruktion auf eine überschaubare Zahl an Personen – heute undenkbar. Von daher ließe sich der Erfolg des Model A mit heutigen Mitteln kaum wiederholen
Vor über 80 Jahren wusste man auch hierzulande die Qualitäten des konsequent auf breite Käuferschichten abzielenden Ford Model A zu schätzen:

Ford Model A; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Diese schöne Aufnahme ist umseitig auf März 1935 datiert, als Aufnahmeort ist Harburg angegeben, seit 1938 ein Stadtteil Hamburgs.
Der fröhliche Matrose, der hier wohl zwischen Schwester und Mutter aufgenommen wurde, gehörte einer Einheit der deutschen Kriegsmarine an – leider ist die Beschriftung seiner Schirmmütze auch im Original schwer leserlich:
Laut Auskunft eines Lesers hat der Matrose auf einem Minen-, Torpedo- oder Uboot gedient.
An sich dient diese Aufnahme eines Ford Model A aus dem Deutschland der 1930er Jahre lediglich als Beleg für die internationale Verbreitung dieses Typs.
Tatsächlich wurde der Ford A ab 1931 sogar hierzulande gebaut – im Kölner Ford-Werk, dessen Grundstein Henry Ford mit Bürgermeister Konrad Adenauer legte. Ein Jahr später begann auch in der Sowjetunion die Lizenzproduktion des Ford A.
Man sieht daran: Globalisierung ist ein alter Hut und das Foto, um das es eigentlich geht, ist ein noch besseres Beispiel dafür als obiger Schnappschuss für’s Familienalbum.
Es liegen nur wenige Jahre zwischen den beiden Aufnahmen, aber historisch und geografisch gesehen stammen sie aus zwei Welten:

GAZ AA; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Altfordfreunde werden hier vermutlich auf ein Model A tippen, das von der deutschen Wehrmacht irgendwo im Krieg zum Behelfs-LKW umfunktioniert wurde.
Die Richtung stimmt, doch ganz so einfach ist die Sache nicht.
In der Tat produzierte Ford eine Nutzfahrzeugversion des Model A. Das mit stärkerem Chassis und anderer Getriebeabstimmung ausgestattete, aber identisch motorisierte Modell firmierte als Model AA.
Doch unser Foto zeigt keinesfalls einen solchen Ford Model AA.
Das Markenemblem auf dem Kühler und der kyrillische Schriftzug auf der Frontscheibe sprechen eine andere Sprache:
Hier haben wir einen Ford AA-Lizenznachbau des russischen Herstellers Gorkovsky Avtomobilny Zavod (GAZ) vor uns, der von der Wehrmacht an der Ostfront erbeutet und in ihren Fuhrpark aufgenommen wurde.
Der Soldat, der hier auf dem Schutzblech posiert, war ein Gefreiter – also einer von Millionen Wehrpflichtigen, die den fatalen Ostfeldzug des nationalsozialistischen Regimes auszubaden hatten.
Wie das taktische Zeichen auf dem in Fahrtrichtung linken Kotflügel verrät, haben wir es wohl mit einem Angehörigen einer Werkstattkompanie zu tun, die hinter der Front Reparaturarbeiten verrichtete.
Diese Männer wussten, was sie an den fast unzerstörbaren Ford-Konstruktionen jener Zeit hatten, auch wenn sie aus den Fabriken des Gegners stammten, wo sie hunderttausendfach produziert wurden.
So mag der unbekannte Gefreite auf dem Foto eine freie Minute dazu genutzt haben, sich von einem Kameraden neben dem treuen GAZ/Ford AA ablichten zu lassen – irgendwo in den Weiten Russlands – fern der Heimat.
Das Foto hat es trotz eines weiten Wegs bis in das 21. Jahrhundert geschafft. Was aus dem darauf abgebildeten Soldaten oder auch aus dem eingangs gezeigten Angehörigen der Kriegsmarine wurde, wissen wir wie so oft leider nicht.