„Brennabor“-Tourenwagen Typ P der 1920er Jahre

Die Verfügbarkeit historischer Fotografien klassischer Automobile ist nicht nur eine Funktion der einstigen Verbreitung der Fahrzeuge. Entscheidend ist auch, ob eine Marke im kollektiven Bewusstsein noch präsent ist.

So genießen unter den deutschen Autoherstellern nicht mehr existierende Marken wie Adler, DKW und Horch noch einen gewissen Bekanntheitsgrad. Das liegt entweder daran, dass sie nach dem Krieg noch eine Weile weiterbestanden, wenn auch nicht immer als Autoproduzent (wie Adler). Oder es hat damit zu tun, dass die Produkte so herausragend waren, dass sie immer noch begehrt sind (Bsp. Horch).

Schlecht sieht es dagegen bei Herstellern eher unspektakulärer Fahrzeuge aus, die um 1930 untergingen. Meist wird für das Massensterben europäischer Automarken in jener Zeit die Weltwirtschaftskrise verantwortlich gemacht. Doch fast immer waren eine verfehlte Modellpolitik und unwirtschaftliche Produktion die Ursache.

Ein Beispiel dafür ist die Marke Brennabor aus Brandenburg, die von 1908 bis 1933 mit wechselndem Erfolg Automobile baute. Nach dem 1. Weltkrieg war Brennabor kurze Zeit der Hersteller mit der höchsten Autoproduktion in Deutschland.

Folgendes Originalfoto zeigt einen Brennabor-Tourenwagen der späten 1920er Jahre, wahrscheinlich einen Typ P 8/32  PS:

Brennabor_Tourenwagen_Galerie

© Brennabor Typ P Tourenwagen, ca. 1925; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf ein solches Bild zu stoßen, ist reine Glückssache. Denn die Marke Brennabor kennt kaum mehr jemand, und der Tourenwagen könnte bei oberflächlicher Betrachtung alles Mögliche sein.

Im vorliegenden Fall wusste der Anbieter aber, was er da hat. Denn das Foto war von alter Hand rückseitig mit „Brennabor“ beschriftet. Wir haben keinen Grund, an der Richtigkeit zu zweifeln. Das in den 1920er Jahren rund 10.000mal gebaute 4-Zylindermodell der Marke mit 2,1 Liter Hubraum und 24 bzw. 32 PS sah genau so aus.

Zum Nachvollziehen und für Vergleichszwecke zwei Detailaufnahmen:

Brennabor_Tourenwagen_Frontpartie

Trotz Beschädigungen des Fotos, die einige Retuschen erforderten, lassen sich die schlichten Formen der Frontpartie gut erkennen. Interessanterweise sind keine Luftschlitze in der Motorhaube zu sehen.

Detailgenau abgebildet ist die geteilte, im Oberteil ausklappbare Windschutzscheibe. Ob sie auch komplett nach vorne umlegbar war, muss offen bleiben. Beeindruckend wirkt die Größe des Lenkrads. Schalt- und Handbremshebel liegen bei diesem Modell noch außen, was für eine Entstehung Anfang der 1920er Jahre spricht. Gebaut wurde der Typ als solcher bis 1927.

Brennabor_Tourenwagen_Heckpartie

Am Heck lässt sich die Gestaltung der hinteren Rahmenausleger, des Tanks und der Holzspeichenräder samt Nabenkappe schön studieren. Modelltypisch ist der markant gestaltete Werkzeugkasten am Trittbrettende. Ihn findet man in identischer Form auf der Abbildung einer Brennabor-Limousine des Typs P in Werner Oswalds Buch „Deutsche Autos 1920-45“.

