Fiat 1400 und 1900: Gediegene Mittelklasse

Der jahrzehntelange Erfolg, den Fiat einst mit den Modellen 500/600 und dem 1100 (Millecento) hatte, prägt bis heute das Image der Marke.

Kaum bekannt ist, dass Fiat nach dem Zweiten Weltkrieg für eine ganze Weile gehobene Mittelklassewagen baute, die in Europa fast ohne Konkurrenz waren.

Ende 1949 begann die Fertigung des Fiat 1400, eines großzügig geschnittenen Viertürers in Pontonform. Zu dieser Zeit baute Mercedes noch Autos, die formal in den 1930er Jahren stehengeblieben waren.

Hier ein erster Blick auf den 1400er Fiat (rechts), der neben einer Lancia Aprilia und einem Fiat 1100 der 1930er/40er Jahre (links) in der Tat hochmodern wirkt:

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© Ausschnitt aus einem Originalfoto der 1950er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Die formale Rückständigkeit von Mercedes war auch nicht mit dem verlorenen Krieg zu erklären. Borgward präsentierte Ende 1949 mit dem Hansa ebenfalls eine Ponton-Limousine, die erste deutsche Neukonstruktion nach dem Krieg. Und für Italien war der 2. Weltkrieg trotz des Seitenwechsels 1943 ebenfalls ein Desaster in jeder Hinsicht.

Fiat wollte nach dem Krieg so schnell wie möglich den Anschluss an die PKW-Entwicklung schaffen, die in den USA trotz des Krieges nicht stehengeblieben war. Mit dem 1400er gelang das eindrucksvoll:

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© Steyr-Fiat 1400 in Triest, August 1954; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem großzügigen Wagen wird wohl kaum jemand an einen Fiat denken, und doch ist es einer. Dieser 1400er wurde bei Steyr in Österreich in Lizenz gebaut und ist hier im Sommer 1954 in Triest zu sehen. Ab diesem Jahr wurde der Wagen übrigens mit 50 PS-Motor verkauft, damit war eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h möglich. Schon der 44-PS-Vorgänger war eine Neukonstruktion nach dem Krieg.

Fiat bot den 1400er auch als zweitüriges Cabriolet an. Im Unterschied zur Limousine hatte die offene Version seitliche Chromleisten, die von den Besitzern der Viertürer gern nachgerüstet wurden. Folgendes Foto zeigt ein solches „aufgehübschtes“ Exemplar:

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© Fiat 1400 in den Dolomiten, 1955; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ab 1953 war der Fiat 1400 außerdem in einer Dieselvariante erhältlich. Auch hier war man schneller als Mercedes (Ponton-Diesel ab 1954).

Von Anfang an hatten die Konstrukteure des Fiat 1400 eine stärkere Motorenvariante im Blick. Wenn es nach den Ingenieuren gegangen wäre, hätte man gern einen 6- oder gar 8-Zylinder-Motor implantiert. Doch Platzverhältnisse und Kostenerwägungen standen dem entgegen.

Man entschied sich, den 1,4 Liter Motor auf 1900ccm aufzubohren und mit der Karosserie des Fiat 1400 zu kombinieren. Dass dies gelang, spricht ebenso für die Robustheit des Ausgangsaggregats wie die Raumökonomie des 1400er.

Der auf diese Weise kreierte Fiat 1900 wurde 1952 vorgestellt. Er kam mit einer für damalige Verhältnisse sensationellen Ausstattung daher.

Statt eines 4-Gang-Getriebes mit herkömmlicher Kupplung verfügte er über ein Strömungsgetriebe mit 5-Gängen. Dabei wurde der Kraftschluss hydraulisch hergestellt und es konnte schaltfaul gefahren werden. Im 4. Gang konnte man von 30 km/h bis zur Höchstgeschwindigkeit durchbeschleunigen, der 5. Gang war lang ausgelegt.

