In Krieg und Frieden: Presto Typ P8 8/25 PS

Wenn man sich schwerpunktmäßig mit deutschen Autos aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts befasst – und das auch noch anhand zeitgenössischer Originalfotos –  kommt man an deren militärischem Einsatz nicht vorbei.

Von der Jahrhundertwende bis 1945 herrschte in Europa über ein Viertel der Zeit Krieg. Dabei sind nicht nur die beiden Weltkriege eingerechnet, sondern auch die Einsätze deutscher Freikorps von 1918 bis 1921 bei gewalttätigen Auseinandersetzungen im Baltikum und in Schlesien.

In diesen Zeiten musste sich das Automobil, das hierzulande zuvor vielfach noch als Spielzeug Reicher angesehen worden war, erstmals im Alltag bewähren – oft unter Bedingungen, für die es kaum ausgelegt war.

Aus automobilhistorischer Sicht ist der Einsatz von Autos im 1. Weltkrieg besonders interessant. Fotos dieser noch raren Vehikel besaßen großen Aufmerksamkeitswert und fanden entsprechende Verbreitung in Zeitungen und Magazinen:

unbek_Wk1_Galerie

Abbildung aus einer Zeitschrift (1914-18) aus Sammlung Michael Schlenger

Während originale Autofotos aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg eine Rarität darstellen, ist das Angebot von Bildern aus dem Militäreinsatz um ein Vielfaches größer.

Dazu trug auch bei, dass die etablierten Hersteller nach Kriegsausbruch 1914 zivile Modelle in großer Zahl für militärische Zwecke weiterbauten.

So begegnen einem auf vielen Kriegsfotos jener Zeit Wagen von Benz, Horch, NSU und Stoewer, die als Stabsfahrzeuge eingesetzt wurden.

Daneben waren leichte und wendige Typen wie der Adler KL-Typ oder der Wanderer 5/12 PS als Aufklärungs- und Verbindungswagen verbreitet.

Auch zuvor noch nicht etablierte Marken wie Presto aus Chemnitz lieferten in steigendem Umfang Personenwagen an das Militär:

Presto_P8_8-25PS_Wk1_Galerie

Presto Typ P8 8/25 PS, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Von Presto haben wir hier bisher nur den häufig gebauten Nachkriegstyp D 9/30 PS in einigen Exemplaren vorgestellt. Nun können wir erstmals ein Modell aus der Zeit vor Ausbruch des 1. Weltkriegs studieren.

Presto hatte – wie zahlreiche Hersteller – mit der Produktion von Fahrrädern begonnen. Über die Fertigung von Motorrädern kam man dann ab 1907 zum Automobilbau.

Kurzzeitig produzierte man in Lizenz einen Wagen der französischen Firma Delahaye, versuchte sich aber schon ab 1908 an eigenen Konstruktionen. Eine Serienfertigung lief bei Presto aber erst 1910 an.

Der Wagen auf unserem Foto ist ein Modell der 2. Generation, der Typ P8 8/25 PS, der ab 1913 produziert wurde. Dass unser Wagen ein Presto ist, verrät der folgende Bildausschnitt:

Presto_P8_8-25PS_Wk1_Frontpartie

Auf dem Kühleremblem kann man den in weiß gehaltenen, leicht geschwungenen „PRESTO“-Schriftzug ahnen. Dazu passt der oben ovale, unten abgeflachte Kühlerausschnitt.

Markant ist auch die scharfe Abwärtsbiegung der Rahmenausleger. Alle diese Details finden sich auf einer Aufnahme eines Presto Typ P 8/25 PS in Halwarts Schraders Standardwerk „Deutsche Autos 1885-1920“ (1. Auflage, 2002) auf Seite 317 wieder.

Dort lassen sich auch dieselben Scheinwerferhalterungen erkennen, wenn auch die Form der Lampen abweicht. Dies will aber nichts bedeuten, da die Scheinwerferausstattung damals stark variierte.

Zur Technik des Presto Typ P8 8/25 PS: Der Vierzylindermotor mit 2,1 Liter Hubraum erreichte seine Höchstleistung schon bei 2.000 U/min. Er war mit einem noch unsynchronisierten 4-Gang-Getriebe verbunden.

Gebremst wurde über eine Kombination aus Getriebe- und Hinterradbremse. Vorne gebremste Räder kamen erst nach dem 1. Weltkrieg allmählich auf.

Die beiden Herren, die mit diesem bis zu 75 km/h schnellen Tourenwagen unterwegs waren, gehörten ausweislich des Wappens auf der Seitentür zur königlich-bayrischen Armee:

Presto_P8_8-25PS_Wk1_Seitenpartie

Sonst wissen wir nichts über die beiden Männer, die uns über einen Abstand von über 100 Jahren ins Auge schauen.

Möglich, dass der Schnauzbartträger mit der hohen Schirmmütze ein Offizier war. Der junge Fahrer neben ihm war wohl ein einfacher Wehrpflichtiger.

In seiner Funktion hatte er immerhin deutlich bessere Überlebenschancen als die meisten übrigen Männer seiner Generation.

Die Erinnerung an den 1. Weltkrieg ist hierzulande längst verblasst – doch auf den oft gestochen scharfen Fotos aus jener Zeit sind zumindest Momente daraus fixiert.

Diese alten Aufnahmen transportieren einen förmlich in die Vergangenheit zurück – so wie noch existierende Autos von damals ebenfalls eindrucksvolle Zeitzeugen sind.

Genug von Krieg und Verderben, kommen wir nun zum friedlichen Fortleben des Presto P8 8/25 PS nach der Katastrophe des 1. Weltkriegs:

Presto_P8_8-25_PS_um_1920_Galerie

Presto P8 8/25 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Foto kommt einer perfekten Inszenierung sehr nahe:

Vor einer majestätischen Berglandschaft, die sich in einem ruhig daliegenden See spiegelt, steht ideal platziert ein Presto 8/25 PS Tourenwagen mitsamt gutgelaunter und lässig posierender Besatzung.

Man fragt sich, ob das nur ein Schnappschuss eines Fotografen mit einem guten Auge und Instinkt für den richtigen Moment war.

Alle Beteiligten scheinen miteinander im Dialog zu stehen, keiner blickt in die Kamera und sie sind überdies harmonisch an und im Wagen verteilt – das macht es schwer, an einen bloßen Zufall zu glauben.

Presto_P8_8-25_PS_um_1920_Ausschnitt

Auf diesem Ausschnitt erkennt man auch klarer das Presto-Emblem und die typische Kühlerform. Die nach unten abknickenden Rahmenausleger sind ebenfalls zu sehen.

Tatsächlich wurde der Presto P8 8/25 PS nach dem 1. Weltkrieg noch bis 1919 kaum verändert weitergebaut. Er erhielt auch keinen modischen Spitzkühler, wie das bei Vorkriegsmodellen anderer deutscher Hersteller oft der Fall war.

So lässt sich nicht genau sagen, ob dieser Presto vor oder erst kurz nach dem 1. Weltkrieg entstand. Letzlich ist das auch unwichtig.

Stattdessen erfreuen wir uns noch einmal an dem herrlichen Panorama, das sich dem Fotografen unseres Bildes irgendwann Anfang der 1920er Jahre bot:

Presto_P8_8-25_PS_um_1920_Panorama

Hier wehen uns die Schönheit und das Leben einer untergegangenen Welt an wie auf einem alten Gemälde…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Fiat 509 macht „bella figura“ auch bei feinen Leuten

Den meisten Oldtimerfreunden hierzulande fällt bei Vorkriegsautos von Fiat allenfalls der „Topolino“ ein – der kleine Fiat 500 also, der nach dem Krieg als „Cinquecento“ ganz groß herauskam.

Betrachtet man die Fülle der erhaltenen Fotos von Fiats aus der Vorkriegszeit, ergibt sich jedoch ein weit vielfältigeres Bild.

Neben dem Mittelklassemodell 508 mit 1 bzw. 1,1 Liter Hubraum, das auch in Deutschland im alten NSU-Werk in Heilbronn gebaut wurde (Beispiel), taucht auf alten Abzügen immer wieder der Fiat 509 auf.

Kurioserweise wurde der 509 vor dem 508 gebaut – und zwar in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre. Gemeinsam hatten die beiden Modelle außer dem Hubraum von knapp 1 Liter nicht viel – außer dass sie in großen Stückzahlen gebaut wurden.

Der 1925 vorgestellte Fiat 509 leistete zwar auch nur rund 20 PS. Sein obengesteuerter Motor gehörte aber zum Feinsten, was es seinerzeit in dieser Klasse zu kaufen gab. Auf dieser Basis entstanden einige heiße Sportversionen.

Doch auch die zahme Basisversion, die bis 1929 in über 90.000 Exemplare gebaut wurde – kein deutscher Hersteller außer Opel bekam damals solche Stückzahlen eines Typs hin – scheint durchaus gesellschaftsfähig gewesen zu sein:

fiat_509_kz_milano_galerie

Fiat 509, Bauzeit: 1925-29, Zulassung Mailand

Hier posiert ein schick gekleidetes Pärchen aus Mailand neben seinem Fiat 509 Zweisitzer. Wie der spätere Volkswagen und der Cinquecento war Fiats Volumenmodell schon in den 1920er Jahren klassenlos.

Das mag auch an der knackigen Linienführung gelegen haben, die auf vielen historischen Fotos nicht so recht zur Geltung kommt, weil dort die Wagen meist von der Seite wiedergegeben werden.

Wie markant der kleine Fiat 509 tatsächlich daherkam, vermittelt die folgende außergewöhnliche Aufnahme, zufälligerweise wieder mit feinen Leuten aus Milano:

fiat_509_limousine_ausschnitt1

Fiat 509, Bauzeit: 1925-29, Zulassung Mailand

Wir schauen uns den Wagen gleich näher an. Die Situation als solche verdient aber ebenso gewürdigt zu werden.

Hier hatte jemand nicht nur einen geschulten  – man möchte sagen: malerischen – Blick für gekonnten Bildaufbau. Wer auch immer dieses Foto vor rund 90 Jahren schoss, besaß offenbar auch eine ausgezeichnete Kamera.

Obiges Bild ist bloß ein Ausschnitt des originalen Abzugs, der wiederum bloß ein umgekehrtes Abbild des längst verschollenen Negativs ist.

Welche feinen Details und Tonwertabstufungen mit der damaligen Technik möglich waren, wenn jemand richtig fokussierte und belichtete, beindruckt bis heute.

Gehen wir noch näher heran. Was auf dem Abzug auf wenigen Quadratzentimetern scharf und plastisch erhalten geblieben ist, das ist ganz wunderbar!

Fiat_509_Limousine_Ausschnitt2.jpg

Hier haben wir endlich einmal ein Foto, das den Fiat 509 genau von vorne zeigt – in diesem Fall außerdem mit dem eher seltenen Limousinenaufbau. 

Sehr schön lässt sich der klassische Kühleraufbau studieren, dessen Silhouette sich in der Motorhaube bis an die Schottwand fortsetzt.

Das Kennzeichen, nicht nur dieses Wagens, sondern auch der beiden anderen im Hintergrund, verweist auf Mailand (italienisch „Milano“). Wir können daher davon ausgehen, dass diese schöne Aufnahme einst im Umland der Hauptstadt der Lombardei entstand. Erkennt jemand die markante Kirche im Hintergrund?

Das fein gekleidete Paar neben dem Fiat macht einen gutsituierten Eindruck und scheint es gewohnt zu sein, für Fotografien zu posieren. Diese Leute hatten Stilbewusstsein und gehörten der aufstrebenden Mittelschicht an.

Mit einem Fiat 509 war man damals im bitterarmen Italien privilegiert. Es sollte noch eine Generation dauern, bis kleine Fiats den letzten Winkel jedes Dörfchens Italiens erobert hatten.

In den 1920er Jahren dagegen ließ sich mit dem Typ 509 auf dem Lande „bella figura“ machen. Das würde vermutlich auch heute gelingen.

Denn während die „Cinquecentos“ der Nachkriegszeit im ländlichen Italien bis heute im Alltag präsent sind, stellen ihre Vorgänger aus den 1920er Jahren eine Rarität dar.

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

2 Freunde und ihr Campingwagen: Plymouth von 1938

Eigentlich dreht sich auf diesem Oldtimerblog alles um Vorkriegs-PKW, Nutzfahrzeuge sind also kein Thema. Doch mitunter fällt es schwer, die Grenze eindeutig zu bestimmen.

Es gab einfach zuviele interessante Wagen auf PKW-Basis: Lieferwagen, Pritschenwagen, Mannschaftswagen für die Polizei, Kübelwagen für’s Militär. Selbst leichte LKW wurden bis in die 1920er Jahre auf PKW-Chassis gefertigt.

Von diesen Zwittern bringen wir hier ab und zu ausgesuchte Exemplare. Der Fotofundus des Verfassers ist diesbezüglich noch für einige Überraschungen gut…

Speziell nach dem 2. Weltkrieg begann für übriggbeliebene PKW oft ein erstaunliches neues Dasein. Heute haben wir ein besonderes Beispiel dafür – einen Campingwagen!

plymouth_1938_nachkrieg_galerie

Plymouth P6 von 1938, Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick sieht dieses Mobil noch einigermaßen „zivil“ aus. Doch zeugt das Fahrzeug auf dem Foto von einer abenteuerlichen Geschichte.

Dazu muss man sagen, dass der Verfasser ein Faible für „nicht originale“ Automobile hat. Wagen also, die im Lauf eines langen Lebens erhebliche Veränderungen erfahren haben, die von zeitgeschichtlichen Umbrüchen erzählen.

Das Ergebnis ist historisch, denn es ist Zeuge von Ereignissen, die wir sonst nur aus Geschichtsbüchern und Erzählungen alter Leute kennen.

Einem unrestaurierten Fahrzeug gegenüberzustehen, in dessen Erscheinungsbild ein geschichtlicher Moment vor langer Zeit eingefroren ist, hat etwas Ergreifendes.

So etwas macht man nicht „auf neu“ (das scheitert ja oft schon an den Materialien und Techniken), sondern erhält es möglichst für die Nachwelt.