Anhand dieser Details sollten sich die sonst wenig spezifische Tourenwagen von Brennabor auch auf anderen Fotografien identifizieren lassen. Nun noch ein Blick auf die Gesellschaft auf unserer Aufnahme:

Brennabor_Tourenwagen_Insassen

Besonders malerisch ist diese Dreiergruppe auf der Decke. Die beiden Damen lächeln versonnen, offenbar war es für sie ein glücklicher Tag. Der Herr mit den Schnürstiefeln wirkt durch den militärischen Haarschnitt etwas streng, macht aber ebenfalls einen entspannten Eindruck.

Übrigens: Zusammen mit dem Fotografen haben wir es mit insgesamt sechs Personen zu tun und darauf war der fast viereinhalb Meter lange Brennabor-Tourenwagen auch ausgelegt.

Der Zeitpunkt der Aufnahme dürfte in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre anzusiedeln sein. Der Kiefernwald und der sandig erscheinende Boden sprechen für einen Aufnahmeort in Brandenburger Raum. Doch auch eine Entstehung an der Ostseeküste ist denkbar. Näheres wissen wir leider nicht.

Besuch beim Truppenfriseur mit Adler 12N-3G Kübelwagen

In diesem Blog dreht sich zwar alles um historische Automobile – speziell solche der Vorkriegszeit.  Oft scheinen sie aber zunächst gar nicht im Mittelpunkt zu stehen. Vielmehr nähern wir uns ihnen – wie bei einer Oldtimerausfahrt – auf reizvollen Umwegen.

Heute steht ein Originalfoto aus dem 2. Weltkrieg am Anfang, das eine auf den ersten Blick beschauliche Szene zeigt:

Adler_Kübelwagen_bei_Brzeziny_Galerie

© Adler 12 N-3G Kübelwagen, 1939; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

An einem sonnigen Tag bekommt in einem Waldstück ein junger deutscher Wehrmachtsoffizier – zu erkennen an den Reithosen mit hohen Schaftstiefeln – einen militärisch korrekten Haarschnitt verpasst.

Im Hintergrund stehen diverse Fahrzeuge herum, teilweise mit geöffneten Motorhauben. Hier hat offenbar eine Heereseinheit eine Marschpause eingelegt – wann und wo, wird aus der Aufnahme selbst zunächst nicht klar.

Teil der idyllischen, von einem versierten Fotografen komponierten Aufnahme ist ein Wagen der Frankfurter Marke Adler. Den schauen wir uns näher an:

Adler_Kübelwagen_bei_Brzeziny_Ausschnitt

Wer das Bildporträt zum Adler Standard 6 auf diesem Blog gelesen hat, der erkennt die Kühlerpartie mit dem Adler-Emblem wieder. Doch kann man getrost ausschließen, dass es sich hier um einen solchen Wagen handelt.

Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs wurden vom deutschen Militär (und den anderen europäischen Kriegsparteien) zwar alle möglichen Zivil-PKW beschlagnahmt und ihrem Fuhrpark einverleibt. Doch konstruktiv aus den 1920er Jahren stammende Wagen blieben meist davon ausgenommen.

Die Ähnlichkeit hat einen anderen Grund: Adler baute auf Basis des Standard 6 ab Ende der 1920er Jahre Kübelwagen für die damalige Reichswehr. Mit seinem 50 PS leistenden 6-Zylinder-Motor erwies sich das schwere Vehikel aber untermotorisiert.

Daher folgte ab 1933 ein ebenfalls auf dem Standard 6 basierender Kübelwagen mit auf 60 PS gesteigerter Leistung. Von diesem Modell mit der Bezeichnung Adler 12N-3G wurden bis 1935 fast 2000 Exemplare gebaut – eines davon ist auf unserem Bild zu sehen.

Mehr von dem Modell zeigt die folgende Aufnahme (Ort und Datum unbekannt):

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© Adler 12 N-3G Kübelwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier erkennt man die waagerecht verlaufende Luftschlitze in der Motorhaube, wie sie Adler Standard 6 und das äußerlich fast identische 4-Zylinder-Modell „Favorit“ aufwiesen. Bis auf die voluminöseren Kotflügel scheint die gesamte Vorderpartie vom Zivilmodell übernommen worden zu sein.