Die Motorleistung wurde bis Produktionsende 1958 von 60 über 70 auf zuletzt satte 80 PS gesteigert – das war eine annähernde Verdopplung gegenüber dem ersten Fiat 1400 und unterstreicht nochmals die Qualität der Konstruktion. Mercedes wagte bei seinem bis 1962 gebauten Ponton-Modell keine vergleichbar großzügige Leistung

Im Fiat 1900 war ein Radio serienmäßig  verbaut, und es gab eine über Türkontakte aktivierte Innenraumbeleuchtung, damals eine Seltenheit. Äußerlich unterschied sich der Fiat 1900 durch mehr Chromschmuck vom 1400er Modell.  Das erlaubt die Identifikation des 190oer, der sich auf folgendem zeitgenössischen Foto „versteckt“:

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© Fiat 1900 in Amalfi 1953; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses schöne Bild ist ausweislich des Vermerks auf der Rückseite im Jahr 1953 entstanden. Aufnahmeort ist die alte Handels- und Hafenstadt Amalfi an der gleichnamigen Küste zwischen Neapel und Salerno – einer der grandiosesten Kulturlandschaften Europas.

Das Foto hat jemand am zentralen Platz der Stadt unterhalb des Doms von Amalfi geschossen. Wer sich heute dort in einem der Cafés niederlässt, kann dasselbe Achitekturensemble genießen.

Geändert hat sich nur das Erscheinungsbild der Besucher und Bewohner – die Eleganz jener Zeit sucht man in unseren Tagen vergeblich. Dennoch ist Amalfi immer noch einen Aufenthalt wert. Wenn die Tagestouristen fort sind, scheint die Zeit dort stillzustehen. Der Ort eignet sich perfekt als Standquartier für die gesamte Amalfiküste, wo übrigens immer noch viele klassische Fiats unterwegs sind.

Ein Fiat 1900 wie auf dem Foto ist allerdings heutzutage auch in Italien eine ganz große Rarität. Hier nochmals ein näherer Blick auf das Exemplar, das dort vor über 60 Jahren in der Sommersonne stand:

Fiat_1900_Amalfi_1953

 

Eindeutig identifizieren lässt sich der Wagen als 1900er anhand der Chromleisten. Diese reichen nur bis zu C-Säule, während 1400er mit nachgerüsteter Chromleiste vom Cabriolet diesen Schmuck nur an Vorder- und Hinterkotflügel tragen.

Die Weißwandreifen sprechen ebenfalls für die große Variante. Die Front wird zwar durch einige Stühle verdeckt, doch der Fall ist klar – das ist der Wagen von jemand, der „es geschafft hatte“…

Ganz schön rar: DKW Bootsheck-Roadster

Es ist schon spannend, was einem bei der „freien Jagd“ nach historischen Automobil-Fotos alles vor die Flinte kommt. Wer nicht auf bestimmte Marken und Typen festgelegt ist, kann echten Raritäten auf die Spur kommen.

Wohl jeder Freund deutscher Automarken erkennt auf Anhieb die gefällig gezeichneten DKW-Modelle der Vorkriegszeit mit markanten Bezeichnungen wie Reichsklasse und Meisterklasse.

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© DKW F7 Cabrio-Limousine 1937-38; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Von diesen eleganten Fahrzeugen haben viele Exemplare überlebt, weil sie wegen ihrer Zweitaktmotoren im Krieg nicht von der Wehrmacht eingezogen wurden. Wer einen bezahlbaren deutschen Vorkriegswagen mit Charme sucht und sich an der geringen Leistung nicht stört, kommt an DKW kaum vorbei.

DKW hatte von Anfang an eine glückliche Hand, was das Erscheinungsbild seiner Automobile anging. Das Publikum sah über die Schwächen des Zweitaktantriebs hinweg und erfreute sich an bezahlbarer Mobilität mit Stil. Allein die Cabriolets (gebaut bei Baur und Horch) der Typen F4, 5 und 7 verkauften sich rund 30.000 Mal. 

Selbst Kenner müssen aber erst einmal passen, wenn sie folgendes Fahrzeug zu Gesicht bekommen – ein rassiger Bootsheck-Roadster. Man denkt vielleicht zuerst an ein englisches Modell oder hält einen Special der Nachkriegszeit für möglich. DKW_PS_600

© Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Markenembleme sind auf dem Foto nicht zu erkennen. Da das Bild in Deutschland aufgenommen wurde, spricht die Wahrscheinlichkeit erst einmal für ein deutsches Fabrikat.

Fündig wird man schließlich beim Durchblättern des „Oswald“ (Deutsche Autos 1920-45): Auch das ist ein DKW! Dazu noch das heute seltenste Modell überhaupt – ein PS 600. Es war die Sportversion des braven DKW P15, des ersten Automobils von DKW. Damit hatte die Firma 1928 auf Anhieb einen Volltreffer gelandet.

