Front-Bericht aus Wernigerode: Audi UW 8/40 PS

Kriegsrhetorik ist gerade wieder einmal in Mode – speziell in Europa, wo man auf dem Sektor außer großen Worten nichts Ernstzunehmendes aufzufahren hat, das ist auch gut so.

Aber weil es gerade schick ist bei Herren jenseits des wehrfähigen Alters, mit markigen Vokabeln in der Gegend herumzuschießen – Sie wissen schon: Kriegstüchtigkeit usw. – will ich meinen Teil beitragen, natürlich auch nur rhetorisch.

So tippe ich patriotisch begeistert meinen Front-Bericht aus Wernigerode herunter und komme mir ganz großartig hervor.

Denn mich alten Panzergrenadier, Richtkanonier und Häuserkampf-Experten aus der Zeit des Kalten Kriegs betrifft mich die Chose ebenfalls nicht mehr direkt.

Die erforderliche Begeisterung für die deutsche Heimat entzündet sich bei aller Italien-Leidenschaft leicht an Anblicken wie diesem:

Audi UW 8/40 PS vor dem Rathaus in Wernigerode; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ist es nicht großartig, was unsere Vorfahren im ausgehenden Mittelalter vermocht haben? Hier haben wir das Rathaus in Wernigerode im Harz und stehen sprach- und hilflos vor dem Können der Altvorderen.

Das Erdgeschoss mit dem gotischen Spitzbogen stammt – wenn ich es richtig verstanden habe – aus dem 13. Jahrhundert. Der wunderbar erhaltene Fachwerkaufbau darüber wurde Ende des 15. Jh. fertiggestellt und steht seither fast unverändert.

Selbst die 1944 einsetzenden alliierten Bombenangriffe auf Wernigerode überstand der Bau unbeschadet. Rund 700 andere Gebäude wurden zerstört oder beschädigt und hunderte Frauen und Kinder wurden getötet. Die Männer waren ja an der Front…

Natürlich dürfen daneben die Opfer des nationalsozialistischen Horrors nicht unerwähnt bleiben – in der Nähe von Wernigerode gab es mehrere Zwangsarbeiterlager, in denen der gewalttätige Tod ebenfalls Alltag war.

Im April 1945 schließlich – vier Wochen vor Kriegsende – wurde Wernigerode Frontstadt zwischen den zurückweichenden deutschen Truppen und dem überlegenen US-Militär.

Dass die Stadt dabei nicht endgültig vernichtet wurde, verdankt sie einer Person, die aus heutiger Sicht kaum noch zu verstehen ist: Oberst Gustav Petri.

Mehrfach verwundeter Veteran des 1. Weltkriegs und überzeugter Berufssoldat war er, aber nach den Quellen kein Anhänger des Nationalsozialismus – dennoch Teil der deutschen Militärmaschinerie, die ab 1939 fast ganz Europa verheerte.

Leicht ist es, aus heutiger Schreibtischperspektive, das Urteil über ihn zu fällen.

Aber: Er war es, der Anfang April 1945 als Abschnitts-Kommandant die Einbeziehung Wernigerodes in die Front verweigerte und damit die sichere Zerstörung durch die US-Luftwaffe verhinderte.

Oberst Petri bezahlte das mit dem Leben, er wurde anschließend von in Deutschland stets leicht verfügbaren Denunzianten und Befehls-Fanatikern erschossen und verscharrt.

Das wäre es fast mit meinem heutigen Frontbericht aus Wernigerode. Weil mir die Sache so nahegeht, hätte ich fast vergessen, dass es hier ja vor allem um Vorkriegsautos geht.

Drehen wir also die Zeit etwas zurück und schauen uns Wernigerode noch einmal genau aus Sicht des Front-Berichterstatters an.

Denn neun Jahre, bevor Oberst Petri für seine Entscheidung zur Rettung von Wernigerode das Leben ließ, hatte sich dort 1936 ein ganz anderer Front-Erfahrener eingefunden:

Dieses elegante zweitürige Cabriolet, welches einst vor dem prächtigen Rathaus von Wernigerode mitabgelichtet worden war – wohl eher zufällig – war nämlich der erste Vertreter der Frontantriebsmodelle von Audi – der Typ UW 8/40 PS von 1933/34.

Von dem 6-Zylindermodell wurden nur rund 1800 Exemplare gebaut, bevor es vom weit stärkeren Nachfolger Audi Front 225 abgelöst wurde. Entsprechend selten sind Fotos dieses Wagens.

Doch immerhin mit einer formidablen Aufnahme dieses ersten Audi mit Vorderradantrieb kann ich aufwarten – und natürlich in derselben perfekt gestylten Ausführung als zweitüriges Cabriolet mit Aufbau von „Gläser“ (Dresden):

Audi „Front“ 8/40 PS Typ UW, Karosserie von Gläser, Bauzeit: Herbst 1933 bis Anfang 1934

Sie sehen: Am Ende nimmt meine Front-Berichterstattung aus Wernigerode doch noch eine halbwegs glückliche Wendung.

So etwas Schönes und über die Zeiten Beeindruckendes vermag die Gegenwart hierzulande kaum noch hervorzubringen.

Ich wüsste jedenfalls nicht, wann ich aus jüngerer Zeit etwas dermaßen Vollkommenes in Sachen Architektur oder Automobilbau in Deutschland registriert hätte wie die beiden Meisterwerke beim heutigen Frontbericht aus Wernigerode…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Augen-Therapie bei Alltags-Tristesse: Horch 305/350

Leiden auch Sie an der Tristesse des Alltags?

Ich meine nicht die Tatsache, dass wir unser Leben irgendwie bewältigen müssen, dabei Rückschläge erleiden, Illusionen aufsitzen, Enttäuschungen erleben – all‘ das gehört zur „conditio humana“, das ist einfach unser gemeinsames Menschenschicksal.

Ich meine etwas anderes.

An sich lebe ich in Umständen, wie sie besser kaum sein könnten. Ein eigenes Heim, ein eigener Garten und einer der schönsten Kleinstädte Deutschlands – Bad Nauheim. Die wogenden Felder der Wetterau, Taunus und Vogelsberg in der Nähe, mildes Klima, immer noch heile Welt verglichen mit den Metropolen.

Heute drehte ich eine Runde mit dem Alltagsauto – ich wollte Unterboden und Radkästen in der Waschanlage vom Salz des Winters reinigen. Bei der Gelegenheit machte ich Halt an der Post – wohl die einzige Bausünde in Bad Nauheim – ein Machwerk im Betonbrutalismus der 70er Jahre.

Anschließend stand ich an der Ampel auf der Brücke über die Usa, die seit 125 Jahren klaglos Busse und Laster trägt, die es zu ihrer Entstehungszeit noch kaum gab.

Links von mir sah ich eine Gruppe von Leuten, die sich über irgendetwas auszutauschen schienen. Mir fiel auf, dass sie alle nachlässig gekleidet waren, unpassende Sachen zusammengewürfelt, formlose Jacken und Mäntel aus billigsten Kunstfasern.

Die Szene erinnerte mich an die Endphase der sozialistischen Staaten oder auch kurz nach dem 2. Weltkrieg, als man froh war, überhaupt irgendetwas auf dem Leib tragen zu können.

So eine schöne Stadt im Speckgürtel von Frankfurt/Main, vorfrühlingshaftes Wetter und dann diese Tristesse. Ich fuhr wie geplant in die Waschanlage, anschließend nach Hause in unseren Hof, wo mich meine vierbeinige Mitbewohnerin Ellie auf der Holzbank erwartete.

Ich war zurück in unserem kleinen Idyll, aber die Szene an der Brücke hatte etwas in mir aus der Balance gebracht.

Nur so kann ich mir erklären, weshalb ich beim Durchsehen des Bilderfundus für den heutigen Blog-Eintrag spontan an diesem Foto hängenblieb:

Horch 305 oder 350 Tourer; Originalforo: Sammlung Michael Schlenger

Etwas in mir wollte eine Augen-Therapie für die erlebte Alltags-Tristesse – und diese von Licht durchflutete, wohl inszenierte Situation war das, wonach mir der Sinn stand.

Das Foto hatte gerade erst seinen Weg zu mir gefunden – wie fast immer ein Schnäppchen in der 5 Euro-Kategorie. Dass ich hin und wieder bereit bin, deutlich mehr für diese Leidenschaft hinzublättern, davon werden Sie gelegentlich profitieren.

Zurück zu der herrlichen Momentaufnahme, die einen Horch-Tourenwagen irgendwo in der Bergwelt der Alpen zeigt. Wo genau das war, das ist so egal, wie die Frage, ob der Wagen nun ein Typ 305 von 1927/28 oder ein Typ 350 (1928-32) war.

Ein Achtzylinder-Horch war es in jedem Fall und zwar einer mit der nach Cadillac-Vorbild gestalteten prächtigen Kühlerpartie, welche ab 1928 die bis dato für ein Auto dieses Kalibers verstörend primitive Gestaltung hinter sich ließ:

Die Kühlerfigur – ein geflügelter Pfeil – tauchte fast zeitgleich mit der repräsentativen neuen Frontpartie auf. Anfänglich war sie auf einem senkrechten Unterteil montiert, die ab Frühjahr 1928 einer geschwungenen Variante wich, wie sie hier zu sehen ist.

Die amerikanischen Vorbildern nachgeahmte Doppelstoßstange scheint ab Werk zumindest optional verfügbar gewesen zu sein – es gibt auch vergleichbare Horch-Wagen, die darauf verzichteten, obwohl erst sie den modernen „Look“ vollständig macht

Der kleine Achtzlindertyp 305 (3,4 Liter, 65 PS) war im letzten Produktionsjahr 1928 äußerlich nicht mehr vom souverän motorisierten Modell 350 (4 Liter, 80 PS) zu unterscheiden, wenn ich das richtig verstanden habe.

Da der Horch 350 wesentlich länger und öfter gebaut wurde und der überlegene Reisewagen war, spricht einiges dafür, dass wir auch hier eher dieses Modell vor uns haben und nicht den deutlich schwächeren 305.

Genau ermitteln lässt sich das wohl nicht mehr, jedenfalls waren die Insassen sehr zufrieden mit dem Gebotenen, auch wenn die Tourenwagenausführung mit dem simplen Verdeck ohne Fütterung und ohne Kurbelscheiben beim Horch 8 nur noch selten gekauft wurde:

Die gelöste Stimmung dieser Herrschaften und ihre wohlgewählte Reisekleidung sind es, die mich an diesem Foto besonders erfreuen.

Dass man sich in der Öffentlichkeit seinen Mitmenschen von seiner besten Seite zeigt, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Sich so vorteilhaft wie möglich zu geben, Unvollkommenheiten möglichst zu kaschieren und nicht mit allzu intimen Details hausieren zu gehen – wie man das macht, das kann man auf diesen Fotos unserer Altvorderen häufig studieren.

Zwar braucht man nicht in Knickerbockern und Kleidern wie anno 1930er herumzulaufen, aber zumindest sollte man sich die Frage stellen, ob die Mitbürger alles sehen wollen oder müssen, was einem vor dem heimischen Spiegel in den Sinn kommt.

Schon der Anblick eines typ- und figurgerecht gekleideten Zeitgenossen – zusammen mit einem gewinnenden Lächeln – hilft zumindest bei einem oft geplagten Augen-Menschen wie mir zuverlässig gegen Alltags-Tristesse…

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Krise? Blühende Geschäfte! 1929er Dodge Business Coupe

Heute haben wir den seltenen Fall, dass ich die angekündigte Fortsetzung eines früheren Blog-Eintrags mit relativ geringem Abstand bringe – mitunter können dabei nämlich Jahre vergehen oder ich vergesse das Vorhaben einfach.

Solche Freiheiten kann ich mir erlauben, weil ich mich durch Wahl des Formats „Blog“ (kurz für „web log“=Online-Tagebuch) allerlei Zwängen enthoben habe, was Inhalt, Stil, Turnus usw. betrifft.

Während man sich durch die Ankündigung eines „Jahrbuchs“ oder durch die Selbstklassifizierung als Historiker beispielsweise nach außen bindet, kann ich hier das machen, was mir zu später Stunde in Sachen Vorkriegsautos in den Sinn kommt.

Und genau das tue ich – das hat sich für mich sogar zu einer Art Meditation entwickelt, die ich im Unterschied zur Arbeit im Garten oder in der Werkstatt auch nachts praktizieren kann.

Die so ziemlich einzige „Verpflichtung“ meinen Lesern gegenüber besteht in der Serie „Fund des Monats“ und ich weiß schon jetzt, was ich Ende Februar 2025 bringen werde. Es wird auf jeden Fall etwas werden, was Sie nur ganz selten zu sehen bekommen, vielleicht hier sogar erstmals überhaupt.

In Büchern klappt so ein Verwöhnprogramm natürlich nicht, was aber nicht gegen das Format spricht. Ich stütze mich bei aller Selbstverständlichkeit der Nutzung digitaler Technologien bei meinem Themen immer noch hauptsächlich auf Druckwerke.

Mein Favorit in der Hinsicht ist der „Standard Catalog of American Cars until 1942“ von Kimes/Clarke, ein weit über 1.500 Seiten starkes Werk. Es zählt zu den meistgenutzten in meiner Automobil-Bibliothek und zeigt trotz Softcover-Formar zeigt seit vielen Jahren keine Verschleißerscheinungen – im Gegensatz zu etlichen deutschen Publikationen, die selbst mit Hardcover schon nach kurzem auseinanderfallen, Pfusch made in Germany…

Besagter Schinken liegt auch jetzt neben mir – rechts vom Rechner, während es sich meine vierbeinige Freundin „Ellie“ zur Linken auf einem Stapel Papier bequem gemacht hat. Damit sind fast alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche „Séance“ gegeben.

Doch wie so oft, kann ich diese auch heute nicht ausschließlich mit „Bordmitteln“ bestreiten – oft sind die Leser, die mir bemerkenswertes Material zur Verfügung stellen, die eigentlichen „Autoren“ – jedenfalls was die Inspiration zur Niederschrift angeht.

Bei der letzten „Dodge“-Epistel hatte ich am Ende darauf hingewiesen, dass die traditionsreiche US-Marke ab Mitte der 1920er Jahre auf dem absteigenden Ast war, bis sie im Zuge der Übernahme durch Chrysler anno 1928 wieder auf die Gewinnerspur kam.

Genau aus dieser Zeit stammt dieses Exemplar:

Dodge von 1928/29; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Diese außergewöhnliche Aufnahme verdanke ich Leser Klaas Dierks, der mit sicherem Auge den besonderen Reiz der Situation erkannte.

Nur selten bekommt man die auch am Heck abwechslungsreiche Linienführung einer amerikanischen Limousine so anschaulich vorgeführt wie an diesem einst auf der Fähre bei Ostswine (heute Polen) fotografierten Dodge von 1928/29.

Das Auge erfreut hier das Zusammenspiel der waagerechten Zierleiste mit der am Dachende von oben herabgeführten Linie. Beide schwingen anschließend vereint wieder nach oben um das Heck herum.

Auch die spannungsreichen Kurven von Kotflügel, Heckkoffer und Stoßstange verhindern zuverlässig, dass hier Langeweile aufkommt, so konventionell diese typische US-Großserien-Limousine sonst auch erscheinen mag.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wie man Hersteller und Baujahr aus dieser Perspektive so genau bestimmt. Nun, das war im vorliegenden Fall recht einfach. Auf den Radkappen lässt sich nämlich ein stilisiertes „DB“ erkennen, was einst für Dodge Brothers stand.

Diese ursprüngliche Markenbezeichnung wich nach der Übernahme durch Chysler ab dem Modelljahr 1930 dem Namen „Dodge“, sodass wir schon einmal einen ersten Anhaltspunkt haben. Alles übrige findet sich in der erwähnten US-Vorkriegsautobibel.

Dazu zählt auch die Information, dass es sich um einen Sechszylinderwagen handelte. Verfügbar waren Aggregate mit 58, 68 und 78 PS – allesamt für deutsche Verhältnisse beachtlich motorisiert, weshalb sie in Verbindung mit relativ niedrigem Preis ja damals auch so gern gekauft wurden in deutschen Landen.

Nun wird doch die neue Mutter Chrysler angesichts der Wirtschaftskrise ab 1929 dafür gesorgt haben, dass die gerade wieder im Aufschwung befindliche Marke den Umständen entsprechend kleinere Brötchen backte – so möchte man meinen.

Tatsächlich bot man ab Mitte 1929 nun auch eine Variante des kleinsten 6-Zylinderwagens mit kürzerem Radstand an, die sich auch am besten verkaufte. Besonders gut machte sich auf diesem Chassis das „Business Coupe“:

Dodge von 1928/29; Originalfoto: Sammlung: Michael Schlenger

Diese schöne Aufnahme, die einen solchen Dodge-Geschäftswagen von 1929/30 zeigt. hat mir Leser und Oldtimer-Urgestein Helmut Kasimirowicz vermacht – ihm sei bei der Gelegenheit nochmals für seine Großzügigkeit gedankt.

Typisch für das Modelljahr waren die gebogene Scheinwerferstange und die ebenfalls einer Kurve folgenden Luftschlitze in der Motorhaube – beide Elemente verleihen diesem ansonsten optisch kaum auffallenden US-Wagen den dynamischen Charakter.

Wie die Bezeichnung „Business Coupe“ verrät, war dieser kompakte Aufbau vor allem für Vertreterautos vorgesehen. Im vorliegenden Fall haben wir es mit einem Geschäftsauto des bis heute bedeutenden US-Landmaschinenherstellers John Deere zu tun.