Fahrgestell und hinterer Aufbau folgten einheitlichen Baumustern, die die Modellvielfalt an der Front verringern sollten. Dieses von „Schreibtischtätern“ ersonnene Konzept blieb aber auf halbem Wege stehen, da weiterhin jeder Hersteller von Kübelwagen konstruktive Eigenheiten einbrachte.

Für die benötigten geländegängigen, möglichst anspruchslosen Fahrzeuge wäre ein komplett einheitlicher, eigens für den Militäreinsatz entwickelter Typ die richtige Lösung gewesen. Erst der spätere VW Kübelwagen (Typ 82) und der amerikanische Jeep trugen dem umfassend Rechnung.

Hier noch eine seitliche Ansicht eines Adler 12N-3G  Kübelwagens, der bei einer Pause an einem unbekannten Ort im 2. Weltkrieg aufgenommen wurde.

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© Adler 12 N-3G Kübelwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gut zu erkennen ist hier der rechte vordere Kübelsitz, der guten Seitenhalt bei Geländefahrt bot. Gleichzeitig war – in Ermangelung von Türen – bei einem Luft- oder Artillerieangriff ein blitzschnelles seitliches Verlassen des Fahrzeugs möglich.

Putzig wirkt der kleine Dreieckskanister hinter dem Reserverad. Für Wagen im zivilen Gebrauch reichte der Inhalt zwar meistens aus. Im Kampfeinsatz verließen sich die Soldaten jedoch lieber auf die bis heute gebauten Einheitskanister, die kurzerhand zwischen Reserverad und Motorhaube eingeklemmt wurden. Auch diese Lösung lässt ahnen, wie wenig die vor dem Krieg entwickelten schweren und komplexen Kübelwagen auf den Frontalltag ausgerichtet waren.

Kommen wir zum Schluss noch einmal auf das Ausgangsfoto zurück. Auf der Rückseite findet sich der handschriftliche Vermerk: „Im Wald nördlich von Brzeziny“.

Diese Angabe genügt, um die Aufnahmesituation einzuordnen. Demnach ist das Foto kurz nach dem deutschen Überfall auf Polen Ende September 1939 entstanden. Der Ort Brzeziny liegt 100 km südwestlich von Warschau und wurde damals von angreifenden Wehrmachtsverbänden passiert.

Ob die Einheit, zu der der Adler auf dem Foto gehört, zur Kampftruppe gehörte oder eher zu Nachschub- oder Nachrichtenverbänden, wissen wir nicht. Jedenfalls entstand das Foto in einem Moment, als in Europa die Lichter ausgingen.

Zwar war auch in Polen in den 1920er Jahren nach erfolgreichen Eroberungen im revolutionsgeschwächten Russland ein Angriff auf Deutschland erwogen worden. Doch haftet der Makel des (nicht erklärten) Angriffskriegs auf den Nachbarn im Spätsommer 1939 unabweisbar an Deutschland.

In welches tragische, hauptsächlich von der Berliner Führung verantwortete Geschehen in der Folge Millionen von Soldaten und Zivilisten hineingezogen wurden, war für den Einzelnen in der Regel nicht zu übersehen.

Unser Foto zeugt aber von dem Bemühen, sich auch unter heute unvorstellbaren Umständen ein Mindestmaß an Zivilisiertheit zu bewahren. Auch solche – nachdenklich machenden – Aufnahmen gehören zur Beschäftigung mit historischer Mobilität.

1929: Pontiac auf dem Kriegspfad in Deutschland

Bei der Beschäftigung mit historischen Fotografien von Automobilen erfährt man oft nebenher Dinge, die mit dem Motiv gar nichts zu tun haben.

So kann man auf eine Abbildung stoßen, die zwar nicht den ganzen Wagen zeigt, aber gerade das, was seine Identifikation ermöglicht und weitere Recherchen veranlasst.