Umsteiger vom Motorrad wussten, was sie vom Zweitaktspezialisten DKW erwarten konnten und störten sich weder am trotz Wasserkühlung lauten Motorengeräusch oder an der Karosserie aus kunstlederbezogenem Sperrholz.

Während der P15 mit nur 15 PS auskommen musst, holte das hier gezeigte Sportmodell aus demselben 600ccm-Zweizylindermotor 18 PS. Mit einem Werks-Tuning-Satz waren sogar 20 PS drin. Das entsprach dem Wert beim Motorrad DKW 600 Super Sport, das ebenfalls einen wassergekühlten 600ccm-Motor hatte und damals als Traummaschine galt. Die Motorisierung des DKW PS 600 erscheint heute dürftig, doch bei einem Wagengewicht von 550 kg war damit eine zügige Fortbewegung möglich.

Nicht zu verachten war die Wendigkeit des Wagens, zu der neben dem geringen Gewicht auch die schmale Bereifung im Motorradformat 3,25 x 19 beitrug. Die Bremsleistung war dagegen mäßig. Immerhin gab es Bremstrommeln rundum, die über Seilzüge betätigt wurden, wie auf der Ausschnittsvergrößerung am Hinterrad gut zu erkennen ist:

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Dass der Wagen nicht nur rasant aussah, sondern tatsächlich eine gewisse sportliche Charakteristik hatte, belegen zahlreiche Klassensiege zwischen 1929 und 1933, unter anderem am Schauinslandrennen und auf dem Nürburgring. 1930 stellte der DKW PS 600 auf der Steilwandstrecke in Monthléry bei Paris sogar einen Rekord auf, als er bei einer 24h-Fahrt einen Durchschnitt von über 90 km/h erreichte.

Gebaut wurden vom DKW PS 600 bis 1931 nur 500 Exemplare. Dass davon überhaupt einige überlebt haben, dürfte der attraktiven Form und der Tatsache zu verdanken sein, dass in der DDR alles am Laufen gehalten wurde, was den Krieg überstanden hatte. Damit kommen wir zum mutmaßlichen Entstehungsort und dem Zeitpunkt der Aufnahme. Ein erster Hinweis findet sich im Hintergrund:

DKW_PS_600_Ausschnitt_2Der Schriftzug Berliner Bären-Lotterie über dem Schaufenster verweist auf eine 1953 in der DDR geschaffene staatliche Glücksspieleinrichtung. Somit dürfte das Bild in der Nachkriegszeit in Ostberlin oder einer anderen ostdeutschen Großstadt entstanden sein. Für Berlin spricht der rückseitige Stempel „Foto Boss Treptow“.

Die Datierung lässt sich noch etwas präzisieren. Den entscheidenden Hinweis gibt der im Hintergrund vorbeihuschende Lieferwagen.

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Das Fahrzeug ist so markant, dass es eindeutig identifiziert werden kann: Es handelt sich um einen Barkas B 1000, der das ostdeutsche Pendant zum VW Transporter darstellte. Er wurde 1961 vorgestellt und war seinerzeit eine durchaus moderne Konstruktion.

Damit rückt der Entstehungszeitpunkt des Fotos in die 1960/70er Jahre. Der Barkas wurde zwar kaum verändert bis 1990 gebaut, doch der gezahnte Rand des Fotos und sein Zustand sprechen für ein erhebliches Alter der Aufnahme. Das Fahrzeug sieht für eine Alltagsnutzung zu gepflegt aus, speziell das Verdeck macht einen sehr guten Eindruck. Vielleicht kam der DKW von einem Veteranentreffen zurück und der Fotograf hat ihn durch Zufall aufgenommen.

Gut stehen jedenfalls die Chancen, dass dieses Exemplar des DKW PS 600 heute noch existiert. In Ostdeutschland sind mindestens zwei dieser attraktiven Wagen mit ihrer markanten Zweifarblackierung erhalten, nämlich im August Horch Museum in Zwickau und im Museum für sächsische Fahrzeuge in Chemnitz.

Beide Sammlungen sind übrigens für Freunde von Vorkriegsfahrzeugen unbedingt empfehlenswert!

Hanomag „Rekord“ Cabriolet im Vogelsberg

Taunus, Wetterau und Vogelsberg sind uralte Kulturlandschaften mit großem Reichtum an bedeutenden historischen Bauten – leider sind die Einheimischen diesbezüglich vernagelt und machen zuwenig daraus.