Was sollte man auch mit einem Wagen machen, der wie dieser hier offenbar einen Gutteil seiner Frontpartie eingebüßt hat?

plymouth_1938_nachkrieg_ausschnitt1

Wir können nur vermuten, was dieser Wagen durchgemacht haben muss – jedenfalls wissen wir, dass er so nicht 1938 vom Band gelaufen ist.

Das Auto mit dem ungeschickt gestalteten „Waterfall“-Grill ist nämlich ein Plymouth des Modelljahrs 1938. Typisch für die Wagen der Marke jener Zeit waren auch die von einer kräftigen Sicke umgebenen waagerechten Luftschlitze in der Motorhaube.

Im Neuzustand hätten die Vorderschutzbleche bis auf die Stoßstange heruntergereicht, die hier ebenfalls nicht original ist. Allenfalls die skurril geformten Hörner könnten noch zur Ursprungsaustattung gehören.

Eine Schönheit war dieses Gefährt auch im Neuzustand nicht, weshalb es für amerikanische Verhältnisse nicht oft gebaut wurde. Umso interessanter ist es, einen solchen Exoten im Deutschland der frühen Nachkriegszeit anzutreffen.

Diese Erkenntnis verdanken wir dem Besatzungskennzeichen mit den Buchstaben „B“ und „R“, die für Britische Zone Rheinland standen.

Nun die Preisfrage: Wie kommen um 1950 zwei junge Burschen mit keinem Gramm Speck auf den Rippen an einen US-Sechszylinder mit 3 Liter Hubraum und 80 PS? 

Und wie haben Sie dieses durstige Dickschiff im Alltag bewegt? Die Hubraumsteuer hatte ja den Krieg überlebt und ist bekanntlich bis heute nicht totzubekommen.

Die Antwort auf diese Fragen verbirgt sich möglicherweise auf diesem Bildausschnitt:

plymouth_1938_nachkrieg_ausschnitt2

Hier fallen zum einen die Reifen mit dem Stollenprofil an der Hinterachse auf. So etwas war seinerzeit nur an Militärfahrzeugen zu finden. Zum anderen deutet die nicht originale Dachreeling auf eine Nutzung mit zusätzlichem Gepäck hin.

Dies zusammen mit der amerikanischen Herkunft des Wagens legt folgendes nahe: Es handelt sich um ein Beutefahrzeug, das der deutschen Wehrmacht im Verlauf des 2. Weltkriegs in die Hände fiel. Gelegenheit dazu gab es jedenfalls reichlich.

Dabei war der Plymouth möglicherweise gar kein auf englischer oder amerikanischer Seite eingesetztes Militärfahrzeug. Denn: Die Modelle von Plymouth wurden – wie die Wagen der Schwesterfirma Chrysler – vor dem Krieg auch in Europa gefertigt.

Wie auch immer: Wahrscheinlich haben wir es mit einem Beutewagen einer Wehrmachtseinheit zu tun, der 1945 im Rheinland mit leerem Tank zurückgeblieben war und später auf unerfindliche Weise einen oder zwei neue Besitzer fand.

plymouth_1938_nachkrieg_ausschnitt3

Die Beiden, die hier auf dem Plymouth herumturnen – machen Sie das mal auf einem „originalgetreu restaurierten“ Fahrzeug – haben den geräumigen Wagen offenbar als Reisemobil genutzt und es sich mit anderen Altautobesitzern auf einem – vermutlich wilden – Campingplatz gemütlich gemacht.

Die Zelte sehen den „Dackelgaragen“ noch ziemlich ähnlich, in denen deutsche Soldaten einige Jahre zuvor im vermeintlichen Dienst des Vaterlands von Finnland bis zum Schwarzen Meer übernachten durften…

Diese Zeiten jedenfalls hatten die beiden Freunde überlebt.

Was es danach bedeutete, mit einem solchen im Krieg heruntergerittenen Reisemobil auf eigene Faust unterwegs zu sein und friedlich irgendwo im Grünen zu nächtigen – das können wir uns nicht annähernd vorstellen.

Die Spritrechnung wird den beiden jedenfalls herzlich egal gewesen sein…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Hudson „Six“: Sensation vor’m Grand Hotel

Unter Freunden von US-Vorkriegswagen genießt die einstige Marke Hudson durchaus einen soliden Ruf – an Luxus wird man dabei aber eher nicht denken.

In der amerikanischen Hersteller-Hierarchie rangierten die Modelle der 1909 gegründeten Marke oberhalb von Ford und Chevrolet – zumindest nach dem 1. Weltkrieg.

Ursprünglich hatte man gezielt preisgünstige Autos gefertigt. In den 1920er Jahren rückten die Hudsons dann nach oben, weshalb man daneben die Marke Essex schuf, die eine Weile sehr erfolgreich Einsteigermodelle wie dieses hier baute:

essex_1928_galerie

Essex von 1928

Hudsons wurden meist mit großen 6-Zylindermotoren ausgestattet, die den für hubraumstarke Vorkriegswagen typischen „bulligen“ Drehmomentverlauf aufwiesen, der schaltfaules Fahren begünstigt.

Ab 1927 leistete der 4,7 Liter messende Hudson „Super Six“ rund 90 PS, die bei etwas mehr als 3.000 Umdrehungen anfielen. Eine entsprechend souveräne Leistungsentfaltung boten in Europa sonst nur Wagen der Luxusklasse.

Und damit wären wir beim enormen Ansehen, das selbst US-Wagen der mittleren Kategorie am europäischen Markt genossen. Das galt auch für Deutschland, aber noch mehr für Länder ohne eigene Autoindustrie wie die Balkanstaaten.

Und genau dorthin führt uns das folgende Originalfoto der frühen 1930er Jahre:

hudson_super_six_1928_bitola_grand-hotel_mazedonien_1933_galerie

Hudson „Super Six“ von 1928

Der eindrucksvolle Wagen ist hier vor dem Grand Hotel in der Stadt Bitola abgestellt, die damals zu Serbien gehörte und heute Teil Mazedoniens ist.

Wie bei vielen US-Automobilen der 1920er Jahre lassen sich Hersteller und Typ erst bei näherem Hinschauen anhand kleiner markentypischer Elemente erkennen.

hudson_super_six_1928_bitola_grand-hotel_mazedonien_1933_frontpartie

Hier sind die dreieckigen Embleme auf Kühlermaske und Nabendeckel die untrüglichen Hinweise auf Hudson als Hersteller.

Die Detailgestaltung des Kühlergrills und die Scheinwerferhalter finden sich so beim Modell „Super Six“ des Baujahrs 1928 wieder.

Nicht serienmäßig ist die überbreite Stoßstange, an der vermutlich das Originalteil befestigt ist. Offenbar hatte der Besitzer einschlägige Erfahrung mit schlechten Wegen gemacht, in die Äste und Gestrüpp hineinwuchsen…

Der stark gebrauchte Zustand der Vorderschutzbleche passt ebenso gut zu intensivem Einsatz auf unerschlossenem Land wie die fast profillosen Reifen.

Geht man davon aus, dass die Zahl 1933 auf dem Nummernschild für das Jahr steht, in dem der Wagen zugelassen war oder für das Steuern entrichtet worden waren, hatte er erst fünf Jahre auf dem Buckel, die aber auf dem Balkan wohl doppelt zählten.

Als der Hudson einst vor dem Grand Hotel in Bitola parkte, muss er trotz des Zustands eine Sensation dargestellt haben – so einen Wagen gab es gewiss nicht alle Tage im Zentrum der altehrwürdigen Stadt zu sehen.

Entsprechend groß ist die Menschenmenge, die sich dort eingefunden hat:

hudson_super_six_1928_bitola_grand-hotel_mazedonien_1933_umstehende

Was nun genau der Anlass dieses außergewöhnlichen Fotos war, werden wir wohl nicht mehr erfahren. Gegen eine Aufnahme anlässlich einer Familienfeier spricht, dass alle abgebildeten Personen gehobene Straßenkleidung tragen.

Denkbar ist, dass es sich um eine Aufnahme anlässlich der Durchfahrt eines Fernreisenden handelte, dessen Ankunft für Aufsehen in der Stadt sorgte.

Ansonsten beschränkten sich die Verbindungen des nahe der Grenze zu Griechenland liegenden Orts mit der großen weiten Welt vermutlich eher auf Nachrichten in der Zeitung oder den einen oder anderen Kinofilm.

Heute sieht es in der Altstadt von Bitola noch ganz ähnlich aus – nur die Automobile und das Erscheinungsbild der Passanten sind heute keine Aufnahme mehr wert – wie leider fast überall in Europa – umso reizvoller sind Fotos wie dieses…

Winterausflug im offenen 6-Zylinder „Porsche“…

Dieser Oldtimerblog beschränkt sich zwar auf Vorkriegsautos, doch das heißt nicht, dass es hier für Porsche-Jünger nichts zu entdecken gäbe. Dazu müssen sie aber ihren luftgekühlten Lieblingen vorübergehend untreu werden…

Herausragende Porsche-Konstruktionen haben sich früh bei etlichen Herstellern Ruhm erworben – etwa in Form des Kompressor-Mercedes.

Folgendes Foto zeigt ein weniger bekanntes Beispiel:

austro-daimler_adm_winter_1_galerie

Ein prachtvolles Winterfoto, aber: das soll ein „Porsche“ sein?

Man erkennt nicht viel darauf außer der Heckansicht eines Tourenwagen der 1920er Jahre, wie er ähnlich von zahllosen Herstellern angeboten wurde.

Mit der Aufnahme allein wäre keine Identifikation möglich. Da hilft auch die gute Qualität nicht, die diese Ausschnittsvergrößerung erlaubt:

austro-daimler_adm_winter_1_ausschnittErkennen kann man immerhin zwei Details, die auf ein gehobenes Automobil verweisen: Drahtspeichenräder und Vorderradbremsen – beides war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland keineswegs selbstverständlich.

Der Wagen verfügt über eine deutsche Zulassung – IIB stand einst für Oberbayern – doch könnte es dem Stil nach auch ein US-Fahrzeug sein.

Zum Glück haben wir weitere Aufnahmen von diesem Winterausflug, zunächst diese:

austro-daimler_adm_winter_2_galerie

Die Frontpartie ist leider unscharf, sodass man das Markenemblem unterhalb des Kühlwassereinfüllstutzens nicht klar erkennen kann.

Doch drängt sich ein Verdacht auf: Könnte das die ab 1923 typische Kühlereinfassung eines Austro-Daimler sein? +

Der großzügige Wagen würde gut zu der Marke passen, die mit zum Feinsten gehörte, was die einstige Automobilindustrie Österreichs zu bieten hatte.

Das wäre eine schöne Entdeckung, denn zu den ausgezeichneten österreichischen Marken liest man in der gängigen deutschsprachigen Presse fast nichts. Auch das ein Grund, öfters einmal in diesem Blog zu stöbern (Bsp. Gräf&Stift, Steyr)…

Wir müssten es beim Verdacht belassen, gäbe es nicht eine weitere Aufnahme, die bei derselben Gelegenheit entstand:

austro-daimler_adm_winter_3_galerie

Hier scheint der Fotograf seinen vorherigen Fehler bemerkt und die Tiefenschärfe korrigiert zu haben.

Merkwürdig, dass die rechte Partie bis in den Hintergrund scharf ist, während die linke Hälfte schon weiter vorn verschwommen ist. Vielleicht war das  Objektiv der verwendeten Mittelformatkamera nicht ganz parallel zum Negativ ausgerichtet.

Wie auch immer, die Ausschnittsvergrößerung liefert die erhoffte Bestätigung:

austro-daimler_adm_winter_3_ausschnitt

DAIMLER lässt sich da auf der Kühlermaske lesen. Wem die Geschichte der Frühzeit des Automobils weniger geläufig ist, könnte sich fragen: Ist das nun ein Daimler von „Daimler-Benz“, ein „Daimler-Jaguar“ aus England oder etwas ganz anderes?

Nun, dieser Wagen ist ein Produkt von Austro-Daimler in Wien, von 1899 bis 1906 eine Tochtergesellschaft von Daimler aus Cannstadt.

Um nach der Trennung von Daimler von den entsprechenden Lizenzen unabhängig zu werden, heuerte man den jungen Ferdinand Porsche an, der zuvor Elektro-und Hybridautos konstruiert hatte – das war übrigens 1899/1900…

Porsche, der keine formale akademische Ausbildung als Ingenieur hatte und einen Erfindertyp verkörpert, der heute ohne Chance wäre, begründete mit seinen Konstruktionen vor dem 1. Weltkrieg den herausragenden Ruf von Austro-Daimler.

Bevor Porsche 1923 Austro-Daimler wieder verließ, konstruierte er dort moderne  6-Zylinderwagen, von denen das Unternehmen noch lange profitieren sollte.

Der letzte Porsche-Entwurf bei Austro-Daimler war der Typ ADM, den wir auf den Fotos sehen. Dieser Wagen verfügte über einen kopfgesteuerten 6-Zylindermotor mit Aluminiumblock, der 45 PS Höchstleistung aus 2,6 Liter Hubraum schöpfte.

Das klingt für heutige Porsche-Fahrer nach nicht viel. Man darf aber daran erinnern, dass die ersten 356er rund 30 Jahre später auch nicht mehr leisteten. Wie bei den luftgekühlten Modellen der Nachkriegszeit zeigt sich die Brillianz der Porsche-Konstruktion erst, wenn man darangeht, das Potential auszuloten…

Austro-Daimler bot vom Typ ADM auch eine auf 2,9 Liter aufgebohrte Sportversion an, die bei sonst gleicher Konstruktion spektakuläre 115 PS leistete. Soviel zu den Verdiensten von Ferdinand Porsche um die Wagen von Austro-Daimler.

Was ist davon geblieben? Zumindest in der Presse nicht viel – wie bei etlichen Herstellern, die sich mangels verfügbarer Wagen nicht zum „Hochschreiben“ eignen.

Wir schließen mit einem letzten Foto aus dieser Winterserie. Wenn der Frühling Einzug hält, folgen weitere Aufnahmen vom selben Fahrzeug, versprochen.