Da die Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten schon damals einen in Deutschland erst lange nach dem Krieg erreichten Motorisierungsgrad erreicht hatte, bestand entsprechender Bedarf an Betreuung von Kunden im ganzen Land.

Genau diesem Zweck diente dieser Dodge, mit dem Vertrieb und Service für Geräte („Implements„) von John Deere in den Weiten der USA erbracht wurden.

Zwar ging damals infolge der Depression auch bei Dodge der Absatz stark zurück – doch in der Landwirtschaft blühte trotz aller Probleme weiterhin das Geschäft, jedenfalls für den Landmaschinenkonzern John Deere.

Der unternahm nämlich damals einen unkonventionellen Schritt, wie er typisch für amerikanisches Denken ist. Man schaut zwar in erster Linie darauf, dass sich eine Sache Sicht lohnt, vermag aber dafür durchaus Konzessionen zu machen.

So verzichtete John Deere in der schweren Zeit der Wirtschaftskrise darauf, Schulden von US-Landwirten einzutreiben, gewann aber gleichzeitig auf diese Weise treue Kunden für die Zukunft, was zum bis heute unerschütterlichen Rang der Marke beigetragen hat.

Blühende Geschäfte – das setzt in erster Linie ausgeprägten Geschäftssinn auch in schwierigen Zeiten voraus. In den rationalen Kategorien von Kosten und Nutzen, Aufwand und Ertrag, Risiko und Rendite zu denken, das zählt nach dem enormen Aufschwung der 1950er/60er Jahre in Deutschland heute leider zu den unterentwickelten Disziplinen.

Die Quittung für die schon beinahe modische Geringschätzung des Geschäfts zugunsten realitätsfremder bis suizidaler ideeller Ziele bekommen wir gerade vorgelegt. Ob bei uns auf die selbstverschuldete strukturelle Wirtschaftskrise nochmals erblühende Landschaften folgen, daran habe ich meine Zweifel – der „Business Spirit“ von einst scheint weg zu sein…

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Endlich mal was Neues! DKW P 15 PS Cabrio-Limousine

Die Sonntage immer den Künsten – so stellt man es sich als Schöngeist gerne vor, wenn das Wochenende ansteht.

Doch sollte es anders kommen. Ich hatte mit den Nachbarn in der angrenzenden 350 Jahre alten Domäne erörtert, wie man die alte Weide zurechtstutzt, deren Äste schon wieder auf dem Dach meiner Autohalle auflagen.

Da der Sonntag prächtig zu werden versprach, gingen wir am frühen Nachmittag zu dritt ans Werk – mit Säge für’s Grobe, dann Astschere und schließlich der klassischen „Löwe“-Amboßschere, die ich jedem Gartenbesitzer ans Herz lege.

Bei der Arbeit unterhielten wir uns über dies und das, ließen uns vom Kater Karlo und Besuchern ablenken. Zwischendurch gab es eine Improvisation am verstimmten Flügel im Haupthaus, einen Espresso und im übrigen: tiefblauen Himmel und Sonne satt.

Nach drei Stunden Handarbeit am Sägebock und reicher Brennholz-Beute für den übernächsten Winter ging es heim. Endlich wieder draußen, dachte ich, endlich mal was Neues nach drei Monaten Abstinenz. Die Müdigkeit nach getaner Arbeit, herrlich!

Solchermaßen beschwingt wollte ich auch im Blog etwas Neues bringen – mir kam eine Fotoserie in den Sinn, in der es nur um gutgelaunte Autobesitzer und ihre Wagen geht.

Bei zwei Marken bzw. Modellen werde ich diesbezüglich immer wieder fündig – bei den Adler-Frontantriebswagen und den DKW-Zweitaktern der 1930er Jahre.

In Sachen Adler will ich schon seit langem eine Serie mit den schönsten Aufnahmen bringen, doch bisher fehlte die Zeit dazu. Hier ein Vorgeschmack darauf:

Adler „Trumpf“ Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Heute abend fiel mir bei der Durchsicht der noch nicht eingescannten DKW-Fotos auf, dass es dort ebenfalls zu viele sind, um schnell aufbereitet zu werden.

Keine Sorge, eines Tages bringe ich dieses Verwöhnprogramm, bei dem Typen, Technik usw. keine Rolle spielen – alleine die gelungene Inszenierung soll zählen.

Als ich das Material sichtete, stieß ich indessen auf etwas anderes, welches mit einem Typ zu tun hat, den ich inzwischen als „abgehakt“ betrachtete, so oft ist er inzwischen vertreten.

Die Rede ist vom ersten DKW-Serienauto überhaupt, dem ab 1928 gebauten Typ P 15 PS. Dieser einfache, aber attraktiv gestaltete Wagen besaß einen Zweizylinder-Zweitaktmotor mit 600ccm Hubraum – eine naheliegende Wahl für den bisher mit Zweitakt-Motorrädern enorm erfolgreichen Hersteller.

Wie meine DKW-Galerie zeigt, wurde der Wagen meist als offener Zweisitzer gekauft. Einer davon ist auf der folgenden Aufnahme zu sehen:

DKW Typ P 15 PS Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich dachte mir, dass ich hier endlich mal etwas Neues in der Hinsicht zeigen muss – denn die Abdeckung des Innenraums mutet doch sehr merkwürdig an, oder?

Man hätte auch einfach das Verdeck aufspannen können. Hat jemand eine Idee, was wir hier sehen? Und: wo die Aufnahme entstand?

Das Barockschloss im HIntergrund erinnert zwar stark an die Würzburger Residenz, aber es scheint sich doch um eine andere Örtlichkeit zu handeln.

Wenn den DKW-Kennern unter den Lesern meines Blogs auch das noch zu konventionell ist, dann sei ihnen gesagt. Gleich gibt es endlich mal etwas Neues in Sachen DKW P 15 PS.

Wir werden dabei mit Berliner Damenmode um 1930, schlesischem Drogenhandel, einer geheimisvollen Doppelbelichtung und einer Rarität aus Sachsen konfrontiert.

Den Anfang macht diese schöne Aufnahme:

DKW Typ P 15 PS, Cabrio-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ein hübsches Dokument, das wohl irgendwann Anfang der 1930er Jahre auf einer Chaussee entstand.

Wenn Ihnen der DKW Typ P 15 PS hier so beeindruckend dimensioniert erscheint, dann liegt das allein daran, dass die freundliche junge Dame daneben kaum 1,60 Meter maß, das war nämlich die Höhe des Autos.

Sie macht ja durchaus gute Figur, aber wer um Himmelswillen hat ihr in Berlin – dort war der DKW zugelassen – dieses unmögliche Kleid geschneidert? Ich dachte bisher, dass die Sackkleider mit unter der Taille angebrachtem Gürtel eine kurzlebige Geschmacksverirrung der 1920er Jahre waren, aber offenbar wird hier immer noch eines getragen.

Immerhin hat unser Fotomodell noch eine zweite Chance bekommen und da wirkt sie gleich ganz anders, auch wenn dafür andere Sachen schiefgelaufen sein mögen.

So ließ man sich mit demselben Wagen in einer unbekannten Stadt irgendwo in Schlesien ablichten – ausgerechnet vor dem Haus des örtlichen Drogenhändlers:

DKW Typ P 15 PS, Cabrio-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mir gefällt dieses Foto trotz einiger Fragwürdigkeiten ganz außerordentlich. Die Drogenhandlung „Silesia“ nehme ich als Schlesierkind mit einem Lächeln zur Kenntnis. Vielleicht findet ja jemand den Aufnahmeort heraus.

Auch die Doppelbelichtung aufgrund versäumten oder nicht funktionierenden Filmtransports in der einst verwendeten Kamera stört mich nicht im geringsten.

Denn das Wesentliche ist hier in erfreulicher Klarheit festgehalten. Dieser DKW P 15 PS war nämlich ein Exemplar von nur gut 230 Stück, die 1929/30 als viersitzige Cabrio-Limousine gebaut wurden.

Der großzügige Aufbau war eigentlich für das neue Vierzylindermodell von DKW vorgesehen, dessen Fertigstellung sich jedoch verzögerte. Das zusätzliche Gewicht der Karosserie war natürlich der Agilität des Autos nicht zuträglich.

Eine echte Verkaufsbremse war auch der heftige Preis von 3.200 Reichsmark. Denn für dasselbe Geld – bzw, ab 1930 für 500 Mark weniger – bekam man eine Limousine von Opel mit 20 PS leistendem Vierzylindermotor.

Das einzige Argument für den DKW mag damals noch der geringe Hubraum und die daran anknüpfende niedrige Steuer sowie die Einfachheit des Motors gewesen sein. Der als Nachfolger 1930er herausgebrachte Vierzylinder-DKW 4=8 hatte zwar mehr Leistung, war aber im Wettbewerb ebenfalls unterlegen.

Erst mit den meisterhaft gezeichneten Fronttrieblern lief DKW zu großer Form auf und hinterließ bis lange nach Ende des 2. Weltkriegs Spuren. Denen gehen wir bei anderer Gelegenheit nach…

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Hurra -es geht nach Belgien! Opel 25 PS Sport-Tourer

Beim Titel meines heutigen Ausflugs in die automobile Welt von gestern werden vielleicht manche Leser aus Nachbarländern Deutschlands schlucken. Wenn es mit „Hurra“ im Opel über die Grenze ging, dann war das wiederholt mit Tod und Verderben verbunden.

Sicher, im 21. Jahrhundert müssen wir Deutschen uns nicht mehr schuldig fühlen deshalb, aber die brachiale Kriegführung in praktisch allen Nachbarstaaten – nur die Schweiz kam knapp davon – ist nun einmal unser historisches Erbe.

Man muss nicht die entlegenen Kriegssschauplätze in Norwegen und Griechenland oder auch weit im Osten heranziehen, um sich die Frage zu stellen, was deutsche Truppen eigentlich überall dort verloren hatten.

Schon im Fall des vor der Haustür liegenden Belgiens, mit dem niemand irgendwelche Rechnungen offenhatte, muss man feststellen, dass unsere Vorfahren im 20. Jahrhundert ein im wahrsten Sinne verheerendes Bild abgegeben haben.

Wobei die bei dieser Gelegenheit entstandenen Autofotos für den einschlägig Interessierten freilich oft von großem Reiz sind. Hier haben wir einen typischen Opel-Tourenwagen, der 1916 fotografiert wurde:

Opel Tourenwagen im 1. Weltkrieg; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Ob dieser Wagen nun an der Ost- oder Westfront eingesetzt war, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Geschichte der auf der Motorhaube vermerkten 208. preußischen Infanteriedivision erlaubt anno 1916 beide Möglichkeiten.

Das kriegerische Treiben unserer Ahnen in ganz Europa mahnt dazu, sich in Konflikten der Neuzeit nicht abermals in vorderster Front hervortun zu wollen. Beruhigend ist indessen, dass die auf diesem Sektor einst unzweifelhafte „Kompetenz“, den ganzen Kontinent anzuzünden, in deutschen Landen heute nicht annähernd mehr vorhanden ist.

Außer markigen Worten ist verglichen mit den Verhältnissen von einst heute nichts Nennenswertes zu erwarten. Das wird so sicher auch von unseren Nachhbarn empfunden, die sich allenfalls fragen, warum die Deutschen heute so furchtbar viel Geld dafür ausgeben, militärisch ein hoffnungsloser Fall zu sein.

Das Schicksal der einst so bedeutenden Marke Opel – endlich komme ich zum eigentlichen Thema – ist ein emblematisches Beispiel für den schleichenden Kompetenzverlust der einst so gefürchteten und in einigen Bereichen auch bestaunten Deutschen.

Dass Opel bis in den 1. Weltkrieg vom Kleinwagen bis zur Luxusklasse das gesamte Spektrum abdeckte und zu den bedeutendsten Herstellern im deutschen Sprachraum gehörte – das kann man sich kaum noch vorstellen.

Wer wie ich in den 1970/80er Jahren aufgewachsen ist, kann sich noch an die schon damals als peinlich empfundenen Versuche der Rüsselsheimer erinnern, an alten Ruhm anzuknüpfen – Rohrkrepierer wie der „Senator“ und der „Monza“ waren das Ergebnis.

Dabei hatte man bei Opel schon nach dem 1. Weltkrieg einsehen müssen, dass man künftig kleinere Brötchen backen muss. So zählte ab 1921 der neuentwickelte Typ 8/25 PS (M21) mit 2-Liter-Vierzylinder zu den meistgebauten Modellen.

Sie begegnen dem Wagen mit dem typischen gemäßigten Spitzkühler und der geteilten Frontscheibe in meinem Blog öfters – hier eine noch nicht vorgestellte Aufnahme:

Opel 8/25 PS Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Während es parallel auch noch stärkere Modelle mit 35 bzw. 50 PS gab, blieben diese doch seltener und waren bei ähnlicher Optik auch größer.

Opel bot das bis 1924 gebaute 25 PS-Modell nicht nur als üblichen geräumigen Tourer und als (sehr rare) Limousine an, sondern auch als sportlichen Zweisitzer.

Ihm haben wir uns schon das eine oder andere Mal gewidmet – zur Erinnerung hier ein weiteres Foto aus der Sammlung von Leser Matthias Schmidt:

Opel 8/25 PS Zweisitzer; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt

Außerdem scheint es eine Art „Sport-Tourer“ gegeben zu haben, also einen offen Viersitzer mit niedrigem und kürzer anmutendem Aufbau.

Ich bin ihm bisher nur einmal begegnet und hatte ihm seinerzeit nicht viel Bedeutung beigemessen.

Nun habe ich aber dieser Tage eine zweite Aufnahme erworben, die so einen 25-PS-Opel mit auffallend kurzem und niedrig gehaltenen Tourer-Aufbau zeigt.

Das Foto bezieht seinen Reiz nicht zuletzt aus dem tradtionellen Haus mit Schindeldach und ebenfalls mit Holzschindeln verkleideten Fassade – daher erst einmal die Gesamtansicht:

Der Baustil verweist auf Südwestdeutschland -genauer kann ich ihn nicht einordnen – und dazu passend trägt dieser Opel-Tourer eine Zulassung in der Provinz Baden.

Die Frontpartie des Wagens wirkt aufgrund des niedrigen und vergleichsweise kurzen Passagierraums ungewöhnlich dominierend.

Doch bezieht man die Dimensionen des Lenkrads und den Beifahrer ein, wird klar, dass auch dies „nur“ einer der relativ kleinen Spitzkühler-Opels der frühen 1920er Jahre war.

Kann es sein, dass Opel auf dem verkürzten Chassis des weiter oben gezeigten Sport-Zweisitzer auch eine Art Sport-Tourer anbot, der zwar Platz für vier Insassen bot, aber nicht die größere Beinfreiheit des Standard-Tourers?

Dafür spricht aus meiner Sicht der minimale Abstand zwischen der vorderen Sitzreihe und dem Beginn der hinteren Kotflügel. Für eine sportliche Anmutung sorgen hier zudem die eher dekorativ gemeinten kleinen Türen:

In der mir zugänglichen Literatur zu den Opels der ganz frühen 1920er Jahre – zu nennen ist hier vor allem die verdienstvolle „Opel Fahrzeug Chronik 1899-1951“ von Bartels/Manthey -konnte ich nichts in der Hinsicht finden.

Vielleicht findet sich ja doch einmal jemand, der alle die vielen Fotos solcher Opel-Spitrzkühlerwagen in einer Systematik unterbringen kann.

Auf den heute in französischer Hand befindlichen Hersteller braucht man dabei nicht zu setzen, wohl aber auf die zahlreichen Besitzer zeitgenössischer Originalprospekte, die doch die aussagefähigen Partien ihrer Schätze leichterhand im Netz auf einer Website zugänglich machen könnten, wie das bei anderen Marken teilweise geschieht.

Nie war es leichter, dieses Material ohne jedes Risiko der (überschaubaren) interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen – warum passiert dann so wenig in der Hinsicht?

Einen rührigen Aktivisten auf dem Sektor „frühe Opels“ bis Anfang der 1920er Jahre kenne ich aber zum Glück. Das ist Bart Buts aus Belgien, der vermutlich die bedeutendste Sammlung an einschlägigem Material besitzt – inklusive mehrerer Originalfahrzeuge.

Und so geht auch das heute vorgestellte schöne Opel-Foto mit „hurra“ nach Belgien – von wo aus ich Gegenzug immer wieder mit Material bedacht werde, das für mich wertvoll ist.

So stelle ich mir die Zusammenarbeit vor mit unseren Nachbarn im 21. Jh. vor, nachdem wir Deutschen es einst gründlichst versemmelt haben – mit Belgiern, Niederländern, Briten, Dänen, Franzosen, Polen, Tschechen, Russen, Österreichern, Italienern…

Mit Gleichgesinnten aus allen diesen Ländern pflege ich regen Austausch und von wenigen Ausnahmen abgesehen habe ich den Eindruck, dass dort in Sachen Vorkriegsautos bedeutend mehr aus dem Auspuff kommt als bei uns…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Schluss mit Eis und schlechter Laune: Hansa P 8/26 PS

Nicht nur in den internationalen Beziehungen bedarf es nach Zeiten des Kalten Kriegs und verkrusteter Feindbilder irgendwann eines Eisbrechers, wenn ein neuer Frühling einziehen soll. Es passt vielen kalten und heißen Kriegern nicht, aber genau das erleben wir gerade.

In meiner kleinen heilen Welt auf dem Lande bekomme ich davon zwar nur das mit, was ich den Nachrichten entnehme, darunter bewusst ausländischen Quellen, dennoch meinte ich heute etwas ähnliches am eigenen Leibe zu spüren.