Besucher aus der „Großstadt“ Frankfurt staunen oft, wenn man ihnen Perlen wie die römische Kapersburg, das Bad Nauheimer Jugendstilensemble, die staufische Münzenburg oder das Zisterzienserkloster Arnsburg zeigt. Und bei Landpartien nach Büdingen oder Laubach sorgen Schlösser und Parkanlagen zuverlässig für Entzücken.

Der Vogelsberg dagegen ist selbst für manche Alteingesessene in Sachen Baudenkmälern „terra incognita“. Sicher, man kennt idyllische Örtchen vom Durchfahren, liebt das Streunen über kurvenreiche Strecken in abwechslungsreicher Landschaft. Aber von einem herrschaftlichen Schloss oder einer mächtigen Burg in dieser dünnbesiedelten Gegend wissen die wenigsten.

Dass es so etwas tatsächlich gibt, daran erinnerte sich der Verfasser, als er durch Zufall an das folgende alte Foto geriet:

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Hanomag „Rekord“ Cabriolet von Hebmüller, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

 

Auf den ersten Blick sieht man „nur“ ein viersitziges Cabriolet der 1930er Jahre, das natürlich noch eingehender studiert werden soll. Der Stil des Wagens ist unverkennbar „deutsch“ und der Typ lässt sich zuverlässig identifizieren, auch wenn keine Markenembleme zu erkennen sind.

Zwar ist das Bild etwas verwackelt, doch der leicht verschwommene Effekt trägt zum Charme der Aufnahme bei. Je länger man darauf schaut, desto mehr meint man zu erkennen. Und so kam dem Verfasser bald der Hintergrund merkwürdig bekannt. Dort zeichnet sich die Silhouette eines mächtigen Baukörpers ab, umgeben von majestätischen Bäumen.

Die Ausschnittsvergrößerung liefert zwar nur wenig mehr Details, doch sie genügen, um den Verdacht zu begründen: Ist das womöglich Schloss Eisenbach im nördlichen Vogelsberg, nahe Lauterbach gelegen?

Ausschnitt_Schloss_Eisenbach

Links ahnt man eine mehrstöckige Fassade mit steilem Dach und Mansarden, rechts einen Kirchturm mit dem für unsere Region  typischen polygonalen Helm, davor hohe Bäume. Endgültige Gewissheit liefert ein aktuelles Bild der Schlossanlage, das vom selben Standpunkt aufgenommen wurde.

Die 800 Jahre alte, herrlich gelegene Anlage ist unbedingt einen Besuch wert, auch wenn man in das nach wie vor bewohnte Schloss selbst nicht hineinkann. Der es umgebende Landschaftspark ist frei zugänglich und ermöglicht es, den Bau aus allen Perspektiven zu studieren.

Zurück zu unserem Cabriolet, das einst genau dort Halt machte, wo man heute noch den schönsten Blick auf Schloss Eisenbach hat. Zufällig fand sich im privaten Fotofundus ein Bild des gleichen Fahrzeugtyps, das genügend Anhaltspunkte für die Identifizierung liefert:

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Hanomag „Rekord“ Cabriolet von Hebmüller, Originalfoto aus Sammlung Michel Schlenger

 

Das Fahrzeug mit deutscher Zulassung verfügt wie der ganz oben abgelichtete Wagen über fünf seitliche Kühlluftklappen in der Motorhaube und drei Türscharniere statt zwei. Der Schwung der Kotflügel und die waagerecht nach hinten laufende seitliche Sicke finden sich ebenso auf beiden Abbildungen wie die Scheibenräder mit verchromten Radkappen. Auch der Suchscheinwerfer sitzt an derselben Stelle. Sicher handelt es sich um dasselbe Modell.

Das zweite Foto erlaubt dank der Kühlermaske und der Stoßstangen mit der typischen Anordnung der Schrauben die Identifikation als Fahrzeug des einstigen Mittelklasseherstellers Hanomag. Die „Hannoversche Maschinenbau AG“ – so einfach ging das früher mit Firmennamen – baute zwischen 1925 und 1941 recht erfolgreich auch PKW. Anfang der 1930er Jahre hatte Hanomag in der Klasse bis 1,2 Liter Hubraum in Deutschland einen Marktanteil von 25 %. Bis kurz vor Kriegsbeginn gehörte die Firma zu den sechs bedeutendsten Autobauern im Deutschen Reich.