Bis dahin wünschen die beiden tapferen Damen auf dem Rücksitz des Austro-Daimler gute Fahrt auf allen Wegen!

austro-daimler_adm_winter_4_galerie

Buick „Six“ Tourer um 1925 im Winterdress

Vor 90 Jahren – in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre – begann in Deutschland eine kurzlebige Ära, in der US-Automobile den Markt überschwemmten und sogar hierzulande gefertigt wurden.

Dabei machte sich bemerkbar, dass die Deutschen nach der Währungsreform 1923/24, die der Nachkriegsinflation ein Ende machte, wieder werthaltiges Geld hatten.

Oldtimerfreunde, die auf Ersatzteile aus den USA angewiesen sind, kennen das Thema: Seit 2008 hat der als „so stabil wie die D-Mark“ angepriesene Euro durch verantwortungslose Geldpolitik 1/3 seines Werts gegenüber dem Dollar eingebüßt…

Mitte der 1920er Jahre dagegen hatten die Deutschen dank kluger Wirtschafts- und Währungspolitik „richtiges“ Geld in ihren Portemonnaies. Für diejenigen im deutschsprachigen Raum, die sich ein Auto leisten konnten, kam nun buchstäblich auch eines der begehrten US-Automobile in Reichweite.

Denn ab Ende 1925 waren in Teilen importierte Wagen von Zöllen ausgenommen, die die deutsche Automobilwirtschaft vor Wettbewerb schützen sollten. Vor allem in Berlin entstanden daraufhin Produktionsstätten etlicher US-Automarken.

Sie schufen zum einen lokal Arbeitsplätze, zum anderen setzten sie die heimischen Hersteller unter Druck. Diese boten bis dato meist auf Vorkriegsmodellen basierende, leistungsschwache und überteuerte Fahrzeuge an.

Das erfolgreiche Eindringen amerikanischer Marken in eine rückständige deutsche Industrielandschaft illustriert dieses Originalfoto:

buick_six_1925-27_schuhfabrik_hauck_galerie

Buick „Master Six“ oder „Standard Six“, Bauzeit: 1925-27

Vor der Fassade eines Fabrikgebäudes des 19. Jahrhunderts mit zwei mächtigen Schornsteinen ist im Schnee ein großzügiger US-Tourenwagen zu sehen.

Die Qualität des rund 90 Jahre alten Abzugs ist nicht mehr die beste – einige Retuschen waren notwendig, um ein halbwegs klares Bild zu erhalten. Die Digitalisierung und Veröffentlichung solcher Dokumente leistet auch einen Beitrag zur Sicherung von Quellen, die über kurz oder lang versiegen werden.  

Denn je nach Lagerung verlieren selbst hochwertige Schwarzweißaufnahmen über die Jahrzehnte an Qualität. Hinzu kommt, dass durch Unkenntnis oder Ignoranz viele Originale aus Vorkriegszeiten heute im Müll verschwinden.

Schauen wir uns den Wagen auf diesem Foto genauer an:

buick_six_1925-27_schuhfabrik_hauck_ausschnitt

Trotz der unscharfen Frontpartie lässt sich der Wagen eindeutig als Tourenwagen der Marke Buick identifizieren, die im General-Motors-Konzern für solide und erschwingliche Mittelklasseautos stand.

Die markante Linienführung der Kühlermaske mit der in der Mitte abwärtszeigenden Spitze ist dabei der Schlüssel. Auch der leicht schräge Verlauf des Kühlerrahmens passt zu Buick-Modellen aus der Mitte der 1920er Jahre.

In Frage kommen zwei 6-Zylindertypen: der „Standard Six“ und der „Master Six“. Sie sind von außen kaum auseinanderzuhalten.

Die von 1925-27 gebaute Standardversion des Buick „Six“ bot nach deutschen Maßstäben bereits eine großzügige Leistung: Rund 50 bis 60 PS stark waren die anfänglich 3,1 Liter, später 3,3 Liter messenden Aggregate.

Der parallel verfügbare und geringfügig längere Buick „Master Six“ war mit 4,2 bis 4,5 Liter großen Motoren ausgestattet, die 70 bis 75 PS leisteten – das war nach hiesigen Verhältnissen spektakulär.

Die Motorisierung des Buick auf dem Foto lässt sich nicht feststellen. Doch so oder so war ein solcher Wagen am deutschen Markt konkurrenzlos. Hiesige Hersteller boten entweder weniger Leistung oder waren unverhältnismäßig teuer.

Das Geheimnis der US-Marken waren dabei nicht billige, fragwürdige Konstruktionen oder besonders niedrige Löhne. Nein, sie profitierten schlicht von den Kostenvorteilen, die echte Massenfabrikation mit sich brachte.

Buick baute von den Modellen „Standard Six“ und „Master Six“ von 1925-27 über 600.000 Stück. Zum Vergleich: Im Spitzenjahr 1928 – vor der Weltwirtschaftskrise – betrug die Gesamtproduktion aller deutschen PKW-Hersteller rund 100.000 Wagen.

Massenfabrikation nach amerikanischem Muster bekam vor dem 2. Weltkrieg kein Autobauer in Deutschland annähernd hin, auch Opel nicht. Dabei war der deutsche Markt derjenige in Europa mit dem größten Aufholpotential in den 1920er Jahren.

Die US-Hersteller erkannten ihre Chance und nutzten sie, während sich die hiesigen Firmen in Insellösungen verzettelten oder untergingen.

Erst Anfang der 1930er Jahre gelang es der heimischen Industrie, wieder die Oberhand zu gewinnen. Das Beispiel zeigt, wie gefährlich ist es ist, sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen.

Das gilt umgekehrt auch für die US-Hersteller, die ihre führende Position nach dem 2. Weltkrieg zugunsten deutscher und japanischer Marken verloren.

In unseren Tagen, in denen die USA auf Reindustrialisierungskurs sind und die heimische Wirtschaft stärken wollen,  könnte sich ein neues Wettrennen anbahnen. Für die Käufer könnte das so vorteilhaft sein wie einst vor 90 Jahren…

Für winterliche Verhältnisse in Deutschland war dieser Buick „Six“ damals jedenfalls gewappnet. Der sonst offen gefahrene Tourenwagen ist auf dem Foto mit geschlossenem Verdeck und aufgesteckten Seitenscheiben zu sehen.

Das Nummernschild mit dem Kürzel „IY“ verweist auf eine Zulassung im Regierungsbezirk Düsseldorf. Zwar wurde die Kombination zuvor auch in der ehemals preussischen Provinz Posen ausgegeben, doch nur bis 1922.

Auf der Rückseite des Fotos ist vermerkt „Schuhfabrik Hauck“. Wenn ein Leser Näheres dazu weiß, bitte die Kommentarfunktion nutzen. Alle weiterführenden Hinweise fließen in diesen Blogeintrag ein.

Stilvoll in den Skiurlaub: DKW Luxus Cabriolet 2-Sitzer

Anfang 2017 kommen endlich die Skifahrer hierzulande auf ihre Kosten, nachdem es um die Weihnachtszeit eher grün auf den Hängen war. Anlass genug, auf diesem Oldtimerblog das ideale Vorkriegsauto für die Reise ins Skigebiet vorzustellen.

DKW-Freunde werden sich freuen, denn es handelt sich wohl um das eleganteste Gefährt, das die Marke jemals hervorgebracht hat – ein F5 Front Luxus Cabriolet in der nur rund 3.000mal gebauten 2-sitzigen Ausführung.

Bevor wir den Wagen zeigen, erst einmal ein Blick auf die viersitzige Version, die etwas häufiger produziert wurde und auch öfter auf alten Fotos zu finden ist:

dkw_f5_front_luxus_cabrio_4-sitzig_bei-chemnitz_galerie

DKW F5 Front Luxus Cabriolet (4-sitzig) aus Ostpreussen, aufgenommen bei Chemnitz

Aus dieser Perspektive lässt sich nachvollziehen, warum der Wagen rasch den Spitznamen „der kleine Horch“ weghatte. So vollkommene Linien gepaart mit großzügigem Einsatz von Chrom bot wohl kein anderer Kleinwagen.

Kein Wunder – Entwurf und Ausführung des Front Luxus Cabriolets stammten von Horch in Zwickau. Im Unterschied zu den übrigen DKW-Frontantriebsmodellen verfügte das Luxus-Cabriolet über eine Stahlkarosserie, die übrigens identisch in kleinen Stückzahlen auch bei Hornig in Meerane gebaut wurde.

Die bei Horch gefertigten Wagen des DKW Luxus Cabriolets unterschieden sich nur durch die Fahrgestellnummer von den bei Hornig produzierten Exemplaren. Für die 4-sitzige Ausführung gibt es aber ein untrügliches Erkennungsmerkmal:

dkw_f5_front_luxus_cabrio_4-sitzig_bei-chemnitz_ausschnitt2Hier kann man nicht nur das Lächeln der Insassin auf der Rückbank genießen, sondern auch die Linienführung der seitlichen Chromleiste, die nach Art eines Kometenschweifs nach hinten breiter wird und auf das hintere Radhaus stößt.

Auf dieser Ausschnittsvergrößerung ist gut zu erkennen, dass die Zierleiste vom oberen Türscharnier unterbrochen wird. Das ist so nur bei der 4-sitzigen Version des DKW Front Luxus Cabriolets zu finden.

Dass dieses in der Nähe von Chemnitz in Sachsen aufgenommene Auto in Ostpreussen zugelassen war, wissen wir aufgrund zweier weiterer Fotos im Besitz des Verfassers, die denselben Wagen mit komplettem Nummernschild zeigen.

Nun aber zu dem Objekt der Begierde, um das sich dieser Blogeintrag dreht:

dkw_f5_front_luxus_cabriolet_2-sitzig_winter_galerie

DKW F5 Front Luxus Cabriolet (2-sitzig)

Man wundert sich schon, warum der Fotograf vorwiegend Tannenzweige – immerhin mit Schnee darauf – ins Visier genommen hat und von dem schönen Auto so wenig aufs Negativ gebannt hat.

Die Erklärung ist folgende: Der Fotograf hat es mit dem bei Sucherkameras erforderlichen Parallaxenausgleich übertrieben. Für nicht mit analogen Fotoapparaten großgewordene Leser dazu folgende Erklärung:

Bei alten Kameras lag der Sucher, durch den der Fotograf das Motiv anvisiert, oberhalb des Objektivs, durch das der Film belichtet wurde. Je kürzer der Abstand zum Motiv, desto relevanter ist dieser Höhenunterschied für die korrekte Abbildung des Motivs.

Ein versierter Fotograf glich dies dadurch aus, dass er die Kamera etwas höher hielt, als es für das Bild im Sucher erf0rderlich war. Wer auch immer unser Foto geschossen hat, war sich der Problematik bewusst, richtete die Kamera aber zu hoch aus.

Die entscheidenden – und erfreulichen – Partien gelangten aber auf’s Negativ und damit auch auf den rund 80 Jahre alten Abzug, mit dem wir uns heute beschäftigen:

dkw_f5_front_luxus_cabriolet_2-sitzig_winter_ausschnitt1Hier sehen wir neben der Beifahrerin, die sich trotz der Kälte im ungeheizten DKW recht vergnügt zeigt, das Erkennungsmerkmal eines 2-sitzigen DKW F5 Front Luxus Cabriolets – die oberhalb des Türscharniers verlaufende Chromleiste.

Erkennbar ist auch, dass die Sturmstange am Verdeck – das bei dieser Ausführung gefüttert war – verchromt war. Auf Fotos der Nachkriegszeit sieht man bei Wagen desselben Typs hier mitunter dunkellackierte Teile, was auf einen Einsatz zu Kriegszeiten schließen lässt.

Selten zu sehen ist die Heckpartie des Wagens mit dem verkleideten Ersatzrad. Dieses Detail verrät, dass man sich bei diesem Modell ungeachtet des schwachen Zweitaktmotors an Oberklassefahrzeugen orientierte.

Und seien wir ehrlich: Ein stilvolleres Fortbewegungsmittel, um in den Skiurlaub zu gelangen, kann man sich im Kleinwagensegment kaum vorstellen:

dkw_f5_front_luxus_cabriolet_2-sitzig_winter_ausschnitt2

Da muss die Schwiegermutter leider zuhausebleiben, doch für Skier ist der Notsitz hinten gerade richtig. Sie sind mit einem Band an den Verdeckstangen fixiert und mit einer Decke umwickelt, so beschädigen sie nicht das Verdeck.

Gebaut wurde das DKW F5 Front Luxus Cabriolet in dieser Ausführung nur Anfang 1936. Das lassen die vollverchromten Scheinwerfer und die Räder mit kurzen Speichen und großen Radkappen erkennen.

Zwar ist das hintere Nummernschild nicht lesbar, doch die Form spricht für eine Zulassung vor dem Krieg. Auch das gehört zur Magie dieser alten Fotos – was den Fahrzeugen und Menschen darauf bevorstand, wissen erst die Nachgeborenen.

In unseren Tagen, in denen in Europa manche Gewissheit ins Rutschen kommt, vielleicht ein Grund zum Nachdenken…

„Winterauto“ vor 100 Jahren: ein Adler KL-Typ

Beim Stichwort „Winterauto“ denken die meisten Freunde von Vorkriegswagen an ein irgendein älteres Billigmobil, das sie in der kalten Jahreszeit bewegen, während der heißgeliebte Oldtimer irgendwo Wintschlaf hält.

Nach Beobachtung des Verfassers sind die sagenhaft robusten Mercedes der 1980er Jahre – speziell der 190er und die S-Klasse der Baureihe 126 – beliebte Wintermobile. Sie sind günstig zu haben, formal Klassiker, doch technisch modern.

Vor rund hundert Jahren dagegen war jedes Auto zugleich ein Winterauto, selbst dann wenn es offen war, wie das bei frühen Fahrzeugen meist der Fall war. Viele Winterfotos aus der Zeit vor und nach dem 1. Weltkrieg belegen das – hier ein Beispiel:

adler_kl-typ_im-schnee_galerie

Adler KL-Typ, Bauzeit 1912-20 (dieser Wagen wohl nach 1918), Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist ein veritables Bilderbuchfoto und in einigen Teilen des Landes sieht es seit dem Jahreswechsel auch so aus – leider nur ohne offenen Zweisitzer eines bis heute renommierten, doch leider untergegangenen Herstellers.

Zu Marke und Typ kommen wir gleich. Interessant ist an der Aufnahme, dass hier mindestens zwei Fahrzeuge in einer malerischen Winterlandschaft unterwegs waren. Die beiden Herren hinter dem Auto – offenbar Zwillinge – und der Fotograf hätten jedenfalls nicht auch noch in den kompakten Wagen gepasst.

Wer diesen Oldtimerblog verfolgt, erinnert sich möglicherweise an ein ähnliches Modell, das anhand eines alten Fotos besprochen wurde. Bei dem Wagen auf dem heutigen Bild handelt es sich um eine weiterentwickelte Variante:

adler_kl-typ_im-schnee_ausschnitt1

Die relativ flache Frontpartie und der Spitzkühler sprechen für eine Entstehung frühestens 1913/14. Im deutschsprachigen Raum blieb dieser schnittige Stil bis nach dem 1. Weltkrieg in Mode.

Da die meisten Hersteller nach Kriegsende erst einmal die bis 1914 gebauten Modell wiederauflegten, ist die Datierung oft nicht einfach. Auch die Motorisierung muss mangels eindeutiger Hinweise und brauchbarer Dokumente häufig offen bleiben.

Im vorliegenden Fall lässt sich aber der Typ zumindest einengen, die Marke ist anhand der Frontpartie ohnehin gut zu identifizieren:

adler_kl-typ_im-schnee_ausschnitt2

Kühlermaske und Form des Einfüllstutzens sprechen klar für einen Wagen des Frankfurter Herstellers Adler.

Die bis heute von Enthusiasten weltweit geschätzte Marke baute von 1912-20 den Kleinwagentyp KL, der den seit 1909 gefertigten K-Typ ablöste. Der KL-Typ war ab 1914 mit einem Spitzkühler erhältlich, wie ihn damals auch die großen Modelle trugen. Drahtspeichenräder wie auf dem Foto waren ebenfalls verfügbar.

Die elektrischen Scheinwerfer sprechen aber eher für eine Entstehung nach dem 1. Weltkrieg, wenngleich Adler für die großen Modelle bereits ab 1913 solche anbot. Motorisiert waren die KL-Typen mit Vierzylindern mit 1,3 bis 2,3 Liter Hubraum.

Die „großen“ Motoren mit über 20 PS waren allerdings den Modellen mit langem Radstand und entsprechend höherem Gewicht vorbehalten. Hier haben wir es wohl mit einer der kleinen Versionen zu tun, die 13 bzw. 16 PS leisteten.

Bei einem Höchsttempo von 50-60km/h war das Fehlen von Vorderradbremsen verkraftbar. Auf Schnee dürfte sich das geringe Gewicht von 600-800 kg positiv bemerkbar gemacht haben, die Schneeketten hinten ebenfalls.

Aus heutiger Sicht mag das alles sehr bescheiden erscheinen. Doch was war die Alternative im Winter vor 100 Jahren? Fahrrad oder Motorrad auf tiefverschneiten Straßen? Und die Eisenbahn fuhr auch damals nur von Bahnhof zu Bahnhof.

Zur Arbeit, zum Kunden, zum Patienten, zu den Verwandten auf dem Land kam man mit so einem Adler Kleinwagentyp auch bei widrigen Bedingungen sehr wohl. Entsprechend zufrieden schaut uns der Besitzer des hübschen Zweisitzers an – auch wenn es damals ein strammer Winter gewesen sein muss.

adler_kl-typ_im-schnee_ausschnitt3

 

Startklar für’s Neue Jahr – ein Packard 120

Noch vor ein paar Tagen hörte man allerorten die Frage, wo denn der Winter bliebe. Nun, abgesehen davon, dass er weite Teile der USA und Osteuropas schon länger im Griff hatte, ist er zu Beginn des Jahres 2017 auch in Deutschland eingezogen.

Wie üblich sorgt der erste Schnee bei zeitgenössischen Automobilisten für Verstörung. Es wird geschlichen, als gäbe es keine Winterreifen, Spurkontrolle und ABS. Je besser die Fahreigenschaften der Autos, desto unsicherer wirken viele Fahrer…

Vor rund 80 Jahren – wohl im Winter 1937 – entstand in Siebenbürgen (Rumänien) folgende schöne Aufnahme, die wir einer Leserin dieses Blogs verdanken:

packard_120_um_1937_galerie

Packard 120, zweite Hälfte der 1930er Jahre

Man stelle sich den heutigen Durchschnittsfahrer, dessen Konzentration oft durch die Bedienung diverser Mobilgeräte während der Fahrt beansprucht wird, mit einem Vorkriegswagen bei dieser Witterung vor.

Einen Vorteil hätte dies vermutlich – der morgendliche Stau auf dem Weg zur Arbeit würde mangels Teilnehmern ausfallen. „Chef, ich hab‘ vergessen, die Batterie über Nacht im Hausflur aufzuladen. Wie das mit der Anlasserkurbel geht, weiß ich nicht; es soll auch gefährlich sein. Ich mach‘ diese Woche Homeoffice, okay?“

Ein anderer hat immerhin die Startprozedur absolviert, doch der Motor will nicht warm werden und der Vergaser vereist laufend: „Chef, ich hab‘ vergessen, die Kühlermanschette anzubringen und bin liegengeblieben. Wird etwas später werden, aber diese Woche erzählen wir uns ja eh‘ nur, wie die Feiertage waren…“.

Ein Dritter hat es immerhin bis auf den Firmenparkplatz geschafft. Doch da die Frontscheibe beschlagen ist, sieht er den neuen Achtzylinder-Horch des Chefs nicht und nimmt ihm die Vorfahrt. „Chef, tut mir leid, ich hab‘ vergessen, eine Scheibenheizung nachzurüsten. Toller Schlitten übrigens, ist das ein Ami?“

Scheibenheizungen_Katalog_Otto_Plümecke_1935

Man sieht – diese alten Vehikel boten jede Menge Gelegenheit für peinliche Ausrutscher. Ganz zu schweigen von durchdrehenden Rädern beim Anfahren, heftigem Untersteuern in scharfen Kurven und mäßigen Bremsen hangabwärts.

Dennoch: Wer sich in Europa vor dem 2. Weltkrieg ein Auto leisten konnte, genoss damit auch im Winter eine Mobilität und einen Komfort, wie er für den Großteil der Zeitgenossen undenkbar war.

Das galt erst recht, wenn man über so ein großartiges Fahrzeug wie das auf unserem  Foto verfügte:

packard_120_um_1937_frontpartie

Format und Linienführung sprechen für ein amerikanisches Fabrikat. Zwar ist vom Kühler außer der davor angebrachten Manschette kaum etwas zu erkennen, doch lassen sich Marke und Typ genau identifizieren.

Den entscheidenden Hinweis auf den Hersteller liefert die Sicke im Oberteil der Motorhaube. Sie läuft bis zu Kühlermaske durch, deren Oberseite eine entsprechende Einkerbung aufweist – das muss ein Packard sein! Dazu passen auch die Radkappen.

Mit wenig Aufwand lässt sich anhand weiterer Details der Typ feststellen. Dabei helfen die tropfenförmigen Scheinwerfern mit dem markanten Chromkamm und die eigentümliche Gestaltung der seitlichen Haubenschlitze.

Von der Stoßstange abgesehen – die bei Wagen für den europäischen Markt anders ausgefallen sein mag- spricht alles für einen Packard Typ 120, wie er von 1935-37 gebaut wurde.

Der „One-Twenty“ – so die offizielle Bezeichnung – war bei dem traditionsreichen Luxuswagenhersteller aus Detroit das Einstiegsmodell. Doch in Europa gehörte man mit dem Packard 120 zu den „happy few“.

Denn der Wagen bot einen Reihenachtzylindermotor mit 110 bis 120 Pferdestärken, unabhängige Radaufhängung vorne und einen luxuriösen Innenraum mit reichlich Platz, auch auf der durchgehenden Sitzbank vorne.

Die heutige Schnellfahrfraktion mag über die Höchstgeschwindigkeit dieses Wagens von über 130 km/h lächeln. Doch damals zählten nicht Maximaltempo, sondern souveräne Kraftentfaltung und schaltfaules Fahren, speziell am Berg – Tugenden, die in Zeiten kleinvolumiger Motoren in Vergessenheit geraten sind.

Von den Extras hatte der einstige Eigner – übrigens der Großvater der Spenderin des Fotos – zumindest das Reserverad im Kotflügel geordert. Ob er auch Zeituhr, Radio und Heizung bestellt hatte, wissen wir nicht – verfügbar waren sie jedenfalls.

Die winterliche Ausfahrt mit dem Packard 120 scheint auch die beiden Passagiere erfreut zu haben, die unsere Aufnahme zeigt. Es muss kalt gewesen sein, doch Mutter und Sohn wirken in diesem Moment sehr zufrieden:

packard_120_um_1937_passagiere

Dieses Dokument erzählt uns etwas von der Freude, ein Automobil zu besitzen und damit auch unter widrigen Bedingungen nach eigenem Gusto unterwegs zu sein.

Das geht übrigens auch heute noch mit Vorkriegsautos ganz hervorragend. Neben dem intensiven Fahrerlebnis ohne Navigationsgerät und Internetanschluss kommen mit etwas Glück und Gefühl für die Situation solche Ergebnisse heraus:

opel_vintage

Opel Super 6 im Originalzustand, Ende 2016

In diesem Sinne wünscht der Verfasser allen Freunden von Vorkriegsfahrzeugen einen guten Start ins Neue Jahr und viel Freude mit dem alten Blech auf allen Wegen!

Kein Cabriowetter? Denkste! Unterwegs im Presto Tourer

Wir haben Mitte Dezember und die einzigen Vorkriegsautos, die man jetzt noch zu Gesicht bekommt, sind solche auf alten Fotos, wie sie dieser Oldtimerblog zeigt. Immerhin: Noch vor vier Wochen brauste ein offener Morgan durch den Wohnort des Verfasser, am Steuer ein zufrieden dreinschauender junger Besitzer – well done!

Vor 90 Jahren, als man noch nicht wusste, dass man Vorkriegsautos fuhr, war auch der Begriff des Cabriowetters unbekannt. Ein offener Wagen war damals kein Spielzeug für Wochenendausflüge bei Sonnenschein, sondern der Normalfall.

Für’s Offenfahren entschied man sich meist deshalb, weil die geschlossenen Varianten weit teurer und auch schwerer waren. Zudem war das Autofahren hierzulande auch noch eine Sensation – da wollte man sehen und gesehen werden.

Deshalb sind Bilder aus der kalten Jahreszeit wie das folgende keine Seltenheit:

presto_d_tourenwagen-2_galerie

© Presto D-Typ Tourenwagen, aus Sammlung Michael Schlenger

Zugegeben: die Insassen dieses klassischen Tourenwagens machen den Eindruck, als wollten sie schnell wieder nach Hause. Offenbar pfiff der Wind mächtig über die Chaussee und für kalte Temperaturen war man nicht gewappnet.

Auch der Fotograf muss klamme Finger gehabt haben, denn viel Sorgfalt hat er nicht auf die Aufnahme verwendet: Bildaufbau, nun ja – Schärfentiefe unzureichend – und das Ganze auch noch verwackelt. Wenigstens die Belichtung passt einigermaßen.

Das bekommen allerdings heutzutage auch noch Leute hin, die meinen, ein 0815-Telefon ersetze eine anständige Kamera. Daher wollen wir gnädig sein und wenden uns der Frage zu, was das für ein Wagen ist.

Auch wenn man nicht allzuviel erkennt, ist die Sache klar: Das ist ein Presto D-Typ, das Erfolgsmodell des Chemnitzer Herstellers, der seit 1901 Autos baute. Die Frontpartie ist charakteristisch für den 30 PS leistenden 2,4 Liter Vierzylinder.

Dass es nicht der sehr ähnliche, ab 1925 gebaute Nachfolgetyp E mit 40 PS ist, verrät das Fehlen von Vorderradbremsen. Wer hinsichtlich der Identifikation skeptisch ist, sei auf einen älteren Blogeintrag verwiesen oder auf dieses Foto:

presto_d-typ_ausschnitt

© Presto D-Typ Tourenwagen, aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir einen Presto D-Typ in wünschenswerter Qualität, übrigens auf einer Ausschnittsvergrößerung aus einem viermal so großen Foto mit weiteren Wagen.

Die Kombination aus Spitzkühler mit frontal angebrachtem Markenemblem, bis zu den Vorderenden der Rahmenausleger reichenden Schutzblechen und sechs nach hinten versetzten Luftschlitzen in der Motorhaube sind typisch für das Modell.

Warum der Kühler hier nicht verchromt bzw. vernickelt ist, muss offen bleiben. Möglicherweise war die glänzende Galvanisierung ein aufpreispflichtiges Extra.

Die sechs Herren scheinen dennoch mit dem Gefährt nicht unglücklich gewesen zu sein – abgesehen vom Beifahrer ab, der vielleicht Zahnschmerzen hatte…

Überleben im Sozialismus: Skoda 420 Standard

Ein spannendes Kapitel in der Geschichte der Vorkriegsautos ist ihr Nachleben nach 1945 – sofern sie nicht wie dieser Horch 830 „an der Front“ geblieben waren…

horch_kubelwagen_nach_beschuss_galerie

© Horch 830 R Kübelwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nach der Stunde Null, als das alte Regime abgetreten war, aber sich noch keine neuen politischen und wirtschaftlichen Strukturen herausgebildet hatten, konnten die Besitzer der verbliebenen Privatwagen davon zunächst kaum Gebrauch machen.

Benzin war ohne Beziehungen nicht zu bekommen und eine ganze Weile hing das Damoklesschwert willkürlicher Beschlagnahme durch die Besatzungsmächte in der Luft. Wenn unternehmungslustige GIs oder Rotarmisten eine Spritztour mit einem der noch vorhandenen Prestigefahrzeuge unternehmen wollten, taten sie das einfach. Nach der Kapitulation war Deutschland in vielerlei Hinsicht ein rechtsfreier Raum.

Doch das Leben musste weitergehen und auch wenn darüber kaum etwas überliefert ist, sorgte tatkräftige Selbstorganisation irgendwann dafür, dass private PKWs wieder in Betrieb genommen wurden oder auf dem Land liegengebliebene Wehrmachtsfahrzeuge neue Besitzer fanden.

Bevor noch eine nennenswerte Autoproduktion in Gang kam, fuhren Landärzte und Hebammen, Vertreter und Landwirte in allen möglichen – oft aus mehreren Fahrzeugen zusammengeschusterten –  Gefährten wie diesem umher:

Ford_Taunus_auf_VW-Fahrgestell

© Ford Taunus-Karosserie auf VW-Kübelwagen-Chassis; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

In der sozialistischen Mangelwirtschaft Ostdeutschlands waren die Menschen noch viel länger auf Vorkriegsautos angewiesen als im Westen, wo ab Mitte der 1950er Jahre die Neuwagenproduktion ihren Aufschwung nahm.

Dabei waren die ungefragt von „Volksgenossen“zu „Genossen“ beförderten Ostdeutschen mit einem Vorkriegswagen in vielen Fällen gar nicht schlecht bedient.

Der Hauptvorteil bestand darin, nicht jahrelang auf die Zuteilung eines Autos warten zu müssen. Hinzu kam, dass sich die Produkte der DDR-Autoindustrie leistungsmäßig kaum von ihren Vorläufern aus den 1930er Jahren unterschieden.

Warum auf einen Trabant mit 20-PS-Zweitakter warten, wenn es ein gleichstarker Vorkriegs-DKW ebenfalls tut, sogar mit Frontantrieb? Kein Wunder, dass man auf Nachkriegsfotos aus Ostdeutschland so viele alte DKWs sieht.

Doch gab es im Kleinwagensegment reizvolle Alternativen, zum Beispiel aus tschechischer Produktion. Ein Beispiel dafür zeigt das folgende Foto:   skoda_420_standard_nachkrieg_galerie

© Skoda 420 Standard; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses hinreißend gezeichnete Auto ist ein Kleinwagen von Skoda – ein Typ 420 Standard. Er gehörte zu einer Familie moderner PKW, die Skoda ab 1934 fertigte. Mit Zentralrohrrahmen und Einzelradaufhängung rundherum verfolgte die tschechische Traditionsfirma ein fortschrittliches Konzept.

Die Motorisierung war von Hubraum und Leistung her den zeitgenössischen DKW-Modellen vergleichbar (anfänglich 18 PS aus 900 ccm). Allerdings bot Skoda mit 4-Takt-Aggregaten die größere Laufkultur und einen niedrigen Kraftstoffverbrauch von 7 Litern/100km.

Auch formal wusste der kleine Skoda zu glänzen, vor allem die Frontpartie hätte einem deutlich größeren Wagen Ehre gemacht. Nur am Heck fiel das Modell weniger inspiriert aus, hier überzeugten die DKWs mit gefälligeren Linien.

Die Verarbeitung war wie bei Skoda üblich auf hohem Niveau. Zwar setzte man bei der Karosserie noch auf die traditionelle Mischbauweise mit Holzgerippe; doch die Beplankung bestand im Unterschied zum Kunstlederkleid der DKWs aus Stahl.

Das machte auch optisch einen Unterschied:

skoda_420_standard_nachkrieg_frontpartie

Das hier offenbar silber lackierte Blechkleid strahlt pure Solidität aus. Das Fehlen einer Stoßstange mag wundern, doch die geschwungenen Linien des Wagens kommen so nun einmal am besten zur Geltung.

Schaut man genau hin, erkennt man auf der Kühlermaske das typische Skoda-Emblem, einen geflügelten Pfeil. Nur dadurch ist der Verfasser diesem attraktiven Modell überhaupt auf die Spur gekommen.

Die oft reizvollen Vorkriegsautos tschechischer Hersteller, spielen bei uns leider ein Schattendasein, wenn man vielleicht von Tatra absieht. Unser Foto zeigt aber, dass einst auch ein deutscher Besitzer Gefallen am Skoda Typ 420 gefunden hatte.

Wenn nicht alles täuscht, ist das Nummernschild kein tschechisches, sondern ein ostdeutsches des 1953 eingeführten Typs. Der erste Buchstabe „O“ stand für den Bezirk Suhl in Thüringen und das „K“ für den Kreis „Meiningen“.

Wer nun meint, das Foto sei im „Arbeiter- und Bauernstaat“ aufgenommen worden, der in den 1980er Jahren von roten Lehrern, Journalisten und Politikern hierzulande ernsthaft als das bessere Deutschland gepriesen wurde, der irrt.

Um das herauszufinden, muss man aber wirklich sehr genau hinsehen:

skoda_420_standard_nachkrieg_ausschnitt

Auf dem Fabrikgebäude im Hintergrund ist „1. Máje“ zu lesen, was im Tschechischen „1. Mai“ bedeutet und auf den „Tag der Arbeit“ verweist.

Der 1. Mai wurde in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (CSSR) mit der üblichen kommunistischen Propaganda begangen, mit der Millionen von Menschen in den sozialistischen „Bruderstaaaten“ jahrzehntelang traktiert wurden.

Entsprechende Parolen fanden sich auf Fabrikbauten, um den „Werktätigen“ ihre Rolle im „Kampf gegen den Imperialismus“ einzuschärfen, der nur ein Vorwand war, ganze Völker einzusperren und von einem selbstbestimmten Leben abzuhalten.

Dass diese bleierne Zeit 1989 ein Ende fand, gehört zu den Glücksfällen des sonst so katastrophenreichen 21. Jahrhunderts.

Unser Foto ist der Kleidung nach in den 1950er Jahren entstanden und erinnert daran, dass die Tschechoslowakei zu den wenigen Ländern zählte, in die man als unfreiwilliger DDR-Insasse reisen durfte.

Vermutlich hatte der großgewachsene Herr aus Thüringen dort geschäftlich zu tun und bei einer Gelegenheit Frau und Kind im Skoda mitgenommen. Platz genug bot die 2-türige Limousine jedenfalls.

Über 60 Jahre später können wir uns an dem schönen Wagen noch erfreuen – zum Glück in Frieden und Freiheit…

Ein NSU 5/15 PS unterwegs im Schwarzwald

Regelmäßige Leser dieses Oldtimerblogs mögen sich fragen: Warum präsentiert der Kerl hier eigentlich nur alte Fotos von Vorkriegsautos? Ist das nicht „diskriminierend“ gegenüber jüngeren Fahrzeugen?

Ist der Verfasser am Ende ein reicher Schnösel mit Bugattisammlung? Ein Ewiggestriger mit Herrenhaus, Raucherzimmer und Dienstmädchen? Nun, das ist er nicht – ihm fehlen nämlich leider die Mittel dazu…

Wer seine Oldtimerkarriere mit einem VW Käfer von 1985 begonnen hat und sich dann über MGB und Innocenti-Mini in die Vorkriegszeit zurückgearbeitet hat, stellt irgendwann fest, dass die wirklich alten Autos spannender sind.

Das bemisst sich gerade nicht an der Leistung – das heute zu behandelnde Modell ist ein gutes Beispiel dafür. Es geht vielmehr um die schiere Vielfalt – noch so ein Zeitgeistbegriff, ausnahmsweise passend – die die noch junge Welt des Automobils in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausmachte.

Ob Antrieb, Karosserieformen, Ausstattungsdetails, Hersteller und Konstrukteure: In den Pionierjahren war Platz für die unglaublichsten Konzepte und Persönlichkeiten, von denen die meisten in heutigen Firmen schon beim „Global Executive Comittee“ und der Gleichstellungsbeauftragten durchfallen würden.

Und da zu Nachkriegsautos und 80er Jahre-Plastikbombern („Youngtimer“) in der deutschsprachigen Presse und im Netz genug, über Veteranenwagen aber zu wenig geboten wird, gibt es diesen meinungsstarken Blog mit starker Vorkriegs-Schlagseite und ausgeprägtem Sinn für das historische Drumherum.

Die jüngste Entdeckung schlummert schon eine Weile im Fundus, doch erst kürzlich gelang die Identfikation:

nsu_5-15_ps_nachkrieg_galerie

© NSU 5/15 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der hufeisenförmige Kühler, die schmale Silhouette, die v-förmige Windschutzscheibe deuten auf ein leichtes Sportmodell der frühen 1920er Jahre hin – vielleicht ein Typ aus Frankreich?

Nun, Hersteller ähnlicher Wagen gab es dort einst rund 100! Amilcar, Rally und Salmson sind die bekanntesten Hersteller solcher Cyclecars. Doch bei näherem Hinsehen verflüchtigt sich der Eindruck.

Zum einen ist die Aufnahme in Deutschland entstanden, am einstigen Kurhaus Hundseck an der Schwarzwaldhöhenstraße. Das macht einen französischen Sportwagen kurz nach dem 1. Weltkrieg eher unwahrscheinlich.

Zum anderen ist der Wagen in Wahrheit größer, als er auf den ersten Blick wirkt. Die beiden stattlichen Herren daneben lassen den Tourer vergleichsweise kompakt wirken. Dem Auto fehlen außerdem die für Cyclecars typischen freistehenden Schutzbleche an den Vorderrädern.

Was ist das nun für ein Modell? Dazu werfen wir einen genaueren Blick auf das Auto:

nsu_5-15_ps_nachkrieg_ausschnitt

Zwar sind von dem runden Emblem auf der Kühlermaske keine Details zu erkennen. Seine Placierung und der markante wellenförmige Schwung der oberen Einfassung des Grills verraten aber, dass es sich höchstwahrscheinlich um ein Modell von NSU handelt, genauer: einen 5/15 PS Tourenwagen.

Der in Neckarsulm beheimatete Fahr- und Motorradhersteller fertigte ab 1906 selbstentwickelte Automobile an. Neben gut motorisierten Mittelklassewagen (BeispielBeispiel) bot NSU ab 1910 auch einen zunächst 10, später 15 PS leistenden Kleinwagen an.

Dieser der Papierform nach wenig eindrucksvolle, aber in Deutschland durchaus konkurrenzfähige 5/15 PS-Typ mit blitzsauber konstruiertem, laufruhigen 1,2 Liter-Vierzylinder wurde nach dem 1. Weltkrieg kaum verändert weitergebaut.

Typisch für die offene Version war schon vor dem Krieg die gepfeilte Windschutzscheibe, die wir auf dem Foto sehen. Die kleinen Scheinwerfer dürften bereits elektrisch betrieben sein und sprechen für ein Nachkriegsmodell.

Bis 1925 fand dieser attraktiv gezeichnete, wenn auch schwache NSU-Tourer Absatz. Aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre dürfte auch die hier gezeigte Aufnahme stammen.

Das im Hintergrund zu sehende, aus dem 19. Jahrhundert stammende Kurhaus Hundseck war eines von zahlreichen hochklassigen Hotels an der Schwarzwaldhöhenstraße, die damals beliebt bei Ausflüglern waren.

Im Netz finden sich etliche historische Ansichtskarten der einst beeindruckenden Anlage. Leider wurde das Gebäude 1999 bei einem Sturm stark beschädigt. Die damaligen Eigentümer hatten offenbar keinen Sinn für den Wert des historischen Baus und verzichteten auf die notwendigen Reparaturen. In der Folge wurde das Gebäude einsturzgefährdet und wurde auf öffentliches Betreiben hin abgerissen.

Warum die lokale Denkmalbehörde nicht auf eine Sicherung des noch sehr originalen Baus hinwirken konnte, soll hier nicht erörtert werden. Das Studium zeitgenössischer Presseartikels hinterlässt den Eindruck, dass das Kurhaus Hundseck nicht das einzige Gebäude seiner Art war, an dessen Erhalt der lokalen Bürokratie nicht gelegen war.

So zählt unsere Aufnahme nicht nur zu den raren Originalfotos eines NSU 5/15 PS, sondern auch zu den Dokumenten, die an die einst reiche Hotelinfrastruktur und den Erholungswert der Region erinnern.

Heute hat auch im Schwarzwald eine rabiate Ideologie die Oberhand, die zugunsten der Kapitalinteressen weniger Investoren die Zerstörung ganzer Landschaften durch Windindustrieanlagen in Kauf nimmt. Damit wären wir wieder in der Gegenwart…

Literaturtipp: Klaus Arth: NSU-Automobile, Verlag Delius Klasing, 2. Auflage, 2015; der hier gezeigte Wagen ist dort auf Seite 47 ebenfalls abgebildet!

Krieg und Frieden: Morris 8 und VW beim Tanken

Auf diesem Oldtimer-Blog für Vorkriegswagen geht es nicht nur um die schier unerschöpfliche Vielfalt an Marken und Typen, die einst die Straßen bevölkerten.

Soweit möglich werden die Fahrzeuge anhand zeitgenössischer Originalfotos in ihrem einstigen Kontext gezeigt, also im realen Einsatz zusammen mit den Menschen, die sie einst fuhren.  

Das liefert andere Eindrücke und Erkenntnisse als die Präsentation anhand von Werks- und Prospektfotos oder gar moderner Aufnahmen, die die überlebenden Autos oft in einem Zustand „besser als fabrikneu“ zeigen.

In vielen Fällen spiegelt sich in vermeintlich unscheinbaren Privataufnahmen eindrucksvoll die Zeitgeschichte wider – mal berührend, mal bedrückend.

Heute geht es um zwei Fotos, die anhand eines Wagentyps von den Umbrüchen der 1940/50er Jahre erzählen. Das erste Bild transportiert uns mitten in den 2. Weltkrieg:

morris_eight_series_2_holland_galerie

© Morris Eight Series 1; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir eine Gruppe deutscher Wehrmachtssoldaten – zwei (Unter)Offiziere und vier Mannschaftsdienstgrade – hinter einer kompakten Limousine posieren. Ein Vermerk auf der Rückseite des Fotos erwähnt als Aufnahmeort Holland.

Das Auto ist schnell als Morris Eight Series 2 identifiziert. Typisch sind der schrägstehende schmale Kühlergrill, die ebenfalls schrägen, nach hinten versetzten Luftschlitze in der Haube und die auffallend filigrane Stoßstange.

Folgender Bildausschnitt liefert weitere Details:

morris_eight_series_2_holland_ausschnitt

Die Kühlermaske ist in Wagenfarbe lackiert, auf dem in Fahrtrichtung rechten Schutzblech ist das Kürzel „WH“ für „Wehrmacht Heer“ aufgemalt, während unter der Stoßstange noch ein ziviles Kennzeichen zu sehen ist.

Dass die Kühlermaske ursprünglich verchromt gewesen sein muss, verraten die Speichenfelgen. Denn die erste Serie des 1935 vorgestellten 1-Liter-Vierzylinders wurde mit Chromgrill und Speichenfelgen ausgeliefert, während bei der Serie 2 ab 1938 ein lackierter Grill und Scheibenräder kombiniert wurden.

Folgendes, 2016 beim Goodwood Revival in England auf dem Besucherparkplatz aufgenommene Foto zeigt einen Morris Eight der 1. Serie in voller Pracht:

morris_eight_series_1_goodwood_galerie

So technisch bodenständig der 24 PS-Wagen daherkam, wies er doch ein Detail auf, das bei deutschen Kleinwagen jener Zeit undenkbar war: Ledersitze vorne und hinten. Man sieht dies auf dem Originalfoto aus Kriegszeiten recht gut.

Der einst in Holland fotografierte Morris dürfte ein Beutewagen gewesen sein, der beim Westfeldzug 1940 dem Wehrmachtsfuhrpark einverleibt wurde. Damit kam man im Fronteinsatz nicht weit, doch wir haben es hier mit einer Einheit hinter den Linien zu tun. Die Soldaten wirken älter und dürften zum Nachschub gehört haben.

Was aus den Männern auf dem Foto wurde, wissen wir nicht. Ob man den Krieg überstand oder nicht, war spätestens ab 1944 Glückssache. In wessen Gefangenschaft die Überlebenden 1945 endeten, konnte ebenfalls über Leben und Tod entscheiden.

Der Neuanfang nach 1945 sollte nach dem Willen der Kriegsgeneration von einem friedlichen Mit- und Nebeneinander der europäischen Völker geprägt sein – vom grassierenden Gleichschaltungswahn selbstherrlicher Brüsseler Technokraten konnte damals niemand etwas ahnen.

Den Gedanken der friedlichen Koexistenz aus geteiltem Leid klug gewordener Nachbarn dokumentiert das folgende Foto auf eindrückliche Weise:

morris_8_series_1_volkswagen_galerie

© Morris Eight Series 1 und VW Käfer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir links wieder einen Morris Eight der 1. Serie und rechts einen Volkswagen aus dem Landkreis Springe bei Hannover. Das Foto kann ausweislich des deutschen Kennzeichens frühestens 1956 entstanden sein.

Wo aber ist dieses außergewöhnliche Foto entstanden? Dazu werfen wir einen näheren Blick auf die rechte Hälfte des Abzugs:

morris_8_series_1_volkswagen_vw

So unscharf es auch erscheint, ist auf der Säule hinter dem Volkswagen das Wappen von „BP“ montiert, was für „British Petroleum“ steht. Auch kann man auf der Zapfsäule neben dem Käfer den Schriftzug „Petrol“ ahnen.

Demnach zeigt dieses Foto sehr wahrscheinlich eine Situation an einer Tankstelle im England Ende der 1950er Jahre. Den genauen Ort kennen wir nicht, doch das Nummernschild des Morris Eight liefert zumindest ein Indiz:

morris_8_series_1_volkswagen_morris

Die Buchstabenkombination „NV“ wurde von März 1931 bis Oktober 1937 in der mittelenglischen Grafschaft Northhamptonshire vergeben. Einschränkend ist zu sagen, dass Autos in Großbritannien ihr Kennzeichen auch bei einem Umzug oder Verkauf in andere Regionen behielten.

Doch die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass das Foto einst in der Nähe des ursprünglichen Zulassungsorts des Morris entstand. Was dort der Besitzer des VW einst wohl verloren hatte?

Mag sein, dass eine Dienstreise eines deutschen Unternehmensvertreters der Anlass war. Oder jemand wollte alte Bekanntschaften aus der Vorkriegszeit wiederaufleben lassen. Viele Deutsche und Engländer pflegten ungeachtet der beiden Weltkriege enge persönliche Bande, man denke nur an das englische Königshaus.

Die Besitzer des alten Morris bzw. des recht neuen Volkswagens blicken hier einträchtig in die Kamera:

morris_8_series_1_volkswagen_fahrer

Irgendetwas muss die beiden an einer englischen Tankstelle zusammengeführt haben. Ob Absicht oder Zufall – das Foto und seine Vorgeschichte mahnen uns, sich auch in Zeiten des „Brexit“-Volksentscheids“ nicht von interessierten Kreisen zu einer antibritischen Stimmung verleiten zu lassen…

Unterwegs zu acht, im Horch-Vierzylinder…

Moment, wird mancher denken – muss das nicht heißen: „Unterwegs zu viert im Horch-Achtzylinder?“ Nein, muss es nicht.

Wer mit der Marke Horch aus Zwickau nur 8-Zylinder-Typen verbindet, kann auf diesem Oldtimer-Blog noch etwas dazulernen. Hier werden Wagen der Vorkriegszeit – speziell deutscher Marken – nämlich nicht nach Prestigewert vorgestellt.

Vielmehr werden Klassiker aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anhand von Originalfotos besprochen, die in der bekannten „Bucht“ im Netz für symbolische Beträge ans Gestade gespült wurden.

Heute ist folgende Aufnahme an der Reihe, die schon eine Weile im Fundus schlummert. Zunächst ist unklar, was für ein Auto dort (kaum) zu sehen ist:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_galerie

© Horch 12/50 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Szene ist von großem Reiz, weil auf solchen Aufnahmen selten alles so perfekt passt wie hier: Bildausschnitt, Belichtung, Schärfe und vor allem interessant wirkende Menschen, die zu posieren wissen.

Hier ist kein tumber Metzgermeister oder feister Kommerzienrat nebst Gattin bei der Sonntagsausfahrt im Buick oder großen Opel zu sehen. Solche Bilder gibt es zuhauf und das ungesunde Aussehen der Leute lässt oft den schönsten Wagen fad wirken.

Die Porträtierten auf unserem Bild gehören erkennbar zur „besseren Gesellschaft“ – in dem Sinne, dass sie schon länger mit gehobener Lebensart vertraut sind. Dazu passt auch die Wahl der Marke ihres Wagens.

So unglaublich es scheint: Nicht nur Hersteller und Typ, auch Motorisierung und Baujahr lassen sich angeben. Dazu braucht man zunächst eine geeignete Ausgangshypothese.

Wagen mit ähnlicher Frontpartie wurden am deutschen Markt einige verkauft: Elite, Fiat, NSU und NAG bauten in den 1920er Jahren solche Modelle. Doch der Abgleich mit der Literatur liefert keine vollkommene Übereinstimmung.

Nur ein Hersteller bleibt als Verdächtiger übrig: Die Luxuswagenmanufaktur Horch aus Zwickau in Sachsen. Es ist kein Zufall, dass Fotos von Horch-PKW auf diesem Blog bislang die Ausnahme darstellen – die Autos waren ja ebenfalls Raritäten.

Nur von den für Reichswehr und Wehrmacht in großer Zahl gebauten Horch-Kübelwagen finden sich öfters Bilder. Von den frühen PKW-Typen von Horch konnte hier bisher nur der folgende präsentiert werden:

Horch_10-50PS_1924-27 Dieses ebenfalls sehr ausdrucksstarke Foto der späten 1920er Jahre und den abgebildeten Typ Horch 12/50 PS haben wir hier bereits ausführlich besprochen. Wie sich zeigen wird, ist auf unserem Ausgangsfoto eine Pullman-Limousine desselben Typs zu sehen.

Bei der Identifikation helfen folgende Details: 1. ist bei beiden Wagen der Abstand zwischen der Oberkante der Luftschlitze in der Motorhaube und der Haubenoberseite auffallend groß; 2. sind die Räder mit sechs verchromten Radbolzen befestigt; 3. ist der senkrechte Kühlergrill vorne flach und steigt zum Wassereinfüllstutzen an.

Das sind genügend Indizien, um eine Ansprache als Horch von der Mitte der 1920er Jahre zu erlauben. Endgültige Gewissheit liefert folgender Bildausschnitt:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_kuhlerpartieSo unscharf die Vorderpartie des Wagens auch ist – für den Fotograf standen die Personen im Mittelpunkt – so kann man auf der Front der Kühlermaske doch das gekrönte „H“ erahnen, dass typisch für Horch-Automobile jener Zeit war.

Der erste Horch, der dieses Emblem ab 1925 trug, war besagter Typ 10/50 PS. Er war der letzte der erfolgreichen Vierzylinderwagen, die Horch nach dem 1. Weltkrieg neu auf den Markt brachte.

Diese Fahrzeuge verfügten über kopfgesteuerte Ventile, Motorenblöcke und Kolben aus Aluminiumlegierungen sowie erstmals am deutschen Markt Vierradbremsen. Auch Getriebe (4 Gänge) und Fahrwerk waren grundlegend überarbeitet worden.

Zumindest die bis 1926 gebaute 50 PS-Version war ausreichend motorisiert. Die Pullman-Limousine auf unserem Foto wog immerhin über 2 Tonnen (ohne Insassen).

Damit wären wir bei der Zahl der Insassen in dem großzügigen Horch. Es müssen mindestens acht gewesen sein. Beginnen wir links:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_eltern_m_kind

Es wird wohl niemand der Annahme widersprechen, dass dies Eltern mit ihrer kleinen Tochter sind, die Ähnlichkeit untereinander ist einfach zu groß.

Die Kleine mit ihrem wollenen Mäntelchen sitzt offenbar auf dem Reserverrad und scheint einen Zweig in der Hand zu halten, die der Vater umfasst.

Es war wohl ein kühler Tag, an dem diese Aufnahme entstand, übrigens in der Nähe der Kinderheilanstalt Hohenlychen /Brandenburg, wie umseitige Aufschrift verrät.

Rechts neben der kleinen Familie finden sich zwei weitere (mutmaßliche) Paare:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_paare

Alle vier wirken wie echte, selbstbewusste Persönlichkeiten.

Eindrucksvoll ist der vornübergebeugt stehende Herr ganz rechts. Er muss über 1,90 m groß gewesen sein, denn er erreicht fast die Höhe des 2 Meter hohen Horch. Auch die übrigen (erwachsenen) Porträtierten waren daran gemessen keineswegs klein.

Zählt man nun zusammen, haben wir es mit sieben Insassen des Horch 12/50 PS zu tun. Wer aber ist die im Titel erwähnte Nummer 8? Das könnte der Fotograf sein, doch vielleicht hat man ja eine Kamera mit Stativ und Selbstauslöser verwendet…

Nun, eine Etage tiefer gibt es noch eine weitere Persönlichkeit, die in die Kamera schaut:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_hund

Für diesen kleinen Hund war auf jeden Fall noch Platz im Horch, selbst wenn es am Ort unserer Aufnahme auch noch einen Fotografen gegeben hat.

Es fällt auf, dass auf vielen Aufnahmen von Automobilen der Vorkriegszeit auch ein Hund zu sehen ist, der wie selbstverständlich für die Kamera posiert. Auch das scheint sich der seit Jahrtausenden treueste Begleiter des Menschen abgeschaut zu haben…

Mercedes 400 Kompressor vor dem Schlosshotel

Wie schon öfters angemerkt, beschäftigt sich dieser Oldtimer-Blog markenübergreifend mit Vorkriegswagen, vor allem solchen, die einst im deutschen Sprachraum gefertigt wurden.

Wenn hier öfters Typen von Adler, DKW, Hanomag und Opel besprochen werden, spiegelt das ihre einstige Bedeutung am hiesigen Markt wider. Selbst ausländische Fabrikate von Buick, Chevrolet, Ford und Fiat, die in Deutschland montiert wurden, waren im Straßenverkehr präsenter als Typen von Mercedes-Benz oder Luxusfabrikate wie Horch.

Insofern entspricht die Dominanz von Prestigemarken auf heutigen Vorkriegsveranstaltungen und Messen kaum den einstigen Verhältnissen im Alltag.

Wie selten beispielsweise die legendären Kompressortypen von Mercedes früher waren, zeigt die Tatsache, dass das umfangreiche Fotoarchiv des Verfassers bisher ganze vier Originalaufnahmen solcher Fahrzeuge enthält.

Vorgestellt wurden hier bereits die Kompressor-Mercedes der Typen 28/95 PS, 6/25/40 PS und 15/70/100 PS. Heute ist das vierte Foto aus dieser Serie an der Reihe:

mercedes_15-70-100_ps_und-ford_a_gasthaus_hof_delecke_galerie

© Ford Model A und Mercedes 15/70/100 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Da ist ja kaum etwas zu erkennen, mag man einwenden. Genau deshalb hat sich für diese Aufnahme auch keiner interessiert. Wenn der Verkäufer nicht weiß, was sich darauf verbirgt, bleibt die Beschreibung zwangsläufig wolkig und der Preis symbolisch.

Nicht immer, aber oft genug entdeckt man auf solchen unscheinbaren Fotos Raritäten, von denen selbst in der Fachliteratur nur wenige Aufnahmen kursieren. Im vorliegenden Fall haben wir es zudem mit einer reizenden Konstellation zu tun:

mercedes_15-70-100_ps_und-ford_a_gasthaus_hof_delecke_ausschnitt0

Wer mit Vorkriegswagen bisher wenig Erfahrung hat, wird auf den ersten Blick keinen großen Unterschied zwischen den beiden Autos sehen.

Tatsächlich verlangt die Beschäftigung mit Automobilen der Vorkriegszeit besonderen Sinn für’s Detail und ein Wissen, das man nicht mit einem Semester „Motor-Klassik“-Lektüre erwerben kann…

Jeder Banause kann einen Jaguar E-Type und einen Porsche 356 auseinanderhalten. Aber einen NAG-Tourenwagen auf einem Foto der 1920er Jahre von einem Stoewer unterscheiden zu können, das setzt Geduld und Erfahrung voraus.

Mit beidem ausgestattet, eröffnet sich dem Vorkriegs-Enthusiasten eine Welt, deren Vielfalt unerschöpflich scheint. Nehmen wir uns zunächst den Wagen im Vordergrund vor:

mercedes_15-70-100_ps_und-ford_a_gasthaus_hof_delecke_ausschnitt1

Wer den gestrigen Artikel über einen Ford Model A Roadster Deluxe gelesen hat, dem wird dieses Fahrzeug bekannt vorkommen. Es handelt sich um die Standardausführung des Typs, der Fords zweiter Millionenerfolg nach dem Model T war.

Das Model A war ein in den USA für jedermann erschwinglicher Wagen, der alles in den Schatten stellte, was in den 1920er Jahren in Deutschland als vermeintliche „Volkswagen“ in geringen Stückzahlen produziert wurde. Es war das, was später auch den VW „Käfer“ auszeichnen sollte: klassenlos und man konnte sich mit ihm überall sehen lassen.

Und so kommt es, dass dieses einstige „Brot-und-Butter-Auto“ auf unserer Aufnahme so eine gute Figur macht. Was im Hintergrund zu sehen ist, stellt dagegen das andere Extrem des einstigen Automobilangebots in Deutschland dar:

mercedes_15-70-100_ps_und-ford_a_gasthaus_hof_delecke_ausschnitt2

Dieses Fahrzeug ist eines von nur 754 gebauten Exemplaren des Mercedes-Kompressortyps 15/70/100 PS, die zwischen 1924 und 1929 in Manufaktur entstanden.

Die Typenbezeichnung setzt sich aus den Steuer-PS, der Nominalleistung und der bei Zuschalten des Kompressors kurzfristig verfügbaren Spitzenleistung zusammen. Später wurde der 6-Zylinder-Wagen mit Königswellenantrieb in Anlehnung an seinen Hubraum „400“ genannt.

Verantwortlich für die Entwicklung dieses technischen Kabinettstückchens war Ferdinand Porsche, der neben Vincenzo Lancia als der wohl brillianteste Autoingenieur seiner Zeit gelten darf.

Typisch für das Modell sind der Spitzkühler, die großen Positionsleuchten auf den Vorderkotflügeln und die Form der Trittschutzbleche am Seitenschweller. Beim Aufbau dürfte es sich um eine Pullman-Limousine mit drei Sitzreihen handeln.

Übrigens lässt sich nicht ausschließen, dass es sich bei dem Kompressor-Mercedes um das äußerlich identische, etwas längere Modell 24/100/140 PS handelt, das über Motoren mit 6 bzw. 6,3 Liter Hubraum verfügte. Davon wurden allerdings nur etwa 400 Exemplare gefertigt, sodass die Wahrscheinlichkeit für die „kleine“ Version spricht.

Zuletzt noch ein Wort zum Entstehungsort dieses Fotos. Werfen wir einen Blick auf folgenden Bildausschnitt:

mercedes_15-70-100_ps_und-ford_a_gasthaus_hof_delecke_ausschnitt3„Gasthof Haus Delecke“ steht schlicht über dem Eingang, auf den vermutlich gerade der beschirmmützte Chauffeur des Kompressor-Mercedes zuläuft.

Erfreulicherweise gibt es heute noch das „Hotel und Restaurant Delecke“ am Möhnesee in Nordrhein-Westfalen, wo einst unser Foto entstand. Im Kern ist die Anlage über 700 Jahre alt. Nach mehrfachen Besitzerwechseln wurde das Hauptgebäude des Schlosses Mitte der 1920er Jahre zwecks Nutzung als Hotel und Restaurant umgebaut.

Der heutige Besucher kann die geschmackvoll renovierte Anlage in herrlicher Seerandlage kaum verändert genießen. Nur ein Mercedes-Kompressormodell und ein Ford Model A wird er dort heute nicht mehr vorfinden.

So kündet diese Aufnahme – wie die Möhnetalsperre – von einer untergegangenen Welt…

Ein Hanomag „Sturm“ am Golf von Neapel

Diesem Oldtimer-Blog liegen zwei Gedanken zugrunde:

Zum einen sollen hier Vorkriegsautos eine breite Bühne bekommen, vor allem solche von Herstellern aus dem deutschen Sprachraum. Einen entsprechenden Anlaufpunkt im Netz gibt es nach Kenntnis des Verfassers sonst nicht.

Zum anderen soll die faszinierende Vielfalt an Marken und Typen anhand historischer Originalfotos vermittelt werden, die die Fahrzeuge mit den Menschen zeigt, die sie einst besaßen oder bewunderten.

Dabei stößt man neben Schnappschüssen aus dem Familienalbum bisweilen auf Abzüge, deren Einordnung schwerfällt, die aber dennoch eine Veröffentlichung verdienen. Ein Beispiel für diese Kategorie zeigt die folgende Aufnahme:

hanomag_sturm_neapel_mergellina_galerie

© Hanomag „Sturm“ am Golf von Neapel; Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger

Für nüchterne Zeitgenossen ist mit dem Untertitel alles gesagt: Hier wird die Frontpartie eines Hanomag „Sturm“ – des 6-Zylinder-Spitzenmodells des Maschinenbauers aus Hannover – von drei Straßenjungen begutachtet.

Tatsächlich verdient dieses Reklamefoto der späten 1930er Jahre einen Preis für eine der subtilsten Werbebotschaften jener Zeit. Denn vom Auto ist nur der Kühlergrill mit dem stilisierten Hanomag-Adler zu erkennen. Wer mehr von dem großzügigen und sauber gezeichneten Wagen sehen will, kann sich auf diesem Blog hier ein genaues Bild machen.

Raffiniert an diesem Werbefoto aus einem unbekannten Magazin der Vorkriegszeit ist die Platzierung des Wagens vor der grandiosen Kulisse des Vesuvs am Golf von Neapel.

Heuzutage, wo man künstliche Orte wie Dubai und schwimmende Massenquartiere wie Kreuzfahrtschiffe als Sehnsuchtsziele verkauft, mag es nicht mehr jedermann klar sein: Süditalien und speziell die Schönheit der Küste Kampaniens von Neapel bis Salerno hatten einst eine magische Ausstrahlung.

Für den Verfasser, der diese Gegenden seit einem Vierteljahrhundert bereist, ist diese Magie unvergänglich. Und so weckt dieses Reklamefoto Erinnerungen an Aufenthalte am Golf von Neapel und an benachbarten Traumzielen wie Capri und der Amalfiküste.

Wer einseitigen Medienberichten hierzulande Glauben schenkt, verbindet mit dieser Region nur Chaos, Mafia und Müllberge. Tatsächlich ist Neapel eine faszinierende Stadt und die herrliche Bucht mit dem Vesuv dürfte für religiös veranlagte Menschen den perfekten Gottesbeweis darstellen.

An solche Assoziationen knüpfte Hanomag einst mit seiner Werbebotschaft an: Das Modell Sturm führt seine Besitzer an die großartigsten Stätten Europas und erobert die Herzen der Jugend – im Sturm!

hanomag_sturm_neapel_mergellina_ausschnitt

Die drei Buben verkauften vielleicht Blumen an Touristen, die an dieser Stelle haltmachten, um den Blick über das Castel dell’Ovo auf den Vesuv zu genießen.

Der Aufnahmeort liegt an der Küstenstraße des neapolitanischen Stadtteils Mergellina. Die Aussicht von dort sieht heute noch genauso aus.

Wer auch immer den Hanomag Sturm an diese Stelle gefahren hatte, wollte gewiss keine Reklame für das Modell in Italien machen. Dort waren potentielle Käufer mit dem avancierten 6-Zylindermodell Fiat 1500 ohnehin besser bedient.

Es ging darum, dem Publikum in Deutschland zu vermitteln, dass der Hanomag Sturm ein Vehikel für gebildete Leute mit Lebensart war. Der Schlüssel zum Verständnis war der Vesuv im Hintergrund. Wer den Berg für den Fujiyama oder den Kilimandscharo hielt, gehörte nicht zur Klientel, die eines Hanomag Sturm würdig war.

Sollte aber am Ende nicht ein Lamento bezüglich der Kinder stehen, die einst offenbar etwas zum Überleben der Familie beisteuern mussten?

Nun, über das Schicksal der drei Buben auf unserem Foto wissen wir nichts Genaues. Immerhin lässt sich sagen, dass sie noch zu jung waren, um von ihrer Regierung in den 2. Weltkrieg geschickt zu werden.

Nach 1945 gehörte Neapel zu den Städten Italiens, in denen es kein Wirtschaftswunder wie im höherentwickelten Norditalien gab. Die strukturellen Voraussetzungen dafür waren nicht gegeben.

Dennoch können wir annehmen, dass die drei neapolitanischen Jungen, die vor rund 80 Jahren vor dem Hanomag Sturm abgelichtet wurden, in einem übermateriellen Sinn ein glückliches Leben hatten. Vielleicht sind sie hochbetagt noch unter uns.

Regionale Herbstausfahrt am 9. Oktober 2016

Die Tage sind inzwischen merklich kürzer, die Nächte kühler, die Blätter an den Bäumen nehmen herbstliche Farben an. Bevor sich die Oldtimer-Saison 2016 dem Ende zuneigt, gibt es am 9. Oktober von Bad Nauheim aus wieder eine gemeinsame Ausfahrt lokaler Klassikerfreunde.

Die Route führt wie im Vorjahr in den Taunus, geht jedoch diesmal über Butzbach und Waldsolms weiter nach Westen bis Weilmünster. Von dort führen dann kurvenreiche Nebenstraßen nach Weilrod, wo im Ortsteil Gemünden ein Mittagshalt im Landgasthof Zur Linde eingeplant ist.

Die Strecke hat eine Länge von rund 100 km, als Fahrtdauer bei gemächlichem Tempo sind gut 2 Stunden zu veranschlagen (Übersicht der vorläufigen Route).

Charakter der Ausfahrt: Das Ganze ist ausdrücklich keine Oldtimer-Rallye und hat keinen wettbewerblichen oder gewerblichen Charakter. Eine Teilnahmegebühr fällt nicht an. Für den verkehrssicheren Zustand des Fahrzeugs ist jeder selbst zuständig.

Für die vorgeschlagene Route wird es wieder ein präzises Roadbook geben, aber natürlich kann jeder nach Belieben abkürzen oder verlängern. Hier die Fixpunkte im Überblick:

  • Treffpunkt am 9.10. in Bad Nauheim: Großparkplatz am Kurpark, Frankfurter Straße
  • Abfahrt um 11.15 Uhr
  • Tischreservierung im „Landgasthof Zur Linde“ ab 12.30 Uhr
  • Weiterfahrt ab etwa 14 Uhr Richtung Usingen und Pfaffenwiesbach
  • Heimfahrt nach eigenem Gutdünken

Die Teilnehmerzahl ist auf zehn Fahrzeuge beschränkt. Interessenten können sich über die Kommentarfunktion oder unter der E-Mail-Adresse michael.schlenger@freenet.de anmelden.

Der Laubfrosch wird erwachsen: Opel 4/16 und 4/20 PS

Auf diesem Oldtimer-Blog wird die Geschichte von Vorkriegsautos anhand originaler Fotografien aus der Sammlung des Verfassers erzählt. Im Mittelpunkt stehen Marken aus dem deutschsprachigen Raum (einschließlich Lizenzfabrikaten).

Wer sich für die PKW-Produktion von DKW und Hanomag bis 1945 interessiert, fndet hier bereits eine fast vollständige Fotodokumentation der einzelnen Typen. Bei AdlerBMWHorch, Mercedes-Benz, NAG und Wanderer bestehen noch einige Lücken, die aber im Lauf der Zeit ebenfalls geschlossen werden sollen.

Fortschritte macht derzeit die Typenbesprechung bei Opel vom 4PS-Typ „Laubfrosch“ bis zu den Modellen der späten 1940er Jahre. Zuletzt hatten wir hier die ab 1925 gebaute frühe Variante des Opel 4/16 PS präsentiert. Heute ist die von Oktober 1927 an erhältliche Ausführung an der Reihe, die sich formal von der ersten Serie unterschied.

Bei der Herausarbeitung der Unterschiede sind uns drei Originalfotos behilflich:

© Opel 4/16 PS und 4/20 PS; Originalfotos aus Sammlung Michael Schlenger

Keine Sorge, wir schauen uns die Wagen noch genauer an, doch soll hier auch die originale Situation festgehalten werden, die den Blick der damaligen Fotografen widerspiegelt.

Wir beginnen dort, wo wir aufgehört haben, beim Opel 4/16 PS in der frühen Variante, und rufen uns seine äußeren Merkmale anhand folgenden Ausschnitts der ersten Fotografie in Erinnerung:

opel_4-16_ps_1926-27_konigsbrunn_galerie

Der ab Oktober

1926 erhältliche Typ 4/16 PS verfügte anfänglich noch über die weit ausladenden Vorderschutzbleche des Vorgängers 4/14 PS. Der Tankeinfüllstutzen lag aber nicht mehr außen vor der Windschutzscheibe und die Reihe Luftschlitze in der Motorhaube war durchgehend statt in der Mitte unterbrochen.

Übrigens sehen wir hier die viersitzige Tourenwagenversion des Opel 4/16 PS vor einem Haus, das wahrscheinlich einem Besitzer aus dem bayrischen Städtchen Königsbrunn gehörte, wie eine Netzrecherche anhand des Firmennamens ergab.

Wenden wir uns nun dem zweiten Foto zu, das die ab Oktober 1927 gebaute Nachfolgeversion des Opel 4/16 PS auf einer Reise im Alpenraum zeigt:

opel_4-16_ps_1927-28_ausschnitt

Gegenüber dem vorigen Foto fällt das abgerundete Vorderschutzblech auf, das das Rad enger umfasst und weniger vom Unterbau des Vorderwagens preisgibt. Auch der hintere Kotflügel verläuft nun nicht mehr so exaltiert.

Ansonsten scheint auf den ersten Blick alles beim alten zu sein. Mit den beschriebenen Änderungen wurde aber auch ein Detail eingeführt, das nur ansatzweise zu erkennen ist.

Dazu schaue man auf der Höhe der rechten Hand des vor dem Opel stehenden Reisenden auf die Gestaltung der Motorhaubenoberseite. Dort zeichnet sich eine nach hinten auslaufende Einkerbung ab, die von einer Stufe in der Kühlermaske ausgeht.

Tatsächlich wurde bei der hier gezeigten späteren Version des Opel 4/16 PS  (ab 1927) der bisherige Rundkühler durch einen markanten Kühler abgelöst, den die Rüsselsheimer bei der US-Luxusmarke Packard abgekupfert hatten.

Nachdem der erste Opel 4/12 PS „Laubfrosch“ ein Plagiat des Citroen 5CV war, setzte man mit der bei Packard geklauten Kühlerpartie noch einen oben drauf. Kurioserweise wurde Opel später von einem Packard-Konkurrenten – General Motors – übernommen…

Da man dieses Detail auf dem von der Seite aufgenommenen Foto kaum erkennen kann, schauen wir uns den am Opel ab 1927 verbauten Packard-Kühler auf der dritten Aufnahme genauer an:

opel_4-20_ps_2-sitzer_und_tourenwagen_wagen1_1929

So unscharf der vordere der beiden abgebildeten Opels auch abgebildet ist, so deutlich tritt doch die abgestufte Form des „Packard“-Kühlers hervor.

Ein Detail weist aber daraufhin, dass dieser Wagen – vom identischen Kühler abgesehen – wohl kein Opel 4/16 PS mehr ist, sondern eine frühe Version des Nachfolgers 4/20 PS, der ab 1929 in der hier zu sehenden offenen Zweisitzer-Ausführung verfügbar war.

So tauchen im Jahr 1929 anstelle der bisher oben abgerundeten Trittschutzbleche am Schweller breitere auf, die oben leicht spitz zulaufen. Das sind subtile Details, aber nur sie erlauben eine Einordnung der Versionen des Opel 4 PS „Laubfroschs“.

Mit der letzten Variante 4/20 PS war das Modell erwachsen geworden und hatte den Makel des Plagiats hinter sich gelassen. Über 100.000 Exemplare wurden bis zum Ende der Produktion im Jahr 1931 gefertigt, mehr als von jedem anderen deutschen Auto zuvor.

Und so kam ein Opel Laubfrosch meist nicht allein. Auf dem dritten Bild ist er auch im Doppelpack unterwegs, irgendwo auf dem Lande zu Erntezeit. Daher noch ein Blick auf den zweiten Opel auf dem Foto:

opel_4-20_ps_2-sitzer_und_tourenwagen_wagen2_1930-31Auch dies muss ein Typ 4/20 PS sein, und zwar eine späte Version, wie sie 1930/31 gebaut wurde. Das verrät der Verlauf der von der A-Säule ausgehenden Zierleiste.

Über die Menschen, die auf den drei Aufnahmen zu sehen sind, ist längst das große Rad der Zeit hinweggegangen. Doch die alten Fotos und die überlebenden Fahrzeuge aus vergangener Zeit erinnern an sie.

Das macht einen Teil der Magie der Oldtimerei aus…

Klein, aber mein – BMW „Dixi“ 3/15 PS Roadster

Freunde deutscher Vorkriegsautos finden auf diesem Oldtimer-Blog reichhaltiges Anschauungsmaterial: Hunderte von Originalfotos aus der Sammlung des Verfassers ermöglichen eine Zeitreise durch die Automobilgeschichte bis Ende des 2. Weltkriegs. 

In einigen Fällen bestehen aber auch auf dieser markenübergreifenden Website noch schmerzliche Lücken, die nach und nach geschlossen werden. Heute können wir einen BMW „Dixi“ der ersten Stunde dingfest machen.

Klar, ein Begriff ist der Dixi jedem waschechten BMW-Enthusiasten. Und auf Klassikerveranstaltungen bekommt man ab und zu ein Exemplar dieses Urahnen der bayrischen Sportwagen zu sehen.

Doch ein historisches Foto eines echten BMW „Dixi“ ist gar nicht so einfach aufzutreiben. Denn strenggenommen verdienen diese Bezeichnung nur die nach der Übernahme der Marke Dixi duch BMW im Dezember 1928 bis März 1929 weitergebauten Wagen des Typs Dixi 3/15 PS DA1.

Danach baute BMW eine weiterentwickelte Version, den 3/15 PS-Typ DA2, der nur noch als BMW bezeichnet wurde und bloß im Volksmund als Dixi bezeichnet wurde.

Mit etwas Geduld und Glück gelingt dann doch irgendwann der Fund eines der unter BMW kurze Zeit weitergebauten Dixi 3/15 PS DA1:

BMW_Dixi_3-15PS_DA1_2-Sitzer_Galerie

© BMW„Dixi“ 3/15 PS DA1, Ende der 1920er Jahre; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Dies ist zwar eine Amateuraufnahme, doch zeugt sie von einem an klassischen Vorbildern geschulten Auge. Der Bildaufbau mit mittig platziertem, scharf aufgenommenem Hauptmotiv, dekorativ herabhängendem Blattwerk und reizvollem, weichgezeichneten  Hintergrund ist beinahe lehrbuchmäßig. Auch technisch ist das ein hochwertiges Foto.

Uns soll aber vor allem der offene Zweisitzer interessieren, der an einem unbekannten Ort einst so gekonnt abgelichtet wurde. Dass es sich um das erste unter BMW-Kontrolle gebaute Auto handelt, zeigt sich bei näherer Betrachtung:

BMW_Dixi_3-15PS_DA1_2-Sitzer_Frontpartie

Auf den ersten Blick ähnelt das Fahrzeug dem ab Sommer 1929 gebauten BMW 3/15 PS-Typ DA2.

Doch das Fehlen der waagerechten Luftschlitze in der Motorhaube und die nicht bis auf das Trittbrett hinunterreichenden Tür verrät: Das ist einer der bis März 1929 gefertigten Wagen, die noch ganz dem Dixi 3/15 Typ DA1 vor der Übernahme durch BMW (Ende 1928) entsprechen.

Unter der Marke Dixi fertigte die Fahrzeugfabrik Eisenach seit 1904 mit wechselndem Erfolg hochwertige Mittelklassewagen und versuchte sich zeitweise auch im Bau von Luxusautos.

Angesichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten entschloss man sich in Eisenach 1927, den englischen Kleinwagen Austin Seven in Lizenz nachzubauen. Das leichte und wendige 750ccm-Gefährt wurde auch am deutschen Markt ein Erfolg, rettete die Firma aber nicht mehr.

Nach der Übernahme durch BMW Ende 1928 wurde der Dixi 3/15 PS DA1 noch kurze Zeit ohne Änderungen weitergebaut.

Lediglich die für Dixi typische Kentaurenfigur auf dem Kühlwasserdeckel musste vermutlich weichen. Dieses Detail ist ein Indiz dafür, dass es sich bei dem Wagen auf unserem Foto wohl um einen Dixi aus der Produktion nach der Übernahme durch BMW handelt.

Der Aufbau als zweisitziger Roadster lässt sich auf folgendem Bildausschnitt studieren:

BMW_Dixi_3-15PS_DA1_2-Sitzer_Heckpartie

Das roadstertypische leichte Verdeck verfügt über eine einfache Mechanik ohne die bei Cabrios übliche verchromte Haltestange. Im Unterschied zum Viersitzer fällt das Heck hinter den Sitzen abrupt ab.

Den Abschluss bildet das Reserverad im Motorradformat. Von motorisierten Zweirädern jener Zeit vertraut ist auch das „Zigarrenrücklicht“, das an der Unterseite ein Fenster zur Nummernschildbeleuchtung aufweist.

Der bullige Fahrer steht im Gegensatz zu dem filigranen Erscheinungsbild des Wagens und dürfte nicht gerade zur Verbesserung des Leistungsgewichts beigetragen haben. Bei nur rund 400 kg Fahrzeuggewicht machte sich unterschiedliche Zuladung rasch bemerkbar.

Das Paar im Dixi dürfte aber auch so glücklich gewesen sein. Für viele Käufer war dieses heute bescheiden anmutende Gefährt das erste Auto. Auf einmal über 15 Pferdestärken gebieten und sich über lange Strecken recht flott bewegen zu können, muss ein ungeheurer Schritt gewesen sein.

Das schön arrangierte Foto kündet vom einstigen Besitzerstolz und verrät, dass es bei einer gemeinsamen Ausfahrt von zwei Wagen des Typs Dixi 3/15 PS entstand.

BMW_Dixi_3-15PS_DA1_2-Sitzer_Abdeckung

Hier sehen wir die Heckpartie eines weiteren Roadsters. Auf der Abdeckung des Reserverrads sind die Anfangsbuchstaben des Markennamens Dixi zu erkennen. Fraglich ist, ob dieses Zubehör nach der Übernahme durch BMW weiter angeboten wurde. Denkbar ist auch, dass dieser Wagen aus der Zeit stammt, als die Eisenacher Fahrzeugwerke noch unabhängig waren.

Der Herr im Hintergrund hat sich mit Krawatte, Knickerbockern und Schirmmütze für eine gepflegte Landpartie zurechtgemacht. Dieses Erscheinungsbild galt in den späten 1920er Jahren als „sportlich“. Ein schönes Vorbild für Leute, die sich bei heutigen Veranstaltungen passend zu ihrem historischen Wagen kleiden möchten.

Vielleicht erkennt ein Leser die Szenerie im Hintergrund mit der an einem See gelegenen Burgruine wieder. Die römische Ziffer „I“ auf dem Kennzeichen des zweiten Dixi verrät, dass der Wagen im sächsischen Kreis Bautzen zugelassen war. Vermutlich ist das Foto auch in der dortigen Gegend entstanden.

Ein echter Dixi 3/15 PS DA1 aus der Zeit vor der Übernahme der Marke durch BMW ist übrigens auf diesem Blog ebenfalls vertreten (Bildbericht).

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Zur Abkühlung auf den Gotthardpass im Fiat 525

Der August 2016 neigt sich seinem Ende zu und zieht noch einmal alle Register. In der Wetterau – der alten Kulturlandschaft zwischen Taunus und Vogelsberg –  sind die Felder abgeerntet. Nachts liegt ein unvergleichlicher Duft über dem Land.

Nach einem eher mäßigen Juni und Juli zeigt sich nun der Hochsommer von seiner schönsten Seite. Am Tage sonnendurchglühter blauer Himmel, gefolgt von warmen Nächten mit Grillenzirpen – so soll es sein.

Die Eissalons haben Hochkonjunktur und dazu passt das folgende historische Foto, das im Frühsommer Anfang der 1930er Jahre aufgenommen wurde:

Fiat_525_um 1930_Gotthardpass_Galerie

© Fiat 525; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben sommerlich gekleidete Herrschaften offenbar ebenfalls den Wunsch nach Abkühlung verspürt. Die umseitige Notiz verrät, dass das Foto einst auf dem Gotthardpass in der Schweiz entstand.

Im Frühjahr und selbst im Sommer kann es passieren, dass der über 2.000 Meter hoch gelegene Gotthardpass noch oder wieder verschneit ist. Im Mai 2016 war dies ebenfalls der Fall, wie der Verfasser aus eigener Anschauung weiß.

Als es den Gotthardtunnel noch nicht gab, sah man zu, dass man den wichtigen Pass nach Oberitalien so weit freihielt, dass der Verkehr nicht völlig zum Erliegen kam. Dazu setzte man ab den 1920er Jahren motorgetriebene Schneepflüge ein.

Unser Foto zeigt so eine Situation, in der die Fahrbahn freigeräumt worden ist, links und rechts aber noch meterhohe Schneewände stehengeblieben sind. Uns interessiert vor allem das Auto. Zur Identifikation werfen wir einen Blick auf die Frontpartie:

Fiat_525_um 1930_Gotthardpass_Frontpartie

Das Emblem auf der Kühlermaske verrät bereits, dass es ein Fiat sein muss. Die Doppelstoßstange nach amerikanischem Vorbild, die großdimensionierten Scheinwerfer und die verchromte Verbindungsstange sprechen dagegen, dass dies bloß eines der verbreiteten Mittelklassemodelle vom Typ Fiat 509 ist.

Stattdessen haben wir es sehr wahrscheinlich mit einem 6-Zylinderwagen des Typs Fiat 525 zu tun, der von 1928-31 gebaut wurde. Das 3,7 Liter große Aggregat leistete knapp 70 PS und verfügte damit über ausreichend Reserven für Passfahrten.

Wer beim Stichwort „Fiat 6-Zylinder“ stutzt, sei daran erinnert, dass die Turiner Marke vor dem 2. Weltkrieg keineswegs nur brave 4-Zylinderwagen wie den Typ 501 baute. Auch die 6-Zylindermodelle 52o und 521 waren recht erfolgreich.

Das Nummernschild verweist auf eine Zulassung im schweizerischen Kanton Tessin (italienisch: „Ticino“). Von dort dürfte auch die Reisegesellschaft stammen:

Fiat_525_um 1930_Gotthardpass_Passagiere

Wir sehen hier sieben Personen im bzw. am Fiat. Zusammen mit dem Fotografen wären es acht Insassen, die auf eine große Ausführung des Wagens schließen lassen. Dies unterstützt die Annahme, dass das Auto ein Fiat 525 mit langem Radstand und nicht lediglich ein äußerlich ähnlicher, aber deutlich kürzerer Typ 521 ist.

Viel mehr ist nicht zu der Reisegesellschaft zu sagen, die mit Fiat und Chauffeur einst über den Gotthardpass fuhr und die Schneemassen neben der Fahrbahn nicht fürchtete.

Passend dazu läuft bis Oktober 2016 eine sehenswerte Ausstellung im Baseler Automuseum „Pantheon“, die der Geschichte des Gotthardpasses gewidmet ist und zahlreiche außergewöhnliche Zeitzeugen präsentiert.