In der Regentonne – einem einfass aus Frankreich – befand sich zwar noch eine dicke Eisschicht, doch mit ein paar Hammerschlägen war sie Geschichte. Auf die segensreiche Wirkung des Hammers, von kundiger Hand beherzt geführt, kommen wir noch zurück.

Nachdem die letzten Nächte bitterkalt gewesen waren, hat sich das Wetter endlich eines Besseren besonnen. Vorfrühlingshafte Temperaturen in der hessischen Wetterau weckten heute die Lebensgeister und verscheuchten leichterhand alle trüben Gedanken.

Nach getaner Büroarbeit nutzte ich die eine Stunde Licht bis Sonnnenuntergang noch beflügelt zu einigen Arbeiten im Garten. Endlich wieder im Freien, endlich wieder etwas Produktives tun, endlich sich wieder in alle Richtungen bewegen können – herrlich!

Wie jedes Jahr bei den Vorboten des lang ersehnten Frühlings dasselbe Empfinden, wie verwandelt zu sein, ohne genauen Anlass heiter und voller Tatendrang zu sein.

Leser Matthias Schmidt aus Dresden hatte mir mit perfektem Timing das dazu passende Foto in digitaler Form zugesandt.

Bevor wir dazu kommen, zum Vergleich noch eine kurze Erinnerung daran, wie miesepetrig viele Insassen deutscher Vorkriegswagen auf zeitgenössischen Fotos oft dreinschauen.

Jetzt gehörten sie schon zu den oberen zenhtausend, die sich überhaupt ein Auto leisten konnten und dann schafft man es meist nicht für einen Moment freundlich oder zumindest entspannt dreinzuschauen.

Mir hat dieses Phänomen schon oft die Freude an sonst gelungenen Situationen mit interessanten Autos vergällt.

Ein Beispiel dafür haben wir hier in Form eines Hansa Typ C 8/24 PS – eines Modells des norddeutschen Herstellers aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg, aufgenommen um 1920:

Hansa Typ C 8/24 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das ist das bis heute einzige Foto dieses Modells in meinem Fundus und dann soviele Trauermienen! Doch zum Glück geht es auch anders und das noch dazu am Beispiel des direkten Nachfolgetyps aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg.

Hansa brachte den Wagen nämlich optisch nur leicht modernisiert als Typ P 8/26 PS neu heraus. Die markante Kühlerpartie wurde beibehalten, die Kotflügel wurden stärker der Radform angepasst, und die ganze Linie geglättet.

Die weit oben angebrachten Griffmulden in der Motorhaube wurden prinzipiell beibehalten – ein für lange Zeit ein typisches Detail bei den Hansa-Wagen.

Den größten Unterschied machen aber beim Nachkriegstyp mit weiterhin 2,1 Litern Hubraum, aber höherer Spitzenleistung (es werden teilweise auch 30 PS genannt), die Passagiere aus.

Hier ist das Eis der Verbiestertheit gebrochen und alle Insassen zeigen sich bestens aufgelegt:

Hansa Typ P 8/26 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden))

Es werden nicht nur die extra PS und die knapp 10 Zentimeter an zusätzlichem Radstand gewesen sein, die zur guten Laune diese Hansa-Insassen geführt haben.

Es war ein prächtiger Tag mit vollem Sonnenschein, man konnte es sich leisten, zum Vergnügen mit dem eigenen Auto auszufahren – und das zu einer Zeit, in der es der weit überwiegenden Mehrheit der Deutschen miserabel ging.

So ansteckend die Stimmung an Bord hier auch ist – uns bereitet dieses Auto nach gut 100 Jahren nicht nur Freude, sondern auch etwas Kopfzerbrechen.

Denn die Lenkung befindet sich hier auf der in Fahrtrichtung linken Seite – was erst zur Mitte der 1920er Jahre zum Standard wurde. Gleichzeitig verfügt der Hansa aber noch nicht über die ebenfalls um 1925 sich durchsetzenden Vorderradbremsen.

Man kann dem mit einer Datierung auf 1924 einigermaßen Rechnung tragen, denn das war das letzte Produktionsjahr des Typs P 8/26 PS, dessen Nachfolger der nochmals etwas längere 8/36 PS mit Vierradbremse war.

Aber es gibt ein weiteres Detail, welches irritiert. Damit meine ich nicht die schöne Kühlerfigur, die einen hammerschwingenden Jüngling im Schneiderseitz zeigt, perfekt passend zum Kühlergehäuse mit Hammerschlag-Optik:

Nein, nicht einzuordnen ist hier etwas anderes, nämlich das Reifenformat 820×120.

Das passt vom Durchmesser und der Breite nicht zum Hansa Typ P 8/26 PS, aber auch nicht zu dessen Nachfolger 8/36 PS – jedenfalls wenn man der Überlieferung in der Literatur zu deutschen Autos jener Zeit (W. Oswald, H. Schrader) Glauben schenkt.

Die dort zu findenden Reifenformate weichen ab. Aber das soll uns nicht verdrießen. Die Angaben können falsch sein oder sich nicht auf die gesamte Bauzeit beziehen.

Übrigens ist mir aufgefallen, dass alle Hansa-Wagen des mutmaßlichen Typs P 8/26 PS in meiner Markengalerie Linkslenkung aufweisen, obwohl das Modell von 1921-24 gebaut wurde. Könnte es sein, dass die Marke zu den ganz wenigen in Deutschland gehört, die bereits Anfang der 1920er Jahre auf Linkslenkung umstellten?

Wie dem auch sei – für mich ist das Eis nun gebrochen und gerne lasse ich mich von der heiteren Gestimmmtheit der Insassen des Hansa auf dem Foto von Matthias Schmidt anstecken.

Der Verstand sagt zwar, dass es ganz so schnell dann doch nicht geht – vor Mai wird es selten stabil schön in deutschen Landen, aber der Mensch lebt auch von der Hoffnung…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Fährt gut auch mit zwei Rädern…Fiat 501 Tourer

So ganz wohl ist bei mir beim heutigen Titel nicht – denn eigentlich müsste ich ihn etwas anders schreiben. Aber heute profitiere ich ausnahmsweise von der sogenannten Rechtschreibreform. Sie wissen schon: „aufwändig“, „Schifffffahrt“ und andere bedeutende Schöpfungen begabter Bürokraten.

Nach deren final erfolgreichem Feldzug gegen die einheitliche Rechtschreibung – eine Errungenschaft, die den Deutschen mal wieder keiner nachmacht – hat man den Eindruck, das onehin jeeder schraipt wie ehrs für richtich held.

Später werde ich meine Verfehlung noch korrigieren – ich bin nicht nur in dieser Hinsicht „Alte Schule“. Wie sehr ich von gestern bin, das haben langjährige Leser zwar schon geahnt, aber heute bekommen Sie es nicht nur im Wort, sondern auch im Bild vorgeführt.

Machen Sie es sich bequem, denn heute gibt es nichts Neues zu lernen, es werden keine Haubenschlitze gezählt oder zum x-ten Mal erklärt, was es mit dem Windlauf bei der Datierung früher Automobile auf sich hat.

Tatsächlich befassen wir uns mit einem alten Bekannten und doch beinahe modernen Wagen, dem man jedenfalls seine inzwischen über 100 Jahre keineswegs ansieht.

Die Rede ist vom Fiat 501, der 1919 vorgestellt wurde und der erste internationale Großserienerfolg der Turiner werden sollte. Die Konstruktion des neuen 1,5 Liter-Wagens war konsequent auf kostengünstige Produktion nach US-Vorbild ausgerichtet worden.

Bis 1926 entstanden rund 70.000 Exemplare, die in alle Welt verkauft wurden. Kein anderer europäischer Hersteller erreichte in der Einsteigerklasse solche Absatzzahlen. Dabei erwies sich der Fiat 501 als enorm robust und auch für schlechtes Terrain geeignet.

Man findet ihn noch heute beispielsweise in Australien und Argentinien, aber mir ist er doch in seiner Heimat am liebsten.

Ein besonderes Schmankerl in Sachen Fiat 501 in Italien übersandte mir in digitaler Form Leser Christian Börner (unser „Beckmann“-Chronist):

Fiat 501 in Agrigent; Fotoquelle: Christian Börner (Pinneberg)

Diese Aufnahme ist ein Vertreter der Kategorie „Foto vom Foto“ – denn Herr Börner hat bei einem Besuch der sizilianischen Stadt Agrigento dieses gerahmte Originalbild festgehalten, das beim Taxibetrieb hing, dessen Dienste er seinerzeit mit seiner Frau in Anspruch nahm.

Das Foto zeigt einen Fiat 501 der Familie bei einer Ausfahrt in den 1920er Jahren in das antike „Tal der Tempel“ direkt neben der heutigen Stadt.

Im Hintergrund ist der schlank gehaltene Concordia-Tempel zu erkennen, der dank der Umwandlung in eine christliche Kirche die Zeiten glimpflich überstanden hat und zu den besterhaltenen griechischen Tempeln im strengen dorischen Stil gilt.

Wir werden so einem Tourer auf Basis des Fiat 501 heute wiederbegegnen, aber beinahe live und immerhin in Farbe.

Den Anlass dafür lieferte eine Veranstaltung im italienischen Umbrien im September 2024, an der ich wie schon im Vorjahr teilnahm. Die Rede ist von der „Francescana Ciclostorica“ – einer Ausfahrt mit historischen Zweirädern (jetzt richtig geschrieben!) in der Valle Umbra, der geschichtsträchtigen Ebene zwischen Perugia im Norden und Spoleto im Süden.

Am Sonntagmorgen ab neun Uhr treffen die Teilnehmer im zentral gelegenen Foligno – dem römischen Fulginium – nach und nach auf der Piazza della Repubblica im Schatten des herrlichen Doms ein.

Es ist noch eine Stunde Zeit bis zum Start auf drei verschiedenen Rundkursen, die ausgiebig dazu genutzt wird, sich gegenseitig zu bewundern und zu fotografieren:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Hier nehmen nicht nur alt und jung teil, sondern auch Vertreter aller Geschlechter – darunter viele Damen, die sich je nach Epoche, in der sie unterwegs sind, zurechtgemacht haben.

Zu den besonders beliebten Fotomotiven gehörte 2024 dieses Paar, das am Wochenende der Veranstaltung seinen Hochzeitstag hatte und diesen auf zwei Rädern – einem Tandem der 70er Jahre – feierte.

Übrigens ist die Nonne rechts auf Bild eine echte Schwester, die seit Jahr und Tag an der „Francescana“ teilnimmt, welche nach dem umbrischen Heiligen benannt ist, der in Italien immer noch größte Verehrung genießt:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Doch auch die Vorkriegsfraktion war in charmantester Weise vertreten.

Meine Favoritin – natürlich aus rein historischem Interesse – war die nachfolgend abgebildete Dame, die genau die stilistisch korrekten Pumphosen trägt, mit denen die holde Weiblichkeit vor dem 1. Weltkrieg auf das Fahrrad stieg.

So etwas haben Sie außer auf alter Werbung vermutlich noch nie gesehen, hoffe ich:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Übrigens nimmt man es – wie hier zu sehen ist – bei den Rädern nicht allzu päpstlich. Sie müssen irgendwie „Vintage“ sein, also spätestens aus den 1970/80er Jahren.

Für viele ist der persönliche Stil wichtiger, denn die Sache soll vor allem Spaß machen. Rund eintausend Teilnehmer hatten sich eingefunden, die sich nach dem Start und derm Verlassen der Stadt alsbald auf verschieden anspruchsvolle Strecken verteilten.

Die harten Knochen attackierten die heftigen Steigungen hinauf zu den umliegenden Hügelstädten wie Trevi oder Montefalco, während die touristische Fraktion den kurzen, auf die Ebene beschränkten Kurs von etwa 35 Kilometern Länge bevorzugte.

Ich hatte mich ebenfalls für die leichte Nummer entschieden, denn mein Rad hatte nur eine Übersetzung, obwohl es sein Leben einst in den 1950er Jahren als Sportrad mit 3-Gang-Kettenschaltung von „Huret“ begonnen hatte:

„Stricker“-Sportrad der 1950er Jahre; Bildrechte: Michael Schlenger

Da ich nur den alten Rahmen mit der ungewöhnlich aufwendigen Originallackierung erworben hatte, baute ich den Rest nach meinen Vorstellungen auf.

So finden sich an diesem „Special“ seltene französische Pedale der 30er Jahre, Handgriffe und Scheinwerfer der 60er sowie ein moderner Sattel, der aber zum Farbschema passte.

Dieses Gerät – in Verbindung mit passendem Outfit – machte sich vorzüglich im spätsommerlichen Licht und das meinte wohl auch der Fotograf dieser Aufnahme:

La Francescana 2024; Bildrechte: Ildebrando Cascelli

Wenn Sie sich jetzt fragen, wie es sich mit Knickerbockern, Kniestrümpfen, langem Hemd und Krawatte über 30 Kilometer im italienischen Sonnenschein fährt, kann ich nur sagen: ganz vorzüglich.

Entscheidend sind leichte, natürliche Materialien und Kleidung, die nicht zu eng anliegt. Die helle Schirmmütze tut ein übriges.

So abwegig es klingt und auch ist: Selbst die Krawatte hatte ich mit Bedacht gewählt.

Es handelte sich um ein altes Stück, dessen Dekor bei näherem Hinsehen aus Schildkröten besteht. Soviel Spaß und Hommage an den wohl heroischsten Rennfahrer aller Zeiten muss sein: Denn Tazio Nuvolaris Glücksbringer war ebenfalls eine Schildkröte!

Auf folgender Aufnahme können Sie beim Hineinzoomen davon vielleicht mehr erkennen:

La Francescana 2024; Bildrechte: Luciano Angelini

Wie Sie hier außerdem sehen, lässt sich auch im Minirock Rennrad fahren – wenn man es sich erlauben kann.

Um zum Thema Fiat 501 Tourer zurückzukommen: Der fuhr mit den Zweirädern mit, allerdings auf parallelen Routen und traf dann bei wiederholten Gelegenheiten mit uns zusammen – keine Sorge: wir begegnen ihm noch.

Zuvor muss ich Sie noch mit dieser schönen Aufnahme ablenken, auf der Sie auch den Autor sehen, aber er gehört hier definitiv nur zum nachrangigen Personal:

La Francescana 2024; Bildrechte: Daniela Fabbricini

Natürlich ist die Fortbewegung auf nur zwei Rädern eine anstrengende Angelegenheit und so ist es Brauch, dass wiederholt Pausen eingelegt werden, um sich zu stärken.

Was dabei in Italien aufgefahren wird, reicht bei kalorienbewussten Zeitgenossen für eine ganze Woche, aber wer sich bewegt, darf durchaus einen gesunden Appetit entwickeln.

Der Blick dieser sportlichen Teilnehmerin spricht in der Hinsicht Bände. Entstanden ist die Aufnahme in Bevagna, einem Ort, von dem aus ich erst kürzlich zur Andacht in Sachen Daimler & Benz eingeladen hatte (hier).

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Wie hier zu sehen ist, achte ich stets auch auf die kleinen Dinge, die unser Leben bereichern. Sie verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit.

Die folgende Aufnahme, die am selben Ort entstand, vermittelt eine Vorstellung von der lässigen Atmosphäre der Veranstaltung.

Man lässt sich von den besten Seiten der Historie inspirieren, und genießt es im übrigen, in der Moderne zu leben, die so viele Probleme von einst nicht mehr hat (dafür andere).

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Unterdessen hat sich eine sportliche Variante des Fiat 501 eingefunden, die ich Ihnen nicht vorhanden will und die für die von unserer Zeitreise überraschten Touristen in Bevagna ein großer Anziehungspunkt war.

Während die Serienausführung des Fiat 501 eine Motorleistung von 23 PS aufwies, bot man werksseitig auch eine 27 PS leistende Sportausführung an.

Lachen Sie nicht: vor 100 Jahren zählten 4 PS extra mindestens doppelt, vor allem in Verbindung mit so einer Optik:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Flott, nicht wahr? Aber sollten wir uns nicht auch der „normalen“ Ausführung des Fiat 501 widmen? Fährt die sich etwa nicht gut mit „zwei Rädern“?

Das tut sie und zwar ganz hervorragend, wie wir gleich sehen werden. Zuvor noch ein weiterer Eindruck vom historisch inspirierten Treiben der Zweiradfraktion in Bevagna.

Warum nicht den Dreitagebart mit „Rayban“-Pilotenbrille, Hosenträgern und Kniebundhosen kombinieren? Alles besser als moderner Radlerfummel, meine ich:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

So, meine Herren, jetzt ist Schluss mit lustig.

Denn „bella figura“ ist in Italien zumindest bei den Damen immer noch eine Disziplin, die absolute Könnerschaft verlangt. Auf dem Sektor sind keine Fehler erlaubt und es bedarf einiger Übung, um zur idealen Form zu finden.

Diese Radlerin – sie fuhr ebenfalls auf einem uralten Drahtesel mit – verfügt über präzise die Instinkte, derer es dazu bedarf. Zielsicher hat sie den Fiat 501 Tourer auserkoren, um sich daneben aufs Vorteilhafteste ablichten zu lassen:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

So ein Schnappschuss mit einem Telefon aus der digitalen Steinzeit, wie ich es mit mir führte, illustriert wieder einmal, dass nicht die Technik entscheidend ist, sondern die Situation und das Talent des Fotografen, diese zu erkennen und festzuhalten.