Nehmen wir folgendes Beispiel eines US-Wagens:

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© Pontiac Series 6-28; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man sieht einen stolzen Autobesitzer mit Denkerstirn und Fliege – vielleicht ein leitender Angestellter oder höherer Beamter, der auf dem Kotflügel seines recht neu wirkenden Wagens posiert.

Die Beschriftung des Nummernschilds spricht für ein Auto mit deutscher Zulassung aus den 1920/30er Jahren. Die Doppelstoßstangen und die Proportionen des Wagens lassen aber vermuten, dass es ein amerikanisches Fabrikat ist.

Dummerweise sahen sich viele Großserienautos in der Zwischenkriegszeit sehr ähnlich. Wirklich individuell waren damals nur Fahrzeuge mit Sonderkarosserie. Die große Zeit der unverwechselbaren Autogesichter waren erst die 1950-70er Jahre.

Was tut man in solch einem scheinbar hoffnungslosen Fall? Genau hinsehen!

Pontiac_New_Series_AusschnittZwar kann man nicht erkennen, was auf der Kühlerplakette steht, doch der markante Kopf darüber liefert den entscheidenden Hinweis. Es muss sich um ein Auto der Marke Pontiac handeln, die einen Indianerkopf als Kühlerfigur verwendete.

Leider leben wir in Zeiten, in denen von interessierter Seite jede Bezugnahme auf ethnische Charakteristika als „diskriminierend“ verurteilt wird. Bevor nun ein selbsternannter Blockwart reflexartig die Kühlerfigur für verwerflich erklärt, ein Exkurs zur Geschichte dahinter:

Die Kühlerfigur und der Name Pontiac erinnern an einen tragischen Helden des Widerstands der Indianer gegen die britischen Eroberungszüge in Nordamerika in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Der aus der Gegend des späteren Detroit stammende Häuptling Pontiac leitete kluge, aber letztlich erfolglose Operationen gegen die Engländer, die sich damals in vielen Teilen der Welt als Herrenrasse aufführten.

Erst recht nach den Erfahrungen des 20. Jh. erscheint das stolze Indianerhaupt an einem Pontiac daher als Symbol für den Selbstbehauptungswillen eines Volkes.

Zurück zum abgebildeten Wagen: Wir haben es mit dem ersten von Pontiac gebauten Typ zu tun, dem Series-6. Die 1926 von General Motors neugeschaffene Marke besetzte das Mittelklassesegment und landete auf Anhieb einen Erfolg.

Bis 1928 – dem Baujahr des hier gezeigten Wagens, entstanden über 400.000 Exemplare des Pontiac Series 6. Mit solchen Größenordnungen hätte der Newcomer mühelos weite Teile des europäischen Markts bedienen können.

Deutsche Marken hatten die Entwicklung auf der anderen Seite des Atlantiks verschlafen. Sogar Opel meinte 1928 noch damit werben zu müssen, dass seine Wagen „keine Massenfabrikate“ seien.

Opel-Reklame_1928

© Opel-Reklame von 1928; Quelle: Sammlung Michael Schlenger

Dabei waren zur auch hierzulande erstrebten Volksmotorisierung Massenfabrikate notwendig, wie sie die US-Hersteller in großer Auswahl anboten und die wirklich jedermann erschwingliche Motorisierung ermöglichten.

Dazu brauchte es gerade keine hilflosen Appelle wie „Fahren Sie deutsche Wagen“ oder verschrobene Konzepte, die in den 1920er Jahren hiesige Firmen wie  Hanomag mit dem „Kommissbrot“ verfolgten, sondern schlicht bodenständige Lösungen, die rationell herzustellen waren.

Entsprechend verfügte der Pontiac auf unserem Foto  über einen technisch unauffälligen, 3 Liter messenden 6-Zylinder mit 40 PS, was seinerzeit in Europa als großzügig galt.

