Ein Achtzylinder mit Frontantrieb: Stoewer Greif V8

Klassikerfreunde, die sich erstmals mit Vorkriegsfahrzeugen befassen, stellen sehr schnell fest: Einige vermeintliche Errungenschaften der Moderne sind alte Hüte.

Vom weit über 100 Jahre alten – und damals erfolgreichen! – Konzept des Elektroautos über selbsttragende Karosserien, Einzelradaufhängung, Schraubenfedern, hydraulische Bremsen & Stoßdämpfer bis zu ausgefeilter Aerodynamik: alles vor dem Krieg erfunden, nur nicht breit etabliert.

Ein Großserienerfolg war jedoch bereits der Frontantrieb, der sich nach der Zäsur des 2. Weltkriegs seinen einstigen Status erst neu erarbeiten musste.

In Frankreich hatte der elegante und brilliant konstruierte Citroen „Traction Avant“ Furore gemacht – übrigens ist die legendäre Gangsterlimousine nach wie vor ein bezahlbares Vorkriegsmodell mit sehr guten Fahreigenschaften.

Auf deutschen Straßen prägten in den 1930er Jahren die gefälligen Fronttriebler von Adler und DKW das Bild. Daneben gab es einen weiteren, oft übergangenen Hersteller, der sich früh dem Frontantrieb verschrieben hatte: Stoewer aus Stettin.

Stoewer gehörte neben Steiger, Steyr und Simson zu den schillerndsten Nischenproduzenten im deutschsprachigen Raum – merkwürdig die Übereinstimmung des Anfangsbuchstabens.

Die ersten Frontantriebswagen von Stoewer – die Typen V5 und R-140 – sind auf diesem Oldtimerblog bereits anhand von Originalfotos gewürdigt worden. Heute ist ein weiteres Modell an der Reihe, das eine Klasse für sich darstellte:

Stoewer_Greif_V8_in_Saarow-Pieskow_1937_Ausschnitt

Stoewer Greif V8; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die leider etwas unscharfe Aufnahme zeigt das letzte Meisterstück von Bernhard Stoewer, das er vor seinem unfreiwilligen Abschied aus der stets am Rande des Abgrunds lavierenden Firma schuf.

Dieses 1933 vorgestellte Frontantriebsmodell wartete nicht nur mit einem kompakten V8-Motor mit 2,5 Liter Hubraum und rund 55 PS auf. Es verfügte auch über eine ingeniöse Hinterradaufhängung, die ohne Blattfeder auskam.

Mit diesem Fahrwerk war und den hydraulischen Vierradbremsen war die Höchstgeschwindigkeit von annähernd 120 km/h auch ausfahrbar – das bot Mitte der 1930er Jahre kein deutscher Hersteller in dieser Hubraumklasse.

Leider erhielt der Stoewer Greif V8 in der 1934 anlaufenden Serienfertigung keine seiner technischen Qualität würdige Karosserie:

Stoewer_Greif_V8_in_Saarow-Pieskow_1937_Ausschnitt2

Die Frontpartie folgt der Linie der in der Auto-Union zusammengeschlossenen Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer. Details wie die Stoßstange erinnern sogar an Brot-und-Butter-Wagen von Hanomag.

Selbst der namengebende pommersche Greif auf der Kühlermaske war hier nur noch ein Schatten seiner selbst.

Wie konnte das geschehen? Nun, mit Bernhard Stoewer verließ 1934 das letzte Mitglied der Gründerfamilie das Unternehmen und damit verlor die Stettiner Marke gleichsam ihre Identität.

Noch beim Prototyp des Greif V8 hatte Bernhard Stoewer 1933 auch in formaler Hinsicht einen ganz großen Wurf gelandet. Das hinreißende Cabriolet trug beim Concours d’Elegance in Baden-Baden den Sieg davon.

Die letzte Episode in der Geschichte der Firma sollte Bernhard Stoewer nicht mehr erleben, er starb 1937 mit knapp 62 Jahren.

Der Stoewer Greif V8 war der Schlussakkord in der Geschichte einer deutschen Automobilmarke, die sich mit Glück und Können länger als andere Nischenhersteller hielt, aber letztlich nie eine wirtschaftlich tragfähige Größe erlangte.

Solche tragisch gescheiterten Produzenten verdienen besondere Sympathie, weil ihnen Schöpfungen zu verdanken sind, die bei Großserienfabrikanten nie das Prototypenstadium erreicht hätten.

Ganze 825 Exemplare entstanden bis 1937 vom Stoewer Greif V8. Eine handvoll dieser eigenwilligen Wagen scheint noch zu existieren. Damit gehören sie wohl zu den seltensten 8-Zylinderwagen der Vorkriegszeit überhaupt…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Aus der Zeit gefallen: Ein Stoewer V5 im Jahr 1950

Die Sehnsucht nach den Wagen der Vorkriegszeit rührt wohl auch daher, dass die Welt damals zwar nicht besser war – ganz im Gegenteil – doch in vielerlei Hinsicht eine schönere, da die Verwüstungen der sogenannten Moderne erst einsetzten.

Dass es selbst bis in die 1950er Jahre in Deutschland Orte gab, die von Kriegsverheerungen verschont geblieben waren, wo es noch so beschaulich aussah wie zu Goethes Zeiten, das erzählen Bilder jener Zeit.

Eine solche Aufnahme, auf der sich alles zusammenfügt und selbst das Auto im Vordergrund das Idyll nicht stört, sehen wir uns heute an:

Stoewer_V5_Moosheim_1950_Galerie

Stoewer Typ V5; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier steht in einer kopfsteingepflasterten Gasse zwischen jahrhundertealten – heute würde man sagen: nachhaltig gebauten – Fachwerkhäusern ein alter Bekannter. 

Erst kürzlich haben wir den Wagentyp anhand einer mäßigen Aufnahme ausführlich vorgestellt (Bericht). Umso erfreulicher, dass inzwischen dieser weit reizvollere Abzug aufgetaucht ist.

Dass es ein Stoewer des ab 1931 gebauten Frontantriebstyp V5 ist, verrät die markante Kühlermaske mit dem typischen Stoewer-Wappen und den erhabenen Sicken am unteren Ende.

Nur der Stoewer V5 weist auch solche eigenwillig geformten Schutzbleche auf – in  Details wie diesen erkennt man die besondere Handschrift der 1945 untergegangenen Marke aus Stettin.

Die technischen Raffinessen dieses ersten deutschen Fronttrieblers (noch vor DKW und Adler!) wurden im ersten Blogeintrag ausführlich gewürdigt.

Daher beschränken wir uns auf die Besprechung der Unterschiede gegenüber dem zuvor vorgestellten Fahrzeug, das wir hier nochmals zeigen:

Stoewer_V5_Limousine_Ausschnitt

Stoewer Typ V5; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Hauptunterschied liegt in der Ausführung der Kühlermaske. Bei dem ersten vorgestellten Stoewer V5 reicht diese nur bis auf Höhe der Vorderachsen hinunter. Unter der Vorwölbung darunter befindet sich das Getriebe.

Wie später auch DKW ließ Stoewer diese unschöne Lösung wieder fallen und zog die Kühlermaske im Modelljahr 1932 weiter nach unten, wozu sie freilich schräg nach vorn verlaufen musste.

Das Erscheinungsbild des Wagens profitierte davon nicht nur von vorne, sondern auch von der Seite, da die Frontpartie nun dynamischer wirkte, obwohl sich darunter weiterhin nur ein kompakter V-4-Zylinder (!) mit 25 PS verbarg.

Wie erwachsen die in der Vorderpartie überarbeitete 2. Serie des Stoewer V5 bei sonst identischer Ausführung als Rolldach-Limousine wirkte, lässt sich in der Ausschnittsvergrößerung gut erkennen:

Stoewer_V5_Moosheim_1950_Ausschnitt

Wer sich an den wuchtigen Stoßstangen – bzw. Stoßecken – stört, liegt mit seinem Bauchgefühl richtig: Die Rolldach-Limousine des Stoewer V5 wurde ohne solches Zubehör ausgeliefert.

Vermutlich wurden die Teile von einem wohlmeinenden Besitzer nachgerüstet, als Spender käme beispielsweise ein DKW in Frage.

Das hat eine gewisse Ironie, denn es war nicht Stoewer, sondern die Firma DKW, die mit ihren schwachbrüstigen, aber billigen Zweitaktern dem Frontantrieb in Deutschland zum Durchbruch verhalf.

Vom technisch weit anspruchsvolleren und karosserieseitig wesentlich robusteren Stoewer V5 wurden nur etwas mehr als 2.000 Exemplare gebaut.

Dass eines davon noch 1950 – als fast 20 Jahre nach der Entstehung – als Reisefahrzeug genutzt wurde, spricht für die Qualitäten des Wagens.

Übrigens wissen wir das dank des Vermerks auf der Rückseite des Abzugs. Dort ist auch Moosheim in Baden-Württemberg als mutmaßlicher Aufnahmeort vermerkt.

Da der Stoewer ein Kennzeichen der britischen Besatzungszone Niedersachsen (BN) trägt, das im Bezirk Hannover (33) ausgegeben wurde, diente der Wagen damals offensichtlich noch zu ausgiebigen Reisen.

Dass er vom einstigen Besitzer geschätzt wurde, das beweist diese perfekt inszenierte Aufnahme. Hier wusste jemand genau, wie sich ein klassischer Wagen in Szene setzen ließ.

Mag sein, dass der Fotograf auch ahnte, dass eine solche zeitlose Szenerie schon bald Vergangenheit sein würde, und hielt für sich diesen romantischen Augenblick fest.

In den zerbombten Großstädten begann damals der Modernisierungsfuror zu wüten, der oft genug zu einer zweiten Zerstörung führte. Nur München blieb eine rühmliche Ausnahme und wurde damals für rückständig gehalten – heute hat die Bayernhauptstadt die höchsten Immobilienpreise in der Republik…

Gern wüsste man, wie es in jener Gasse heute aussieht, in der vor über 60 Jahren dieser Stoewer stand. Weiß ein Leser vielleicht mehr?

Im Elsass würde eine solche Szenerie heute jedenfalls noch exakt so aussehen – aber dort hat auch nicht ein von verantwortungslosen „Eliten“ angezettelter totaler Krieg die Bindung an Heimat und Tradition bis auf einige glimmende Reste zerstört…

Rothenburg ob der Tauber in den 1930er Jahren. © Videoquelle YouTube; hochgeladen von Deutschlandsender

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Rarer als ein Horch: Stoewer 8-Zylinder von 1928

Zu den meistgelesenen Einträgen in diesem Oldtimerblog für Vorkriegswagen gehören die Bildberichte zur einstigen sächsischen Luxusmarke Horch.

Kein Wunder – mit der Vorstellung des ersten deutschen 8-Zylinderwagens Ende 1926 setzte die Traditionsmarke aus Zwickau am hiesigen Markt neue Standards in der Luxusklasse.

Ungeachtet der sich verschlechternden Wirtschaftslage verkaufte Horch bis Ende der 1920er Jahre einige tausend seiner Achtzylinder.

Eine weit größere Rarität von vergleichbarem Kaliber wurde einst auf folgender Aufnahme festgehalten:

Stoewer_S8_8-Zylinder_Galerie

Stoewer S8 oder G14; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Wie bei den frühen 8-Zylindermodellen von Horch überrascht hier die wenig eigenständige – um nicht zu sagen: einfallslose – Linienführung.

Allerdings ist die unscheinbare Seitenansicht ein Merkmal vieler Oberklassewagen jener Zeit – damit folgte man den US-Marken, die in technischer wie formaler Hinsicht führend waren.

Was man auf diesen alten Fotos nur ahnen kann, ist die schiere Größe solcher Luxusautomobile, die in der Realität eine kolossale Präsenz hatten. Gelegentlich wird hier eine Aufnahme vorgestellt, die diesen Effekt anschaulich macht.

Zurück zu unserem Anschauungsexemplar. Gibt es überhaupt einen Hinweis darauf, mit was für einem Wagen wir es zu tun haben? Ja, und zwar hier:

Stoewer_S8_8-Zylinder_Ausschnitt2

Die Verteilung der Luftschlitze in der Motorhaube auf sechs Felder mag kein gestalterischer Geniestreich sein – genügt uns aber zur Identifikation.

Um anhand solcher Details Hersteller und Typ zu ermitteln, braucht man etwas, das auch im Internetzeitalter von unerreichter Effizienz ist – das gedruckte Buch.

Es hilft ja nicht, irgendeine Suchmaschine mit einer Beschreibung dieses Wagens zu füttern. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwer die Details, die wir hier sehen, irgendwo in Worte gefasst hat – und das auch noch auf deutsch – geht gegen Null.

Es gibt aber trotz des Geredes von künstlicher Intelligenz eine Suchmaschine, die in puncto Mustererkennung unerreicht ist, das menschliche Gehirn. Das merkt sich Dinge, die wir bewusst gar nicht registrieren, und präsentiert sie bei Bedarf.

So war das auch hier. Dem Verfasser kam die Anordnung der Luftschlitze in der Motorhaube bekannt vor. Also einmal ziellos Werner Oswalds „Deutsche Autos 1920-45“ durchgeblättert und schon findet sich auf Seite 366 die Lösung.

Nun wäre es langweilig (und urheberrechtlich unzulässig), einfach den dort abgebildeten Wagen zu zeigen. Stattdessen nehmen wir einen kleinen Umweg und präsentieren erst einmal diese Originalaufnahme desselben Wagentyps:

Stoewer_S8_8-Zylinder_Ausschnitt

Stoewer 8-Zylinder von 1928; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

So unscharf dieser Ausschnitt aus einem weit größeren Foto ist, so klar erkennen wir die sechs Felder wieder, in denen die Luftschlitze angeordnet sind.

Mehr noch: Der Kühlergrill mit der Mittelstrebe, die Verdickung am oberen Ende und der Schriftzug in der einen Hälfte bestätigen den Verdacht: Das muss einer der ab 1928 gebauten 8-Zylinder aus der Stettiner Manufaktur Stoewer sein!

Diese deutsche Nischenmarke, die so oft am Rande des Zusammenbruchs stand und bis 1945 immer neue Wege des Überlebens fand, präsentierte 1928 Deutschlands zweiten Achtzylinderwagen.

Im Unterschied zu Horch bot Stoewer seinen Reihenachter in zwei Varianten an: Neben einem 3,6 Liter messenden 70-PS-Aggregat gab es eine kompakte 2 Liter-Version, die 45 PS leistete, möglicherweise der kleinste 8-Zylinder überhaupt.

Nur etwas mehr als 500 Exemplare der beiden Motorvarianten entstanden 1928. Anschließend legten die Stettiner nach und boten ihren 8-Zylinder mit 50 und 80 PS an. Die Konkurrenz  – zum Beispiel bei Adler in Frankfurt – schlief nämlich nicht.

An Fotos der ersten 8-Zylinder-Stoewer von 1928 zu kommen, ist ein Glücksfall. Zwei davon haben wir schon gezeigt. Doch erst das dritte macht richtig glücklich:

Stoewer_S8_14-70_PS_Straußberg_1934_Galerie

Stoewer 8-Zylinder von 1928; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

An diesem 1934 aufgenommenen Foto sehen wir nun wirklich alles, was einen Stoewer 8-Zylinderwagen von 1928 ausmacht:

Die Anordnung der Luftschlitze in der Haube, die markante Kühlermaske mit dem Wappentier Pommerns – einem Greif – der Schriftzug auf dem Grill und die schiere Präsenz dieses kolossalen Wagens.

Nur zur Erinnerung: Stoewer baute einst bloß einige hundert dieser Wagen. Dass wir uns nach fast 90 Jahren immer noch an solchen Raritäten erfreuen können, verdanken wir ein paar alten Fotos, die die Zeiten überdauert haben…

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Genial gedacht, aber gescheitert: Stoewer Typ V5

Wer heutzutage überhaupt noch etwas mit der 1945 untergegangenen deutschen Automarke Stoewer aus Stettin verbindet, denkt wohl am ehesten an die eindrucksvollen D-Typ-Tourenwagen der Zwischenkriegszeit. 

Einige davon sind auf diesem Vorkriegsautos vorbehaltenen Oldtimerblog bereits in historischen Originalaufnahmen präsentiert worden, zum Beispiel hier.

Kennern sind auch die 8-Zylindermodelle von Stoewer geläufig, die im Fotofundus des Verfassers gut vertreten sind, aber hier noch nicht besprochen wurden. Dafür haben wir hier schon Stoewer-Fronttriebler der 1930er Jahre vorgestellt.

Was wir erst jetzt zeigen können, ist der erste dieser modernen Wagen mit Vorderradantrieb aus dem Haus Stoewer:

Stoewer_V5_Limousine_Galerie

Stoewer Typ V5; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

So unscheinbar der Wagen auf dieser Aufnahme wirkt, so selten ist ein solches Dokument. Das auf den ersten Blick konventionell erscheinende Auto fand sich auf einem winzigen Abzug, der zudem noch schlecht erhalten war.

Was sich hier nach einigen Retuschearbeiten einigermaßen präsentabel zeigt, ist der erste deutsche Serien-Fronttriebler mit Schwingachsen und hydraulischen Bremsen – zudem der einzige mit 4-Takt-Vierzylinder in V-Form.

Dies dürfte auch bei verwöhnten Lesern Interesse wecken. Denn beim Stichwort „Frontantrieb“ denkt man in deutschen Landen zuerst an die 1931 vorgestellten DKW Front-Wagen und den ein Jahr später folgenden Adler Trumpf.

Dass die im Vergleich zu den beiden Konzernen winzige Firma Stoewer ihnen Ende 1930 zuvorgekommen war und auch fahrwerksseitig die Nase vorn hatte, überrascht.

Denn dieser kleine Stoewer war aus der Not geboren: In der sich Ende der 1920er Jahre zuspitzenden Wirtschaftskrise musste ein bezahlbarer Alltagswagen her, so sehr Chefkonstrukteur Bernhard Stoewer die 8-Zylinder liebte.

Dass er dennoch auch in der unteren Mittelklasse einen solchen hochmodernen Wurf landete, spricht für sein Genie – dem am Ende leider der Erfolg versagt blieb.

Schauen wir uns den Stoewer Typ V5 auf dem Foto näher an:

Stoewer_V5_Limousine_Ausschnitt

Hier sieht man trotz der mäßigen Qualität des über 80 Jahre alten Abzugs, wie kurz der Vorderwagen im Vergleich zum geräumigen Innenraum war.

Möglich wurde dies durch die V-Anordnung der vier Zylinder, die die Länge des Reihenmotors annähernd halbierte.

Getriebe und Differential saßen bei dieser Bauweise vor dem Motor, was den unter dem Kühler vorkragenden Unterbau des Wagens erklärt. Erst seit dem 1959 vorgestellten Austin Mini sind die Motoren von Fronttrieblern quer angebaut.

25 PS aus 1,2 Litern Hubraum leistete das Aggregat des 1931 in Serie gebauten kleinen Stoewer. Das genügte für ein Spitzentempo von 80 km/h.

Wichtiger waren der tiefe Schwerpunkt des Wagens, die zupackenden Bremsen und die Zugkraft des Vorderradantriebs. Kein Wunder, dass die 30 PS starke und zudem als rassiger Roadster eingekleidete Sportversion des Stoewer V5 erfolgreich war.

Ein solcher V5 Sportwagen mit Bugattiheck steht heute im Stoewer Museum.

Eigentlich waren alle Voraussetzungen für einen großen Erfolg gegeben. Denn während DKW noch mit der Entwicklung seines eigenen Fronttriebler beschäftigt war, stand im Stoewer-Werk schon Ende 1930 die Fertigungslinie, die Prospekte wurden gedruckt und der V5 darin als Volkswagen angeboten.

Und während auf der Berliner IAMA im Februar 1931 DKW nur ein nicht fahrfähiges Modell seines Wagens zeigen konnte, waren am Stoewer fünf einsatzfähige V5 zu bestaunen, die auch schon zu kaufen waren.

Doch zwei Dinge ließen diesen genialen kompakten Wagen scheitern:

In der Literatur wird die mangelhafte Laufkultur angeführt, die durch die V-Form des Vierzylinders verursacht wird. Eine Begründung dafür findet man nicht.

Der eigentliche Grund dafür, dass Stoewer von seinem Typ V5 bis 1932 nur etwas mehr als 2.000 Stück absetzen konnte, war aber wohl die wenig wirtschaftliche Produktionsweise der Firma, die das Auto zu teuer machte.

3.600 Reichsmark verlangten die Stettiner für ihren Geniestreich. Doch das Rennen machte der zwar lärmige, klapprige, aber kaum langsamere und zudem sparsamere DKW F2, der als Cabrio-Limousine 1932 nur 2.500 Mark kostete.

So wurde Stoewer letztlich zum Verhängnis, dass die Ertragsmargen seiner Autos mangels industrieller Produktionsweise zu gering waren, um sich gegen DKW und Adler durchzusetzen.

Umso erstaunlicher ist es, dass die immer wieder vor der Insolvenz stehende Firma Stoewer solange durchgehalten hat. Man wünschte sich sich glatt, dass der Typ V5 dem Unternehmen einen neuen Frühling beschert hätte…

© Videoquelle YouTube; hochgeladen von Leotaurus1975

Dank schuldet der Verfasser Herrn Manfried Bauer vom Stoewer-Museum, der einmal mehr Detailinformationen liefern konnte, die sonst nirgends zu lesen sind.

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Rarität mit Frontantrieb: Stoewer R-150 Limousine

Warum betreibt man einen Oldtimerblog für Vorkriegswagen? Ist das nicht ein Nischenthema?

Nun, gemessen an der Häufigkeit – oder besser: Seltenheit – mit der in einschlägigen Klassikermagazinen hierzulande wirklich alten Autos ein Auftritt neben Massenware und „Youngtimern“ gegönnt wird, lautet die Antwort: ja!

Ein Grund mehr, sich diesem Nischenthema zu widmen. Zudem erreicht man im Internetzeitalter die Altautofreunde so gut wie nie zuvor – und zwar weltweit.

So gehört die englische Adler-Fotogalerie auf diesem Blog zu den Seiten, die international am häufigsten angesteuert werden.

Bevor die Adler-Freunde jetzt sinnlich werden – heute ist ein anderer deutscher Hersteller an der Reihe, der noch etwas interessanter ist: Stoewer aus Stettin.

Keine Sorge, es wird nicht schon wieder ein D-Typ-Tourenwagen aus den 1920er Jahren präsentiert, auch wenn der Fotofundus diesbezüglich noch einiges hergibt.

Nein, hier nehmen wir etwas ganz anderes in’s Visier:

stoewer_r150_galerie

Stoewer R-150 Limousine, Aufnahme der späten 1930er Jahre

Wer immer diese Aufnahme vor über 80 Jahren fabrizierte, hatte wohl etwas Malerisches im Sinn: Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund – klassischer Bildaufbau.

Dumm nur, dass der Vordergrund recht wenig zu bieten hat. Die von oben herunterhängenden Zweige sind ebenfalls gut gemeint, doch des Guten zuviel. Im Hintergrund dann die Signalanlage an einer Bahnstrecke – ernüchternd.

Für die Komposition vergeben wir gerade noch Note 3. In einer Hinsicht bewies der Lichtbildner jedoch Geschmack: Denn im Fokus des unbekannten Kamerabesitzers stand ein besonderes Gefährt – dafür Note 1!

stoewer_r150_ausschnitt

So attraktiv die DKWs und Adler der 1930er Jahre waren – Opel mit ihrer US-Linienführung lassen wir mal aus – so reizvoll wirkt dieser Stoewer.

Ist es die lange Haube mit den waagerechten Luftschlitzen, das das Hinterrad überdeckende Schutzblech oder die schlichte Symmetrie der Türgriffe an der Limousine ohne Mittelpfosten?

Schwer zu sagen: Stoewer-Wagen zeichneten sich oft durch eine eigene Magie aus. Ein Grund dafür war das Talent von Bernhard Stoewer, der die Fähigkeiten eines genialen Ingenieurs und Gestalters in sich vereinte.

Kommen wir zu den Fakten. Hier haben wir es mit einem Stoewer des Typs R-150 zu tun, wie er von 1934-35 in bloß 1.150 Exemplaren gebaut wurde.

Mit dem Vorgänger R-140 (Baujahr: 1932-34) teilte er Aussehen und Frontantrieb. Vor allem die stärkere Motorisierung – 35 PS aus 1,5 Liter Hubraum – unterschieden ihn vom R-140.

Nun mag einer einwenden: Das könnte ebenso ein Stoewer R-140 sein.

Äußerlich unterschieden sich die beiden Versionen aber in einem Detail, das auf dem hier gezeigten Bild kaum zu erkennen ist. Der Stoewer R-150 besaß nämlich eine markante Kühlerfigur in Form eines stilisierten Greifs.

Auf dem analogen Originalabzug zeichnet sich ganz schwach die Kühlerfigur ab. Die digitalisierte Kopie unterschlägt dieses Detail leider…

Übrigens: Eine seltene Sportvariante des Stoewer R-Typs haben wir hier bereits besprochen.

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Der Winter kann kommen – Stoewer D12 von 1924

Wir nähern uns rasant dem Ende des Jahres 2016 – Anlass genug, um auf diesem Oldtimerblog den Jahresausklang ebenfalls „sportlich“ anzugehen.

Sportlich – das gilt für die Leistung des Vorkriegsautos, das wir heute anhand eines Originalfotos besprechen, ebenso wie für die Bedingungen, unter denen das Bild einst entstand.

Hier ist das gute Stück in voller Pracht:

stoewer_d12_13-55_ps_von_1924_galerie

Stoewer D12, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wem diese Frontpartie nichts sagt, weiß vermutlich nichts von einer der faszinierendsten Automarken auf deutschem Boden – Stoewer aus Stettin in Pommern (heute zu Polen gehörend).

Das kommt davon, wenn man nur die Szeneblätter liest, die zwar „Oldtimer“ und „Klassik“ im Titel tragen, die aber die unzähligen Hersteller der Vorkriegszeit weitgehend links liegen lassen.

Allenfalls verblichene Vorkriegsmarken wie DKW, Horch und Maybach genießen noch einen gewissen Bekannheitsgrad unter den Altautofreunden hierzulande. Bei AGA, Brennabor, NAG und Konsorten würden viele eher auf Küchenhersteller tippen…

So haben sich die Zeiten gewandelt. Die auf wenige Prestigemarken beschränkte Propaganda der Presse spiegelt sich entsprechend in den Köpfen wider. So muss plötzlich jeder einen Porsche haben – Ende der 1980er waren es Ferraris…

Der Verfasser würde eine ganze Halle solcher Mainstream-Mobile gegen einen Steiger-Sportwagen beispielsweise tauschen, wenn bloß einer verfügbar wäre. Das Gleiche gilt für Stoewer – schon zu Lebzeiten eine Marke für Automobilgourmets. Heute gibt es nur noch wenige hundert Exemplare, verstreut auf der ganzen Welt.

Nun aber zurück zu unserem „Schneemobil“, einem Stoewer Typ D12 von 1924:

stoewer_d12_13-55_ps_von_1924_frontpartie

Dass es ein Stoewer sein muss, verrät dem geschulten Auge die leichte Neigung der Vorderkante des Spitzkühlers. Das ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber den optisch sehr ähnlichen C- und D-Typen von NAG.

Endgültige Gewissheit gibt die ovale Plakette auf der Oberseite der Kühlermaske mit dem Schriftzug Stoewer. Die markentypische Kühlerfigur – der pommersche Greif – wurde dagegen erst ab 1928 verbaut und fehlt hier daher.

Zwar kommen einige Stoewer der Zeit nach dem 1. Weltkrieg für diesen Wagen in Frage. Zum Glück trägt das Foto aber auf der Rückseite einen Vermerk von alter Hand: „13/55 PS“ steht dort geschrieben.

Das ist die Bezeichnung der Steuer-PS bzw. der Höchstleistung des Wagens. In Frage kommt damit nur der Stoewer D12, der ab 1924 gebaut wurde. Er war der Nachfolger des 6-Zylindertyps D5, der 1920 vorgestellt worden war.

Der Stoewer D12 verfügte über einen auf 3,4 Liter vergrößerten Motor, der nunmehr 55 statt zuvor 36 PS leistet. Damit war ein Spitzentempo von 100km/h möglich, vor über 90 Jahren ein sportlicher Wert für solch einen 1,8 Tonnen schweren Wagen.

Ein Detail auf unserem Foto verrät, dass wir es tatsächlich mit einem Typ D12 von 1924 zu tun haben, die fehlenden Vorderradbremsen nämlich. Ab 1925 wurde das Modell dann mit Vierradbremsen ausgestattet, die Bezeichnung lautete nun D12V.

Für solch einen in Manufaktur gebauten Stoewer waren einst 14.000 Reichsmark zu berappen, das war mehr als das Dreifache des Preises eines Opel des Typs 4/12 PS – und selbst den konnten sich nur einige tausend Deutsche leisten.

Ein Stoewer war stets ein exklusives Vergnügen, ganze 350 Stück wurden vom Typ D12 gebaut. Entsprechend stolz konnte der Besitzer eines solchen Wagens sein:

stoewer_d12_13-55_ps_von_1924_insassen

Der Fahrer scheint mit dem Stoewer glücklicher gewesen zu sein als der Passagier auf der Rückbank. Das dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass die Windschutzscheibe ihren Zweck nur für die Insassen direkt dahinter erfüllte.

Wer einmal in einem offenen Tourenwagen der automobilen Frühzeit bei kühlen Temperaturen mitgefahren ist, weiß genau, wie frisch das Vergnügen bereits bei einem Tempo von nur 50 Stundenkilometern wird.

Erst recht im Winter bei Eis und Schnee wird eine Höchstgeschwindigkeit von 100km/h in einem ungeheizten offenen Wagen sehr schnell ein theoretischer Wert.

Die Faszination lag in der Laufkultur des Sechszylinders und der hubraumbedingt mühelosen Kraftentfaltung. Einmal in Bewegung brauchte so ein Fahrzeug praktisch nicht mehr geschaltet zu werden. Das war speziell im Winter von Vorteil, denn der Schalthebel lag im Fahrtwind außerhalb der Karosserie…

Aus heutiger Sicht kann man nur sagen: Hut ab vor den Pionieren der Automobilität und ihrem sportlichen Einsatz bei Wind und Wetter. Wem es in Zeiten von Spurhaltesystemen und beheizten Lenkräder langweilig wird, bekommt mit Vorkriegswagen die ersehnte sportliche Selbsterfahrung frei Haus.

Doch nicht vergessen: Der Winter steht bei uns gerade erst vor der Tür!

Ungleiche Zwillinge: Zwei Stoewer Tourenwagen

Dieser Oldtimerblog ist ganz der faszinierenden Welt der Vorkriegswagen gewidmet. Faszinierend deshalb, weil Autokäufer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine unerschöpfliche Auswahl an Marken, Typen und Karosserien vorfanden.

Mit einer ähnlich erschlagenden Vielfalt wird man heutzutage allenfalls noch in der Kosmetikabteilung des örtlichen Kaufhauses konfrontiert. In technischer Hinsicht dominieren seit langem ein Dutzend Hersteller, Innovationen sind Mangelware.

Der Verdacht liegt nahe, dass die Gleichförmigkeit des zeitgenössischen Angebots damit zu tun hat, dass heute alles von Teams entwickelt wird, die eine ähnliche Qualifikation und Erfahrung aufweisen und ähnlich geführt werden.

Die meisten technischen Durchbrüche der letzten 150 Jahre verdanken wir aber Einzelpersonen – begnadeten Erfindern oder brillianten Ideengebern. Aber lassen wir das, nicht nur in automobiler Hinsicht ist die Gegenwart eher uninteressant.

Hier geht es um die Magie alter Fotos, die alte Autos zeigen. Oft sind diese Aufnahmen von hervorragender Qualität, doch manchmal vermitteln sie nur noch eine Ahnung des einstigen Motivs:

stoewer_d3_tourenwagen_galerie © Stoewer D3 der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Es bedurfte einiger Anstrengungen, um aus diesem über 90 Jahre alten Abzug das herauszuholen, was hier zu sehen ist. Der Aufwand hat sich gelohnt, denn das Foto zeigt ein Auto, das nur rund 2.000mal gebaut wurde – einen Stoewer Typ D3.

Die einst in Stettin ansässige Marke Stoewer ist 1945 untergegangen und im Nachhinein mag das gut gewesen sein. Denn so blieb der Nimbus einer der interessantesten deutschen Autofirmen ungetrübt erhalten.

Stoewer fertigte meist in unwirtschaftlich kleinen Stückzahlen, stand wiederholt vor der Insolvenz, konnte sich im Unterschied zu vielen Konkurrenten aber über die 1920er Jahre hinaus halten.

Der Grund dafür dürfte gewesen sein, dass das Unternehmen inhabergeführt war. Natürlich folgten auch die Stoewer-Wagen der Mode, doch hatten sie meist eine eigene Note, die sie für Automobil-Gourmets begehrenswert machte.

Man mag das auf obigem Foto noch nicht so recht erkennen, daher präsentieren hier wir hier eine zweite Aufnahme desselben Typs mit etwas abweichendem Aufbau:

stoewer_d3_tourer_um_1920_galerie

© Stoewer D3 der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist nun eine Aufnahme, wie sie besser kaum sein könnte, kontrastreich und scharf, außerdem dynamisch inszeniert, hier verstand jemand sein Handwerk.

Weit besser zu erkennen ist hier der Spitzkühler mit leichter Schrägneigung, der für die nach dem 1. Weltkrieg gebauten D-Typen von Stoewer so typisch war – ein wichtiger Unterschied zu den ähnlichen C-Typen von NAG (Bildbericht).

Auch die ovale Plakette auf der Oberseite der Kühlermaske ist Stoewer-spezifisch:

stoewer_d3_tourenwagen_emblem2

Möglicherweise kann jemand etwas zu der runden Plakette vorn auf dem Kühlergrill sagen, die nicht serienmäßig war. Die Aufschrift scheint mit einem geschwungenen „S“ zu beginnen, für „Stoewer“ reicht aber der Platz nicht.

In Frage kommt eine Plakette eines Automobilclubs, Autohauses oder Karosserieherstellers. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Bedeutung der zweiten Plakette auf der unteren Seitenpartie des Stoewer:

stoewer_d3_tourenwagen_emblem1

Überzeugende Lösungsvorschläge werden in den Artikel aufgenommen, dazu bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Gesichert sind die technischen Daten des Stoewer D3. Das von 1920-23 gebaute Vierzylindermodell leistete 24 PS aus 2,1 Liter Hubraum. Konstruktiv war der Seitenventiler solider Standard. Immerhin verfügte er über ein 4-Gang-Getriebe.

Als Höchstgeschwindigkeit wurde 70 km/h genannt, aber ausgefahren wurde selbst dieses Tempo auf den Straßen jener Zeit selten.

Betrachtet man die dick eingepackten Insassen auf dieser in der kalten Jahreshälfte entstandenen Aufnahme, kann man sich gut vorstellen, dass man es im offenen Wagen nicht sonderlich eilig hatte:

stoewer_d3_tourenwagen_heckpartie Dabei hatte der Fahrer dank der Nähe zur Windschutzscheibe und zum wärmenden Motor die bessere Position -das wussten die Herrschaften auf der Rückbank aber vielleicht nicht.

Dennoch machen sie einen recht vergnügten Eindruck, denn als Automobilbesitzer waren sie sich ihrer herausgehobenen Position bewusst. Heute wäre in derselben Schicht eine solche Situation dagegen schwer vorstellbar.

Eine Spritztour im Cabriolet ohne Heizung und Wetterschutz in der kühlen Jahreszeit zu unternehmen, das bringen allenfalls noch Engländer fertig.

Auch daran sieht man, wie sehr sich die Welt in den letzten 90 Jahren verändert hat. Von den Menschen und dem Auto ist wohl nicht mehr geblieben als unser Foto. Der unmittelbare Blick zurück macht den Reiz solcher Bilder aus.

Aus Spaß wird Ernst: Stoewer M12 Kübelwagen

Freunde der 1945 untergegangenen Stettiner Automarke Stoewer wissen: Die letzten Wagen, die dort gefertigt wurden, waren Militärfahrzeuge. Und so gehört die Produktion von robusten Kübelwagen für die Wehrmacht ebenso zur Geschichte von Stoewer wie die feinen Kleinserienautos, für die der Hersteller aus Pommern einst bekannt war.

Ein Exemplar des 1935-36 von Stoewer hergestellten Kübelwagens M12 RW wurde auf diesem Blog bereits vorgestellt (Bildbericht). Von dem auf dem Zivilmodell „Marschall“ basierenden 8-Zylinder-Fahrzeug wurden zwar nur einige hundert gefertigt. Doch mit etwas Geduld finden sich zeitgenössische Fotos dieses eher seltenen Kübelwagens.

Beginnen wir mit zwei unbeschwerten Aufnahmen aus Friedenszeiten:

Stoewer_M12_RW_Kübelwagen_1_Galerie

© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Die Soldaten auf dieser Aufnahme tun natürlich nur so, als würden sie ihren Wagen einen Hang im Wald hochschieben. Bereits das blitzblanke Nummerschild mit dem Kürzel WH (Wehrmacht-Heer) verrät, dass wir es mit keinem ernsthaften Einsatz zu tun haben.

Auch die neuwertig wirkenden Stollenreifen lassen auf eine harmlose Übungssituation schließen. Der vergnügte Blick des Mannschaftsdienstgrads oberhalb der Kühlermaske passt ebenfalls dazu.

Stoewer_M12_RW_Kübelwagen_1_Ausschnitt

Gut zu erkennen sind hier die Elemente, die den Wagen als Stoewer M12 RW ausweisen: Der verstärkte Mittelsteg unterscheidet das Fahrzeug vom äußerlich ähnlichen Wanderer-W11-Kübelwagen. Typisch für den Stoewer ist außerdem das auf der Verdickung oben angebrachte Emblem.

Noch mehr Details finden Stoewer-Freunde auf der zweiten Aufnahme desselben Wagens, die ebenfalls „gestellt“ ist. Hier scheinen sich die fünf gut gelaunten Soldaten dem Abrutschen ihres Autos am Hang entgegenzustemmen:

Stoewer_M12_RW_Kübelwagen_2_Ansbach_Foto_Berberich_Galerie

© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

In der Ausschnittsvergrößerung dieser recht scharfen Aufnahme sind weitere Details zu sehen, die sonst auf historischen Abbildungen kaum zu erkennen sind. Möglicherweise ist dies für einen Besitzer der heute äußerst raren Stoewer-Kübelwagen aufschlussreich.

Die genieteten Halterungen am Schutzblech, das Reifenprofil oder auch die Halterung des Suchscheinwerfers nebst Verlauf der Kabel lassen sich hier genau studieren:

Stoewer_M12_RW_Kübelwagen_2_Ansbach_Foto_Berberich_Ausschnitt1

Ein Kuriosum ist der kleine Dreieckskanister auf dem geriffelten Ende des Kotflügels. Seine Zugehörigkeit zu dem Wagen ist durch das aufgemalte Kennzeichen WH 75009 akkurat vermerkt. Wer einst als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr war, wird solche Genauigkeit im Kleinen wiedererkennen…

Im Gefechtseinsatz wäre der Stoewer mit seinem durstigen 3-Liter-Achtzylinder mit der putzigen Benzinreserve nicht weit gekommen. Kein Wunder, dass auf späteren Aufnahmen aus Kriegszeiten stets 20-Liter-Einheitskanister mitgeführt wurden, oft an den unmöglichsten Stellen.

Werfen wir nun einen Blick auf die Besatzung „unseres“ Stoewer.

Die vier jungen Männer mit Schiffchen sind allesamt Wehrpflichtige. Ihre Kragenspiegel und Schulterklappen weisen auf eine Infanterie-Einheit hin. Man sieht ihnen an der Gesichtsfarbe an, dass sie die letzte Zeit viel im Freien waren. Vermutlich haben sie gerade die Grundausbildung absolviert, kein Zuckerschlecken.

Mit ihrem Vorgesetzten scheinen sie sich aber gut verstanden zu haben, wie die ungewöhnlich lässigen Bilder zeigen. Immerhin handelt es sich um einen altgedienten Hauptfeldwebel, wenn nicht alles täuscht.

Stoewer_M12_RW_Kübelwagen_2_Ansbach_Foto_Berberich_Ausschnitt2

Für den Unteroffiziersrang sprechen die silbernen Litzen auf Kragen und Schulterklappen sowie die Schirmmütze mit schwarzem Lederband. Zwei Sterne auf den Schulterklappen lassen den genauen Dienstgrad erkennen.

Im Hintergrund ist ein Dorf am Hang zu erahnen. Wo genau die Aufnahme entstand wissen wir zwar nicht. Doch auf der Rückseite ist der Stempel des Fotostudios angebracht: „Foto Berberich, Ansbach“. Tatsächlich gibt es im bayrischen Ansbach noch heute ein gleichnamiges Fotogeschäft (Stand: 2016).

Da Wehrpflichtige meist heimatnah ausgebildet wurden, darf man annehmen, dass die beiden Fotos einst ebenfalls in Mittelfranken geschossen wurden.

Leider blieb den Soldaten auf den Fotos wenig Zeit, den Frieden zu genießen. Ab September 1939 sahen Mensch und Maschine im Kriegseinsatz ganz anders aus. Zwar sind Gefechtsaufnahmen die absolute Ausnahme, und viele Fotos zeigen harmlose Situationen bei Nachschubeinheiten hinter der Front.

Doch auch diese Bilder lassen bei näherem Hinsehen etwas vom Ernst, den Härten und Gefahren erkennen, die Einzug hielten in das Leben derer, die von der Berliner Führung in den Krieg geschickt wurden.

Als Beispiel dienen mögen zwei Fotos eines Stoewer M12 RW Kübelwagens, die in Frankreich entstanden:  

Stoewer_M12_RW_Kübelwagen_Normandie_1940_1_Galerie

© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Das erste zeigt zwei ernst schauende Soldaten in ihrem Stoewer, der laut umseitiger Beschriftung irgendwo in der Normandie unterwegs war. Man kann hier gut die eindrucksvollen Dimensionen des Wagens nachvollziehen.

Der Zustand der Karosserie und die abgefahrenen Reifen sprechen für eine schon längere Einsatzdauer. Der Reservereifen scheint eine Notlösung zu sein, das richtige Profil war wohl nicht verfügbar – ein Hinweis auf das fortgeschrittene Stadium des Kriegs.

Stoewer_M12_RW_Kübelwagen_Normandie_1940_1_Ausschnitt

Leider konnte der Verfasser das Divisionsabzeichen auf dem in Fahrtrichtung rechten Kotflügel nicht eindeutig zuordnen. Es gibt dazu im Netz nur unvollständige Informationen. Es scheint mehrere Infanteriedivisionen mit ähnlichem Abzeichen gegeben zu haben, die zwischen 1940 und 1944 in Frankreich stationiert waren.

Zumindest das taktische Zeichen auf dem linken Schutzblech ist aber interpretierbar. Es verweist auf die 3. Kompanie einer Nachrichteneinheit, wozu auch der sich hinten abzeichnende Funkwagenaufbau des Stoewer passt.

Das zweite Foto desselben Fahrzeugs zeigt den Fahrer allein im Stoewer. Auch hier wird die schiere Größe des Wagens deutlich:

Stoewer_M12_RW_Kübelwagen_Normandie_1940_2_Galerie

© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

In der Ausschnittsvergrößerung sind einige Details hervorragend zu sehen; dabei scheint alles mit den ersten Aufnahmen übereinzustimmen. Nur der eher symbolische Dreieckskanister ist verschwunden, vermutlich hat er einen neuen Platz in einem weniger durstigen Wagen gefunden.

Stoewer_M12_RW_Kübelwagen_Normandie_1940_2_Ausschnitt.jpg

Der ernst schauende Soldat ist wiederum ein einfacher Mannschaftsdienstgrad. Das rautenförmige Emblem auf dem Ärmel weist ihn als Oberschützen aus, also den zweitniedrigsten Dienstgrad eines Wehrpflichtigen in der Infanterie.

Das Fehlen von Waffen und das Tragen einer einfachen Kopfbedeckung statt Stahlhelm verrät, dass die Aufnahme fernab des Frontgeschehens entstand. Die Qualität der Fotos spricht eher für die Frühphase des Kriegs.

Ab 1942 werden solche hochwertigen, sorgfältig komponierten Aufnahmen selten. Man merkt den Bildern an, dass sich die Zeiten geändert hatten. Folgendes, offenbar hastig gemachtes Foto eines Stoewer M12 RW Kübelwagens in Russland ist ein Beispiel dafür:

Stoewer_M12_RW_und mittlerer Einheits-PKW_Galerie

© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Wer sich für deutsche Militärfahrzeuge interessiert, wird hier auch einen mittleren Einheits-PKW erkennen. Diese eigens für das Heer entwickelten Wagen liegen außerhalb des Radius dieses Blogs. Eine empfehlensweite Website dazu betreibt Holger Erdmann.

Stoewer M12 RW Kübelwagen dürften heute zu den ganz großen Raritäten zählen. Die relativ geringe Stückzahl und das frühe Baueende schufen schlechte Voraussetzungen für ein Überleben bis 1945 und danach.

Fund des Monats: Stoewer F6 Limousine von 1927/28

Kaum ein Klassiker-Blog hierzulande widmet sich markenübergreifend schwerpunktmäßig der Vorkriegszeit – rühmliche Ausnahme ist Michis Oldtimer-Blog mit seinem Fokus auf Sportwagen der 1920/30er Jahre.

Im englischsprachigen Netz wird in Sachen Vorkriegsautos zwar mehr geboten: Vor allem die englische Website „Prewarcar„ist hier zu nennen. Auch bei „The Old Motor„und“Hemmings“ wird einiges für Veteranenfreunde getan.

Doch Fahrzeuge aus dem deutschen Sprachraum werden dort nur selten besprochen. So besetzt dieser Blog mit seinem Fokus auf Marken aus dem einstigen Deutschen Reich und Österreich-Ungarn durchaus eine Nische.

Der Anspruch ist der, auch Kleinserienhersteller im Lauf der Zeit anhand von Originalfotos umfassend zu dokumentieren. Beispielsweise besteht von den einst so populären DKWs bereits ein fast vollständiges Bildarchiv aller bis 1945 gebauten Typen.

Bei Exotenmarken wie Stoewer aus Pommern sieht das noch anders aus, doch auch hier macht das Projekt ständig Fortschritte. Dabei muss man den Zufall walten lassen, denn gezielt nach historischen Fotos von Stoewer-Wagen zu fahnden, ist zwecklos.

Dieser Tage nahm der Verfasser ein Bild in die Hand, das er einst in der Annahme erworben hat, es könnte darauf ein Fiat oder Peugeot der frühen 1920er Jahre zu sehen sein. Tatsächlich gab es Typen der beiden Marken, die eine ähnliche Frontpartie hatten:

Stoewer_F6_Limousine_Galerie

© Stoewer F6 Sechsfenster-Limousine, späte 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gerade die Autos der 1920er Jahre unterscheiden sich in der Seitenansicht oft nur wenig und je nach Aufnahmesituation ist der meist markantere Kühler entweder verdeckt oder nur unscharf wiedergegeben.

Im vorliegenden Fall haben wir Glück. Nach umfangreichen Retuschen und Nachschärfen des Originals lieferte eine Ausschnittsvergrößerung der Kühlerpartie die Antwort auf die Frage, um was für einen Wagen es sich handelt.

Das Ergebnis fiel überraschend aus, denn wir haben es mit einer echten Rarität zu tun:

Stoewer_F6_Limousine_Frontpartie

Auf der ovalen Kühlerplakette ist in einer schwarz unterlegten rechteckigen Kartusche ein Markenname zu erahnen, der aus fünf bis sechs Buchstaben besteht und mit einem S zu beginnen scheint. Simson oder Steiger kann man schon aus stilistischen Gründen getrost ausschließen, der Schriftzug von Selve sieht anders aus.

Erst der Vergleich mit dem von 1910 bis 1927 verwendeten Kühleremblem von Stoewer liefert eine vollständige Übereinstimmung, auch die Anordnung der Schrauben ober- und unterhalb der Kartusche „passt“.

Dass dieser Wagen nicht den pommerschen Greif als Kühlerfigur trägt, hat einen einfachen Grund: erst ab 1928 wurden Stoewer-Autos damit ausgeliefert. Eher irritiert die wenig einfallsreiche Formgebung des Wagens – ein Stoewer hatte fast immer einen eigenen Stil und war etwas für Leute, die in automobiler Hinsicht keinen Standard wollten.

Das fast beliebig anmutende Aussehen des Wagens vereinfacht die Identifikation des Typs. So schlicht kam in der Stoewer-Geschichte nur der F6 daher, den die Firma von 1927-28 aus Vernunftgründen baute. Man hatte wieder einmal Ertragsprobleme und hoffte, mit einem erschwinglichen Wagen mehr Umsatz machen zu können.

Die Rechnung ging nicht auf, es fehlte wohl am Durchhaltewillen. Nach nur 800 Exemplaren beendete man die Produktion des an sich vielversprechenden 4-Zylinder-Wagens, dessen 1,6 Liter-Motor damals zeitgemäße 30 PS leistete.

Stattdessen konzentrierte man sich im Umfeld der nahenden Weltwirtschaftskrise auf den Bau neuer 8-Zylindermodelle. Dass Stoewer nicht früher an den eigenen Ambitionen unterging, sondern im Unterschied zu vielen Kleinserienherstellern bis 1945 durchhielt, grenzt an ein Wunder.

Wer fuhr damals solche Autos? Sicherlich gutsituierte Leute, die sich bewusst für eine Nischenmarke entschieden. Ein Stoewer war nie eine billige Angelegenheit und es gehörte Mut dazu, sich dem dünnen Werkstattnetz im Deutschen Reich anzuvertrauen.

Für die Herrschaften auf unserem Foto war das wohl ein geringeres Problem, denn wenn nicht alles täuscht, beginnt das Nummernschild mit „IH“, was für die Provinz Pommern stand, wo Stoewer zuhause war.

Stoewer_F6_Limousine_Besitzer

Die Kleidung der beiden Damen verweist auf die späten 1920er Jahre, als recht kurze, sackartige Kleider in Mode waren, die nicht in der Taille, sondern im Beckenbereich gegürtet waren. Diese boshaft anmutende Idee – ein früher Versuch, von der „traditionellen Silhouette“ wegzukommen – verschwand zum Glück um 1930 wieder.

Damit lässt sich das Foto in die Produktionszeit des Stoewer F6 datieren, also 1927/28. Übrigens ist das Kennzeichen des Wagens ein Wechselnummernschild des Stoewer-Werks, das auch für andere Fahrzeuge verwendet wurde.

Dass das zum Aufnahmezeitpunkt vermutlich neue Auto noch existiert, können wir ausschließen. Spätestens nach der auf Anordnung der Siegermächte 1945 erfolgten Abtretung Pommerns an Polen und der Vertreibung der deutschen Bevölkerung konnte in seiner einstigen Heimat niemand mehr etwas mit so einem seltenen und damals schon alten Wagen anfangen.

Heute gehören Stoewer-Wagen zu den ganz großen Raritäten aus der an Sonderwegen reichen deutschen Vorkriegsgeschichte. Nur wenig mehr als 40.000 Autos baute die einst angesehene Marke während ihres Bestehens. Die genaue Zahl ist ungewiss.

Besonderer Dank gilt Manfried Bauer vom Stoewer-Museum, ohne dessen Sachkunde und Hilfsbereitschaft dieser Artikel nicht hätte entstehen können.

Stoewer R 140: Traum-Cabriolet der 1930er Jahre

Leser dieses Blogs wissen, dass hier schwerpunktmäßig deutsche Vorkriegs-PKW anhand originaler Fotografien vorgestellt werden. Dabei soll nach und nach ein Bildarchiv entstehen, dass die Historie der gängigsten Marken bis 1945 komplett abdeckt.

Damit aber vor lauter Wagen der Marken Adler, BMW, DKW, Horch, Mercedes und Wanderer keine Langeweile aufkommt, werden ab und zu auch reizvolle Bilder von Exoten vorgestellt. Das sind oft Fahrzeuge ausländischer Marken wie zum Beispiel Humber aus England, Mathis aus Frankreich oder O.M. aus Italien.

Von Zeit zu Zeit finden sich aber auch Perlen des deutschen Automobilbaus der Zwischenkriegszeit, die dem Publikum nicht vorenthalten werden sollen. Freunde von Marken wie Brennabor, NAG und Steiger kommen dann auf ihre Kosten.

Heute haben wir es mit einem Vertreter der einstigen Prestigemarke Stoewer aus Stettin in Pommern zu tun:

Stoewer_R-Typ_1937_Galerie

© Stoewer R 140 Cabriolet, Baujahr 1932-35; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Wagen von Stoewer waren stets etwas für Auto-Gourmets, fast immer stilistisch markant und oft auch technisch avanciert. Das war ganz maßgeblich dem Einfluss von Bernhard Stoewer zu verdanken, der nicht nur Mitglied der Besitzerfamilie, sondern auch technischer Direktor war.

Bernhard Stoewer war eines der seltenen Beispiele für einen Ingenieur, der auch gestalterisch talentiert war. Sein Einfluss auf die oft verwegen gezeichneten Stoewer-Wagen ab den späten 1920er Jahren ist unübersehbar.

Folgende Ausschnittsvergrößerung zeigt für den Stoewer-Stil typische Details:

Stoewer_R-Typ_1937_Frontpartie

Die lange Motorhaube, die unerhört niedrige Windschutzscheibe, der V-förmige Kühlergrill und die aggressiv wirkenden Scheinwerfer gaben dem Wagen in seiner Klasse eine einzigartig rassige Erscheinung.

Dieses Fahrzeug ist ein Cabriolet des Typs R, der über 4-Zylindermotoren mit 1,4 bzw. später 1,5 Liter Hubraum verfügte. Mit seinen 30-35 PS war es – technisch gesehen – in der unteren Mittelklasse angesiedelt. Frontantrieb boten auch Adler und DKW, doch formal war der Stoewer eine Klasse für sich.

Dass Stoewer sich zu so einer schwachen Motorisierung herabließ – schließlich verbaute man zuvor meist 6- und 8-Zylinder-Aggregate –  war auf wirtschaftliche Schwierigkeiten zurückzuführen, die der Firma wiederholt zu schaffen machten.

Tatsächlich gehörten die 4-Zylinder-Wagen von Stoewer -einschließlich des Typs V mit seinem V4-Zylindermotor zu den erfolgreichsten Typen der Marke überhaupt. Nur um es klarzustellen: Wir sprechen hier von knapp 6.000 Exemplaren.

Dass von den faszinierenden Wagen aus Stettin heute überhaupt einige existieren, grenzt an ein Wunder. Werfen wir nochmals einen Blick auf das Cabriolet auf unserem Foto:

Stoewer_R-Typ_1937_Seitenpartie

Man beachte den ungewöhnlich ausgeprägten Bogen der Frontscheibe, die einzigartige Gestaltung der Fahrertür mit der raffiniert gestalteten Zierleiste und den abrupten Abwärtssschwung der Heckpartie.

So eine expressive Formensprache bot in dieser Klasse am deutschen Markt kein anderer Serienhersteller der 1930er Jahre. Leider ist das Foto dieses herrlichen Wagens etwas körnig, daher lohnt sich ein Blick auf einen der ganz wenigen Überlebenden des ähnlichen Typs R 150  ,der vor einiger Zeit restauriert und an einen neuen Besitzer verkauft wurde.

Fahrzeuge wie diese sind wahre Raritäten und echte Persönlichkeiten, im Unterschied zu den gegenwärtig hochgeredeten Massenfabrikaten der 1960-70er Jahre. Im Unterschied dazu dürften seltene Vorkriegswagen vom Schlage eines Stoewer immer ihren Wert behalten. Dazu reichen ein paar Kenner mit Geschmack…

Besonderer Dank gilt übrigens Manfried Bauer vom Stoewer-Museum in Wald-Michelbach, der Hinweise zur Identifikation des genauen Typs geliefert hat.

Kübelwagen-Rarität mit 8 Zylindern: Stoewer M12 RW

Mit dem Begriff des Kübelwagens verbindet man wohl am ehesten das Modell auf Volkswagen-Basis, das im 2. Weltkrieg an allen Fronten als das beste Fahrzeug seiner Art galt.

Meist in Vergessenheit geraten sind die eigenständigen Kübelwagen von Herstellern wie Adler, BMW, Hanomag (Bildbericht), Horch (Bildbericht), Mercedes und Wanderer, die bereits in der Vorkriegszeit entstanden. Sie werden hier anhand von Originalfotos besprochen, sofern es Ableitungen ziviler PKW-Modelle waren.

Die Beschaffungspolitik der „Schreibtischtäter“ in Reichswehr bzw. Wehrmacht (ab März 1935) hinsichtlich geländegängiger Wagen für Stabsoffiziere war nicht sonderlich strukturiert. An eine möglichst einheitliche Konstruktion sowie geringes Gewicht wurde hier nicht gedacht. Dabei hatte man schon im 1. Weltkrieg schlechte Erfahrungen mit zu exotischen und schwerfälligen Modellen in morastigem Gelände gemacht (Beispiel NAG).

Oft ging die Initiative von den Autobauern aus, die gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf lukrative Heeresaufträge hofften. Dazu wurden bewährte PKW-Modelle mit einem Kübelwagenaufbau versehen und einiger Zierrat entfernt (selbst das nicht immer). Wo Allradantrieb oder Sperrdifferential fehlten, suggerierten zumindest Stollenreifen Geländegängigkeit.

Ein typisches, doch seltenes Beispiel für eine solche halbgare Lösung stellt der Wagen auf folgendem Originalfoto aus dem 2. Weltkrieg dar:Stoewer_M12_Kübelwagen

© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Ein solches Fahrzeug ohne Markenembleme ist nur nach dem Ausschlussprinzip zu identifizieren.

Kübelwagen von Adler und Hanomag kommen nicht in Betracht, da die typischen Flügelembleme auf dem Kühler fehlen. Gegen einen Horch sprechen trotz der dort ebenfalls verbauten mehrteiligen Frontscheibe mit ausklappbaren Seitenscheiben die hoch angesetzten Schutzblechausschnitte und der fast lotrecht stehende Kühlergrill. Mercedes ist wegen der vertikal verlaufenden Stäbe im Kühlergitter auszuschließen. Das Modell von Wanderer schließlich weist keinen Mittelsteg im Kühler auf und die Schutzbleche verlaufen dort weniger schwungvoll.

Eigenwillig sind außerdem die auf der Rahmenoberseite unterhalb der Hupen angebrachten Abschleppösen:

Stoewer_M12_Kübelwagen_Ausschnitt

Diese Elemente finden sich nur am 1934-36 gebauten Kübelwagen des Stettiner Herstellers Stoewer. Zwar verdeckt der Kühlerüberzug das Markenemblem und die Öffnung für die Starterkurbel. Doch alle übrigen typischen Details sind erkennbar.

Die Firma Stoewer war Mitte der 1930er Jahre aufgrund ihrer betriebswirtschaftlich nicht tragfähigen Produktion (mal wieder) in Finanznot und versuchte zunächst, das Land Pommern zu Subventionen zu bewegen. Da man dort hart blieb, knüpfte die Firma Verbindungen zur Reichswehr, wo man einen Teilerfolg erzielte. Einige hundert Kübelwagen auf dem Chassis des von 1930-34 gebauten 8-Zylindermodells „Marschall“ wurden an die Armee geliefert. 

Diese Fahrzeuge verfügten über eine Leistung von rund 55 PS aus 3 Litern Hubraum. Sie scheinen sich in der Kübelwagenversion bewährt zu haben, jedenfalls sind sie einige Jahre später im Krieg verwendet worden. Dieses Exemplar weist entsprechende Einsatzspuren auf:

Stoewer_M12_Kübelwagen_Front Das in Fahrtrichtung rechte Schutzblech hat schon eine unbeabsichtigte Verformung hinter sich. Gut zu erkennen ist die üppig dimensionierte, verrippte Bremstrommel. Ein Notbehelf ist der abgefahrene Reifen ohne Stollenprofil auf der anderen Seite. Solche Details künden vom Improvisationsdruck an der Front, einer Folge permanenten Mangels an wichtigen Rohstoffen.

Zum Nummernschild ist zu sagen, dass dieser Wagen der Luftwaffe zugeordnet war (WL=Wehrmacht Luftwaffe). Dazu passen die drei Schwingen als Rangabzeichen auf dem Uniformkragen des Soldaten, der sich hinter dem Stoewer zu schaffen macht:

Stoewer_M12_Kübelwagen_SoldatDas gedoppelte „V“auf dem Ärmel weist auf den Rang eines Obergefreiten hin. Es handelt sich demnach um einen Wehrpflichtigen, der bei Kriegseinbruch eingezogen wurde, sich seinen Einsatz also nicht ausgesucht hat.

Bei der Beurteilung des Großteils der Kriegsgeneration von der heutigen Warte wird gern übersehen, dass die Masse unserer Landsleute keine andere Wahl hatte, als einem Regime zu dienen, das sich als legitim ausgab. Bilder aus jener Zeit lassen daher auch etwas von der Ausweglosigkeit ahnen, der diejenigen ausgesetzt waren, die keine führende Position innehatten, sondern schlicht als Verfügungsmasse galten.

Die Rücksichtlosigkeit, mit der selbst Luxuswagen beim Militär verschlissen wurden, lässt ebenfalls etwas von den Verhältnissen der Zeit ahnen (Beispiel Horch 830).

Autorarität aus Hessen: Röhr 6/30 PS „Junior“

Hessische Lokalpatrioten mit einer Schwäche für klassische Automobile haben nicht viel Auswahl. Neben Opel aus Rüsselsheim und Adler aus Frankfurt brachte das landwirtschaftlich geprägte Hessen nur noch die Marke Röhr hervor.

Röhr ist ein Beispiel für die zahllosen technisch kompetenten Fahrzeughersteller hierzulande, die es nie zu einer wirtschaftlich tragfähigen Produktion gebracht haben.

Dass die erst 1926 gegründete Marke aus Ober-Ramstadt überhaupt noch einen gewissen Bekanntheitsgrad besitzt, grenzt angesichts einer Fertigung von wenigen tausend Autos bis zum Untergang 1935 an ein Wunder.

Wer sich für die Marke Röhr interessiert, kommt an Werner Schollenbergers Netzpräsenz nicht vorbei. Eine komprimierte Markengeschichte gibt es außerdem hier zu lesen. Dort wird auch einer der großartigen 8-Zylinder-Wagen von Röhr vorgestellt, denen die Marke ihren Ruhm verdankt.

Hier soll dagegen ein anderes Kapitel der Geschichte des glücklosen Herstellers beleuchtet werden. Anlass ist der Fund dieser zeitgenössischen Originalaufnahme:

Röhr Junior

© Röhr Junior mit Paul Kemp, Mitte der 1930er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen auf dem großformatigen und hochwertigen Abzug dokumentiert den letzten Versuch von Röhr, einen wirtschaftlich erfolgreichen Wagen am Markt zu platzieren.

Es ist bezeichnend, dass man dazu auf ein ausländisches Fabrikat zurückgriff, das man in Lizenz zu bauen gedachte. In den 1920er Jahren hatten Opel mit dem 4 PS-Modell und BMW mit dem Dixi erfolgreich denselben Weg beschritten.

Röhr entschied sich für das Modell 75 des tschechischen Herstellers Tatra, das 1933 vorgestellt wurde. In guter Tatra-Tradition besaß der Wagen einen vorne montierten luftgekühlten Boxermotor, der immerhin 30 PS leistete. Bei einem Wagengewicht von etwas mehr als 900 kg erlaubte das ansprechende Fahrleistungen.

Wie Tatra auch verbaute Röhr einen funktionslosen Kühlergrill, der Käufern die Entscheidung für das unkonventionelle Konzept erleichtern sollte. Auf folgendem zeitgenössischen Sammelbild ist schön zu sehen, dass der „Kühler“ mt der Motorhaube verbunden war:

Röhr_Junior_Sammelbild

© Röhr „Junior“, originales Sammelbild um 1935 aus Sammlung Michael Schlenger

Ironischerweise wurde der in Lizenz gebaute und als „Röhr Junior“ vermarktete Tatra das erfolgreichste Modell von Röhr. Rund 1.700 Exemplare sollen bis 1935 davon entstanden sein.

Man sieht an der überschaubaren Stückzahl, dass die Röhr-Wagen in Manufaktur erzeugt wurden. Auch dieser Hersteller ignorierte beharrlich, dass nur Serienfabrikation eine wirtschaftliche Produktion von Alltagswagen ermöglichte.

So war die Einführung des Röhr Junior ein Erfolg, den der Hersteller mangels Kapital nicht zu nutzen imstande war. Nach erneuter Insolvenz der Firma endete 1935 die Produktion. Fertigungsanlagen und Lizenz übernahm die Stettiner Firma Stoewer, die den Wagen als Greif Junior bis Kriegsbeginn 1939 produzierte.

Wie in diesem Blog üblich soll auch ein Blick dem fröhlichen Fahrer am Steuer des Röhr gelten:

Röhr Junior_Paul_Kemp

Es ist der populäre Filmschauspieler Paul Kemp (1896-1953), der mit UFA-Größen der 1930er Jahre wie Willy Fritsch und Lilian Harvey einige Erfolge landete. Seine Spezialität war das komödiantische Fach.

Wer Spaß an solchen Dingen hat, wird Paul Kemps Version des Nonsens-Schlagers „Ich wollt‘ ich wär ein Huhn“ mögen. Ihm haben wir zeitlose Weisheiten zu verdanken wie „Ich bräuchte nie mehr ins Büro – ich wäre dämlich, aber froh.“

Ob das Pressefoto des beliebten Paul Kemp mit dem Röhr Junior ein frühes Beispiel für „Werbung mit Prominenten“ war? Geholfen hat es jedenfalls nicht…

Ein weiteres Originalfoto eines Röhr „Junior“ findet sich übrigens hier.

Ein Auto aus Pommern: Stoewer D3 von 1920

Mehr als 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs schwindet hierzulande allmählich das Bewusstsein, dass es östlich der heutigen Landesgrenzen einst eine über Jahrhunderte gewachsene deutsche Kultur gab. Wer nicht wie der Verfasser familiär „vorbelastet“ ist oder sich für die Geschichte seines Landes interessiert, verbindet mit Begriffen wie Pommern, Preussen oder Schlesien kaum noch etwas.

So dürften auch die wenigsten die Frage nach der ehemals am weitesten östlich gelegenen Automobilfabrik Deutschlands beantworten können. Um es kurz zu machen: Es waren die Stoewer-Werke in der alten Hansestadt Stettin. Bis 1945 war die Stadt an der Odermündung das Zentrum der preußischen Provinz Pommern, seither gehört sie zu Polen.

Stoewer war eine Qualitätsmarke, die für ihre oft sehr eleganten Karosserien bekannt war. Hier eine Originalreklame aus der Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg:

Stoewer-Originalreklame um 1920

© Stoewer-Originalreklame, Anfang der 1920er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Die Ursprünge der Firma liegen in einer Mitte des 19. Jahrhunderts begonnenen Nähmaschinenproduktion, die später um eine Fahrradfertigung ergänzt wurde – man fühlt sich an die Marke Adler erinnert.

Die beiden Söhne des Firmengründers begannen 1897 mit der Herstellung motorisierter Dreiräder nach französischem Vorbild. Schon 1899 wagten sie die Konstruktion eines vollwertigen Wagens nach eigenen Plänen. Das Modell erwies sich als tauglich und markierte den Beginn der Serienfertigung von Stoewer-Automobilen.

Übrigens versuchten sich die Gebrüder Stoewer auch auf dem Gebiet des Elektroantriebs. Ihre 1905 vorgestellte E-Droschke erreichte ein Tempo von 30 km/h und hatte eine Reichweite von 40 km. Angesichts zu geringer Speicherfähigkeit und mangelnder Dauerhaftigkeit der Batterien im Alltagsbetrieb wurde das Experiment jedoch wieder beendet – nach 100 Jahren sieht es heute nicht viel besser aus.  

Stoewer erwarb sich in den Jahren bis zum 1. Weltkrieg einen Ruf als Hersteller feiner Automobile. Dazu trugen nicht zuletzt die selbstentworfenen Karosserien bei, die oft eleganter ausfielen als die Produkte der Konkurrenz. Doch soll hier nicht die gesamte Geschichte der Stettiner Marke erzählt werden – denn das tut bereits in vorbildlicher Weise folgendes Buch:

Gerhard Maerz: Die Geschichte der Stoewer-Automobile, Verlag Kohlhammer, 1983, ISBN: 3-17-007931-X (vergriffen, aber antiquarisch erhältlich)

Vielmehr soll ein zeitgenössisches Originalfoto eines Stoewer dazu dienen, Interesse an dieser zu Unrecht vergessenen Marke zu wecken:

Stoewer_D3_1920er Jahre

© Stoewer Typ D3, Ende der 1920er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Die hochwertige Aufnahme befindet sich schon seit längerem im Besitz des Verfassers. Eine sichere Zuschreibung des Wagens war zunächst nicht möglich. Der Spitzkühler lässt zwar an ähnliche Modelle von NAG, Horch und Opel denken. Doch die oben auf dem Kühler montierte Plakette passt dazu ebensowenig wie die  Speichenräder mit ihren zahlreichen Radbolzen und der markanten Nabenkappe:

Stoewer_D3_1920er Jahre_Frontpartie

Gewissheit erbrachten erst Vergleiche der Karosserie mit Abbildungen aus dem erwähnten Stoewer-Buch von Gerhard Maerz, der übrigens als gebürtiger Stettiner schon als Junge alles sammelte, was mit Stoewer zu tun hatte.

Dort finden sich Bilder von Stoewer-Wagen der 1920 vorgestellten D-Baureihe, die trotz unterschiedlicher Motorisierungen wesentliche Charakteristika mit dem Wagen auf unserem Foto teilen. Neben der identischen Gestaltung des Fahrzeugbugs findet sich dort vor allem der scharfe Knick in der Karosserie wieder, der von der Motorhaube schräg nach oben zum Ende der geknickten Windschutzscheibe führt.

Stoewer_D3_1920er Jahre_Mittelpartie

Auf dieser Ausschnittsvergrößerung finden sich noch andere interessante Details, dazu gleich mehr. Der abgebildete Wagen ist wahrscheinlich ein mittleres Modell der D-Baureihe von Stoewer, ein D3. Der von 1920-23 in etwas mehr als 2.000 Exemplaren gebaute Typ verfügte über einen 2,1 Liter großen Vierzylindermotor mit Seitenventilen, der 24 PS leistete. Die größeren Modelle wurden mit 6-Zylinder-Aggregaten angeboten, die deutlich leistungsfähiger waren.

Wie es der Zufall will, ähnelt der Wagen auf dem Foto stark dem stilisierten Fahrzeug auf der oben gezeigten Originalreklame. Dies unterstützt die hier vorgetragene These; vielleicht kann ein Leser hierzu noch mehr beitragen.

Nun nochmals ein Blick auf die Mittelpartie des Stoewer mit seiner schnittigen Windschutzscheibe. Dort ist in Fahrtrichtung links ein Winker angebracht, ein schön gestalteter Pfeil, der mechanisch betätigt wurde. Rechts vom Fahrer – Rechtslenkung war seinerzeit auch bei uns verbreitet – befindet sich ein wohl nachgerüsteter Rückspiegel. Seine Halterung sieht etwas improvisiert aus.

Aus dem Rahmen fällt die große elektrische Hupe, die seitlich zwischen Ersatzreifen und Vorderschutzblech montiert ist. Dieses Zubehör kann erst in den späten 1920er Jahren verbaut worden sein; dazu passt der gut gebrauchte Zustand des Stoewer.

Leider gibt die Kleidung des etwas abschätzig dreinschauenden Fahrers keinen weiteren Datierungshinweis. Seine über der Brust gedoppelte Lederjacke mit Pelzkragen wurde vom 1. Weltkrieg bis in die 1940er Jahre von Auto- und Motorradfahrern geschätzt – ein Klassiker, der sich auch heute hervorragend zu Veteranenfahrzeugen macht.

Das weitere Schicksal der Marke Stoewer war von einem ständigen Auf und Ab geprägt, wie es anderer Hersteller von Nischenmarken ebenfalls durchmachten. Immerhin überstand die Stettiner Firma die Weltwirtschaftskrise, allerdings verlor die Gründerfamilie in den 1930er Jahren die Kontrolle über das Unternehmen. Damit ging auch der eigene Charakter der Marke verloren.

Während des 2. Weltkriegs produzierte das Stoewer-Werk Militärfahrzeuge. Viel zu spät – im April 1945 – unternahm man im Geschützdonner der heranrückenden Roten Armee den Versuch der Evakuierung von Teilen der Produktionsanlagen und des Geschäftsarchivs. Die Sowjets beschlagnahmten das gesamte Material und die Fabrikanlage in Stettin, ohne nochmals eine Produktion zuwegezubekommen.

Damit war die Marke Stoewer Historie. Der Autor des erwähnten Stoewer-Buchs musste bei der Flucht aus Stettin 1945 seine bis dahin aufgebaute Sammlung zurücklassen. In den folgenden Jahrzehnten gelang es ihm in akribischer Kleinarbeit, wieder genügend Material für sein gelungenes Buch zusammenzutragen.

Zeitzeugen wie ihm ist es zu verdanken, dass wir überhaupt soviel über die Marke Stoewer wissen, in der sich nicht zuletzt ein Teil unserer Geschichte widerspiegelt.