Die ganzen ikonischen Fotos der letzten hundert Jahre sind im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass einer im rechten Moment am richtigen Ort war und im idealen Zeitpunkt auf den Auslöser gedrückt (oder einen ganzen Film für einen Treffer verschossen) hat.

Warum erzähle ich das an dieser Stelle?

Weil ich mich von dem schönen Fiat 501 durch eine andere Erscheinung habe ablenken lassen, die mir bei der Gelegenheit plötzlich entgegentrat:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Man müsste ziemlich beschränkt sein, um kein Auge für die Wirkung dieser jungen Dame zu haben, die ebenfalls auf einem historischen Fahrrad gekommen war, aber hier für zumindest einen Moment mit einer Strenge daherkommt, die sprachlos macht.

Das passiert einem öfters in Italien: Die beeindruckenden Frauen, die man eben noch in der Gemäldegalerie bewundert hat, begegnen einem später irgendwo auf der Straße.

Auch dieser hier ernst wirkenden Vertreterin werden wir noch einmal begegnen, und zwar in ganz anderer Stimmung beim letzten Halt unserer Tour auf zwei und vier Rädern, nämlich am winzigen Lago Aiso:

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Dort, im Schatten hohen Bäume um den See, gab es neben den alten Fiats und üppiger Verköstigung ein besonderes Verwöhnprogramm.

Ein Akkordeonspieler mit guter Stimme trug alte Volkslieder vor, die zum Tanz einluden.

Da die Herren sich auf diesem Sektor eher zurückhaltend gaben, übernahmen die Damen kurzerhand selbst die Führung.

So kommt es, dass wir hier neben Mitveranstalterin Daniela Fabbricini (rechts) zwei unserer feschen Mitradlerinnen nochmals begegnen…

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

So kann es zugehen, wenn man sich vom Stil von einst inspireren lässt und eine verwegene Note hinzufügt. Was das angeht, so pflege ich zu sagen, leben wir in der besten aller Zeiten.

Aber wir müssen auch etwas dafür tun, dass unsere Welt und unsere besten Traditionen erhalten bleiben und zu neuen Ausprägungen des Wahren, Schönen, Guten motivieren, die das Alte Europa zu dem großartigen Ort gemacht haben, der er einmal war.

Dorthin müssen wir zurück und aus den alten Quellen müssen wir neue Kraft schöpfen, um wieder zu uns selbst zu finden und unsere Identitäts-Probleme zu lösen.

Ein guter Anfang wäre, an das anzuknüpfen, was seit sich hundert Jahren bewährt hat wie ein Fiat 501: Innovationsfreude, kühles Kalkül, Anstrengungsbereitschaft, Freiheitssinn, fundiertes Selbstvertrauen und: Sinn für die schönen Seiten des Lebens…

La Francescana 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

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Nichts für Schürzenjäger: Mercedes-Benz 200 Cabrio B

Heute kommen nicht nur die Freunde klassischer Mercedes-Cabrios der 1930er Jahre auf ihre Kosten, sondern auch die Liebhaber gediegener Weiblichkeit. Dennoch sind hier Schürzenjäger chancenlos, damit dies gleich klar ist. Heute geht es schwäbisch gesittet zu!

Ich will es gleich bekennen: An sich kann ich den kleinen Mercedes-Modellen 170, 200 und 230 nur wenig abgewinnen, die ab 1933 gebaut wurden. Speziell die Limousinen auf dem normalen Fahrgestell sind mir entschieden zu bieder:

Mercedes-Benz 200 Limousine von 1933/34; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Allerdings lief man in Stuttgart stets zu großer Form auf, wenn es galt, seinen Modellen offene Aufbauten zu verpassen.

Auf dem Standard-Radstand von 2,60 bzw. 2,70 Metern der Typen 170 und 200 hatte ich in dieser Richtung bislang wenig aufregendes in meinem Fundus – so dachte ich.

Sicherheitshalber schaute ich in der Mappe mit noch nicht eingescannten Mercedes-Fotos nach, in der vor allem frühe Modelle auf ihre „Wiederbelebung“ im Blog warten.

Und tatsächlich: Gleich obenauf fand sich diese hübsche Aufnahme, die einen Mercedes 200 von anno 1933/34 mit Cabrio-Karosserie zeigt:

Mercedes-Benz 200 Cabriolet von 1933/34; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das lässt sich doch gar nicht so schlecht an, dachte ich mir.

Man könnte hier glatt zum Mercedes-Fan werden, jedenfalls was die Optik betrifft. Denn der wenig drehfreudige Seitenventiler mit 40 PS aus 2 Litern Hubraum war kein Ruhmesblatt.

Der direkte Konkurrent Wanderer W22 bot ebenfalls einen 2-Liter-Sechszylinder mit 40 PS, aber dank im Zylinderkopf hängenden Ventilen war er agiler, außerdem gab es eine leistungsfähige 12-Volt-Bordelektrik und vor allem: 3 Metern Radstand!

Da nichts beflügelnder wirkt als Wettbewerb, reagierte man bei Daimler prompt und bot ab 1934 den 200er auch mit 30 cm mehr Radstand an. Davon war nicht nur das markentreue Taxi-Gewerbe angetan, nun waren endlich auch schicke 4-Fenster-Cabriolets möglich.

Dies trugen meist die Bezeichnung „Cabriolet B“ und gehörten neben den Roadstern jener Jahre zu den attraktivsten Werksausführungen.

Mein persönlicher Favorit im mittleren Mercedes-Segment (unter 3 Litern) auf dem Sektor ist das Modell 290 – das ich hier schon einmal vorgestellt habe:

Mercedes-Benz 290 Cabriolet B; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Prachtexemplar zeige ich zum einen, weil man im Leben von schönen Dingen nicht genug haben kann, vor allem wenn sie nicht „notwendig“ sind – denn dort beginnt die Kultur.

Zum anderen möchte ich hieran den Blick schärfen für einige Details, auf die es gleich ankommen wird:

Die Vorderkotflügel reichen beim ab 1934 gebauten Typ 290 bis fast auf die Stoßstangen herunter. Außerdem besitzen sie seitliche „Schürzen“, die den Blick auf das Chassis verbergen – ein Detail, das der Graham „Blue Streak“ 1932 etabliert hatte.

Auffallend hier zudem die schrägstehende und niedrig wirkende Frontscheibe – wobei das auch auf den Effekt des verwendeten Kameraobjektivs zurückzuführen sein könnte.

Nach dieser Vorbereitung sind Sie nun imstande, die folgende Aufnahme zu goutieren, auch wenn es hier für auf leichte Beute hoffende Schürzenjäger nichts zu sehen gibt:

Mercedes-Benz 200 Cabriolet B; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Dieses schöne Dokument hat mir kürzlich Leser Klaas Dierks in digitaler Form zur Bestimmung des Modells zukommen lassen.

Ich muss zugeben, dass mich die Sache doch einige Zeit gekostet hat, auch wenn hier alles erkennbar ist, was man in solchen Fällen braucht.

Der Aufbau als vierfenstriges Cabriolet B ist einfach bestimmt. Auch ist an den deutlich oberhalb der Stoßstange endenden Kotflügeln ersichtlich, dass wir es nicht mit einem Exemplar des Typs 290 zu tun haben.

Doch was ist von den fehlenden Schürzen zu halten?

Ich meine damit nicht die reisefein gekleideten Damen – die vermutlich professionelle Fotomodelle waren, bei denen abenteuerlustige Schürzenjäger chancenlos waren. Ihnen dürfte eher an einer soliden Partie gelegen gewesen sein.

Nein, hier geht es um die fehlenden Schürzen an den Vorderkotflügeln. Wie gesagt wurde das verlängerte Chassis, auf dem Aufbauten wie das Cabriolet B entstanden, erst 1934 eingeführt. Zu der Zeit hatten sich seitliche Kotflügelschürzen allgemein durchgesetzt.

Wenn sie hier fehlen, ist das nur damit zu erklären, dass man zumindest bei den aufwendigen Cabrios auf Wunsch immer noch Kotflügel ohne dieses moderne Detail anbot.

Gesehen habe ich das allerdings bislang bei keinem anderen offenen Exemplar des Mercedes-Benz 200. Das will freilich nicht viel heißen, denn ich bin alles andere als ein Kenner dieses Fabrikats.

In dem Zusammenhang eine Frage an sachkundige Leser: Es muss bei einer Marke wie Mercedes-Benz doch allgemein zugängliche Dokumentationen auf ähnlichem Niveau geben wie im Fall der Marken der einstigen Auto-Union, in denen akribisch genau alle Werksaufbauten, Extras und Detailänderungen im Zeitverlauf beschrieben werden.

Ich arbeite notgedrungen mit der zweibändigen Paperback-Darstellung von Schrader/Hofer (Heel-Verlag, 1982), die aber vieles offen lässt und obendrein schon nach moderater Nutzung auseinanderfällt.

Da muss es für die Marke mit dem Stern nach über 40 Jahren doch Besseres geben, oder?

Immerhin sind wir in der Hinsicht keine auf oberflächliches Vergnügen abzielende Schürzenjäger, sondern sind ernsthaft an diesen Modellen interessiert, die vielleicht nicht umwerfend sind, aber doch ihren Reiz haben…

Mercedes-Benz 200 Cabriolet B; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

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Glänzt als Sieger selbst auf Platz 3: Dodge von 1924

Ich habe es hier schon einmal erzählt: Dass man im Wettbewerb auf Platz 2 oder 3 landet und dennoch als Sieger tituliert wird, das hat mich früh so nachhaltig irritiert, dass ich es bis heute nicht vergessen habe.

Es dürfte in der dritten oder vierten Klasse gewesen sein, als ich meine Urkunde bei den Bundesjugendspielen in der Schule erhielt. „2. Sieger“ im Leichtathletikwettbewerb stand dort – das verstand ich nicht. Ich hatte doch gar nicht gewonnen.

Ich war keine 10 Jahre alt und fühlte mich verschaukelt. Platz 2 oder 3 sind zwar etwas, worauf man ein wenig stolz sein darf, sofern es deutlich mehr als drei Teilnehmer gibt. Doch die Urkunde war für mich durch die alberne Titulierung als Sieger entwertet.

Dass man mit falschen Begriffen die Welt umzugestalten sucht, anstatt die Begriffe nach den Tatsachen zu formen – diese Tendenz begann bereits in den 1970er Jahren, wie so manches andere, das die Fundamente einer Gesellschaft ausgehöhlt hat, deren Wohlstand auf Wettbewerb und Leistung basiert.

Ein Gutes hatte dieses irritierende Erlebnis aber doch, denn es liefert mir die Inspiration für den Titel des heutigen Autoporträts.

Dabei zeigt sich nämlich, dass man auch als Nummer 3 durchaus als glänzender Sieger durchgehen kann – jedenfalls am internationalen Automarkt des Jahres 1924.

Der Weltmarkt bestand damals vor allem aus dem in den USA, der europäische Markt war daran gemessen eher eine Nischenveranstaltung.

Die Nr. 1 in den Staaten war anno 1924 ganz klar Ford. Fast 2 Millionen Exemplare des Model T rollten binnen eines Jahres vom Band, während der Preis auf ein neues Rekordtief von unter 300 Dollar fiel. Mit erheblichem Abstand folgte Chevrolet mit rund 300.000 Autos.

Auf Platz 3 landete Dodge mit etwa 200.000 Wagen. Das war ein bemerkenswerter Erfolg, der den Entwicklungsstand des US-Markts erkennen lässt.

Im Unterschied zu den nur mäßig motorisierten Billigheimern von Ford und Chevrolet, war der Dodge des Modelljahrs 1924 ein deutlich größeres, moderner wirkendes und mit 35 PS Leistung spürbar stärkeres Fahrzeug.

Zwar entsprach es mit seitlich stehenden Ventilen und Zweiradbremse dem allgemeinen Stand der Technik, aber es war für seine Größe und Leistungsfähigkeit so günstig wie kein anderes Auto dieser Klasse.

Möglich wurde dies nicht nur durch die rationelle Großserienfertigung, die alle US-Hersteller gemeinsam hatten, sondern auch durch den Umstand, dass Dodge ab 1922 als erster Autoproduzent auf Ganzstahlkarosserien umgestiegen war.

Damit entfiel der Zeitaufwand für die üblichen blechbeplankten Holzgerippe. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und begründete die Rolle als glänzender Sieger seiner Klasse:

Dodge Tourer, Modeljahr 1924; aufgenommen 1927 bei Riga; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man sieht an diesem geradezu ideal fotografierten Exemplar, wie vorteilhaft sich der 1924er Dodge von den kompakteren Einsteigermodellen abhob, die Ford und Chevrolet anboten.

Man hatte für dieses Modelljahr den Radstand verlängert und den Schwerpunkt des Wagens gesenkt, sodass er weniger hochbeinig und kompakt daherkam als die Vorgängerausführung, die optisch noch nahe am Chevrolet angesiedelt war.

Neu gestaltet waren die Scheinwerfer, während es die Doppelstoßstangen und die Stahlscheibenräder optional bereits seit 1922 gab. Ein weiteres auch hier verbautes Extra war das vom Fahrersitz aus ablesbare „Motometer“-Thermometer auf dem Kühler.

Auf das Modelljahr 1924 verweist die noch geteilte Frontscheibe, die 1925/26 einer durchgehenden wich, wie bei diesem Exemplar zu sehen:

Dodge Tourer, Modeljahr 1925/26; aufgenommen in Rio de Janeiro; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie es scheint, haben wir es bei dem heute vorgestellten 1924er Dodge mit einer Taxiausführung zu tun, die ausweislich der Beschriftung des Fotos 1927 im Raum Riga abgelichtet wurde.

Es ist interessant zu sehen, dass in den 1920er Jahren die vor dem 1. Weltkrieg in Skandinavien sowie in Osteuropa dominierende deutsche Autoindustrie nicht mehr in der Lage war, mit der dortigen Nachfrage Schritt zu halten.

Mit der immer noch überwiegenden Manufakturproduktion – Ausnahmen: Brennabor und Opel – sowie den optisch meist veralteten Modellen aus Deutschland war man der Konkurrenz aus Übersee nicht annähernd gewachsen.

Von den Herstellern aus Europa konnte nur Fiat den Amerikanern annnähernd Paroli bieten. So kam es, dass die Nr. 3 aus den USA am europäischen Markt Mitte der 1920er Jahre einen glänzenden Auftritt hatte und zu den Siegern im dortigen Wettbewerb zählte.

Dass Dodge in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre im Wettbewerb immer weiter zurückfiel und erst nach der Übernahme durch Chrysler (1928) wieder bessere Ränge erreichte, das ist eine andere Geschichte, für die mir bereits einiges Material vorliegt…

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Perfekt, wenn plötzlich alles passt: Stoewer R-150 Cabrio

Langjährige Leser wissen das natürlich: Die besten Momente im Leben sind für mich die ungeplanten, wenn sich alles so fügt, wie es sein soll. Das ist nicht alleine eine Frage des Zufalls, für solche Situationen muss alles vorbereitet sein – aber eben nicht geplant.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, im rechten Moment der entscheidenden Person begegnen, die passenden Worte finden. Oder auch: Alles wohlgeordnet haben, um schnell handeln zu können, wenn das letzte noch fehlende Puzzlestück auftaucht.

Das Foto, das ich Ihnen heute vorstellen darf, illustriert das in vollkommener Weise. Es ergänzt perfekt das Bild eines heute nur noch wenigen Kennern geläufigen deutschen Frontantriebswagens von Mitte der 1930er Jahre.

Neben den Fronttrieblern von Adler und DKW gab es noch einen weiteren Vertreter dieser fortschrittlichen Kategorie – hergestellt von einer der faszinierendsten und langlebigsten deutschen Nischenmarken: Stoewer aus Stettin.

Tatsächlich war es der Stoewer V5, mit dem 1931 erstmals in Deutschland ein frontgetriebener Serienwagen vorgestellt worden war, also noch vor DKW.

Was der einzigartig anpassungsfähige Hersteller an der Ostsee aus dem anfänglich unscheinbar wirkenden Modell binnen ein, zwei Jahren machte, ist phänomenal.

Schon 1932 erschien der Nachfolger R-140, der wie verwandelt war: Der 1,2 Liter-Motor war einem leistungsfähigeren 1,4 Liter-Aggregat gewichen; vor allem aber hatte man dem Fronttriebler ein völlig neue, unverwechselbare Vorderpartie verpasst:

Stoewer R-140 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mit der eindrucksvollen Kühlermaske wirkte das immer noch recht kompakte Auto weit eindrucksvoller. Aber: So rechte Begeisterung will sich hier noch nicht einstellen.

Einer der Gründe dafür ist der, dass Automobile bei Aufnahmen direkt von vorne nur in Ausnahmefällen ihre ganze Wirkung entfalten können. Dasselbe gilt für die rein seitliche Perspektive, die bis in die 1920er Jahre hinein in Hersteller-Prospekten vorherrschte.

Versierte Fotografen erkannten aber früh, dass die Idealperspektive eine ist, die den Wagen aus spitzem Winkel von schräg von vorne ins Visier nimmt.

Die folgende Aufnahme geht in die Richtung, auch wenn sie noch nicht perfekt ist:

Stoewer R-140 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen wirkt hier schon wesentlich attraktiver, dennoch lässt auch diese Aufnahme, die einst bei einer Reise durch die Schweiz entstand, noch Wünsche offen.

Die wenig gelungene Inszenierung der Herren lassen wir mal unkommentiert. Am Auto selbst gibt es nämlich genug zu „beanstanden“, vor allem eines: Irgendwie erscheint der Kühlergrill auch hier etwas bräsig, er könnte dynamischer wirken.