Dass ein solcher Wagen einst den Weg über den Atlantik gefunden hatte, verwundert an sich nicht. Doch ob neben Buick, Chevrolet und Ford auch andere US-Großserienhersteller wie Pontiac in Europa eine Fertigung unterhielten, ist dem Verfasser unbekannt. Vielleicht weiß ein sachkundiger Leser mehr dazu.

Ein DKW F2 am Deutschen Eck in Koblenz

Alte Fotos frontgetriebener DKWs gehören zu den Aufnahmen deutscher PKW der 1930er Jahre, die leicht zu bekommen sind. Die schwachbrüstigen, doch gefällig gezeichneten 2-Takter aus Zschopau waren mit die populärsten Wagen jener Zeit.

Die meisten Zweizylinder-Typen von DKW wurden hier bereits vorgestellt, außerdem die seltenen 4-Zylinder-Modelle (V1000 und Schwebeklasse). Doch finden sich immer wieder Aufnahmen, die gewöhnliche DKWs in reizvollen Perspektiven zeigen.

Folgendes Originalfoto eines DKW F2 ist ein schönes Beispiel dafür:

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© DKW F2 „Meisterklasse“ in Koblenz; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen lässt sich anhand der schrägstehenden Windschutzscheibe und des ebenfalls abgeschrägten Kühlergrills als Nachfolger des ersten Fronttrieblers von DKW – des F1 – identifizieren. Gebaut wurde dieser DKW F2 von 1932-35.

Die Chromradkappen und die Zierleisten unter den Seitenfenstern verweisen auf die gehobene Variante „Meisterklasse“. Die heute luxuriös anmutende Ausführung als Cabrio-Limousine war jedoch auch bei der Basisversion „Reichsklasse“ gängig.

Mit 20 PS aus 700 ccm Hubraum waren keine spektakulären Fahrleistungen möglich. Doch ein Höchsttempo von 85 km/h genügte auf den damaligen Landstraßen – zumindest in der Ebene.

Dass ein DKW F2 ein solides Ausflugsauto abgab, zeigt unser Foto. Denn wer sich ein wenig in unserem Land auskennt, erkennt als Aufnahmeort das Deutsche Eck in Koblenz mit dem Standbild von Kaiser Wilhelm I (rechts außerhalb des Fotos).

DKW_F2_Reichsklasse_Deutsches_Eck_Koblenz_Insassen

Hat man in der Schule nicht aufgepasst und weder etwas von Kaiser Wilhelm I. noch von der dem Denkmal gegenüberliegenden Festung Ehrenbreitstein gehört, hilft auf der Website Google-Maps die Satellitenansicht von Koblenz weiter.

Wer dort heute seinen Citroen Cactus – ein schlechter Scherz – parkt, kann dieselbe Aussicht genießen. Es kann bloß sein, dass man statt der Rockträgerinnen Rentnerinnen mit bunten Anoraks und Elektro-Fahrrädern zu Gesicht bekommt…

DKW_F2_Reichsklasse_Deutsches_Eck_Koblenz_Passantinnen

 

BMW gegen Opel: Rallyeautos der 1930er Jahre

Einige frühe PKW-Modelle von BMW wurden auf diesem Blog bereits anhand von Originalfotos präsentiert – der Erstling BMW Dixi, das 6-Zylindermodell BMW 303 und die äußerlich ähnliche 4-Zylinderversion BMW 309.

Heute ist der Nachfolger des 303 an der Reihe – der BMW 315, dessen 6-Zylindermotor auf 1,5 Liter gewachsen war und 34 PS leistete.

Man mag mit einem „Dreier-BMW“ andere Leistungen verbinden, doch in den 1930er Jahren erarbeiteten sich die Bayern mit der Autofabrikation in Eisenach erst ihren Ruf. Das taten sie Schritt für Schritt und durchaus überzeugend.