Hanomags größter Erfolg im Autobau war der hier zu sehende Mittelklassewagen “Rekord” – den entsprechenden Schriftzug am Kühler kann man auf dem Foto ahnen.

Der Rekord hatte einen 1,5 Liter großen Vierzylinder-Motor mit 35 PS Leistung, das genügte für knapp 100 km/h. Mit 4-Gang-Getriebe, Einzelradaufhängung vorne und hydraulischen Bremsen war der Rekord auf der Höhe der Zeit. Gefällige Limousinen- und Cabrioletaufbauten taten ihren Teil dazu, den Wagen zu einem Verkaufserfolg werden zu lassen. Von 1934 bis 1938 entstanden gut 18.000 Exemplare.

Interessant ist, dass der Wagen auf den beiden Fotos nicht die Standardkarosserie von Ambi-Budd zu haben scheint, mit dem der Hanomag Rekord und auch das etwas größere 6-Zylindermodell „Sturm“ meist ausgeliefert wurden. Bei der Ambi-Budd-Karosserie, die fast identisch auch von Adler verwendet wurde, endet die Haube weit vor der Frontscheibe und die A-Säule entwickelt sich in einer schwungvollen Bewegung aus der Karosserie nach oben. Außerdem fällt am 4-Fenster-Cabriolet von Ambi-Budd die Gürttellinie nach hinten ab, verläuft also nicht horizontal.

Ein Leserhinweis lieferte die wahrscheinlich zutreffende Erklärung: Es handelt sich um eine von Karmann für Hanomag gefertigte Cabriolet-Karosserie. Darauf weisen auch die an den Kotflügel entlang der Radausschnitte angebrachten Zierleisten hin. Bei der Ambi-Budd-Karosserie findet sich dort nur eine durchgehende Blechsicke. Dieselben Details weist auch die Karmann-Karosserie für den Hanomag Sturm auf.

Die eindeutige Identifikation wird durch den Umstand erschwert, dass es in der spärlichen Literatur zu deutschen Vorkriegswagen nur beispielhafte Abbildungen gibt. Auch das aufwendig gemachte Hanomag-Buch von Görg/Hamacher* beschränkt sich auf eine Handvoll Fotos von „Rekord“ und „Sturm“. Leider muss man sagen, dass der in den 1970er Jahren erschienene „Oswald“** in Sachen deutsche Vorkriegswagen nach wie vor nicht übertroffen worden ist.

Dabei ist heute leichter an historisches Fotomaterial heranzukommen. Von einigen vorbildlichen, meist typbezogenen Initiativen im Netz abgesehen, wird jedoch zuwenig von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht, Originalfotos historischer Fahrzeuge in strukturierter Form allgemein zugänglich zu machen. Einen kleinen Beitrag dazu soll nicht zuletzt diese Netzpräsenz leisten.

Buchtips:

*Horst Görg und Torsten Hamacher: Hanomag-Personenwagen – Von Hannover in die Welt, erschienen 1999 im Mundschenk-Verlag, vergriffen, antiquarisch erhältlich bei www.amazon.de

**Werner Oswald: Deutsche Autos 1920-1945, erschienen 1977 im Motorbuch-Verlag, antiquarisch bei www.zvab.com oder als Neuauflage im Buchhandel erhältlich.

Citroen „Rosalie“ in seltener 6-Zylinder-Version

Beim Stichwort Vorkriegs-Citroen denken die meisten sicher an den legendären Traction Avant – technisch wie gestalterisch eine Ikone einstiger französischer Automobilbaukunst. Der Vorgänger der „Gangsterlimousine“ dagegen ist wohl nur noch Liebhabern der Marke bekannt: das von 1932-35 gebaute Modell Rosalie.

Eigentlich galt der Spitzname nur dem kleinsten Wagen der Baureihe mit 8CV-Motor. Wie auch hierzulande beschränkten sich viele Hersteller bei der Typbezeichnung seinerzeit auf die Angabe der Steuer-PS. Noch bis zur Ente (2CV) hielt Citroen daran fest.

Deutlich mehr Platz im Innenraum als die kleine Rosalie bot die 10CV-Version, deren 4-Zylinder-Motor zudem 36 statt 32 PS leistete. Damit war die magische Grenze von 100km/h erreichbar, wenngleich der Wert auf den Landstraßen jener Zeit eher ein theoretischer war.

Insgesamt rund 88.000 Citroen 8 bzw. 10CV entstanden während der relativ kurzen Bauzeit – ein beachtlicher Erfolg. Bis in die französischen Kolonien gelangte der Wagen, wie folgendes Originalfoto belegt.

Citroen_Rosalie_Nordafrika

© Citroen Rosalie 8 oder 10 CV; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die wüstenartige Landschaft und die arabische Wiederholung der Nummer auf dem Kennzeichen lassen vermuten, dass das Bild in Nordafrika entstanden ist. Der stolz posierende Besitzer im saloppen Safari-Dress hat auf der Rückseite vermerkt: „Mon Auto!“

Die heruntergefahrenen Reifen sprechen für einen herzhaften Einsatz des robusten Gefährts. Langlebigkeit und Zuverlässigkeit waren ebenso typisch für Citroen wie das markante und stilsichere Erscheinungsbild.

Die Schrägstellung der Kühlermaske weist auf eine Entstehung ab 1934 hin, vorher stand der Kühler der Rosalie senkrecht im Wind. Man ahnt in der Frontpartie bereits den eleganten Nachfolger.

Wie beim Traction Avant gab es auch von der Rosalie eine 6-Zylinder-Version, die schon damals zu den Raritäten gehörte. Nur etwas mehr als 7.000 Exemplare wurden davon gefertigt, 50 davon übrigens im Kölner Zweigwerk von Citroen.

Dieses als 15CV bezeichnete Ausführung war noch länger als der 10CV und auch technisch ein beeindruckendes Fahrzeug. Sein 2,7 Liter-Reihensechszylinder ermöglichte eine kultivierte und souveräne Fortbewegung.

Ein zeitgenössisches Foto der raren Spitzenausführung der Rosalie zu ergattern, ist reine Glückssache. Im vorliegenden Fall erschloss sich erst auf den zweiten Blick, dass es sich hier tatsächlich um die 6-Zylinder-Version handeln muss:

Citroen_15CV_Rosalie_1

© Citroen 15 CV; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Kenner ahnt bereits, dass es sich um ein französisches Fahrzeug handelt, auch wenn nirgends ein Markenemblem zu erkennen ist.

Erste Vermutung: ein Peugeot 401? Die Frontpartie ist in der Tat ähnlich, doch sind die Kühlluftklappen beim Peugeot horizontal ausgerichtet. Außerdem sind die Scheinwerfer dort niedriger angebracht. Wahrscheinlichster Kandidat ist Citroens Rosalie, hier passen alle Details, auch wenn das Markenemblem nicht erkennbar ist.

Citroen_15CV_Rosalie_Ausschnitt

Die Identifikation als großes 15CV-Modell mit Sechszylinder ermöglicht die Zahl der Kühluftklappen – bei den kleineren Versionen sind es nur vier statt fünf. Für den größeren Motor war ein 15cm längerer Vorderwagen erforderlich, was der Linie durchaus zuträglich ist.

Einige Überlegungen zur Entstehung des Bilds: Offenbar wurde der 15CV als Schlafgelegenheit genutzt, die Vordersitze sind noch flachgelegt. Die nicht mehr ganz junge Dame rechts scheint eine Hose zu tragen. Zusammen mit dem legeren Oberteil spricht dies gegen eine Entstehung in den 1930er Jahren. Die ursprünglichen Besitzer eines solchen Fahrzeugs wären kaum auf das Auto als Schlafgelegenheit angewiesen gewesen.

Denkbar wäre, dass der Wagen in der frühen Nachkriegszeit von einem weniger betuchten Zweit- oder Drittbesitzer für einen kleinen  Urlaubsausflug auf’s Land genutzt wurde. Der Citroen weist deutliche Gebrauchsspuren auf und könnte mit etwas Glück der Requirierung im Krieg entgangen sein – speziell in Frankreichs Süden, der erst Ende 1942 von deutschen Truppen besetzt wurde und sich kaum kontrollieren ließ.

Auf jeden Fall ist das Bild an einem sonnigen Sommertag entstanden, ob unter entspannten Umständen oder nicht, lässt sich ebenso wenig klären wie das Schicksal des Wagens. Heute gibt es nur ganz wenige Überlebende des 6-Zylinder-Modells von Citroens Rosalie.

Weiterer Bildbericht zur Rosalie.