Was ich damit meine, werden Sie gleich sehen. So erkannte man auch bei Stoewer, dass die Frontpartie irgendwie rasanter daherkommmt, wenn man die die Kühlerlamellen noch ein wenig stärker nach oben anwinkelt.

Genau das machte man bei der nächsten Ausbaustufe nur ein Jahr später anno 1934 in Form des R-150. Der besaß nun mit 35 PS aus 1,5 Litern Hubraum eine in der Kompaktklasse achtbare Motorisierung.

Vor allem aber hatte man die Karosserie nun perfektioniert. Das galt zum einen nur für die leicht überarbeitete Kühlerpartie (man vergleiche diese mit der des R-140):

Stoewer R-150 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zum anderen hatte man den Türen mit einer Chromleiste optisch gesehen die Höhe genommen. Wir kommen gleich noch darauf zurück.

Aber: „Puh“, mögen Sie jetzt wie der Herr neben dem Auto sagen, „das Foto selbst ist aber noch weit davon entfernt, perfekt genannt zu werden.“

Irgendwie springt der Funke auch hier noch nicht über und das liegt nicht bloß an dem Herrn mit den aufgeblasenen Backen. Vielmehr wird die an sich fast ideale Perspektive durch die geöffnete Tür wieder ruiniert.

Wenn man schon die Tür mit der erwähnten neuen Gestaltung studieren möchte, dann doch eher anhand einer solchen Aufnahme, nicht wahr?

Stoewer R-150 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

An sich eine unmögliche Aufnahme, wenn man es nur auf das Auto abgesehen hätte. Aber hier war jemandem die Insassin wichtiger und so ist dieses Foto in ästhetischer Hinsicht eine sehr gelungene Komposition.

Damit lässt sich auch trefflich übergehen zum eigentlichen Star des heutigen Blog-Eintrags, denn wie ich zu sagen pflege: Es gibt kein Auto, dessen Wirkung nicht durch die Anwesenheit einer Frau mit Stil profitieren würde.

Das bringt mich zum eingangs Gesagten zurück und zum Titel „Perfekt, wenn plötzlich alles passt“.

Dass sich heute alles in Sachen Stoewer R-150 Cabriolet ganz wunderbar zusammenfügt, sodass am Ende kein Wunsch offenbleibt, das verdanke ich Jörg W. Hitz aus Chemnitz.

Er bat mich nämlich um Identifikation des Autos, mit dem seine Großmutter in den späten 1930er Jahren aufgenommen wurde.

Das war mir nicht nur ein Leichtes, sondern auch ein Vergnügen, denn das ist genau das Foto, welches den Reiz des Stoewer R-150 Cabrios für mich vollkommen vermittelt:

Stoewer R-150 Cabriolet; Originalfoto aus Familienbesitz (Jörg Werner Hitz, Chemnitz)

Für mich ist bereits der Bildausschnitt genial – es sind alle Vorzüge des Autos einbezogen, ohne den gesamten Wagen zu zeigen. Auch der Aufnahmewinkel ist ideal zu nennen.

Und dann diese wunderbar gedankenverlorene Pose der jungen Dame, die den Wagen mit ihrer Präsenz und ihrer Berührung zu einem Teil der menschlichen Sphäre macht.

Ich wage zu behaupten, dass es schwer sein dürfte, das zu übertreffen – jedenfalls, was das „normale“ Cabriolet des Stoewer R-150 betrifft. Denn daneben gab es ja noch das sensationell gezeichnete Sport-Cabriolet, das ich ebenfalls bereits gewürdigt habe (hier).

Bei einer Gesamtstückzahl von wenig mehr als 1.000 Wagen dieses Typs ist aus heutiger Sicht jedes Exemplar bemerkenswert. Nur wie man sieht: Um es wirklich perfekt präsentieren zu können, dazu muss alles zusammenkommen – so wie hier und heute.

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Zeit zur Andacht: Im Tempel von Daimler&Benz

Wenn Sie Italien wirklich in aller Ruhe erfahren wollen, fahren Sie im Winter dorthin.

Während es um Weihnachten herum noch überall geschäftig zugeht, scheint das Leben im Januar und Februar fast stillzustehen. Draußen wird nur das Nötigste getan, wenn es irgend geht, bleibt man zuhause. Reisende sieht man so gut wie keine.

Nicht nur kommt man von Norden schneller denn je ans Ziel und zurück – 11 Stunden Autofahrt inkl. Tank- und Kaffeestops für 1200 km Strecke sind sonst kaum erreichbar – man hat auch die schönsten Orte für sich und wenn man es richtig anstellt, vergisst man die Zeit.

Am letzten Tag meines Aufenthalts in Umbrien besuchte ich wieder einmal das Städtchen Bevagna – in etwa auf halber Strecke zwischen Perugia im Norden und Spoleto im Süden in der Tiefebene „Valle Umbra“ gelegen.

Man denkt sich nicht, wieviel Großartiges ein umbrisches Städtchen mit 5.000 Einwohnern zu bieten hat und wie hingebungsvoll das architektonische und historische Erbe gepflegt wird. Erstmals erwähnt wird es als „Mevania“ beim römischen Historiker Livius anlässlich einer Schlacht zwischen römischen und umbrischen Truppen um 300 v. Chr.

Nach der Einigung Italiens unter römischer Herrschaft blühte der Ort für einige Jahrhunderte dank seiner verkehrstechnisch günstigen Lage an der Via Flaminia und dem damals schiffbaren Tiber-Zufluss Topino.

Der bis heute innerhalb des alten Mauergürtels liegende und praktisch ohne neuzeitliche Bauten erhaltene Ort bietet Reste römischer Tempel, Thermen und Theater, ein Geschichtsmuseum im Palazzo Lepri, ein sensationelles Bühnenhaus des späten 19. Jhs. (Teatro Torti) – und vor allem jede Menge mittelalterliche Bauten erlesener Qualität.

Man kann dafür durchaus einen Tag einplanen, sofern man sich länger in Umbrien aufhält oder dorthin zurückkehrt, weil man auch nach dem x-ten Mal nicht alles gesehen hat.

Geparkt wird – wie in italienischen Städten bewährt – außerhalb der Stadtmauern, etwa am südlichen Stadtrand, wo die Römerstraße von Montefalco kommend auf Bevagna stößt.

Vom Parkplatz aus geht es am Waschplatz vorbei über eine breite Brücke in die Altstadt:

Brücke in Bevagna (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Beschaulich, nicht? Gestört wird das Idyll freilich, wenn man in der Brückenmitte das Schild liest: „Zerstört von den Deutschen im Juni 1944“.

Wie unzählige andere historische Brücken in ganz Italien wurden die Originale – oft römische und mittelalterliche, die Jahrhunderte überstanden hatten – von deutschen Truppen gesprengt, die gegen Kriegsende auf der Flucht vor den vorrückenden Alliierten waren.

Im vorliegenden Fall war dies besonders sinnlos, weil es in Sichtweite weitere Brücken gibt, die unbehelligt blieben. Zudem führt der Zugang über die gesprengte Brücke mitten in die verwinkelte Altstadt, während der schnellste Weg nach Norden um den Ort herum führt.

Vielleicht war eine deutsche Einheit wegen der alliierten Luftaufklärung bei Dunkelheit unterwegs oder irgendein frustrierter Kommandeur wollte unbedingt „ein Zeichen setzen“. Die Italiener bauten ihre Brücke 1946 jedenfalls wieder auf.

Verstimmt geht man weiter, leider gibt es solche Orte in Italien an jeder Ecke. Wollten wir nicht die Zeit vergessen? Ja, aber das klappt nicht immer so, wie man sich das wünscht.

Keine Sorge, es wird gleich besser. Von besagter Brücke kommend geht es durch diese Gasse auf die Piazza Silvestri, wo sich einem eine Kulisse wie aus einem Historienfilm darbietet und das Herz aufgeht:

Blick auf S. Michele in Bevagna (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Die Schönheit des Platzes ist kaum mit dem Fotoapparat zu erfassen – man muss selbst dort gewesen sein. Also lasse ich es, mit einer schlechten Aufnahme den Versuch zu unternehmen.

Wie so oft verbergen sich die größten Wunder in Italien nicht in den Bauten, die den Blick als erste auf sich ziehen.

In der Hauptkirche San Michele gibt es nur wenig Aufregendes zu sehen – das Innere ist im Zeitverlauf stark verändert worden.

Doch dreht man sich um, erblickt man die unscheinbare Fassade von San Silvestro. Dort finden wir den ersehnten Raum zur Andacht:

S. Silvestro in Bevagna (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Wer mit der Romanik dunkle und abweisend wirkende Kirchenbauten verbindet, wird in Italien regelmäßig eines Besseren belehrt.

Meist wurde in antiker Bautradition heller Kalkstein als Baumaterial gewählt und das Licht des Südens vermag selbst im Winter für noch mehr Helligkeit zu sorgen.

Im vorliegenden Fall hat man etwas mit dezenten Lampen im Gewölbe nachgeholfen, aber das ist auch die einzige Konzession an die Moderne. Die andächtige Stimmung stellt sich in diesem Raum ganz von alleine ein:

S. Silvestro in Bevagna (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Ob man nun gläubiger Christ ist oder nicht – man verharrt für eine Weile in Ehrfurcht. Und sei es „nur“ in Bewunderung für die Kunst der Baumeister und Arbeiter, die solche Werke zu schaffen vermochten, die noch nach Jahrhunderten ihre Wirkung tun.

Ebenso gedenkt man der vielen Kaufleute, Handwerker und Bauern, deren Arbeit die Überschüsse abwarf, welche in diese Orte der Andacht flossen, an denen sich die Bürger der Stadt und des Umlands zum Gottesdienst einfanden.

Diese Menschen sind längst vergessen und verweht, doch die Früchte ihres Fleißes sind immer noch da und sind der Stolz ihrer Nachfahren.

Lassen wir es dabei, irgendwann wollen wir uns heute auch noch an Vorkriegsautos erbauen, für die das Gesagte ebenso gilt. Also sammeln wir uns und verlassen diesen Ort der Andacht, nicht ohne noch einen Blick auf San Michele gegenüber zu werfen:

S. Michele in Bevagna (Umbrien); Bildrechte: Michael Schlenger

Beglückt treten wir hinaus auf den Platz – abgesehen von zwei spielenden Kindern und einigen Einheimischen, die winterlich gekleidet rasch vorübergehen, ist niemand zu sehen.

Tatsächlich ist es draußen wärmer als in der tiefgekühlten Kirche – bei 10 Grad Plus genügt dem Barbaren aus dem Norden eine Übergangsjacke über dem Hemd.

Unternehmungslustig schauen wir uns um: Die Bar Colonna an der Ecke hat geöffnet und lockt sogar mit Eis – doch uns steht der Sinn nach dem Erlebten nach etwas Anderem.

Wir steigen in unsere bewährte Zeitmaschine, schließen kurz die Augen, und finden uns in einer Stadt nördlich der Alpen wider. Wo genau sie sich befindet, das wissen wir nicht genau, aber es muss eine sein, in der sich sehr viel Wohlstand angesammelt haben muss.

Denn dort betreten wir einen anderen Raum der Andacht, der zwar sehr irdischen Dingen geweiht war, aber für dessen Ausstattung es kaum weniger Fleißes bedurfte. Auch hier begegnen wir dem Materie gewordenen Ergebnis menschlicher Visionen und Anstrengungen – diesmal bloß auf leider vergänglichere Werke gerichtet:

Verkaufsniederlassung von Benz und Daimler; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Wenn Sie jetzt meinen, dass sich das Inneres eines Autohauses doch nicht mit einem Gotteshaus vergleichen lässt, dann sage ich: Alles lässt sich miteinander vergleichen, das heißt nicht, das alles gleich ist.

In der Moderne – also ab etwa 1920 – wurden keine Kirchen von dem phänomenalen Rang mehr gebaut wie in den rund tausend Jahren zuvor. Und auch der christliche Glaube – ob es einem gefällt oder nicht – hat nicht mehr die Kraft, ganze Gesellschaften dermaßen durchzuformen und zu beherrschen, wie das einst der Fall war.

Als Agnostiker sehe ich das gelassen, zumal die von unseren Vorfahren auf dem Fundament einer im Schwinden befindlichen Weltsicht geschaffenen Wunderwerke fortbestehen. Auch die klassischen Tempel der Griechen verlangen ja keinen Glauben an die einstige Götterwelt – wenngleich mir diese von jeher sympathisch ist.

Ein Meisterwerk menschlicher Kreativität steht für sich, nichts ist überflüssiger als endlose Erläuterungen von Gedichten, Epen, Gemälden oder Skulpturen.

Und da ich das Automobil der 1920er bis 1960er Jahre in seinen besten Exemplaren für bildende Kunst halte, meine ich, dass es seine Wirkung ohne viele Worte entfaltet.

So schreiten wir heute nun dank Leser Jürgen Klein schweigend durch die Hallen eines unbekannten Autogeschäfts, in dem einst unfassbare finanzielle Werte aus den damals noch separaten Häusern Daimler und Benz versammelt waren.

Beginnen wir im „Seitenschiff“ ganz links:

Verkaufsniederlassung von Benz und Daimler; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Hier haben wir den teuersten Aufbau auf Basis eines Benz-Spitzkühlwagens der frühen 1920er Jahre – eine Chauffeurlimousine.

Dahinter ein Daimler mit vermutlich ähnlichem Aufbau. Im Hintergrund ahnt man weitere solche Kaliber.

Beim Eintreten in diesen Tempel werden wir gleich vierer Gefährte ansichtig, davon die ersten drei mit offenem Aufbau.

Schön die grafischen Akzente, nicht nur in Form der Tapete im späten Jugenstil, sondern auch in Gestalt der sich wiederholenden Scheinwerferpaare, die zu leuchten scheinen:

Verkaufsniederlassung von Benz und Daimler; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Den unzweifelhaften Höhepunkt findet man indessen – ähnlich wie in mancher Kirche – in einer Nische oder sollte ich, um im Bild zu bleiben, sagen: Seitenkapelle?

Wie schon in antiken Tempeln waren in christlichen Kirchen reiche Stifter gern gesehen, spendierten sie doch oft das gewisse Extra an Ausstattung in Verbindung mit der Auflage, gesondert hervorgehoben zu werden.

In dem Sinne hat hier der „Dekorateur“ dieses Autohauses ganze Arbeit geleistet – der hell lackierte Wagen mit topmoderner Stoßstange kann in seiner Ecke sogar mit eigener Heizung aufwarten, auf dass seine Verehrer besonders gerne bei ihm verweilen:

Verkaufsniederlassung von Benz und Daimler; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Was das nun genau für Modelle von Daimler und Benz waren, diese Frage ist so abwegig wie die, welche Farbpigmente ein Freskenmaler der Renaissance einst verwendete.

Die besten Werke menschlicher Schaffenskraft bedürfen keiner solcher Überlegungen – alles was man darüber wissen muss, das vermitteln sie einem von selbst.

Wem der Vergleich einer romanischen Kirche mit einem Auto-Verkaufsraum der Vorkriegszeit weit hergeholt sein oder gar geschmacklos erscheinen mag, dem sei gesagt:

Jede Zeit mag für sich die Formen entwickeln, mit denen sie fundamentale Leidenschaften zum Ausdruck bringt. Man findet das dort, wo materieller Überfluss und die Freude am opulenten Einsatz von Material und Können herrschen. In solchen Zeiten hat der Mensch die ärgsten Nöte überwunden und kann zu mehr werden als einem Überlebenskünstler.

Dort hingegen, wo nur Verzicht und Einschränkung gepredigt werden, wo das Unnötige und Schöne zur Sünde erklärt wird, dort gedeiht nichts Gutes im Menschen.

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Des Lasters Anfang und Ende: Ford Model „BB“

Dem Menschen seine Laster austreiben zu wollen, das scheint ein zeitloses Thema von Leuten zu sein, die sich moralisch überlegen geben – und so komme auch nicht drumherum.

Allerdings bin ich ein entschiedener Befürworter des Lasters – es muss allerdings kein Diesel sein und auf einem PKW sollte er basieren – so etwas gefällt mir.

Klingt einigermaßen merkwürdig, ist aber vollkommen ernst gemeint.

Ich bin in der Hinsicht vorbelastet – da haben wir es wieder – denn ich besitze einen Peugeot 202, der in seinen Papieren als Laster eingetragen ist.

Ob es mit der erlaubten knapp halben Tonne Zuladung zu tun hat oder der Tatsache, dass dieses Gerät vom Peugeot-Werk einst als „Utilitaire“ – also Nutzfahrzeug – verkauft wurde, das weiß ich nicht.

Jedenfalls ist unübersehbar, dass dieser Laster auf dem PKW-Modell basiert:

Peugeot 202 UH; aufgenommen 2022 in Bad Nauheim; Bildrechte: Michael Schlenger

Einen ganz ähnlichen Fall will ich heute vorstellen – unter dem überaus passenden Motto: „Laster von Anfang bis Ende“.

Am Anfang steht das 1932 eingeführte Model B von Ford – ein optisch überarbeiteter und mit nunmehr 50 PS stärkerer Nachfolge des legendären Model A. Dessen Produktion hatte 1931 nach über vier Millionen Exemplaren geendet.

In den USA wurde das Model B mit seinem in die Jahre gekommmen Vierzylindermotor nur ein Jahr lang gebaut – man verlegte sich dann auf den sensationellen V8-Typ, der auch in Deutschland gern gekauft wurde (Bericht kommt irgendwann). Dagegen wurde es im Kölner Ford-Werk in der ursprünglichen Form bis 1934 weitergefertigt, bis es zum moderner gestalteten Ford „Rheinland“ mutierte.

Merkwürdigerweise ist diese „B“-Ware aus dem Hause Ford auf alten Fotos nur selten anzutreffen, obwohl in Köln knapp 1.800 Exemplare gebaut wurden. Mir liegt bislang überhaupt nur eine Aufnahme aus deutschen Landen vor, die ein solches Fahrzeug zeigt:

Ford Model B, aufgenommen 1932; aus Nachlass der Familie Faensen-Löwe (Aachen)

Vom Vorgängertyp unterschied sich das Model B optisch durch die einfache Stoßstange mit Mittelrippe, die geschwungene Scheinwerferstange und den abgerundeten Kühler.

Die Drahtspeichenräder gab es wie schon beim Model A serienmäßig. Nur eine Ausführung kam mit ganz anderen Rädern daher und hier nimmt das Laster seinen „Fordgang“.

Wie schon beim Model A brachte Ford nämlich auch vom „B“ eine Nutzfahrzeugvariante heraus, den Typ „BB“. Der zeichnete sich durch größere Räder und entsprechend mehr Bodenfreiheit und ein verstärktes Chassis aus.

Dieser lasterhafte Ford „BB“ sah von vorne aber immer noch ziemlich genau wie der PKW aus, auf dem er basierte. Auf dem folgenden Foto von Sommer 1935 sehen wir links ein entsprechendes Exemplar:

Ford Model BB; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die robuste „Arbeiter- und Bauern“-Variante des Ford B war auch im 2. Weltkrieg in verschiedenen Varianten anzutreffen (Beispiele hier).

Kurioserweise stieß das deutsche Militär beim Angriff auf die Sowjetunion ab 1941 auch auf das russische Pendant – den GAZ AA, der auf Basis einer Ford-Lizenz gebaut wurde. Für die Rote Armee wurden alleine davon rund 150.000 Stück gebaut (Quelle).

Viele erbeutete Exemplare fuhren dann neben den in Köln gebauten Wagen des Typs BB auf deutscher Seite herum.

Diese Form des Lasters dürfte spätestens im Mai 1945 ihr Ende gefunden haben, obwohl das Sammelsurium der zuletzt noch existierenden Wehrmachtsfahrzeuge alles Mögliche umfasste, darunter schon 1940 beim Westfeldzug erbeutete bzw. beschlagnahmte französische Wagen.

So ist nicht auszuschließen, dass auch das Model BB auf der folgenden Nachkriegsaufnahme eine „Frontkarriere“ hinter sich hatte:

Ford Model BB, frühe Nachkriegszeit; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mit diesem in der sowjetischen Besatzungszone im Raum Leipzig zugelassenen Wagen mit charmanter Insassin findet das Thema Laster für heute sein glückliches Ende.

Das Bild ist ein schönes Dokument vom Überleben von Vorkriegsfahrzeugen in einer Zeit großer Not, in der jedes einsatzfähige Auto einen unschätzbaren Wert verkörperte.

Dieses Exemplar dürfte einem jungen Paar einen geschäftlichen Neubeginn ermöglicht haben – dass das neue sozialistische Regime später immer intensiv Krieg gegen private Unternehmen führen sollte, das konnten die beiden damals noch nicht wissen…

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Erzähl‘ nichts vom Pferd, oder doch? Audi „Dresden“

In meinem Blog gerate ich oft auf abseitige Pfade, bevor ich irgendwann doch die Kurve kriege und noch zum eigentlichen Thema komme.

Erzähl‘ bloß nichts vom Pferd“, mag mancher denken, der hier eine streng sachbezogene Auseinandersetzung mit Vorkriegsautos auf alten Fotos erwartet.

Ich weiß ja: Es gibt keine Alternative hierzulande – das meine ich jetzt unpolitisch – aber ich bin hier der Chef vom Janzen und tue, was mir gefällt.

Also erlaube ich mir heute wieder eine Abschweifung und erzähle nebenbei etwas vom Pferd.

Auf den Gedanken kam ich heute, nachdem ich meine Arbeit erledigt hatte – bis kurz nach Mittag erst für den Brot- und Benzinerwerb, dann stand noch etwas Renoviererei an.

Es war gegen halb vier nachmittags, als ich beschloss, zum Supermarkt zu fahren und dabei einen Umweg zu nehmen. Der führte mich von meinem derzeitigen Aufenthalt im italienischen Umbrien auf den über tausend Meter hohen Monte Subasio.

Der Winter hatte sich dort bereits zurückgezogen, es war knapp über null Grad, doch in der Ferne sah man noch die schneebedeckten Gipfel der Appeninen:

Die Qualität dieses Fotos und der folgenden müssen Sie entschuldigen. Ich hatte meine gute Nikon nicht dabei und knipste mit einem uralten Nokia-Smartphone in der Gegend herum.

Erzähl‘ bloß nichts vom Pferd, komm‘ zur Sache“ – gewiss doch, einen Moment, ich bemühe mich ja. Also noch eine Aufnahme vom Gipfel, die Pferde lass‘ ich ausgeblendet.

Pferde? Im Winter? Auf über tausend Metern Höhe?“ Natürlich. Sie sind hier bloß außerhalb des Bildausschnitts – etwas weiter rechts wäre eine ganze Herde zu sehen:

Er erzählt uns doch tatsächlich was vom Pferd! Wo ist denn nun der im Titel in Aussicht gestellte Audi des Typs „Dresden“?

Tja, der wartet geduldig im Tal und gute 1.500 Kilometer weiter nördlich und über 90 Jahre in der Vergangenheit. Gleich ist er an der Reihe.

Doch muss ich vorher noch etwas vom Pferd erzählen.

Das begegnete mir nämlich heute nachmittag auf tausend Meter Höhe und wer sich von so etwas nicht gerne ablenken lässt, ist ein – nun ja, ergänzen Sie etwas Passendes:

Diese Erscheinung ist repräsentativ für eine Pferdegattung, die ganzjährig auf dem Monte Subasio im Freien lebt.

Zwar kümmert sich jemand um diese Herde, aber grundsätzlich finden sich die Tiere alleine zurecht – sie wechseln die Weiden selbständig und verbringen ihr ganzes Leben dort oben.

Als ich das heute sah, war die Idee für diesen Blog-Eintrag geboren, denn vom Pferd erzählen wollte ich Ihnen schon lange etwas.

Ermöglicht hat mir das Leser Matthias Schmidt aus Dresden, der mir bereits vor längerer Zeit ein Foto aus seinem phänomenalen Fundus in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat.

Darauf ist das heutige Thema in großartiger Weise festgehalten:

Hochzeitskutsche und Audi Typ T „Dresden“; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Was Matthias Schmidt bei der Zusendung dieses außerordentlichen Dokuments noch nicht wusste, ist der Umstand, dass es sich bei dem hinter der Kutsche abgebildeten Wagen nicht – wie von ihm vermutet – um einen Horch der späten 1920er Jahre handelt.

Die Gestaltung der Luftschlitze in der Motorhaube deutet vielmehr auf einen Audi von ca. 1930 hin – einen Achtzylinderwagen des Typs „Dresden“, wahrscheinlich

Der 75 PS starke Wagen war der „kleine“ Bruder des Audi „Zwickau“ mit 100 PS Motorleistung. Wie er besaß er einen Reihenachtzylinder, der anno 1927 aus der Insolvenzmasse des US-Herstellers „Rickenbacker“ erworben worden war – vielleicht nicht die allerbeste Idee…

Während vom Audi „Zwickau“ immerhin 450 Exemplare entstanden – nach US-Maßstäben lächerlich wenig – waren es im Fall des etwas kleineren Typs „Dresden“ nur 75.

Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir hier einen davon, erkennbar an den nur fünf statt sechs Gruppen Luftschlitzen in der Motorhaube:

Audi Typ T „Dresden“; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Selbst wenn ich mich irren sollte und wir doch einen Audi des „häufigeren“ Typs Zwickau vor uns haben, bleibt es dabei: diese Limousine war einst eine hochexklusive Angelegenheit.

Jetzt ist es mir doch gelungen, Ihnen nichts vom Pferd zu erzählen, wo doch auf derselben Aufnahme gleich zwei edle Exemplare mit einer ebensolchen Kutsche zu sehen sind.

Man fragt sich, was sich davon eigentlich durchgesetzt hat. Mir scheint es, dass zumindest bei Hochzeitskutschen die kräftigen Vierbeiner immer noch das Rennen machen würden. So ein Auftrittt macht einfach mehr her und mit zwei PS kommmt man auch ans Ziel, wie man sieht.

Letztlich ist es so: Wenn man die Leute in Ruhe lässt, setzt sich je nach Anwendungsbereich das durch, was besser geeignet ist. Das muss nicht zwangsläufig immer das Moderne sein.

Es gibt immer einen Ort, an dem auch das Pferd noch seine Daseinsberechtigung hat, sei es als Sportkamerad, als Lebensgefährte auf dem Land oder schlicht, weil es das Gras kurzhält.

Jetzt habe ich Ihnen doch etwas vom Pferd erzählt. Aber das war halb so schlimm, oder?

Nach meiner einschlägigen Begegnung auf dem Gipfel des Monte Subasio ging es in Serpentinen wieder hinunter vorbei am um diese Zeit verwaisten „Eremo delle Carceri“ – wohin sich Franz von Assisi vor 800 Jahren zum Gebet zurückzog:

Nur ein einsamer Radler, der schwer atmend auf den Spuren des (h)eiligen Franz den Berg hinauf pedalierte (er ist links oben noch zu sehen) begegnete mir in der Bergeinsamkeit.

Vom gleichen Ort aus in die andere Richtung gesehen, erblickt man zwischen zwei prächtigen Zypressen die Burg oberhalb von Assisi – einst als Außenposten des räuberischen Kirchenstaats den Bürgern der Stadt verhasst – heute eine romantische Ruine.

Der moderne Wagen rechts im Bild stört, ich weiß, doch es war die einzige Stelle, an der ich parken konnte, ohne auf der Straße zu stehen:

Von hier war es nicht mehr weit bis hinunter nach Assisi, wo ich wieder gen Süden abbog und durch die Hügel oberhalb der Valle Umbra heimwärts kreuzte – denn eigentlich wollte ich ja nur noch einige Einkäufe tätigen…

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Schönes DÖF-DÖF: Steyr XXX „Gläser“-Cabrio

Wer den Titel meines heutigen Blog-Eintrag albern findet, hat zwar recht, wird aber am Ende anerkennen müssen, dass er alles Wesentliche in seltener Präzision auf den Punkt bringt.

Natürlich ist das Ganze inspiriert von der französischen Lautmalerei „teuf-teuf“ (gesprochen: töff-töff), womit halb mitleidig, halb liebevoll ein altes Auto bezeichnet wird. Nur wie ich darauf kam, daraus für meine heutigen Zwecke „DÖF-DÖF“ zu machen, das ist einigermaßen erklärungsbedürftig.

Da es sich bei dem vorzustellenden Wagen um ein gelungenes Beispiel deutscher-österreichischer Zusammenarbeit handelt – in der Geschichte bekanntlich nicht immer und überall gegeben – wollte ich das unbedingt im Titel unterbringen.

Dieser unterliegt jedoch Limitierungen, was die Zeichenzahl angeht – so soll er in der Standardansicht auf dem PC-Bildschirm aus optischen Gründen nur zwei Zeilen ausmachen.

Als Freund spontaner Geistesblitze, die den Denkapparat schonen, lasse ich mir gern vom Kopf etwas aus den Tiefen des Datenfriedhofs im Schädel servieren, wovon ich meist gar nicht mehr wusste, dass es vorhanden ist.

Deutsch-österreichische-Freundschaft“ – abgekürzt DÖF – das wurde mir als Idee präsentiert zusammen mit der Überzeugung, dass es zu Zeiten der legendären „Neuen Deutschen Welle“ in den 80er Jahren sogar einmal eine Popgruppe dieses Namens gab.

Da hatte ich mich zwar knapp geirrt, dennoch war und bin ich begeistert von dieser Eingebung.

Denn die humorbegabte Truppe namens DÖF nannte sich ausgeschrieben tatsächlich „Deutsch-österreichisches Feingefühl“ – und das passt ja noch viel besser zu diesem stilistisch perfekt gelungenen Automobil, meine ich:

Steyr Typ XXX, Karosserie „Gläser“ (Dresden); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Für den etwas merkwürdigen Ausschnitt kann ich nichts – vielleicht wollte hier jemand besonders kreativ sein. Die Felswand im Hintergrund nimmt auf dem Originalabzug noch weit mehr Platz ein, ohne dass dies als ästhetischer Gewinn betrachtet werden darf.

Wir konzentrieren uns ganz auf das zweitürige Cabriolet mit zwei Seitenfenstern,welches dank drei Personen auf der Rückbank bedenklich tief in den Federn liegt.

Der Vorderwagen wirkt dadurch in etwas unglücklicher Weise angehoben, aber das tut der Gestaltung des Autos keinen Abbruch. Rasch bestimmt sind Hersteller und Typ – das muss ein österreichischer „Steyr“ sein und das Modell ein Typ „XXX“ bzw „30“.

Dieser 1930 eingeführte Wagen besaß wie sein Vorgänger – der Stey Typ XX – einen nur 2,1 Liter großen kopfgesteuerten Sechszylindermotor mit 40 PS Leistung, der aber infolge kürzeren Hubs noch drehfreudiger ausgelegt war.

Ab Werk gab es zwar auch offene Versionen, aber im vorliegenden Fall haben wir es mit einem besonderen Beispiel „deutsch-österreichischen Feingefühls“ – kurz DÖF zu tun. Denn aus der Alpenrepublik stammte hier nur das Chassis mit seinem gut austarierten Antrieb, während der Cabrio-Aufbau von „Gläser“ aus Dresden beigesteuert wurde.

Die sächsische Manufaktur gehörte zu den feinsten Adressen ihrer Art in Deutschland und bewies speziell bei solchen zweitürigen Cabriolets besonders gutes Formgefühl. Die ovale Plakette unten an der Seitenwand vor dem vorderen Türausschnitt war ihr Markenzeichen.

Viel mehr gibt es zu diesem Exemplar aus meiner Sicht nicht zu sagen, außer dass es ein weiteres Beispiel für die große Beliebtheit von Steyr-Wagen im Vorkriegs-Deutschland war, hier am Beispiel eines im Raum Nürnberg zugelassenen Exemplars.

Bleibt am Ende nur noch an ein weiteres gelungenes Beispiel deutsch-österreichischer Kooperation zu erinnern.

Das hatte die eingangs erwähnte Gruppe DÖF zustandegebracht und anno 1983 zu einem Hit gemacht. Dessen kurzgefasste Botschaft ist zeitlos: „Packt Eure irren Feindbilder wieder ein und seht zu, was ihr gemeinsam anstatt gegeneinander erreichen könnt.“ In Deutschland wie in Österreich gerade wieder topaktuell.

Und jetzt geht’s los mit „Codo im Sauseschritt“!

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Unerwarteter Gegenverkehr auf der Axenstrasse…

Im abgelaufenen Januar habe ich meine Leser ganz schön verwöhnt, stelle ich gerade fest. Fast jeden Tag ein Blog-Eintrag, natürlich wie immer mit schwankender Qualität – wie im wirklichen Leben, das muss man verstehen.

Ich schreibe das Ganze meist um Mitternacht spontan herunter, korrigiere die Tippfehler meist erst am nächsten Tag. Nach dem Verwöhnprogramm des Monats Januar, das immerhin 5.271 Besucher angezogen hat, habe ich mir eine kurze Auszeit erlaubt.

Der Grund ist treuen Lesern wohlbekannt: Nach 1.150 Kilometern Fahrt bin ich heute in meinem Zweitdomizil im italienischen Umbrien angelangt. Da ist man besser einigermaßen ausgeschlafen, wenn man sich auf die Reise macht.

Der angenehme Teil war wie gewohnt die Ankunft in der umbrischen Tiefebene, wenn man von Cesena-Nord kommend die Berge nach einer guten Stunde hinter sich lässt und statt endloser Laubwälder mit einem Mal Ackerland und Zypressen das Bild bestimmen.

Kurz hinter dem prallgefüllten Tiber-Stausee riss der Himmel auf, die Sonne lachte und verließ mich nicht mehr, bis ich am Ziel war. Man erwischt sich dabei, dass man mit zufriedenem Lächeln hinter dem Lenkrad sitzt.

Unterwegs gab es aber doch ein bemerkenswertes Ereignis, an dem ich Sie teilhaben lassen möchte. Dieses begab sich in der Schweiz und entpuppte sich als veritable Zeitreise ins Jahr 1918, gekrönt durch eine besondere Art Gegenverkehr, der mich rätseln lässt.

Ich kam wie immer über Basel in die Schweiz und hielt Ausschau nach dem Abzweig Richtung Luzern und Gotthard – was soll schon sein außerhalb der Saison? Nun, im Winter werden natürlich die Hauptrouten gen Süden saniert, hätt‘ ich mir ja denken können.

Also hieß es auf den Schildern: „Gotthard und Chiasso (Italien) via Zürich“. Na gut, so groß ist die Schweiz ja nicht, und ausgeschildert wird das Ganze schon sein. So dachte ich mir.

Offenbar hatten die Schweizer allerdings nicht bedacht, dass ich ohne Navigationsgerät unterwegs bin (es ist schon eines vorhanden, aber ich nutze es nicht), und daher ganz auf Beschilderung und Bauchgefühl angewiesen bin.

Solchermaßen unvorbereitet näherte ich mich Zürich, doch irgendwann war nur noch die Wahl zwischen „Zürich Innenstadt“ geradeaus und „Zug/Cham/Luzern“ oder so ähnlich zur Rechten. Der Hinweis auf die Umleitung zum Gotthard war irgendwie verschwunden, ohnehin war kaum ein ausländisches Auto unterwegs um diese Zeit.

Also folgte ich der Himmelsrichtung, denn dass es nun nach Süden gehen musste, war klar. Irgendwann fiel mir auch ein, dass es von Zürich ja von jeher auch eine Hauptroute zum Gotthard gibt, obwohl ich noch nie in dieser Gegend war.

Langer Rede kurzer Sinn: Ich fand mich bald genau auf der Strecke wieder, die ich schon anhand einiger Fotos hier im Blog, aber noch nie in natura gestreift hatte.

Nach einer Weile fuhr ich dann gegenüber meiner üblichen Route entlang des Ostufers des Urnersees, dem südlichen Abschnitt des Vierwaldstättersees, und bemerkte die alten Abschnitte der berühmten Axenstraße mit ihren in den Fels gehauenen Tunnels und Galerien.

Mit einem Mal war ich selbst auf dieser Route mit ihren auch heute noch grandiosen Ausblicken unterwegs und dachte spontan an den Gegenverkehr, der mir dort begegnen würde, wenn ich eine Zeitreise in den Juni 1918 unternehmen könnte:

unbekannter Tourenwagen auf der Axenstraße (Schweiz), aufgenommen im Juni 1918; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Jetzt mögen Sie sagen, dass diese Aufnahme überall im Alpenraum entstanden sein könnte, solche Stellen mit „Fenstern“ in den Tunnels gibt es ja auch beispielsweise am Gardasee, wenn man sich ihm von Norden nähert.

Gewiss, aber ich konnte von diesen Herrschaften mit ihrem großzügigen Tourenwagen noch zwei weitere Aufnahmen „im Gegenverkehr“ dingfestmachen.

Hier eine etwas andere Perspektive, welche die Damen und Herren zu einem Zeitpunkt im Reisedress zeigt, während man auf dem Kriegsschauplatz in Frankreich im Sommer 1918 immer noch noch meinte, unzählige junge Männer zu opfern: für exakt nichts.

unbekannter Tourenwagen auf der Axenstraße (Schweiz), aufgenommen im Juni 1918; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Idyll hätte man weiter nördlich damals auch haben können.

Worum ging es doch gleich ursprünglich in jenem Krieg? Um irgendeinen banalen Lokalkonflikt auf dem Balkan. Vielleicht lernt man ja etwas daraus nach über 100 Jahren, vermutlich nicht.

Egal, die Geschichte geht ihren Gang und was in Europa geschieht, wird im globalen Kontext ohnehin immer unbedeutender.

Also erfreuen wir uns an dem, was wir haben und das sind in Ermangelung aktueller Durchbrüche auf dem alten Kontinent vor allem die großartigen Zeugen der Vergangenheit.

Hier haben wir nun die dritte Aufnahme des Tourenwagens, der anno 1918 auf der Axenstraße für einen dermaßen beeindruckenden Gegenverkehr sorgte, dass selbst die damals noch gesellschaftsfähig gekleideten Radler innehielten:

unbekannter Tourenwagen auf der Axenstraße (Schweiz), aufgenommen im Juni 1918; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Jetzt haben wir endlich auch den Beweis, dass diese Situation tatsächlich auf der Axenstraße aufgenommen wurde. Denn im Hintergrund sehen wir die markante Kirchturmspitze der Ortschaft Flüelen, wenn ich mich richtig erinnere.

Ebendort sauste ich gerade noch auf dem Weg nach Süden vorbei, als ich im Geiste dieses Gefährts im Gegenverkehr gewahr wurde.

Was genau war das für ein Wagen? War es ein deutsches, österreichisches oder italienisches Fabrikat? Ich habe es bislang nicht ermitteln können.

Vorschläge dazu sind willkommen und wie immer auch abwegige Gedanken zu diesen Fotos. Meine Sicht der Dinge habe ich geschildert – Ihre mag eine andere sein, und das ist gut so!

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Fund des Monats: Pilain-Chauffeur-Limousine um 1910

Ich hoffe, das heute als Fund des Monats Januar 2025 präsentierte Foto enttäuscht nicht die Erwartungen. Denn weder ist von dem abgebildeten Fahrzeug sehr viel zu sehen, noch bin ich imstande, mehr als den Hersteller und die ungefähre Entstehungszeit zu benennen.

Beides ist keineswegs meiner Faulheit geschuldet, auch wenn ich im Januar jedes Jahres weit mehr Arbeit zu erledigen habe als sonst. Das liegt nun hinter mir und ich kann die ersten Rechnungen auf den Weg bringen – damit auch mal wieder Geld in die Kasse kommt.

Doch keine Sorge – über’s Jahr gerechnet kann ich nicht klagen, was die monetäre Situation angeht. Man ist als Selbständiger an Phasen stark schwankender Liquidität gewöhnt, und darf sich vom stetigen Takt der Abbuchungen nur nicht irritieren lassen.

Allerdings – auch das muss für’s Protokoll festgehalten werden – bin ich weit davon entfernt, mich in derartigen finanziellen Sphären aufzuhalten wie der junge Mann auf dem folgenden Foto, das kurz vor dem 1. Weltkrieg entstanden sein dürfte:

„Pilain“-Chauffeur-Limousine um 1910; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das ist ein historisches Autofoto zumindest ganz nach meinem Geschmack, zeigt es doch ein interessantes Fahrzeug und vermittelt gleichzeitig viel von den Zeitverhältnissen, in denen es einst modern war.

Lachen Sie nicht, wenn ich hier von „modern“ spreche. Um 1910, als der abgebildete Wagen entstand, war ein Benzingefährt dieser Größe mit Aufbau als Chauffeur-Limousine den oberen Zehntausend vorbehalten, welche der Pferdekutsche längst adieu gesagt hatten.

Auch der junge Mann neben dem Auto, der die Hand besitzergreifend auf den Kühlwasserstutzen gelegt hat, war ganz auf der Höhe der Zeit. Glattrasiert und mit vorbildich gesunder Erscheinung stand er in denkbarem Kontrast zu den oft ungesund und ungepflegt erscheinenden älteren Herren jener Zeit.

Zu ihm kehren wir am Ende noch zurück.

Jetzt mögen Sie, sofern Sie nur das Auto interessiert, sagen: „Ist doch klar, was hier zu sehen ist, steht ja auf dem Kühler!“ Wo ist also das Besondere?

Nun, zwar ist der Name der Firma Pilain aus dem französischen Lyon und auch die typische Kühlergestaltung gut zu erkennen, aber dabei vergisst man, wie exklusiv die ab 1902 von Francois Pilain gebauten Wagen schon immer waren und erst recht heute sind.

Die Marke – nicht zu verwechseln mit Rolland-Pilain – hat trotz ihrer Existenz bis kurz nach dem 1. Weltkrieg nur wenige greifbare Spuren hinterlassen – speziell im Netz. Nach einer Weile der Recherche (etwa hier) weiß man immerhin, dass Pilain nach einer Phase des Experimentierens mit Zwei- und Vierzylindermotoren ab 1904 mit einer Palette an Vierzylinderwagen an den Start ging, die Hubräume von unter 2 bis über 8 Litern boten.

Wie damals üblich unterschieden sich die Wagen je nach Leistung in erster Linie der Größe des Chassis nach. Markentypisch war fast immer nur der Kühler und modellspezifische Elemente finden sich selten.

Im vorliegenden Fall liefert immerhin der Aufbau als Chaufffeur-Limosine einen Hinweis darauf, dass man die schwächeren Motorisierungen mit 15 bis 20 PS ausschließen darf, die eher für leichte Tourer geeignet waren.

Wer sich eine dermaßen teure Karosserie leisten konnte, hatte auch keinen Grund, am Hubraum zu sparen. Von daher ist bei dem Pilain auf dem heute vorgestellten Foto nach oben hin alles möglich.

Mindestens 30 bis 40 PS darf man hier annehmen und dann liegt man um 1910 bei den damals dominierenden Seitenventilern im Hubraumbereich von um die 4 Liter.

Genauer lässt sich das nicht sagen, und letztlich ist es auch egal, da wir es in jedem Fall mit einem sehr teuren Automobil der Oberklasse zu tun haben, was speziell im Fall von Pilain mit verschwindend niedrigen Stückzahlen einherging.

Was bringt mich angesichts der dünnen Überlieferung aber überhaupt dazu, den Pilain auf dieser Aufnahme auf die Zeit um 1910 zu datieren? Das ist einfach – denn die vorne abgerundete Gestaltung des hinter dem Motorraum aufragenden Benzintanks mit mittig erkennbarem Verschluss – findet man auf den wenigen Vergleichsfotos nur 1910/11.

Ein zwar leichterer, aber von der Gestaltung der Frontpartie sehr ähnlicher Pilain von 1911 findet sich im großartigen Automobilmuseum Mülhausen im Elsass (Foto hier).

Ab 1912 scheint man bei PiIain dann zu einem harmonischerem Übergang von der Motorhaube zur Frontscheibe übergegangen zu sein (Stichwort: Windlauf).

Das war auch schon alles, was ich zu dem Pilain auf dem heute vorgestellten Foto sagen kann und ich bezweilfe angesichts der enormen Exklusivität dieser Wagen, dass sich noch viel mehr in Erfahrung bringen lässt.

Kommen wir zum Schluss aber noch einmal zu dem jungen Mann zurück, der mit dem Pilain abgelichtet wurde und ernst, aber nicht unsympathisch wirkt:

Ob er nun der Fahrer des Wagens war oder zur Besitzerfamilie gehörte, sei dahingestellt.

Fest steht, dass er mit seiner auf den ersten Blick auf heutige Zeitgenossen steif wirkenden Kleidung gut auf eine Ausfahrt mit dem Wagen vorbereitet war, sofern er noch eine Jacke anlegte und eine Kopfbedeckung aufsetzte.

Man sieht hier gut, wieviel Bewegungsfreiheit diese Art Bekleidung bot. Durch die Hosenträger konnte der Hosenbund recht locker sitzen und es war kein Gürtel erforderlich. Das sehr weitgeschnittene Hemd bot ideale Bewegungsfreiheit und gleichzeitig eine wärmende Schicht.

Als langjähriger Krawattenträger kann ich außerdem bestätigen, dass bei Wahl der richtigen Kragenweite auch das oben geschlossene Hemd keinerlei Beeinträchtigung darstellt.

Man kann mit so einer Montur sogar stundenlang Fahrradfahren, wie ich zuletzt im September 2024 in Italien bei einer historischen Veranstaltung erproben durfte:

„La Francescana“ in Umbrien, September 2024; Foto: Ildebrando Cascelli

Aber das ist eine andere Geschichte, die ich bei Gelegenheit erzählen möchte – garniert mit Fotos, bei der Vorkriegsautos – wie heute – als wunderbare Nebensache daherkommen…

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Willkommener Gast im Gestern: Dürkopp P8 8/32 PS

Wer hat nicht Sehnsucht nach der heilen Welt von gestern? Darunter versteht gewiss ein jeder etwas anderes und ob in diesem Gestern wirklich alles heile war, darf bezweifelt werden.

Und doch hat man zumindest eine Vorstellung von der Welt, wie sie eigentlich sein sollte, wenn man die normalen Leute einfach ihr Leben leben ließe – ohne aggressive Ideologien, Feindbilder, Propaganda, Terror usw.

Natürlich verhielt es sich von einigen Phasen des Friedens, der Prosperität und kulturellen Blüte die meiste Zeit der Geschichte über anders. Die dem Menschen als Art wohl von Natur aus innewohnende Tendenz zur Verdrängung und Unterdrückung als Konkurrenz empfundener Mitgeschöpfe tritt immer wieder zutage.

Gleichwohl halten wir gerne fest an der Vorstellung, dass es doch zumindest Zeiten und Orte gibt, an denen sich wenigstens oberflächlich ein ungestörtes Idyll einstellt.

Ein Dokument, auf dem so ein Augenblick – näherungsweise – wiedergegeben ist, möchte ich heute vorstellen.

Ich verdanke es Leser Matthias Schmidt (Dresden) und es gefällt mir auch deshalb so gut, weil es wieder einmal ein Bespiel dafür ist, dass Vorkriegsautos keine industriellen Fremdkörper in einer Welt waren, deren Erscheinungsbild über Jahrhunderte ausschließlich vom individuellem Wirken zahlreicher Handwerke bestimmt wurde.

Hier haben wir die Aufnahme, die mich denken ließ, dass vor ziemlich genau 100 Jahren ein wohl nagelneues Automobil ein willkommener Gast in der Welt von gestern war:

Dürkopp Typ P8 8/32 PS; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Vor einem Fachwerkhaus im norddeutschen Stil haben sich mehrere Generationen einer Familie zum Fototermin versammelt – der Anlass scheint das Eintreffen eines Autos gewesen zu sein, das man soeben selbst erworben hatte oder von einem Verwandten vorgestellt wurde.

Dem Nummernschild nach zu urteilen, war der Wagen im Landkreis Helmstedt in der Nähe von Braunschweig zugelassen.

Dort finden sich heute noch viele solcher Fachwerkbauten in guter Erhaltung, gepflegt von ihren Besitzern und meist ohne die geschmacklosen Veränderungen ab den 1950er Jahren, die in meiner Heimatregion Wetterau soviel historische erhaltene Bausubstanz ruiniert haben.

Das kurze Kleid der etwas zerknirscht dreinschauenden jungen Dame im Vordergrund deutet auf eine Entstehung der Aufnahme um die Mitte der 1920er Jahre hin.

Dazu passt der hell lackierte Tourenwagen sehr gut, denn diese Art moderater Spitzkühler fand sich bei deutschen Autos bis etwa 1925.

Beiderseitig der Kühlerspitze ist ein stilisiertes „D“ zu erkennen – das Emblem der Bielefelder Traditionsmarke Dürkopp. Die Automobilproduktion der vor allem für ihre Fahrräder und Nähmaschinen bekannten Marke ist so gut wie nicht dokumentiert, dennoch finden sich genügend Prospekte, Reklamen und Fotos, aus denen man sich ein Bild machen kann.

Nach dem 1. Weltkrieg baute Dürkopp vor allem den Vierzylindertyp P 8/24 PS in größeren Stückzahlen – selten sind Fotos wie das nachfolgende daher keineswegs:

Dürkopp Typ P8 8/24 PS; Originalfoto aus Familienbesitz (Dr. Siegfried Roth, Rüsselsheim)

Allerdings wiesen die Exemplare der frühen 1920er Jahre offenbar noch anders gestaltete Luftschlitze in der Motorhaube auf – weniger und breitere als bei dem Exemplar auf dem Foto von Matthias Schmidt.

Auch das Fehlen von Vorderradbremsen ist ein Hinweis auf eine Entstehung vor 1925. Wann genau Vierradbremsen beim Dürkopp P 8/24 PS zumindest optional erhältich waren, ist mir nicht bekannt.

Die Einführung begann nach meiner Wahrnehmung bei den meisten deutschen Autoherstellern fließend ab 1924. Nach 1925 findet man so gut wie keine Wagen mehr ohne gebremste Vorderräder.

Allerdings ist dies bisweilen nicht klar zu erkennen, speziell wenn die vorderen Bremstrommeln kleiner waren als die hinteren – ier ein Beispiel aus meinem Dürkopp-Fundus:

Dürkopp Typ P8 8/32 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dennoch meine ich aufgrund der modernisierten Haubenpartie hier einen Dürkopp des leistungsgesteigerten Typs PA 8/30 PS ab 1925 zu sehen.

Dieser Wagen entspricht von der Farbgebung abgesehen vollkommen dem in Helmstedt zugelassenen Exemplar. Daher würde ich auch dieses als Dürkopp PA 8/32 PS ansprechen.

Beweisen kann ich das nicht, aber mangels Liteatur dürfte sich auch das Gegenteil schwer belegen lassen.

Letztlich ist es mir heute auch gar nicht so wichtig – Hauptsache, wir haben wieder einmal einen der gut aussehenden Tourer der Marke ans Tageslicht geholt, die heute völlig verschwunden zu sein scheinen.

Hier sind sie indessen willkommene Gäste aus der Welt von gestern.

Wer weiß, vielleicht findet sich ja dereinst doch noch jemand, der sich dieser Automobile in literarischer Form annimmt – Material zur Illustration ist ja genug vorhanden – etwa in meiner Dürkopp-Galerie.

Das muss für heute genügen – der anstehende Fund des Monats erfordert noch etwas Vorbereitung…

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Aktuelle Analyse aus Berlin: Chevrolet & Co anno 1928

Heute bekommen Sie zur Abwechslung nur harte Fakten präsentiert – naja, sagen wir fast. Um ein passendes Bild zur Stimmungslage kommen wir dennoch nicht herum.

Keine Sorge, auf aktuelles Geschehen in der Hauptstadt gehe ich mit keinem Wort ein. Dafür gibt es eine nüchterne Betrachtung der dortigen automobilen Verhältnisse im Jahr 1928.

Die Daten dazu sind gut abgelagert, kommen aber zeitgemäß aufbereitet daher. Die Chose hat mich einige Auseinandersetzung mit den Algorithmen von ChatGTP gekostet.

Grundlage für diese Alternativbeschäftigung zum Fernsehkonsum, dem ich mich seit gut 35 Jahren verweigere – ich habe keine Zeit für Zeitverschwendung – ist eine Aufstellung, welche die deutsche „Auto Revue“ Ende der 1920er Jahre veröffentlichte.

Dabei handelte es sich um eine Übersicht aller Ende Oktober 1928 im Großraum Berlin zugelassenen Automobile (vermutlich ohne Lkw, Busse und dergleichen). Berücksichtigt sind darin rund 33.000 damals in Groß-Berlin zugelassene Fahrzeuge, also auch ältere.

Die Auflistung umfasst knapp 90 Hersteller, außerdem 670 Exemplare der wieder aktuellen Gattung „Diverse“.

Klingt zunächst eindrucksvoll. Doch bei einer Einwohnerzahl von gut 4 Millionen im Raum Groß-Berlin anno 1928 kam gerade einmal ein Auto auf 130 Einwohner. Im übrigen Deutschland sah es noch düsterer aus, denn von Metropolen wie Hamburg, Köln, Dresden und München abgesehen waren PKW damals ein seltener Anblick.

Wie sehr das Automobil Ende der 20er in Deutschland noch ein Luxusgegenstand war, und wie hoch der Anteil ausländischer Fabrikate war, das vermittelt folgende Grafik, die ich besagter KI abgerungen habe:

Top 20-Hersteller im Großraum Ende Oktober 1928; Grafik aufbereitet mit ChatGTP

Ich hoffe, Sie wissen die von mir beabsichtigte „Vintage“-Optik der Darstellung ebenso zu würdigen wie die 3D-Wiedergabe mit den Landesfarben der jeweiligen Hersteller.

Ja, etwas stimmt nicht mit den Farben der drei höchsten Säulen und die französische Flagge ist verkehrtherum. Aber irgendwann ist Schluss mit der Optimiererei.

Trotz Erziehung zu preußischem Perfektionismus im Detail weiß ich auch den pragmatischen US-Grundsatz zu beherzigen: „Don’t get it right, just get it done.“

Ich bin jedenfalls zufrieden mit dem Ergebnis. Zu beachten ist, dass ich nur die 20 wichtigsten Hersteller aus besagter Statistik einbezogen habe. Das Bild ändert sich dadurch nicht wesentlich, aber die Anschaulichkeit ist gleichzeitig größer.

Die zentrale Botschaft ist die, dass rund ein Drittel der 1928 in Berlin zugelassenen Wagen ausländische Fabrikate waren. Da darin auch viele Fahrzeuge enthalten sind, die schon einige Jahre auf dem Buckel hatten, ist das natürlich kein exaktes Bild des aktuellen Käuferverhaltens.

Dennoch ist die Tendenz eindeutig: Mit Abstand größter Konkurrent waren damals US-Fabrikate, lediglich Fiat konnte daneben nennenswerte Marktanteile erringen.

Von den deutschen Herstellern waren nur Opel und Mercedes wirklich bedeutsam, der hohe Anteil von NAG & Co spiegelt lediglich die Aggregierung von drei Marken wider.

Adler und Brennabor spielten trotz ihrer großen Geschichte nur noch eine Nebenrolle, wobei die Adlerwerke sich in den 30ern noch einmal zu einem letzten großen Flug aufschwangen.

Achtbar war die Rolle von Horch, während sich die Nachfrage gutsituierter Berliner nach Luxuswagen ansonsten breit auf Exoten von Austro-Daimler, Cadillac, Delage, Gräf & Stift, Hispano-Suiza, Minerva und andere verteilte, die unter den Top-20 nicht auftauchen.

Auch 59 Bugattis sind in der Berliner Zulassungsstatistik von anno 1928 vermerkt. Doch so sehr diese Wagen eine Klasse für sich waren, schlägt mein Herz doch für Autos, die weit bodenständiger waren, aber heute zumindest in deutschen Landen noch seltener sind.

Ein Bugatti oder zumindest ein Wagen, der so aussieht, findet sich ja auf jeder besseren Klassikerveranstaltung hierzulande und ich freue mich ganz naiv darüber.

Aber, Hand auf’s Herz; wie selten ist dagegen heute in Deutschland ein schnöder Chevrolet aus dem Jahr 1928, als die heute aufbereitete Statistk entstand! Hier haben wir ein typisches Exemplar mit Berliner Zulassung – einer von 1.514 Chevies, die damals dort fuhren:

Chevrolet Modelljahr 1928 mit Berliner Zulassung; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Interpretation dieser Szene und die Charakterstudie ihrer Protagonisten überlasse ich diesmal begabten Lesern – ich bin nach dem heutigen Ringen mit ChatGPT noch ganz im Zahlenrausch.

Was meinen Sie, wieviele dieser Wagen Chevrolet allein im Jahr 1928, das wir heute betrachtet haben, herstellte?

50.000? 150.000? 500.000? – Weit gefehlt. Knapp 1,2 Millionen Exemplare waren es – in einem Jahr, wohlgemerkt. Hauptkonkurrent Ford, der damals mit der Umstellung auf das neue Model A beschäftigt war, brachte es anno 1928 auf „nur“ rund 630.000 Stück.

Aber das waren ja bloß „Massenfabrikate“ – so die hilflosen Sprüche der deutschen Hersteller, die irgendetwas von unübertroffener Werkmannsarbeit erzählten, während der heimische Arbeiter ein bitterarmer Schlucker blieb, für den schon ein Fahrrad ein Luxus war.

Soviel zur aktuellen Analyse aus dem Berlin der späten 1920er. Irgendwann muss man auch einmal fertigwerden, denn es gibt noch so vieles anderes zu tun.

Wie sang schon vor 50 Jahren die italienische Diva „Mina“? „L’importante e finire“ – „Es kommt darauf, zum Ende zu kommen“, was auch immer damit gemeint sei….

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Understatement aus den USA: Marmon „Little 8“, 1927

In den Vereinigten Staaten ist bekanntlich alles größer – das bekommen wir in unseren Tagen mal wieder eindrucksvoll auf politischer wie wirtschaftlicher Ebene vorgeführt. Zwecklos, daran die kleinmütigen Maßstäbe des alte(rnde)n Europas anzulegen – jenseits das Atlantiks gingen die Uhren schon immer anders – und oft genug so schnell, dass man kaum mitkam.

Die stürmische Entwicklung des Automobils für jedermann in der Hälfte des 20. Jahrhunderts ist immer wieder ein eindrückliches Beispiel dafür. Das gilt keineswegs nur für die Leistung von Henry Ford, der das erste wirklich universell erschwingliche Auto baute.

Nachdem er das zuwegegebracht hatte und mit seinem Werk zufrieden war, übernahmen andere Hersteller den Staffelstab und sorgten in scharfem Wettbewerb und mit praktisch unbegrenztem Kapital dafür, dass der Fortschritt unaufhörlich weiterging.

Ein weniger bekanntes Kapitel will ich heute anhand des „kleinen“ Marmon von 1927 beleuchten. Die Marke erlangte nie die Bedeutung wie die marktbeherrschenden US-Hersteller, wurde doch der Autobau die ersten 20 Jahre eher nebenher betrieben.

Initator war Howard C. Marmon, der nach seinem Ingenieurstudium an der Universität Berkely zunächst in der Firma der Familie (Nordyke & Marmon) arbeitete, die auf industrielle Mühlen spezialisiert war. Anno 1902 konstruierte er sein erstes Auto, da war er 23. In dem Alter schreibt heute noch mancher an irgendeiner Bachelor-Arbeit in einem Orchideenfach.

Marmon experimentierte anfänglich mit luftgekühlten Zwei- und Vierzylindermotoren, außerdem entwickelte er 1904 als einer der ersten eine Frühform der unabhängigen Vorderradaufhängung.

Ab 1908 ging Marmon zu wassergekühlten Motoren über. Einen ersten Achtungserfolg erzielte er 1911 beim Indianapolis-Rennen. Bemerkenswert war dann sein 1916 erschienener 6-Zylinderwagen mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen. Aluminium-Motorblock und Alukarosserie. Dieses Modell 48 wurde bis 1928 ständig weiterentwickelt.

Damit sind wir ziemlich genau in der Zeit angelangt, in der diese Aufnahme entstand:

Marmon „Little 8“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Es nahm einige Zeit in Anspruch, um herauszubekommen, das diese Limousine mit 1928er US-Kennzeichen ein Wagen der Marke Marmon war. Man sieht so etwas auch bei intensiver Beschäftigung mit amerikanischen Modellen der 1920er Jahre nur ganz selten.

1926 war die Autoproduktion mit ihrer für US-Verhältnissen viel zu kleinen Produktion in ein eigenes Unternehmen überführt worden, die Marmon Motors Company, in dem Howard Marmon technischer Leiter blieb.

Um die Stückzahlen zu steigern, beschloss man neben den sehr aufwendig gefertigten und entsprechend teuren Modellen einen „kleinen“ Achtyzlindertyp anzubieten.

Genau solch einen „Little 8“ der Marke Marmon haben wir vor uns – ein Understatement nur nach US-Maßstäben natürlich.

Denn der „kleine“ Marmon war mit gut 3,30 Meter Radstand und über 60 PS starkem 8-Zylindermotor (3,2 Liter Hubraum) immer noch ein beeindruckendes Automobil. Für rund 1800 Dollar bekam man den damals wohl preisgünstigsten Antrieb dieser Art in einem US-Wagen.

Das war freilich vor allem eine Prestigesache für Leute, denen das wichtig war. Denn von Größe und Leistung vergleichbar war der Marmon „Little 8“ mit dem verbreiteten Buick „Master Six“ von 1927, bloß dass der einige hundert Dollar billiger war.

So blieb der ansehnliche „Little 8“ von Marmon, der sich übrigens gut anhand der anderen Verteilung der Luftschlitze auf der Haubenseite vom großen Modell 75 mit über 80 PS leistenden 6-Zylindermotor unterscheiden lässt, eher eine Randerscheinung.

Allerdings werden wir gelegentlich einem neuerlichen Versuch dieser Nischenmarke begegnen, Achtyzlinderwagen wirklich volkstümlich zu machen. Das passende Foto ist in Europa entstanden, wo die amerikanischen Hersteller damals vor allem Erfolg mit relativ kleinvolumigen Modellen Erfolg hatten – die engstirnige Hubraumsteuer lässt grüßen…

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Klassischer Typ mit Charme: Brennabor Z 6/25 PS

Am Begriff der Klassik kommt man bei der Beschäftigung mit Vorkriegsautos auf alten Fotos nicht vorbei – dabei ist er gar nicht so einfach zu fassen. Seine Wurzeln findet er in der europäischen Tradition in der Abgrenzung der Skulptur der griechischen Klassik.

Dieses ästhetische Phänomen konzentrierte sich auf das 5. Jh. vor Christus und ist von einem als ideal empfundenen Gleichgewicht aus Stilisierung und Realismus geprägt. Da die Klassik zwischen der noch zur Abstraktion neigenden Archaik und des extrem naturnahen Hellenismus liegt, kann man sie auch als goldene Mitte verstehen.

Von allem nicht zuviel und nicht zu wenig – nicht zu abweisend, nicht zu gefällig – man möchte nichts wegnehmen und nichts hinzufügen – alles ist genau auf den Punkt, sodass man sagen möchte: Genau so soll es sein.

Wir haben im Deutschen noch einen anderen Begriff dafür: mustergültig. Dieses Urteil fällt man bei einer klassischen Villa wie bei einer klassischen Gartenanlage, bei einer klassischen Schönheit wie bei einem klassischen Automobil.

Man weiß, ob etwas das Attribut klassisch verdient, wenn man es sieht, so schwer es im Einzelfall fällt zu sagen, was genau diese Wirkung ausmacht. Zugleich wohnt dem Klassischen eine gewisse Kühle inne, die einen auf respektvollem Abstand hält.

Die Skupturen der griechischen Klassik sind atemberaubende Schöpfungen, die einem Ehrfurcht vor dieser Kunst einflößen, doch man würde sie bei aller Menschennähe nicht als charmant bezeichnen. Die antiken Bronzefiguren von Riace sind ein „klassisches“ Beispiel.

Bei Vorkriegsautos begegnet man dem Phänomen ebenfalls immer wieder. Spezielle Formen, die sich in einem bestimmten Idealtypus manifestiert haben, werden als klassisch ansgesprochen – etwa die in den USA entstandene Gestaltungslogik der späten 1920er Jahre.

Die angesehene deutsche Traditionsmarke Brennabor brachte nach dem merkwürdig unfertig wirkenden Typ R 6/25 PS anno 1928 einen technisch praktisch identischen Nachfolger heraus, der aber optisch an internationale Standards anknüpfte:

Brennabor Typ Z 6/25 PS, Bauzeit: 1928-29; aus: Die Motorfahrzeuge, von P. Wolfram, 1928

Die strengen klassischen Formen dieses Modells wurden hier mit einem Zierelement etwas aufgelockert – der funktionslosen „Sturmstange“ am hinteren Dachaufbau. Damit bekam die Limousine die Anmutung eines Cabriolets oder zumindest einer Cabrio-Limousine.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass der Brennabor Z 6/25 PS mit seiner klassischen Erscheinung durchaus mehr Leben vertragen kann als auf dieser arg sachlichen Aufnnahme.

Nicht ist leichter als das – es bedarf nur des menschlichen Elements und einer anderen Perspektive – schon beginnt die Klassik ihre Strenge zu verlieren:

Brennabor Typ Z 6/25 PS, Baujahr: 1928/29; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Langjährige Leser meines Blogs erinnern sich vielleicht an diese ungewöhnliche Aufnahme, auf der das Automobil wie ein nach langer Abwesenheit heimgekommenes Familienmitglied inszeniert ist.

Solche Situationen sind es, die historische Automobile von einer rein technischen Erscheinung zum Bestandteil des Daseins der Menschen werden lassen, die dem Wagen einst vielleicht ihre materielle Existenz oder die vergnüglichen Seiten des Lebens verdankten.

Ein Beispiel für den letztgenannten Fall ist die folgende Aufnahme – ebenfalls ein alter Bekannter, u.a. wenn Sie die 2019er Neuausgabe von Werner Oswalds Klassiker „Deutsche Autos 1920-45“ besitzen.

Brennabor Typ Z 6/25 PS, Baujahr: 1928/29; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sind übrigens glücklich vereint zu sehen die beiden „klassischen“ Typen, welche Brennabor in einer Reklame für das Model Z 6/25 PS ansprach – den „Herrenfahrer“ und die „Dame von Welt“.

Ihnen wird mit den üblichen Übertreibungen – merke: Werbung ist keine wissenschaftlich exakte Wiedergabe der Wirklichkeit – der Brennabor des 1928/29 leistungsmäßig nicht mehr auf der Höhe der Zeit befindliche, aber immerhin klassisch gestaltete Typ Z 6/25 PS empfohlen:

Reklame für den Brennabor Typ Z 6/25 PS, 1928/29; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Ein „Meisterwerk moderner Automobiltechnik“ war der Brennabor Z 6/25 PS gewiss nicht. Aber wer in der Hinsicht nicht anspruchsvoll war und mit Spitzentempo 70 leben konnte, fand hier einen echten Klassiker vom Erscheinungsbild.

Dass man für das gleiche Geld in Deutschland einen Chevrolet mit 30 PS und modernem kopfgesteuertem Motor bekam oder für rund 200 Mark mehr ein Ford Model A mit 40 PS – das unterstreicht, in welchem Wettbewerbsumfeld sich Brennabor damals mit diesem optisch ansprechenden Wagen bewegte.

Ob man in nur zwei Jahren wirklich 10.000 Exemplare davon absetzte – dieselbe auffallend glatte Zahl wird auch für die Brennabor A-Typen und das Modell „Ideal“ angegeben – daran seien leise Zweifel geäußert.

Denn Fotos des Typs Z 6/25 PS tauchen nach meiner langjährigen Erfahrung nur selten auf, was sich von anderen Wagen dieser Klasse von Ende der 1920er Jahre nicht sagen lässt.

Aber das soll heute keine Rolle spielen, denn mir ist nach längerer Pause wieder ein Fund in der Hinsicht gelungen. Er vereint auf schöne Weise klassische Erscheinung mit dem nötigen Charme, der für mich zu einem guten Autofoto gehört:

Brennabor Typ Z 6/25 PS, Baujahr: 1928/29; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die junge Dame mit der hellen Bluse und der Krawatte am Steuer passt auch zum Typ „Frau von Welt“, von dem die Brennabor-Reklame fabulierte.

Sie weiß, dass man in der Arbeitswelt nicht mit eng geschnittenen Kleidern, kurzen Röcken oder bunten Tüchern brilliert, sondern mit dem klassisch-strengen Auftritt, der nicht vom Gesicht ablenkt. Nur darauf an kommt es im Job, im Büro oder auf internationalem Parkett.

Leider wird dieser strenge und für mich auf eigene Weise aufregende Stil hierzulande nicht mehr verstanden. Deutschen Damen, die in der Öffentlichkeit stehen, geht – mit wenigen Ausnahmen – das Bewusstsein für das angemessene professionelle Erscheinungsbild ab, das in den USA, Frankreich oder Italien noch gängig ist.

So finde zumindest ich am Ende auf dieser Aufnahme Klassike und Charme ideal vereint – nebenbei eine Erinnerung daran, dass auch heute ein historisches Automobil verdient, von angemessen gewandeten Zeitgenossen begleitet zu werden.

Gelegenheit zum Üben gibt es Anfang August 2025 bei der Neuauflage der Classic Days auf dem Gelände des Ritterguts Birkhof unweit des von vielen vermissten Schloss Dyck in der Nähe von Düsseldorf. Ich bin auf jeden Fall vor Ort und werde berichten…

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