Das folgende, außergewöhnliche Originalfoto unterstreicht dies eindrucksvoll:

BMW_und_Opel_Rally_1930er_Galerie

© BMW Roadster, BMW 315 und Opel 2 Liter; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Abzug ist schon etwas mitgenommen, das Foto an sich ist aber ansprechend komponiert und einwandfrei belichtet. Es zeigt drei Fahrzeuge, die offenbar an einer Rallye teilgenommen haben.

Dafür sprechen nicht nur die seitlich aufgeklebten oder gemalten Starternummern, sondern auch die verdreckten Karosserien. Die Konstellation ist hochinteressant, sieht man doch, welch‘ unterschiedliche Fahrzeuge einst gegeneinander antraten.

Beginnen wir mit dem Roadster ganz links:

BMW_Dixi_RoadsterDer prächtige kleine Sportwagen sieht auf den ersten Blick wie ein Austin Seven  Special der späten 1920er Jahre aus. Wahrscheinlich ist es aber eine Sportversion des BMW Dixi, der anfangs ein Lizenznachbau des Austin 7 war.

Kenner werden vielleicht anhand von Details sagen können, um welches Modell genau es sich handelt. Jedenfalls scheint der Wagen keine Standard-Werkskarosserie zu besitzen. Wer sich einen Special auf Basis eines BMW Dixi aufbauen will, findet hier jedenfalls eine stilistisch überzeugende Vorlage.

Kommen wir zum Wagen in der Mitte, einem BMW 315:

BMW_315_Rallye

Der Wagen entsprach äußerlich weitgehend seinem Vorgänger BMW 303 und auch das Vierzylinder-Modell 309 sah sehr ähnlich aus. Die eigenwillige Anordnung der auf sechs Felder verteilten Luftschlitze in der Motorhaube spricht aber für einen BMW 315 des Baujahrs 1934.

Mit seinem Gewicht von vollgetankt rund 850 kg ließ sich der BMW von einem engagierten Fahrer recht flott bewegen. Dabei fiel die Spitzenleistung erst bei 4.000 U/min an – der Motor war für die damalige Zeit ungewöhnlich drehfreudig.

Eine ganz andere Charakteristik wies der daneben stehende Opel mit 2 Liter messendem 6-Zylindermotor auf. Er leistete trotz um ein Drittel größeren Hubraums gegenüber dem BMW 315 gerade einmal 2 PS mehr, die bei 3.300 U/min. anfielen.

Opel_2_Liter_Rallye

Mit einem Wagengewicht von über 1.000 kg dürfte der Opel dem agilen BMW in sportlicher Hinsicht unterlegen gewesen sein. Dass überhaupt ein Fahrer die behäbig wirkende Rüsselsheimer Limousine als Wettbewerbsfahrzeug einsetzte, spricht für einen gewissen Enthusiasmus, der fehlende PS mitunter ersetzen kann.

Leider wissen wir nichts über den Anlass, bei dem diese Fahrzeuge gegeneinander antraten. Dem Nummernschild zufolge waren es in Niederbayern zugelassene Wagen, die wohl bei einer lokalen Sportveranstaltung eingesetzt wurden.

Dezente Eleganz nach dem Krieg: Borgward Hansa

Dieser Blog widmet sich schwerpunktmäßig Automobilen der Zeit vor dem 2. Weltkrieg, die sich durch eine faszinierende Vielfalt an Marken, Konzepten und Karosserien auszeichnete.

Die Wagen der Vorkriegszeit sind auch deshalb interessant, weil ihre Formen, Proportionen und Materialien uralte Traditionen weiterführten. Deshalb fügten sie sich äußerlich so harmonisch in das gewachsene Umfeld ein.

Wer heute in eine historische Altstadt mit einem Vorkriegswagen einfährt und diesen auf dem Marktplatz abstellt, kann sich daher der Sympathie seiner Zeitgenossen sicher sein – selbst wenn sie gar keine Oldtimerfans sind.

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© DKW, Adler und Opel , Mitte der 1930er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die letzten Wagen, die in der Tradition organischer und damit als natürlich empfundener Formen standen, wurden Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre entwickelt. Gemeint sind die Autos mit Pontonkarosserie.

Die Idee, auf freistehende Kotflügel zu verzichten und eine eher die Breite als die Höhe betonende Karosserie zu bauen, taucht bereits in den 1920er Jahren auf. Die Verfechter der Stromlinienform leisteten dazu maßgebliche Beiträge.

Die Pontonkarosserie ist letztlich eine Entwicklungsform der Vorkriegszeit, die sich erst nach dem 2. Weltkrieg durchsetzte.

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© Steyr-Fiat 1400 in den Dolomiten, 1955; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Daher deckt dieser Blog auch entsprechende, bis 1955 vorgestellte Autos ab. Die britische, auf Vorkriegsautos spezialisierte Zeitschrift „The Automobile“ ( http://www.theautomobile.co.uk/about/) zieht interessanterweise dieselbe Grenze.

Dass die frühen Pontonkarosserien stilistisch eine Vorkriegstradition fortführten und keine Zäsur darstellten wie in der Architektur die brachiale Bauhaus-Ideologie, zeigt das folgende Originalfoto:

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© Borgward Hansa, um 1950; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

In einer bürgerlichen Wohngegend mit Häusern der 1920/30er Jahre, die noch über großzügige Grundstückgrößen und freundlich wirkende Details wie Fensterläden verfügten, sehen wir einen Borgward Hansa nebst elegant gekleideter junger Dame.

Das Nummernschild am Auto ist wahrscheinlich ein Besatzungskennzeichen – wir befinden uns also in den späten 1940er bzw. frühen 1950er Jahren. Die Gegend, in der die Aufnahme entstand, ist von den Verheerungen des Krieges verschont geblieben. Erst ab den 1970er Jahren wütete in solchen Vierteln der „Modernisierungs“wahn.

1949 hatte Borgward den Hansa vorgestellt, das erste neukonstruierte deutsche Auto nach dem verlorenen Krieg. Nicht Opel, nicht Mercedes, nicht BMW war das gelungen, was Borgward hinbekam – fast zeitgleich übrigens auch Fiat mit dem 1400.

Auch bei der Leistung war Borgward auf der Höhe: Mit anfangs 48, später 52 und dann über 60 PS boten die Bremer eine der Größe des Wagens angemessene Motorisierung. Damit konkurrierte man mit zeitgenössischen Mercedes dieser Klasse, die die Pontonform erst später und auch nur halbherzig übernahmen.

Schaut man sich zeitgenössische Fotos von Borgwards an, hat man den Eindruck, dass sie von eher jungen, zu Geld gekommenen Leuten gefahren wurden. Das waren oft Menschen mit Stilbewusstsein, wie an ihrer sportlichen Figur und lässig-eleganter Kleidung zu erkennen ist.

Auch unsere Aufnahme lässt erkennen, dass es diesen jungen Autobesitzern um mehr als nur praktische Fortbewegung ging, hier ein Ausschnitt:

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© Borgward Hansa, um 1950; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die weitgeschnittenen Hosen und der lange Mantel der neben dem Borgward stehenden jungen Dame spiegeln noch den mondänen Stil der späten 1930er und 1940er Jahre wider.

Die Frisur und die lässige Haltung dagegen künden von einem neuen selbstbewussten Frauenbild, das eine unangestrengte Eleganz einschloss, die man in Zeiten formloser „Funktions“jacken heute oft vermisst.

Auf folgender Privataufnahme, die ein Borgward Hansa-Fahrer einst auf einem Alpenpass schoss, bekommt man noch eindrucksvoll vorgeführt, was eine Taille ist…

Borgward_Italien-Ausschnitt

© Borgward Hansa, Rückfahrt aus Italien, um 1950; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger