David trifft Goliath – DKW F1 und Horch 8 Typ 350

Wer diesen Oldtimer-Blog schon länger verfolgt weiß, dass der Verfasser sich für so ziemlich jede Art von Vorkriegsautos erwärmen kann.

Ob US-Großserienfahrzeuge wie der Buick Master Six oder europäische Raritäten wie der Praga Grand 8 – ob Hubraumgiganten wie der Mercedes 28/60 PS oder Kleinwagen wie der Opel 4 PS „Laubfrosch“, ihnen allen lassen sich reizvolle Seiten abgewinnen – vor allem, wenn man sie auf historischen Originalfotos betrachtet.

Mit falsch verstandenem Prestigedenken und Geringschätzung des Bodenständigen tut man sich wie im richtigen Leben keinen Gefallen. Denn so verpasst man interessante Begegnungen wie die hier dokumentierte:

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Horch 8 Typ 350 und DKW F2; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Horch-Freunde unter den Lesern werden natürlich auf Anhieb das mächtige Cabriolet als 8-Zylinderwagen des ab 1928 gebauten Typs 350 mit 80 PS erkennen.

Mit diesem Luxusmodell aus Zwickau haben wir uns schon wiederholt befasst – für die Details sei daher auf das ausführliche Typporträt verwiesen.

Übrigens gehört das Foto zu einer ganzen Serie von Aufnahmen desselben Fahrzeugs, die die Zeiten in einem alten Fotoalbum überdauert haben. Mit diesen Fotos werden wir noch einige Blogeinträge bestreiten können.

Bevor wir uns dem spielzeughaft wirkenden Gefährt im Schlepptau des Horch nähern, hier noch ein Ausschnitt, der die Dimensionen des Wagens erkennen lässt:

Horch_350_Sedan-Cabriolet_Ausschnitt2

Ein so mächtiges Auto dennoch wohlproportioniert erscheinen zu lassen, das ist eine Kunst, die in Zeiten unförmiger PS-Monster verlorengegangen ist.

Diese Meisterwerke waren aber auch nicht für den aggressiven Auftritt auf der Autobahn, vor der Schule oder auf dem Parkplatz des Möbelmarkts gedacht. Sie sollten davon künden, dass man Geld und Geschmack hatte.

Das tat man idealerweise nicht mit einem zigtausendfach gebauten US-Automobil, sondern mit einem teureren Wagen aus einheimischer Manufaktur, der neben Technik vom Feinsten oft auch eine Spezialkarosserie edler Herkunft besaß.

Dennoch scheinen die Besitzer des Horch 8 Typ 350 auf dem Foto ihre Bodenhaftung nicht verloren zu haben. Offfenbar hatten sie keine Berührungsängste, was Automobile vom anderen Ende des Spektrums angeht:

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Was hier wie das Beiboot einer großen Motoryacht wirkt, ist ein DKW F1 in der Ausführung als 2-sitziges Cabriolet.

Das ab 1931 gebaute Wägelchen mit Zweizylinder-Zweitakter und 600ccm Hubraum sollte den Grundstein für den großen Markterfolg der ebenfalls im sächsischen Zwickau angesiedelten Firma DKW legen.

Mit Frontantrieb boten die DKW Zweitakter sogar eine gewisse technische Raffinesse, wenngleich der kurz vorher vorgestellte Stoewer V5 auf diesem Sektor das überzeugendere Gesamtkonzept aufwies.

Und wenn nicht gerade ein Horch-Achtzylinder neben ihm stand, wirkte selbst das kompakte 2-Sitzer-Cabrio des DKW F1 einigermaßen „erwachsen“:

DKW_F1_Cabriolet_1_Galerie

DKW F1; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der DKW, der auf dem ersten Foto mit dem Horch wie David gegen Goliath daherkommt, verdient auf jeden Fall einen Sympathiebonus.

Das auch, weil er der formal wohl gelungenste Kleinwagen aus deutscher Herstellung war, dessen Nachfolger in der Front-Luxus-Ausführung an die gestalterische Klasse der zeitgenössischen Horch-Wagen herankamen.

So schließt sich am Ende der Kreis, an dessen Anfang eine ganz unwahrscheinlich wirkende Begegnung stand…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

1929: Ein ganz spezieller Horch 350 an der Ostsee

Freunde des sächsischen Luxuswagenbauers Horch finden auf diesem Oldtimerblog für Vorkriegsautos reichlich Anschauungsmaterial – und das alles in Form historischer Originalfotos aus der Sammlung des Verfassers.

So sind die Giganten aus Zwickau in der Schlagwortwolke unten rechts mit am häufigsten vertreten. Obwohl Horch-Wagen schon immer selten waren, findet man überproportional viele alte Fotos davon.

Klar: Wer sich so etwas leisten konnte, musste nicht am damals noch teuren Filmmaterial  sparen und konnte Ausfahrten und Reisen großzügig dokumentieren.

Im Fundus schlummert noch ein ganzes Konvolut solcher Reisefotos mit ein und demselben Horch, das heben wir uns aber für den Winter auf.

Heute wollen wir die Horch-Bildergalerie weiter bestücken, und zwar mit einem speziellen Modell des Horch 350, den wir hier zuletzt in Form einer prächtigen 6-Fenster-Limousine zeigen konnten.

Zur Erinnerung: Der ab 1928 gebaute Typ 350 war das erste Horch-Achtzylindermodell, das seine außergewöhnliche Klasse auch in der Gestaltung erkennen ließ.

Die Vorgänger hätte man auch für irgendwelche US-Sechszylinder-Massenware halten können. Doch dieses mächtige Gefährt lässt auf den ersten Blick erkennen, dass es etwas ganz Besonderes ist:

Horch_350_Sedan_Cabriolet_2_Ausschnitt

Horch 350; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir außer dem für das Modell 350 typischen Lamellenkühler den geflügelten Pfeil, den der Wagen nur kurze Zeit nach Einführung trug. Er wurde bald durch eine weniger expressive geflügelte Weltkugel ersetzt.

Diese Kühlerfigur begegnet uns auch auf der Aufnahme, um die es heute eigentlich geht. Das Besonders daran ist der Aufbau, der sich in genau dieser Form in der dem Verfasser bekannten Literatur bislang nicht findet.

Bei der Gelegenheit sei wieder einmal das „Horch“-Standardwerk von Peter Kirchberg und Jürgen Pönisch gepriesen (hrsg. im Verlag Delius Klasing). Ausführlicher und sachkundiger wird man die Horch-Modellgeschichte andernorts kaum dargestellt finden. Zudem sind Fehler der älteren Literatur darin behoben.

Nun aber zu unserem Anschauungsobjekt:

Horch_350_Sedan_Cabriolet_Ostseebad_Graal_1929_Galerie

Horch 350; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die technische Qualität des Fotos lässt zwar zu wünschen übrig, doch ein eindrucksvolles Auto haben wir allemal vor uns. Über die Identifikation sind hier nicht viele Worte zu verlieren – wie gesagt: der Aufbau ist es, was uns interessiert.

Entstanden ist die Aufnahme laut umseitiger Aufschrift übrigens 1929 im Ostseebad Graal in der Nähe von Rostock. Die helle Lackierung passt gut zu einem Sommertag an der See und findet sich bei offenen Versionen dieses Typs öfters.

So wirkt der fünf Meter lange und rund 2 Tonnen schwere Wagen zumindest optisch leicht. Der 80 PS starke Motor mit 3,9 Liter Hubraum war für gepflegtes Reisen vollkommen ausreichend. Wichtiger als die Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h war die bis dahin in Deutschland unerreichte Laufkultur.

Der Besitzer hatte keine Kosten gescheut und sich sowie seinen Begleiterinnen einen besonders komfortablen Spezialaufbau gegönnt:

Horch_350_Sedan_Cabriolet_Ostseebad_Graal_1929_Ausschnitt

Wer schon einmal in einem offenen Tourenwagen oder viersitzigen Cabriolet der Vorkriegszeit unterwegs war, wird sich an das luftige Fahrerlebnis erinnern. Einen wirksamen Windschutz gab es nur auf den Vordersitzen, wo neben der Frontscheibe mitunter auch seitliche Windabweiser montiert waren.

Hier aber sehen wir eine offene viertürige Ausführung mit feststehender B-Säule und auf Wunsch versenkbarer Zwischenscheibe, die obendrein einen verstellbaren Sonnenschutz aufzuweisen scheint.

Eine solche Karosserie wurde als Sedan-Cabriolet bezeichnet, da sie Elemente einer Limousine (die starre B-Säule) mit einem vollständig niederlegbaren, gefütterten Verdeck verband.

Einen Horch 350 mit auf den ersten Blick ähnlichem Aufbau haben wir vor einiger Zeit schon einmal vorgestellt, nämlich diesen hier:

Horch_350_Sedan-Cabriolet2_Galerie

Horch 350; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch hier sehen wir eine starre B-Säule, doch fehlt hier die erwähnte zweite Scheibe zum Schutz der rückwärtigen Passagiere. Sie kann auch nicht heruntergekurbelt sein, denn dann würde man auf der Innenseite der in Fahrtrichtung rechten B-Säule eine entsprechende Führung sehen.

Demnach haben wir es auf dem 1929 an der Ostsee entstandenen Foto mit einer noch aufwendigeren Ausführung zu tun, die als Sonderversion zwar in der Literatur genannt wird, aber dort nicht abgebildet ist.

Zudem ist die Karosserie „unseres“ Horch 350 Sedan-Cabriolet „Spezial“ im Detail eleganter gearbeitet als die des zweiten, schwerfällig wirkenden Fahrzeug.

Als mögliche Hersteller dieses Sonderaufbaus des Horch 350 nennt die Literatur beispielsweise Baur aus Stuttgart und die Manufaktur Alexis Kellner aus Berlin, die für ihre extravaganten Aufbauten berühmt bis berüchtigt war.

Wie immer sind ergänzende Hinweise oder auch Korrekturen von sachkundigen Lesern hochwillkommen und werden im Blogeintrag berücksichtigt.

Bevor es mit dem Nachfolgemodell Horch 375 weitergeht, werden wir uns gelegentlich noch mit zwei weiteren Aufnahmen offener Versionen des Typs 350 beschäftigen, die auf ihre Weise ebenfalls kurios sind.

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Endlich auch optisch Luxusklasse: Horch 350

Die Wagen der legendären sächsischen Marke Horch werden auf diesem Oldtimerblog besonders genüsslich zelebriert. Nicht, weil es daneben nichts Vergleichbares gegeben hätte – ganz im Gegenteil.

Doch nach dem 1. Weltkrieg den schrittweisen Aufstieg des Premiumherstellers in die Luxusklasse nachzuvollziehen, bereitet einfach Freude. Wie wohl kein anderer deutscher Autobauer sind die Zwickauer dabei äußerst planvoll gegangen.

Während andere Marken in den 1920er Jahre meinten, nebenher natürlich auch Achtzylinder entwickeln zu können, war man sich bei Horch der Komplexität der Aufgabe bewusst und investierte erst einmal drei Jahre Entwicklungsarbeit.

Denn ein Achtzylinder ist nicht einfach ein doppelter Vierzylinder. Um seine Stärken, souveräne Kraftentfaltung und im Idealfall vollkommen ruhigen Lauf, voll zum Tragen kommen zu lassen, bedarf es sorgfältiger Abstimmung.

Nach Vorstellung des ersten Achtzylindermodells Ende 1926 war man bei Horch von der Qualität des Geleisteten so überzeugt, dass man sich ganz darauf beschränkte – unternehmerisch mutig, aber letztlich genau der richtige Weg.

Schon mit den ersten ab 1927 gebauten Achtzylindern hatte Horch einen Erfolg, der anderen Anbietern verwehrt blieb. Dies war weder eine Frage des Preises noch des formalen Erscheinungsbilds:

Horch_305_früh_Photo_Berlin-Wilmersdorf_Ausschnitt

Horch 305; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die frühen Horch Achtzylinder waren mächtige Automobile, doch sahen sie nicht annähernd so teuer aus, wie sie waren.

Wäre da nicht das gekrönte „H“ auf der Kühlermaske, könnte man den Wagen auf obigen Foto für einen Sechszylinderwagen aus US-Massenproduktion halten. Wir haben uns mit diesen frühen Horch-Achtzylindern übrigens bereits hier befasst.

1928 war dann das Jahr, in dem Horch nicht nur bei der Motorisierung eine Schippe drauflegte, sondern nun auch in formaler Hinsicht alle Register zog.

Der Hubraum wurde von 3,4 auf 4 Liter gesteigert, die Höchstleistung erhöhte sich von 65 auf 80 PS. Dabei hielt man an der präzisen Ventilsteuerung über zwei obenliegende Nockenwellen fest, die über eine Königswelle angetrieben wurde.

Die Frontpartie dieses neuen Typs Horch 350 wurde deutlich aufgewertet, wie wir auf dieser Aufnahme sehen können, die im April 1931 in Bamberg entstand:

Horch_350_1_Bamberg_04-1931_Galerie

Horch 350; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dass der Wagen mit Berliner Zulassung (Kennung: „I A“) hier auf den ersten Blick nicht sonderlich groß wirkt, liegt weniger an der eindrucksvollen Kulisse der historischen Bauten im Hintergrund, die Bamberg sehenswert machen.

Nein, es ist die schiere Größe des stattlichen Herrn, der hier neben dem 1,90m hohen Horch posiert. Für ihn hätte der Wagen kaum kleiner ausfallen dürfen…

Für sich betrachtet, stellt sich die Sache ganz anders dar – hier haben wir klar ein Fahrzeug der Luxusklasse vor uns:

Horch_350_1_Bamberg_04-1931_Ausschnitt

Bei unveränderter Grundform hatte man dem Horch 350 größere Scheinwerfer und an der Motorhaube angebrachte Positionsleuchten spendiert. Doch vor allem die verchromten Lamellen im Kühler lassen den Wagen weit wertiger erscheinen.

Zum eleganten Auftritt tragen außerdem die harmonisch gerundeten Vorderschutzbleche bei, die im Unterschied zu den Vorgängertypen nun wie „aus einem Guss“ wirken und ohne rustikale Sicken auskommen.

Zu verdanken war das überzeugende neue Erscheinungsbild dem zuvor nur als Werbegrafiker bekannten Gestalter Oskar Hadank, der mit der Frontpartie des Horch 350 sein Können auch auf einem ungewohnten Feld bewies.

Kein Wunder, dass der neugestaltete und noch souveräner motorisierte Horch 350 der bis dahin größte Erfolg der Zwickauer Manufaktur wurde.

Von 1928 bis 1932 – in einer für den Absatz von Luxuswagen in Deutschland denkbar ungünstigen Zeit – fanden fast 3.000 dieser Automobile einen Käufer. Kein anderer deutscher Hersteller von 8-Zylinderwagen konnte da mithalten.

Wer den Horch 350 noch gern aus einer anderen Perspektive sehen würde, dürfte an der folgenden Aufnahme desselben Fahrzeugs Freude haben:

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Horch 350;  Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir „unseren“ Berliner Horch irgendwo im Alpenraum, vermutlich ebenfalls Anfang der 1930er Jahre.

Es ist nicht ganz eindeutig, ob der Herr, der sich auf’s Ersatzrad stützt, identisch ist mit der voluminöser wirkenden Person auf der Aufnahme aus Bamberg.

Jedenfalls steht sein (mutmaßlicher) Sprößling auf der anderen Seite dem Horch in punkto kolossaler Erscheinung nicht nach. Wie gesagt, dieses Modell war 1,90 m hoch, doch offenbar waren diese Horch-Besitzer „gut genährt“.

Der Abzug lässt im übrigen einige Details besser erkennen als die erste Aufnahme:

Horch_350_2_Galerie

Hier ist das gekrönte „H“ auf der Kühlermaske und die „8“ auf der Strebe zwischen den Scheinwerfern klar zu sehen, ebenso das mit einem Bären dekorierte Emblem des „Berliner Automobil Clubs“ (BAC).

Die Kühlerfigur – eine geflügelte Weltkugel – verweist auf eine Entstehung ab 1929, zuvor trug der Horch 350 kurzzeitig einen geflügelten Pfeil als Markenzeichen.

Doch dieses Detail behalten wir uns für ein anderes Originalfoto eines Horch 350 mit einer ganz besonderen Karosserie vor…

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Die ersten 8-Zylinder von Horch: Typen 303 bis 305

Die Typengeschichte von Vorkriegswagen aus dem deutschen Sprachraum möglichst vollständig in historischen Fotos zu dokumentieren – das ist eines der Ziele dieses Oldtimerblogs.

Was bei Herstellern wie DKW, Hanomag und Opel recht einfach ist, wird bei Nischenmarken wie NAG, Protos und Stoewer zum Geduldspiel. Doch die Bildergalerien füllen sich auch dort allmählich – zur Freude von Kennern auf der ganzen Welt.

Erstaunlich leicht dokumentieren lässt sich die komplexe Modellhistorie von Horch. In der Sammlung des Verfassers finden sich inzwischen Belegfotos von fast jedem Typ, die hier nach und nach publiziert werden.

Heute füllen wir eine Lücke zwischen dem letzten 4-Zylinderwagen der Zwickauer Marke – dem Modell 10/50 PS – und dem bereits vorgestellten frühen 8-Zylindertyp 305 von 1927/28. 

Der Horch 305 hatte einen Vorläufer, der der erste Achtzylinder des sächsischen Luxusherstellers war. Das war der Typ 303 bzw. 304, der im Herbst 1926 präsentiert wurde und Horch in die automobile Oberliga katapultierte:

Horch_303_oder_304_Galerie

Horch 303 oder 304; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das also soll der erste 8-Zylinderwagen von Horch sein, der den bis heute anhaltenden Ruhm der 1945 untergegangenen Marke aus Sachsen begründete?

Ja, so unauffällig kann Luxus daherkommen und es muss einst Leute gegeben haben, denen es genügte, selbst zu wissen, wie gutsituiert sie waren. Nur 1.700 Wagen dieses weit über 10.000 Reichsmark teuren Typs wurden hergestellt.

Technisch gehörte der Wagen zum Feinsten, was es in Deutschland zu kaufen gab: Der 3,1 Liter messende, 60 PS starke Motor verfügte über eine Ventilsteuerung mittels Königswelle und zwei obenliegenden Nockwellen, präziser geht es kaum.

Trotz des hohen Gewichts von fast 2 Tonnen erreichte der Horch-8-Zylinder im 4. Gang die Marke von 100 km/h. Alle Räder wurden über eine servounterstützte Bremse verzögert; die Elektrik war auf 12 Volt ausgelegt.

Woran erkennt nun man ein solches Fabeltier? Schauen wir genauer hin:

Horch_303_oder_304_Ausschnitt0

Auf der schlichten Kühlermaske zeichnet sich das gekrönte „H“ ab, das erstmals beim Vierzylindertyp Horch 10/50 PS auftauchte. An der Marke gibt es somit keinen Zweifel.

Dass wir aber einen der frühen 8-Zylindertypen vor uns haben, verrät ein Detail: Die seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube sind in einem aufgesetzten Blech zusammengefasst und nehmen deutlich mehr Platz ein als beim Vorgänger.

Für das Modell 303/304 spricht außerdem die Form der Vorderschutzbleche, die im Unterschied zum Nachfolger 305 noch ausgeprägte Sicken besaßen und nicht wie „aus einem Guss“ wirkten.

Unser Foto vermittelt außerdem etwas von der Selbstzufriedenheit der Besitzer, die an einem sonnigen Tag mit Chauffeur und Wagen abgelichtet wurden.

Horch_303_oder_304_Ausschnitt1

Auch der Chauffeur scheint bester Laune zu sein – ein schöner Schnappschuss!

Nebenbei sei auf die stattliche Trockenmauer verwiesen, die von einer der untergegangenen handwerklichen Fertigkeiten unserer Altvorderen kündet.

Heutzutage sieht man allerorten außer barbarischem Sichtbeton entweder in schauerliche Metallgerüste gekippte Bruchsteine („Gabionen“) oder nach Manier von Fred Feuerstein aufgestapelte Riesenblöcke aus dem Steinbruch.

Man muss kein Kulturpessimist sein, um die grassierende Hässlichkeit und Unfähigkeit zu dauerhaften und ansprechenden Bauten in unserer Zeit bedenklich zu finden – der Verlust an über Jahrhunderten gewachsenen Gewissheiten und Kompetenzen ist in jedem Neubaugebiet zu besichtigen…

Dem setzen wir hier bewusst die Hervorbringungen einer Vergangenheit entgegen, in der man noch eine klassische Formensprache beherrschte. Dazu gehören die klaren, jeden Exzess meidenden Karosserien der 1920er Jahre:

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Horch 305; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese majestätische Sechsfenster-Limousine ist sehr wahrscheinlich eine frühe Version des Horch 305, der Ende 1927 den 8-Zylinder-Erstling 303/304 ablöste.

Hinter dem konservativen Erscheinungsbild verbirgt sich ein auf 3,4 Liter vergrößerter Reihenachter mit nunmehr 65 PS. Die Fahrleistungen blieben jedoch im wesentlichen unverändert.

Die Doppelstoßstange verweist auf ein fortgeschrittenes Stadium der Modellpflege, während die kantigen Kotflügel und das Fehlen von Positionslampen noch an den Vorgänger erinnern.

Die Karosserie scheint ein Aufbau nach Weymann-Patent zu sein. Demnach ist nur der Vorderwagen in Stahl ausgeführt, der Rest in einer leichten und geräuscharmen Holz-Textil-Konstruktion:

Horch_305_früh_Photo_Berlin-Wilmersdorf_Ausschnitt

Die umseitige Aufschrift des Fotos verrät, dass dieser Horch einst in Berlin-Wilmersdorf zugelassen war. Die Aufnahme selbst dürfte in einer der waldreichen Gegenden im Umland der Hauptstadt entstanden sein.

Wie so oft bei diesen Aufnahmen der Vorkriegszeit fragt man sich, was aus den  darauf abgebildeten Personen in den folgenden Jahren geworden ist. NS-Diktatur, Krieg und Bombenterror forderten auch von den Vermögenden ihren Tribut.

Während von den hochkarätigen Horch-Automobilen der 1930er Jahre immerhin etliche das Inferno des 2. Weltkriegs überlebt haben, scheinen ihre Vorgänger der späten 20er weitgehend ausgestorben zu sein.

Oft genug sind solche Fotos alles, was von ihnen, ihren Besitzern und glücklichen Momenten geblieben ist…

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Zu Unrecht vergessenes Erfolgsmodell: Horch 10/50 PS

„Es geht ungerecht zu in Deutschland“, diese bedeutende Feststellung machte kürzlich ein zu Höherem berufener Politiker, dessen Name dem Verfasser gerade entfallen ist.

Aus Sicht der Freunde von Vorkriegsautos, um die es auf diesem Oldtimerblog geht, sind ebenfalls schwerwiegende Ungerechtigkeiten zu beklagen.

Beispielsweise kann nicht jeder eines der grandiosen 8-Zylinder-Cabriolets haben, die die sächsische Manufaktur Horch einst in den 1930er Jahren baute:

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Horch 930 V; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Immerhin kann man auf einschlägigen Veranstaltungen eine beachtliche Zahl an Überlebenden dieser durch den 2. Weltkrieg dezimierten Gattung bestaunen.

Vom oben gezeigten Typ 930 V wurden von 1937 bis 1940 über 2.000 Stück gefertigt. Damit gehört das Modell zu den meistgebauten Horchs überhaupt.

Doch ein anderes Zwickauer Erzeugnis, das noch etwas öfter produziert wurde – in über 2.300 Exemplaren – bekommt man heute praktisch nie zu sehen. Das liegt vor allem daran, dass es sich nicht um einen der prestigeträchtigen 8-Zylinder handelte.

Hinzu kam die für ein Luxusauto bemerkenswert einfallslose Gestaltung. Bei anderen Hervorbringungen derselben Ära – den Bauhaus-Produkten – würde dies heute als grandiose Schlichtheit gepriesen.

Gemeint ist also ein Horch aus den 1920er Jahren, als Walter Gropius mit seiner funktionalistischen Bauhaus-Ideologie die Zerstörung unserer Großstädte durch gesichtslose Einheitsarchitektur vorbereitete.

Vorgestellt haben wir das Fahrzeug, um das es heute geht, schon vor längerer Zeit. Allerdings fand sich damals kein besseres Foto als dieses hier:

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Zwar ließ sich dieser Tourenwagen als Horch 10/50 PS identifizieren, doch dass die Kühlerpartie verdeckt ist, war unbefriedigend. Heute können wir diesem Mangel ein Ende bereiten.

Zuvor sei noch einmal an die technischen Qualitäten des von 1924-26 gebauten Wagens erinnert: Der Horch 10/50 PS hatte nur einen 2,6 Liter messenden Vierzylindermotor, aber einen von der feinsten Sorte.

Die im Zylinderkopf hängenden Ventile wurden von einer obenliegenden Nockenwelle betätigt, die ihrerseits von einer Königswelle angetrieben wurde – damals die präziseste und zugleich aufwendigste Ventilsteuerung.

Der Motorblock bestand aus einer Aluminiumlegierung, auch die Kolben waren aus Leichtmetall gefertigt. Hochbelastete mechanische Elemente wurden nitridiert, also mit Stickstoff oberflächengehärtet.

Der Antrieb genügte trotz des Gewichts von bis zu 2 Tonnen (je nach Aufbau) für 100 km/h Spitze – aber das war ein theoretischer Wert. Durchzugsvermögen und Steigfähigkeit waren wichtiger, dazu passend besaß der Horch 10/50 PS serienmäßige Vierradbremsen.

Mit diesem technischen Glanzstück machte Horch seinem hervorragenden Ruf alle Ehre und so wurde das 10/50 PS-Modell zum ersten größeren Absatzerfolg der Zwickauer, obwohl die Banalität des Serienaufbaus schwer zu übertreffen war:

Horch_10-50_PS_Limousine_Galerie

Horch 10/50 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Fast könnte man meinen, Bauhaus-Diktator Gropius habe sich bereits hier einmal an einem Automobil versucht und nicht erst 1930 am Adler Standard 6 bzw. 8.

Ähnlich schlichte Kühlerformen fanden sich damals auch bei anderen Herstellern, zum Beispiel Fiat. Doch dort waren sie mit klassischen Proportionen verknüpft, die Linien waren konzentrierter und das Ganze saß wie ein italienischer Maßanzug.

In England oder gar Frankreich wäre ein Hersteller von Luxuswagen mit so einem „Kohlenkasten“ jedenfalls durchgefallen, und auch in Deutschland fanden sich bei Nischenherstellern wie Simson und Steiger weit raffiniertere Linien. 

Doch möglicherweise kam gerade die Schlichtheit des ersten Horchs, der nach dem 1. Weltkrieg einen Flachkühler statt des zuvor modischen Spitzkühlers trug, gut an. Denn mit diesem unscheinbaren Auto wirkte man nicht wie ein „Kriegs- und Krisengewinnler“, was im politisch spannungsreichen Alltag der 1920er Jahre Vorteile hatte.

Auch wenn das Modell weit von den späteren Großtaten der Karosseriegestalter bei Horch entfernt ist, werfen wir einen näheren Blick auf die Frontpartie, an der sich die typischen Elemente gut nachvollziehen lassen:

Horch_10-50_PS_Limousine_Ausschnitt

Förmlich ins Auge springt auf diesem Ausschnitt das Markenemblem, ein gekröntes H, das Horch bei diesem Modell erstmals verwendete.

Ein weiteres Merkmal, das bei der Identifikation hilft, ist die sehr weit unten angebrachte Reihe an Luftschlitzen in den Flanken der Motorhaube. Horch-typisch, zumindest um diese Zeit, sind außerdem die pilzförmigen Nabenkappen.

Auffallend ist der stark gebrauchte Zustand des in Sachsen (Kennung „IM“) zugelassenen Horch 10/50 PS. Offenbar bereitete es den Besitzern des Wagens keine Probleme, mit einem verbogenen Schutzblech herumzufahren.

Zu solcher Gleichgültigkeit erzogen die damaligen Straßenverhältnisse mit reichlich Dreck auf den Chausseen und ein entspannteres Verhältnis zu Spuren des Gebrauchs.

Der eigentliche Luxus bestand darin, über ein derartiges Vehikel zu verfügen, das einen unabhängig von Zugfahrplänen und vom Wetter machte.

Besitzer solcher Wagen reisten viel, denn dabei entfaltete sich der eigentliche Nutzen – nach Gusto durch die Welt fahren zu können, sei es über gepflasterte Alleen an die Strände der Ostsee oder über geschotterte Alpenpässe an den Gardasee.

Das malträtierte Schutzblech verrät auch, dass diese Karosserie möglicherweise nicht im Werk gefertigt wurde. Die Kühlerpartie ist zwar typisch für das Modell und dürfte kaum variiert worden sein, aber der übrige Aufbau scheint woanders entstanden sein.

Dafür sprechen die vorn flach und abgerundet auslaufenden Schutzbleche. Bei Werkskarosserien sah das nämlich so aus:

Horch_10-50_PS_Tourer_Frontausschnitt

Neben den spitz zulaufenden Kotflügeln sehen wir die mächtigen Trommeln der Vorderradbremsen, die sich Mitte der 1920er Jahre durchzusetzen begannen.

Interessant ist auch, dass die typischen Nabenkappen hier verchromt sind. Könnte das ein Hinweis auf eine spätere Entstehung des eingangs gezeigten Horch 10/50 PS sein?

Bei solchen Details muss man sich jedoch bewusst sein, dass man es mit Manufakturwagen zu tun hat. Da darf man nicht erwarten, dass einer wie der andere aussah, schon gar nicht nach ein paar Jahren der Nutzung.

Außerdem wurden Automobile schon immer gern „individualisiert“ oder auf „aktuell“ getrimmt. Das abschließende Foto eines Horch 10/50 PS-Tourers ist ein Beispiel:

Horch_10-50_PS_Tourenwagen_Galerie

Horch 10/50 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was man hier schön nachvollziehen kann, ist die schiere Größe des Horch 10/50 PS. Selten ist das kolossale Platzangebot eines großen Tourenwagens so gut zu erkennen.

Hier finden sechs Personen mühelos Platz, was auch bei Limousinen dieser Klasse Standard war. Auf Reisen war immer noch Platz genug für das Gepäck von vier Insassen.

Am vergessenen Konzept des Tourenwagens, der bis Mitte der 1920er Jahre das Automobil schlechthin darstellte, lässt sich vielleicht am ehesten veranschaulichen, was sich in den letzten 90 Jahren in punkto Mobilität geändert hat.

Aus dem für die Wunder von Stadt und Land offenen Wagen, die ein zuvor undenkbar privilegiertes Reisen ermöglichten, wurden geschlossene, unübersichtliche Kabinen auf vier Rädern, die vor allem dem individuellen Transport abhängig Beschäftigter zum Arbeitsplatz dienen.

Kein Wunder, dass die Besitzer heutiger Gefährte, die bizarre Bezeichnungen wie „Captur“ und „Cactus“ tragen und eine wirre Formensprache aufweisen, kein Bedürfnis verspüren, ihre zum baldigen Austausch bestimmten Mobile zu verschönern.

Dagegen meinte der einstige Besitzer der Horch 10/50 PS Tourenwagens, zumindest in einem Detail mit der Zeit gehen zu müssen:

Horch_10-50_PS_Tourenwagen_Ausschnitt1

Dieser Horch, dessen Bleche ebenfalls etliche Veränderungen erfahren haben, die moderne Besitzer zur Weißglut bringen würden, ist eindeutig ein 10/50 PS-Modell.

Doch auf dem Kühler trägt er die 1928 für die 8-Zylinder-Typen eingeführte Kühlerfigur, einen geflügelten Pfeil – heute der Alptraum aller TÜV-Prüfer.

Auch diese Aufnahme gibt Anlass, über die Originalitäts-Ideologie nachzudenken, die hierzulande oft zur Rückrüstung auf den Auslieferungszustand führt – auch bei Autos, die komplett und strukturell intakt die Zeiten überdauert haben.

Im Fall des Horch 10/50 PS scheint die Frage „Restaurieren oder Erhalten?“ aber ohnehin eine eher theoretische zu sein. Denn von diesem einstigen Erfolgsmodell haben wohl kaum welche die Zeiten überdauert.

Hinweise auf noch existierende Wagen dieses Typs – ganz gleich in welchem Zustand – sind daher hochwillkommen.

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Ein Horch-Kombi mit „Gläser“-Karosserie

Ein Kombi von der sächsischen Luxusmarke Horch? Das lässt nichts Gutes erwarten – vermutlich ein Nachkriegsumbau, bei dem eine Limousine zum Nutzfahrzeug mutierte. Aber das ausgerechnet von der Dresdener Manufaktur Gläser?

Nun, tatsächlich haben wir es nicht mit einem nach 1945 modifizierten Horch-Prestigewagen zu tun. Obwohl auch das aus Sicht des Verfassers ein spannendes Thema wäre…

Solche historischen Umbauten sind nämlich wirklich einzigartig und außerdem authentisch – im Unterschied zu modernen Specials, für die offenbar immer noch Autos mit originalem Aufbau geopfert werden.

Das Auto, das heute im Mittelpunkt steht, führt uns bis in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg zurück- und zwar in das Jahr 1913.

Damals entstand nämlich bei Gläser der erste Aufbau des Typs, den wir auf dem folgenden Foto sehen:

Horch_1912-14_Gläser-Aufsatzlimousine_Galerie

Horch von 1913/14 mit Gläser-Karosserie, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zugegeben, das in einer Garage oder Werkstatt entstandene Bild ist nicht gerade von bester Qualität, stellenweise hat außerdem der Zahn der Zeit an dem Abzug genagt.

Doch solche auf den ersten Blick unscheinbaren Dokumente bergen immer wieder Überraschungen. Bevor wir klären, was es mit dem Aufbau auf sich hat, machen wir uns an die Identifikation des Wagens.

So wenig charakteristisch das Fahrzeug für das ungeschulte Auge wirkt, so eindeutig lassen sich Marke und Entstehungszeit ermitteln. Dabei helfen uns zwei charakteristische Elemente an der Vorderpartie:

Horch_1912-14_Gläser-Aufsatzlimousine_Frontpartie

Die drei nach hinten geneigten Luftschlitze in der Motorhaube sind typisch für Horchs ab 1911. Zeitgleich hatte man einen ansteigenden Windlauf eingeführt, der den Übergang von der Motorhaube zur Frontscheibe harmonisch wirken ließ.

Entscheidend für die Datierung ist die Form der Kühlermaske. So unscharf sie auch wiedergegeben ist, zeichnet sich doch ein nach vorn vorkragender Überhang an der Oberseite ab – somit haben wir es mit einem „Schnabelkühler“ zu tun.

Dieses Element taucht bei den Horch-Wagen ab 1913 auf, um nach dem 1. Weltkrieg wieder zu verschwinden.

1913 war  – wie gesagt – auch das Jahr, in dem Gläser erstmals eine Karosserie baute, wie sie dieser Horch trägt. Und das war tatsächlich ein Kombiaufbau!

Allerdings ist der Begriff hier anders zu verstehen als heutzutage. Was es mit der Karosserie auf sich hat, lässt sich auf folgendem Bildausschnitt erkennen:

Horch_1912-14_Gläser-Aufsatzlimousine_Heckpartie

In Anbetracht des Zustand des Fotos und dem mit der Digitalisierung verbundenen Detailverlust braucht der Betrachter eine kleine Anleitung, um das zu sehen, was sich auf dem originalen Abzug klar abzeichnet.

Dazu beginnt man beim hinteren Seitenfenster. Dort sieht man auf der hellen Stelle unterhalb des Fensters eine dunkle Linie, die nach hinten ansteigt.

Diese Linie verliert sich kurz, führt dann aber weiter ansteigend bis zum Heckabschluss. Dort, wo die Karosserie endet, sieht man auf derselben  Höhe eine leichte Kante – das Oberteil ragt etwas über den Unterbau hinaus.

Die senkrecht verlaufenden Reflexionen auf der Heckpartie weisen ebenfalls einen leichten Versatz dort auf, wo sie die beschriebene ansteigenden Linie kreuzen.

Das war etwas anstrengend, aber lohnend. Denn damit ist klar, dass wir es mit einer der raren Aufsatzkarosserien zu tun haben, die Gläser ab 1913 für Horch anbot.

Damit wurde der Wagen in dem Sinne zu einem Kombi, dass er zwei verschiedene Karosserieformen vereinte.

Zum einen war er eine Limousine mit geschlossenen Aufbau wie auf unserem Foto. Zum anderen ließ sich der Aufbau oberhalb der Gürtellinie abnehmen, sodass man auf einmal einen offenen Tourenwagen hatte.

Wer genau hinsieht, kann erkennen, dass die horizontale Unterteilung der Karosserie weiter nach vorn reicht und an der B-Säule ausläuft.

Wer’s nicht nachvollziehen kann, sei auf das Horch-Standardwerk von Kirchberg/Pönisch verwiesen, wo auf Seite 110 genau solch ein Horch zu sehen ist, bei dem die Aufsatzkarosserie über dem Tourenwagen-Unterbau schwebt.

Hier eine zeitgenössische Abbildung, die zeigt, wie schnittig der mächtige Horch mit aufgesetztem Limousinenaufbau von vorne aussah:

Horch_40-50_PS_Ausstellung_St_Petersburg_Motor_07-1913_Galerie

Horch-Limousine von 1913, ausgestellt in Sankt Petersburg, aus: Motor, 07-1913

Auch aus dieser Perspektive wird deutlich, dass die Horch-Wagen schon vor dem 1. Weltkrieg beeindruckende Gefährte waren.

Wann und wo unser Ausgangsfoto einst entstanden ist, wissen wir leider nicht. Die gasbetriebenen Scheinwerfer am Horch machen eine Entstehung der Aufnahme noch vor dem 1. Weltkrieg wahrscheinlich.

Bleibt am Ende die Frage, um welchen Typ es sich genau handelt. Nun, das lässt sich von außen nicht genau sagen, da die zahlreichen Motorisierungsvarianten mit äußerlich kaum unterscheidbaren Aufbauten daherkamen.

Kurz vor dem 1. Weltkrieg, als der Wagen auf dem Foto gebaut wurde, waren Horchs dieser Größenordung mit 4-Zylinder-Motoren von 30 bis 60 PS verfügbar, deren Hubräume von 2,6 bis 6,4 Liter reichten.

Das drehmomentgewaltige 25/60 PS-Modell wäre der wahrscheinlichste Kandidat für den Wagen auf dem Foto, weil für ihn eine Gesamthöhe von 2,30 m angegeben wird, was zu den Dimensionen passen würde.

Sicher sein kann man sich allerdings nicht, zumal da es sich um einen Sonderaufbau handelte, und letztlich ist diese Gläser-Kombi-Karosserie weit interessanter als das Aggregat unter der Haube…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Lauter Charakterköpfe & ein Veteran: Horch 8/24 PS

Betreibt man einen Oldtimerblog für Vorkriegsautos, gehört man hierzulande zu einer raren Spezies. Angeblich interessiert sich ja keiner mehr für diese Fahrzeuge.

Doch stellt man alte Originalfotos von Veteranenwagen ins Netz, bekommt man fast täglich Post von Gleichgesinnten aus dem deutschen Sprachraum.

Manche Leser wollen bloß loswerden, dass ihnen das Stöbern auf diesen Seiten Freude macht – gern geschehen! Andere können etwas Erhellendes beitragen – danke dafür!

Willkommen sind auch Zuschriften, in denen jemand um die Identifikation eines Fotos aus Familienbesitz bittet. Im Idealfall wird dann mit etwas Detektivarbeit die Welt der Altvorderen wieder lebendig.

Überhaupt sind Bilder, auf denen alte Autos zusammen mit Menschen zu sehen sind, dem Verfasser die liebsten. Manchmal stößt man auf Dokumente, die schlicht grandios sind, obwohl man das Fahrzeug darauf kaum wird identifizieren können:

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Landaulet eines unbekannten Herstellers; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier posieren 17 Mitglieder einer Familie vor einem herrlichen Landaulet – der für das Arrangement verantwortliche Hund im Vordergrund sei ebenfalls erwähnt.

Was für eine Aufnahme! Wir sehen Vertreter von vier Generationen, die ältesten davon wurden noch zu einer Zeit geboren, als niemand etwas von Automobilen ahnte.

Entstanden sein muss diese großartige Aufnahme kurz nach dem 1. Weltkrieg. Keine der Damen trägt mehr einen Hut; einen Bart hat sich nur der alte Herr ganz links aus der untergegangenen Kaiserzeit hinübergerettet.

Die selbstbewusste junge Frau neben ihm ist vielleicht der eindrucksvollste Zeuge einer neuen Epoche. Eine berührende Aufnahme – leider lässt sich derzeit nicht sagen, was das für ein Wagen im Hintergrund ist.

So wenden wir uns einem anderen Foto zu, auf dem ebenfalls jede Menge Charakterköpfe zu sehen sind. Hier kommen die Veteranenfreunde auf ihre Kosten:

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Veteranenwagen um 1925; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Nein, wir werden jetzt nicht auf jedes der Automobile eingehen und auch nicht die Aufmachung der 15 Herren erörtern, die vor über 90 Jahren ins Objektiv schauten.

Für eine Datierung um 1925 spricht der Opel ganz links. Das majestätische Fahrzeug in der Mitte dagegen gibt noch Rätsel auf  – wer hat eine Idee?

Interessant ist auf jeden Fall der Wagen auf der rechten Seite. Er lässt sich genau identifizieren und stellt durchaus eine Überraschung dar. Denn als diese Aufnahme entstand, gehörte das Fahrzeug eigentlich schon zum alten Eisen.

horch_8-24_p_opel_10-40_ps_unbekannt_ausschnitt

Solche birnenförmigen Flachkühler gab es kurz vor dem 1. Weltkrieg bei einigen Automobilen aus deutscher Produktion, beispielsweise bei NSU.

Auch der hier zu erkennende Aufbau mit „windschlüpfrig“ ansteigender Abdeckung über der Schottwand ist typisch für viele Wagen der Zeit um 1910. 

Die zeitgenössische Bezeichnung „Torpedoform“ für diese dynamische neue Linienführung wird aus der frontalen Perspektive besonders nachvollziehbar.

Die Identifikation der Marke ermöglicht letzlich nur ein kleines Detail, das auf folgendem Ausschnitt zu sehen ist:

horch_8-24_p_opel_10-40_ps_unbekannt_ausschnitt2

Auf der ovalen Plakette unterhalb des Kühlwasserstutzens kann man mit etwas gutem Willen den Schriftzug „Horch“ erahnen.

Diese Emblem in Verbindung mit dem birnenförmigen Flachkühler verweist auf das ab 1911 gebaute Modell Horch 8/24 PS. Ein Belegfoto findet sich auf S. 123 des Standardwerks „Horch“ von Kirchberg/Pönisch aus dem Verlag Delius-Klasing.

Ignorieren muss man in diesem Zusammenhang die elektrischen Scheinwerfer des Wagens auf unserem Foto. Diese sind wohl nachgerüstet worden; immerhin war der Horch zum Aufnahmezeitpunkt bereits rund 15 Jahre alt.

Doch war er zumindest nach deutschen Maßstäben noch konkurrenzfähig. In der Klasse bis 25 PS boten damals Hersteller wie Adler und Opel Wagen an, die technisch nicht wesentlich weiter waren; sie sahen bloß moderner aus.

Der Horch 8/24 PS verfügte bis zum Ende seiner Bauzeit (1922!) über einen 2,1 Liter messenden 4-Zylindermotor konventioneller Bauart. In Verbindung mit dem Vierganggetriebe ermöglichte das Aggregat ein Höchsttempo von 70 km/h.

Wer das nicht sonderlich eindrucksvoll findet, bedenkt nicht den Zustand der damaligen Straßen. Selbst Mitte der 1920er Jahre waren hierzulande geschotterte Pisten der Normal- bzw. der Idealfall.

Nur rund 900 Exemplare des Horch 8/24 PS wurden einst gebaut. Daran mag man ermessen, wie selten so ein Auto bereits Mitte der 1920er Jahre war. Heute dürfte es davon – wenn überhaupt – noch eine handvoll geben.

Auch das macht die Beschäftigung mit Veteranenwagen zu einer exklusiven und spannenden Angelegenheit. Selbst ein Foto eines solchen Fahrzeugs inmitten lauter Charakterköpfe ist heute eine Rarität!

Novemberausflug im Horch 350 Sedan-Cabriolet

Der November des Jahres 2016 neigt sich seinem Ende zu und zeigt sich – zumindest was die Temperaturen angeht – winterlich. In diesen Tagen fegt der Wind die letzten Blätter von den Bäumen – die Natur präsentiert sich leblos und kalt.

Eine ganz ähnliche Situation sehen wir auf folgendem Foto: kahle Bäume, kaltes Licht – aber auch einige Optimisten, die im Cabriolet unterwegs sind:

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© Horch 8, Typ 350, Sedan-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Dass dies nicht ein x-beliebiger Tourenwagen ist, dessen Besitzer sich bloß keinen geschlossenen Aufbau leisten konnten, verrät schon der großzügige Umgang mit Chrom an den gewaltigen Scheinwerfern und den Radkappen.

Selbst ohne Ausschnittsvergrößerung erkennt man auf der Radkappe vorne links ein „H“, was auf die sächsische Luxuswagenschmiede Horch verweist. Ab 1928 tauchte dieses Detail an den modernen Achtzylindertypen der Marke auf.

Auch die Kühlerfigur – ein geflügelter Pfeil auf nach vorn geneigter Stütze – wurde in dieser Zeit erstmals montiert. Damit kommen die kurzzeitig parallel produzierten Typen Horch 305 (1927-28) und 350 (1928-32) in Frage.

Horch_350_Sedan-Cabriolet_1_Frontpartie.jpg

Was zu beiden Typen nicht passt, sind die Positionsleuchten auf den Vorderschutzblechen. Sie sollten ausweislich der Literatur (Kirchberg/Pönisch:  Horch – Typen, Technik, Modelle, 2011) erst beim Nachfolgetyp 375 dort sitzen. Dieser verfügte jedoch über eine dreigeteilte Stoßstange und andere Luftschlitze.

Vermutlich scheinen manche Details je nach Karosserieausführung unterschiedlich ausgefallen zu sein, was übrigens die Abbildungen im genannten Buch selbst belegen.

Eigentümlich ist auch der viertürige Cabriolet-Aufbau. Diese Ausführung wurde seinerzeit als Sedan-Cabriolet bezeichnet und scheint von Firmen wie Baur, Gläser und Kellner für die Modelle Horch 305 und 350 angeboten worden zu sein.

Doch wer genau hat diese opulente Karosserie einst geschaffen? Die Literatur liefert bislang jedenfalls keine Entsprechung.

horch_350_sedan-cabriolet_1_heckpartie

Vielleicht liefern die Trittschutzbleche am Schweller und die eigenwilligen Zierleisten an der Oberseite der Türen einen Hinweis auf den Hersteller.

Bis auf Weiteres gehen wir davon aus, dass die Basis für diesen mächtigen Wagen ein Horch des Typs 350 lieferte – einfach weil er weit länger als der 305 gebaut wurde.

Dass den Besitzern des Horch irgendwann doch kalt geworden sein muss, belegt folgende Aufnahme desselben Autos, die das Cabriolet geschlossen zeigt:

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© Horch 8, Typ 350, Sedan-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Lesern dieses Oldtimerblogs sei versichert, dass es sich um denselben Horch handelt. Tatsächlich gibt es noch etliche weitere Aufnahmen dieses eindrucksvollen Achtzylinders, die den Wagen auf Fernreisen zeigen.

Doch diese Bilder müssen noch ein wenig warten. Jetzt folgen erst einmal der Jahreszeit gemäß vorzugsweise winterliche Fotos anderer Vorkriegsautos…

Horch 8-Zylinder mit Anhängerkupplung

Die Wagen von Horch aus Zwickau in Sachsen genießen unter Freunden deutscher Vorkriegsautos weltweit einen einzigartigen Ruf.

In der Tat: Die Schöpfungen von Horch aus den späten 1930er Jahren gehören zum elegantesten, was je eine Automobilfabrik in Deutschand verlassen hat. Doch der Weg bis zu diesen Spitzenleistungen war weit und so gibt es einige frühere Horch-Modelle, die formal eher dröge waren.

Ausgerechnet die ersten ab 1927 gebauten 8-Zylindermodelle von Horch, deren Doppelnockenwellenmotor eine Delikatesse war, kamen mit einer Karosserie daher, die sich kaum von US-Massenware jener Zeit abhob (Beispiel hier). Es sollte noch etwas dauern, bis Horch das gestalterische Niveau erreichte, für die die leider (oder vielleicht zum Glück) untergegangene Marke berühmt ist.

Heute zeigen wir ein weiteres Beispiel eines frühen Horch-Achtzylinders, bei dem die Zeichner offenbar noch auf der Suche nach Inspiration waren:

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© Horch 8, Typ 400; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Der erste Gedanke des Verfassers war: „Ah, mal wieder ein Horch-Kübelwagen“. Doch fairerweise muss man sagen, dass dieser noch sachlicher gestaltet war (Beispiel hier).

Die militärische Anmutung rührt vom in Wagenfarbe lackierten Kühlergrill her. Doch die Chromstoßstangen und die fehlenden Tarnüberzüge an den Scheinwerfern verweisen auf eine zivile Herkunft dieses Modells.

Dass es ein Horch ist, beweist der nähere Blick auf die Kühlermaske, wo man das gekrönte „H“ ahnen kann, das das Markenzeichen von Horch war.

horch_400_sport-cabriolet_frontpartie

Kurioserweise fehlen die Flügel an der Weltkugel, die seit 1929 als Kühlerfigur an allen Horch-Modellen fungierte.

Details wie die leicht nach vorne geschwungenen Scheinwerferhalter, die Doppelstoßstange und die geprägten Radkappen sprechen aber für einen Horch der Baureihe 400, die als letzte den von Paul Daimler konstruierten 8-Zylinder besaß.

Das Aggregat mit über Königswelle angetriebenen obenliegenden Nockenwellen leistete nach wie vor 80 PS aus knapp 4 Litern Hubraum. Dank des neu entwickelten Kastenrahmens hatte der Horch 8 Typ 400 aber erheblich abgespeckt.

Der Rahmen war dennoch robust genug, um den Einsatz als Zugfahrzeug zu erlauben, wie unser Foto beweist:

horch_400_sport-cabriolet_heckpartie

Wie man sieht, handelt es sich beim Aufbau des Horch um ein Zweifenster-Cabriolet. Es wurde zwar als „Sport-Cabriolet“ angepriesen, erreichte aber wie die anderen Ausführungen gerade einmal die Marke von 100km/h.

Mit dem Anhänger im Schlepptau waren sportliche Ambitionen erst recht illusorisch, oder vielleicht doch nicht? Die Gesamtsituation spricht nämlich dafür, dass sich unter dem langen Anhänger ein Segelflugzeug verbirgt!

Das würde gut zum Kennzeichen des Horch passen, wonach der Wagen zur deutschen Luftwaffe gehörte (das Kürzel WL stand für „Wehrmacht Luftwaffe“). Da das Auto noch keine Tarnscheinwerfer besitzt, muss dieses Foto noch zu Friedenszeiten entstanden sein.

Der Fahrer des Horch und zugleich der Fotograf dieser einzigartigen Aufnahme, wird demnach ein Militärflieger gewesen sein, der den Horch wohl auch privat nutzen konnte. Möglicherweise war es einst sogar sein eigener Wagen.

Er hat auf diesem schönen Foto zugleich seine charmante Begleiterin mit Hund verewigt. Was wohl aus dem Paar und dem Horch in den folgenden Kriegsjahren geworden ist? Wir wissen es nicht.

Doch zumindest das Fotoalbum von einem der beiden hat es bis in unsere Zeit geschafft, sonst besäßen wir dieses Dokument eines Moments vor 80 Jahren nicht…

Großfamilie im Horch 8 Typ 350 Pullman-Cabriolet

Zu den reizvollen Seiten der Beschäftigung mit Vorkriegsautos, wie sie auf diesem Oldtimerblog gepflegt wird, gehört der Kontrast zur Gegenwart, der auf alten Abbildungen der Fahrzeuge deutlich wird.

Das gilt nicht nur für die Fahrzeuge, die eine faszinierend andere Formensprache aufweisen, in die sich mancher vom strukturlosen zeitgenössischen „Design“ Geschädigte erst hineinfinden muss.

Auch die Aufnahmesituation mitsamt einstigen Besitzern und Insassen kann Anlass zu mancherlei Betrachtung geben. Genau deshalb werden hier bevorzugt alte Privatfotos gezeigt, die eine untergegangene Welt wiedererstehen lassen.

Das heutige Beispiel zeigt nicht nur ein besonders spektakuläres Fahrzeug, es gibt auch dem Begriff der Familienkutsche seinen ursprünglichen Sinn zurück:

horch_8_typ_305_galerie

© Horch 8, Typ 350; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

In diesem Prachtauto – zum genauen Typ kommen wir noch – befinden sich acht Personen und man hat nicht den Eindruck, sie säßen in einer Sardinenbüchse.

In modernen „SUVs“, die dem umbauten Raum nach vergleichbar sind, werden heutzutage ein, zwei Kinder von der Schule abgeholt – auch bei schönstem Wetter, versteht sich. Der Verfasser kann das täglich in seinem beschaulichen Heimatort beobachten, wo das Gymnasium bestens mit Bahn, Bus oder Fahrrad erreichbar ist.

Ein mit einer Großfamilie vollbesetztes Auto wird man heute selten finden – schon deshalb, weil die meisten Wagen heute auf den Rückbänken keinen ausreichenden Platz bieten. Wer meint, auf dem Foto sei eine Art Ausflugsbus zu sehen, irrt: Das abgebildete Gefährt misst 5 Meter – das sind nur 15 cm mehr als ein VW Sharan. Das Geheimnis liegt in der Art des Aufbaus – dazu später mehr.

Schauen wir erst einmal, wie sich Marke und Typ identifizieren lassen:

horch_8_typ_305_frontpartie

Vorne an der Kühlermaske ist schemenhaft ein gekröntes „H“ zu sehen – seit 1924 das Emblem der sächsischen Luxusmarke Horch. An der Verbindungsstange zwischen den Scheinwerfern ist eine „8“ in einem Kreis angebracht – ein Horch Achtzylinder!

Das seitlich auf die Motorhaube aufgesetzte Blech mit den Luftschlitzen verrät, dass es ein recht früher Horch 8 sein muss. Deutschlands erster Achtzylinderwagen war 1927 präsentiert worden und war anfänglich formal noch wenig raffiniert.

Eines der ersten Exemplare (Typ 305) haben wir hier kürzlich vorgestellt; dort ist auch einiges zum damals hochmodernen Antrieb zu lesen. Der Wagen auf unserem Foto kann aber nicht mehr zu dieser allerersten Serie des Horch 8 gehören, denn: Die Kotflügel sind vorne gerundet, nicht abgekantet, und die Positionslampen sitzen auf den Schutzblechen, nicht mehr am Ende der Motorhaube.

Außerdem verfügt der Wagen über die erst 1929 eingeführte Kühlerfigur, eine geflügelte Weltkugel. Damit kommt nur der über das Jahr 1928 hinaus gebaute Typ 350 in Frage. Ein Typ 375 kann es noch nicht sein, da dieser bereits eine dreiteilige Stoßstange besaß und zudem in die Haube gepresste Luftschlitze aufwies.

Gegenüber dem Ausgangstyp 305 mit 65 PS standen beim Typ 350 bereits 80 PS zur Verfügung, die allerdings auch dringend gebraucht wurden: Je nach Karosserie wog der Wagen über 2 Tonnen! Die Marke von 100 km/h erreichte er knapp.

Abschließend noch ein näherer Blick auf den Aufbau:

horch_8_typ_305_seitenpartie

Die sechs Fenster waren zwar herunterkurbelbar, die senkrechten Holme blieben aber stehen. Dies ist typisch für ein sogenanntes Pullman-Cabriolet, das drei bequeme Sitzreihen bot. Dabei befand sich die Rückbank hinter der Hinterachse.

Platz für einen Koffer war nicht vorhanden, weshalb ein solcher Wagen als Urlaubsgefährt nicht in Betracht kam. Es war vielmehr ein repräsentatives Ausflugsfahrzeug für Leute, die neben viel Geld auch viele Kinder hatten.

Wer in die Gesichter der Insassen schaut, gewinnt den Eindruck, dass bis auf den Beifahrer alle eng miteinander verwandt waren. Genaueres -auch zum Ort der Aufnahme wissen wir leider nicht.

Übrigens: Das Standardwerk zu Horch-Automobilen von Peter Kirchberg und Jürgen Pönisch (Delius-Klasing, 2011) nennt im Anhang zwar diverse Hersteller solcher Pullman-Cabrio-Aufbauten für den Typ 375, aber keinen für den Typ 350.

Möglicherweise zeigt unser Foto ein bisher unbekanntes Exemplar eines Horch 8 des Typs 350, Baujahr 1929.

Spitzentechnik brav verpackt: Horch 8 Typ 305

Die einstige Luxuswagenmanufaktur Horch aus dem sächsischen Zwickau ist auf diesem Oldtimerblog bislang nur mit wenigen Originalfotos vertreten – angesichts der geringen Gesamtproduktion zwischen 1900 und 1940 kein Wunder.

Die opulent gestalteten 8-Zylinderwagen, die Horch in den 1930er Jahren fertigten, sind zwar recht oft auf historischen Fotos zu finden. Sie waren im 2. Weltkrieg beliebte Stabsautos und wurden entsprechend häufig von Soldaten fotografiert.

Nur mit Glück gelangt man dagegen an Bilder früher Typen, die noch nicht die formale Klasse späterer Modelle erreichten. Der 10/50 PS-Vierzylinderwagen, mit dem Horch in den 1920er Jahren einigen Erfolg hatte, wurde hier bereits vorgestellt.

Heute können wir eine Aufnahme des ersten 8-Zylinder-Horch präsentieren, mit dem der Aufstieg der Marke in die automobile Spitzenklasse begann:

horch_8_12-60ps_galerie

© Horch 8, Typ 305; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das soll ein Horch sein? Nun, zunächst dachte der Verfasser bei diesem Foto aus der 1-Euro-Preisklasse auch an irgend ein US-Massenfabrikat der 1920er Jahre.

In der Tat kann man sich kaum eine beliebigere Karosserie als diese vorstellen. Immerhin lassen die vier Türen und sechs Seitenfenster, die man erst beim zweiten Hinschauen sieht, auf beachtliche Dimensionen schließen.

Der Aufnahmewinkel lässt den Wagen kürzer wirken, als er tatsächlich war. Das Modell, mit dem wir es hier zu tun haben, war 4,70 m lang und 1,90m hoch.

Dies lässt sich deshalb so genau sagen, weil kleine Details verraten, dass hier ein früher Horch 8 zu sehen ist – der erste deutsche Achtzlinderwagen.

horch_8_12-60ps_frontpartieWer genau hinschaut und das Markenzeichen von Horch – ein gekröntes „H“ – kennt, kann ein solches auf der Front der Kühlermaske erahnen. Skeptikern sei versichert, dass dies auf dem Originalabzug recht deutlich zu erkennen ist. Der an das Adler-Emblem erinnernde dreieckige Schatten darunter täuscht.

Die arg simple Kühlerform entspricht im Wesentlichen derjenigen des Vierzylindermodells 12/50 PS. Doch im Unterschied zu diesem reichen hier die seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube weit höher.

Der von Paul Daimler konstruierte Reihenachtzylinder mit 3,1 (später 3,4) Liter Hubraum erforderte deutlich mehr Kühlung. Mit leiser und präziser Ventilsteuerung über zwei königswellengetriebenen Nockenwellen unterstrich das Aggregat den Luxuswagenanspruch von Horch.

So begeistert Deutschlands erster Serien-Achtzylinder 1927 aufgenommen wurde, so einfallslos wirkte das äußere Erscheinungsbild dieses technischen Sahnestücks. Auch die Seitenpartie liefert keine Überraschungen, bloß soliden Standard:

horch_8_12-60ps_seitenpartie

Immerhin erkennt man die beiden Trittschutzbleche auf dem Schweller, deren Form der beim frühen Horch 8 entspricht. Die verchromte Arretierung des Ersatzrads passt ebenfalls zu Horch-Modellen um die Mitte der 1920er Jahre.

Den verchromten Felgenrand gab es nur beim Horch 8 des etwas stärker motorisierten Typs 305, der 65 statt 60 PS leistete. Damit erreichte die knapp 2 Tonnen schwere Pullman-Limousine immerhin 100 km/h.

1928 wurden die bislang einfallslos gezeichneten Horch 8 endlich durch attraktiv gestaltete Modelle abgelöst, die bei technisch gleicher Konzeption eine großzügige Motorleistung von 80 PS boten. Ein reizvolles Originalfoto eines solchen Wagens wird hier gelegentlich veröffentlicht.

Übrigens: Im Standardwerk zu Horch von Peter Kirchberg und Jürgen Pönisch (Verlag Delius Klasing, 2011) findet man auf Seite 239 ein restauriertes Exemplar genau des Typs auf unserem Foto.

Unterwegs zu acht, im Horch-Vierzylinder…

Moment, wird mancher denken – muss das nicht heißen: „Unterwegs zu viert im Horch-Achtzylinder?“ Nein, muss es nicht.

Wer mit der Marke Horch aus Zwickau nur 8-Zylinder-Typen verbindet, kann auf diesem Oldtimer-Blog noch etwas dazulernen. Hier werden Wagen der Vorkriegszeit – speziell deutscher Marken – nämlich nicht nach Prestigewert vorgestellt.

Vielmehr werden Klassiker aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anhand von Originalfotos besprochen, die in der bekannten „Bucht“ im Netz für symbolische Beträge ans Gestade gespült wurden.

Heute ist folgende Aufnahme an der Reihe, die schon eine Weile im Fundus schlummert. Zunächst ist unklar, was für ein Auto dort (kaum) zu sehen ist:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_galerie

© Horch 12/50 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Szene ist von großem Reiz, weil auf solchen Aufnahmen selten alles so perfekt passt wie hier: Bildausschnitt, Belichtung, Schärfe und vor allem interessant wirkende Menschen, die zu posieren wissen.

Hier ist kein tumber Metzgermeister oder feister Kommerzienrat nebst Gattin bei der Sonntagsausfahrt im Buick oder großen Opel zu sehen. Solche Bilder gibt es zuhauf und das ungesunde Aussehen der Leute lässt oft den schönsten Wagen fad wirken.

Die Porträtierten auf unserem Bild gehören erkennbar zur „besseren Gesellschaft“ – in dem Sinne, dass sie schon länger mit gehobener Lebensart vertraut sind. Dazu passt auch die Wahl der Marke ihres Wagens.

So unglaublich es scheint: Nicht nur Hersteller und Typ, auch Motorisierung und Baujahr lassen sich angeben. Dazu braucht man zunächst eine geeignete Ausgangshypothese.

Wagen mit ähnlicher Frontpartie wurden am deutschen Markt einige verkauft: Elite, Fiat, NSU und NAG bauten in den 1920er Jahren solche Modelle. Doch der Abgleich mit der Literatur liefert keine vollkommene Übereinstimmung.

Nur ein Hersteller bleibt als Verdächtiger übrig: Die Luxuswagenmanufaktur Horch aus Zwickau in Sachsen. Es ist kein Zufall, dass Fotos von Horch-PKW auf diesem Blog bislang die Ausnahme darstellen – die Autos waren ja ebenfalls Raritäten.

Nur von den für Reichswehr und Wehrmacht in großer Zahl gebauten Horch-Kübelwagen finden sich öfters Bilder. Von den frühen PKW-Typen von Horch konnte hier bisher nur der folgende präsentiert werden:

Horch_10-50PS_1924-27 Dieses ebenfalls sehr ausdrucksstarke Foto der späten 1920er Jahre und den abgebildeten Typ Horch 12/50 PS haben wir hier bereits ausführlich besprochen. Wie sich zeigen wird, ist auf unserem Ausgangsfoto eine Pullman-Limousine desselben Typs zu sehen.

Bei der Identifikation helfen folgende Details: 1. ist bei beiden Wagen der Abstand zwischen der Oberkante der Luftschlitze in der Motorhaube und der Haubenoberseite auffallend groß; 2. sind die Räder mit sechs verchromten Radbolzen befestigt; 3. ist der senkrechte Kühlergrill vorne flach und steigt zum Wassereinfüllstutzen an.

Das sind genügend Indizien, um eine Ansprache als Horch von der Mitte der 1920er Jahre zu erlauben. Endgültige Gewissheit liefert folgender Bildausschnitt:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_kuhlerpartieSo unscharf die Vorderpartie des Wagens auch ist – für den Fotograf standen die Personen im Mittelpunkt – so kann man auf der Front der Kühlermaske doch das gekrönte „H“ erahnen, dass typisch für Horch-Automobile jener Zeit war.

Der erste Horch, der dieses Emblem ab 1925 trug, war besagter Typ 10/50 PS. Er war der letzte der erfolgreichen Vierzylinderwagen, die Horch nach dem 1. Weltkrieg neu auf den Markt brachte.

Diese Fahrzeuge verfügten über kopfgesteuerte Ventile, Motorenblöcke und Kolben aus Aluminiumlegierungen sowie erstmals am deutschen Markt Vierradbremsen. Auch Getriebe (4 Gänge) und Fahrwerk waren grundlegend überarbeitet worden.

Zumindest die bis 1926 gebaute 50 PS-Version war ausreichend motorisiert. Die Pullman-Limousine auf unserem Foto wog immerhin über 2 Tonnen (ohne Insassen).

Damit wären wir bei der Zahl der Insassen in dem großzügigen Horch. Es müssen mindestens acht gewesen sein. Beginnen wir links:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_eltern_m_kind

Es wird wohl niemand der Annahme widersprechen, dass dies Eltern mit ihrer kleinen Tochter sind, die Ähnlichkeit untereinander ist einfach zu groß.

Die Kleine mit ihrem wollenen Mäntelchen sitzt offenbar auf dem Reserverrad und scheint einen Zweig in der Hand zu halten, die der Vater umfasst.

Es war wohl ein kühler Tag, an dem diese Aufnahme entstand, übrigens in der Nähe der Kinderheilanstalt Hohenlychen /Brandenburg, wie umseitige Aufschrift verrät.

Rechts neben der kleinen Familie finden sich zwei weitere (mutmaßliche) Paare:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_paare

Alle vier wirken wie echte, selbstbewusste Persönlichkeiten.

Eindrucksvoll ist der vornübergebeugt stehende Herr ganz rechts. Er muss über 1,90 m groß gewesen sein, denn er erreicht fast die Höhe des 2 Meter hohen Horch. Auch die übrigen (erwachsenen) Porträtierten waren daran gemessen keineswegs klein.

Zählt man nun zusammen, haben wir es mit sieben Insassen des Horch 12/50 PS zu tun. Wer aber ist die im Titel erwähnte Nummer 8? Das könnte der Fotograf sein, doch vielleicht hat man ja eine Kamera mit Stativ und Selbstauslöser verwendet…

Nun, eine Etage tiefer gibt es noch eine weitere Persönlichkeit, die in die Kamera schaut:

horch_10-50_ps_limousine_hohenlychen_hund

Für diesen kleinen Hund war auf jeden Fall noch Platz im Horch, selbst wenn es am Ort unserer Aufnahme auch noch einen Fotografen gegeben hat.

Es fällt auf, dass auf vielen Aufnahmen von Automobilen der Vorkriegszeit auch ein Hund zu sehen ist, der wie selbstverständlich für die Kamera posiert. Auch das scheint sich der seit Jahrtausenden treueste Begleiter des Menschen abgeschaut zu haben…

Baden gehen – mit dem Horch 830 R Kübelwagen

Dieser Oldtimerblog konzentriert sich zwar auf zivile PKW der Vorkriegszeit. Behandelt werden aber auch militärisch genutzte Beutefahrzeuge. Außerdem werden auf Zivilmodellen basierende Kübelwagen präsentiert.

Anhand von Originalfotos vorgestellt wurden hier bislang die Kübelwagentypen Adler 12N-RW, Adler 12N-3G, BMW 3er, Hanomag 4/23 PS, Mercedes-Benz 170 VK, Stoewer M12 RW und Wanderer W11 12-50PS.

Heute haben wir es mit zwei Aufnahmen des Horch 830 R Kübelwagen zu tun, der hier und hier bereits dokumentiert ist. Er wurde von 1934-37 in rund 4.500 Exemplaren gebaut. Damit dürfte er einst das verbreitetste Modell der sächsischen Marke überhaupt gewesen sein.

Die Grundlage lieferte der zivile Horch 830. Ein Cabriolet dieses 8-Zylindertyps wurde in diesem Blog bereits besprochen (Bildbericht). Die markante Frontpartie der zivilen Variante wurde für den Horch 830 R Kübelwagen weitgehend übernommen. Selbst auf die vier Auto-Union-Ringe mochte man dabei nicht verzichten.

Bis zum Aufkommen des legendären VW Typs 82 waren alle Kübelwagen der Wehrmacht solche faulen Kompromisse. Die Fahrzeuge waren sehr schwer, durstig und nur eingeschränkt geländetauglich.

Bei Übungen vor Kriegsbeginn scheint man nichts von den Einsatzbedingungen geahnt zu haben, denen die Kübelwagen vor allem an der Ostfront ausgesetzt sein würden.

So beschränkten sich die Erprobungen auf den Truppenübungsplätzen eher auf Planschen in großen Pfützen. Das bescherte den Soldaten verschärften Putzaufwand, aber keine Erfahrung unter frontähnlichen Bedingungen:

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© Horch 830 R Kübelwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese einst zur Veröffentlichung gedachte Originalaufnahme zeigt einen Horch 830R Kübelwagen auf einem von Fahrspuren geprägten Übungsgelände.

Zum Augenblick der Aufnahme wird der Wagen gerade in eine Wasserlache gelenkt. Der Fotograf steht selbst darin, mehr als eine große Pfütze kann es also nicht gewesen sein. Auch der grimmige Gesichtsausdruck des Fahrers kann darüber nicht hinwegtäuschen:

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Die beiden Männer vorne sind Unteroffiziere, wie an den silbernen Litzen am Kragen zu erkennen ist. Sie und der seelenruhig in die Kamera schauende einfache Soldat auf der Rückbank tragen Helme des seit dem 1. Weltkrieg gebräuchlichen Typs M18.

Dieser wurde 1935 durch ein Modell ersetzt, das bessere Sicht gewährte, die alte Form wurde aber weiterverwendet. Das Wappen auf dem Helm in den Hoheitsfarben des Deutschen Reichs verschwand 1940, da es die Tarnwirkung beeinträchtigte.

Dieses Detail sowie das Fehlen von Tarnüberzügen auf den Scheinwerfern und die Beschränkung auf den eher symbolischen 5-Liter-Benzinkanister hinter dem Reserverad sprechen für eine Entstehung des Fotos vor Kriegsausbruch. 

Wie solche Fahrzeuge später im Fronteinsatz herangenommen wurden, lässt ansatzweise folgendes Foto erahnen, das wohl während des Russlandfeldzugs entstand:

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© Wehrmachts-Fahrzeuge bei einer Bachdurchquerung; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Beim Vorrücken eines Wehrmachtsverbands müssen die improvisiert bepackten Fahrzeuge einen Bach durchqueren. Der Wagen im Vordergrund – wohl ein Dreiachser – befindet sich bis zu den Radnaben im Wasser, tiefer hätte es kaum sein dürfen.

Leider findet man in der Literatur kaum Angaben zur Tiefwatfähigkeit deutscher Kübelwagen. Lediglich für den Wanderer W11 werden über 50 cm angegeben, was als herausragend galt.

Ungeachtet ihrer begrenzten Geländegängigkeit wurden die Horch 830 R für ihre Robustheit geschätzt. Ihre großvolumigen, elastischen Motoren waren standfester als manches kleinere Aggregat (bis der VW-Kübel kam…).

So ist es kein Zufall, dass der Horch-Kübelwagen oft von den Landsern fotografiert wurde, wenn es die Situation zuließ, so auch hier:

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© Wehrmachtssoldaten mit Horch 830 R Kübelwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Foto muss einst ebenfalls an einem Gewässer entstanden sein. Hinter den beiden Männern in Badehose liegt ein aufgepumpter Autoreifen. Das Bild könnte in den 1930er Jahren am Berliner Wannsee entstanden sein.

Nur der in die Ferne gehende, ernste Blick der Beiden und das Auto im Hintergrund lassen ahnen, dass diese Aufnahme mitten im Krieg während einer Rast hinter der Front entstanden sein muss.

Dass wir es hier nicht mit Soldaten einer beliebigen Nachschubeinheit zu tun haben, die ein relativ sicheres Dasein hatten, verrät das Emblem auf dem in Fahrtrichtung rechten Schutzblech des Horch 830 R Kübelwagen hinter ihnen:

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Das von einem Kreis umgebene stilisierte Hakenkreuz war das Abzeichen der 8. Jäger-Division, die 1934 in Schlesien gebildet worden war. Diese Kampfeinheit nahm an den Feldzügen gegen Polen 1939 und Frankreich 1940 teil.

Ab 1941 war die Einheit fast ununterbrochen an der Ostfront im Einsatz. Nach schweren Rückzugskämpfen wurde sie 1944 nach Rumänien verlegt und befand sich bei Kriegsende auf tschechischem Gebiet, wo die Überlebenden in russische Gefangenschaft gerieten.

Ob die beiden Maskottchen am Kühlergrill des Horch 830 R den Männern auf unserem Foto Glück gebracht haben, darf der Wahrscheinlichkeit nach bezweifelt werden.

Sie sind im Vertrauen auf die Regierung in Berlin und die militärische Führung im wahrsten Sinne des Wortes „baden gegangen“. Eine Mahnung, gegenüber dem Machbarkeitswahn von Politikern und sonstigen Rudelführern skeptisch zu sein…

Exklusiver geht’s kaum: Audi Typ E 22/55 PS Tourenwagen

Damit keiner meint, auf diesem Blog gebe es in Sachen altes Blech nur Standard (hier und hier), bringen wir heute mal wieder etwas richtig Exklusives, einen Audi!

Audi, sind das nicht diese rasenden Vertreterkisten, die gefühlt mindestens 50 % der linken Autobahnspur für sich beanspruchen? Oder waren das nicht früher biedere Mittelklassemobile, mit denen man nicht von der Schule abgeholt werden wollte?

Weit gefehlt: Hier geht es um Audis aus einer Zeit, in der die Wagen zum Seltensten gehörten, was man auf Deutschlands Straßen zu Gesicht bekam.

Vor 100 Jahren war Audi ein Premiumhersteller, der von den meisten Typen nur ein paar hundert Exemplare baute. So verfügt der Verfasser zwar über Originalfotos von Raritäten wie AGA, Brennabor, NAG, Presto oder Stoewer, die hier nach und nach vorgestellt werden. Doch bei den frühen Audis herrscht bislang Fehlanzeige.

Dank eines Lesers dieses Blogs – Udo Ammerschuber aus Weimar (Thüringen) – können wir heute ein besonderes Prachtexemplar präsentieren:

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© Audi Typ E 20/55 PS Tourenwagen, Mitte der 1920er Jahre; Bildrechte: Udo Ammerschuber

Bevor wir den genauen Typ besprechen, ein kurzer Rückblick zur Markenhistorie: Zu den Gründern von Audi gehörte August Horch – neben Daimler und Benz der wohl wichtigste deutsche Autokonstrukteur der Frühzeit. Horch verließ 1909 das unter seinem Namen firmierende Unternehmen im sächsischen Zwickau aufgrund interner Querelen.

Rasch gelang es Horch, das Kapital für eine Neugründung einzusammeln. Ein brillianter Schachzug war die Namensgebung: „Audi“ bedeutet schlicht „Horch!“ auf Lateinisch, es klingt außerdem nach „Auto“ und ist den meisten Sprachen mühelos auszusprechen.

Ab 1910 wurden dann die ersten Audis gebaut – natürlich in Zwickau, damals einer der wichtigsten Standorte der deutschen Autoindustrie. Die Stückzahlen blieben gering, Audi wollte von Anfang als Qualitätsmarke wahrgenommen werden.

Enormes Ansehen brachten die Siege bei der Österreichischen Alpenfahrt 1911-14. Hinter dem harmlosen Namen verbarg sich eine knüppelharte Zuverlässigkeitsprüfung, die sich zuletzt über knapp 3.000 km mit 30 Alpenpässen erstreckte.

Das spektakuläre Abschneiden der Audi-Teams kam dem Markenimage auch nach dem 1. Weltkrieg zugute, als zunächst die Vorkriegstypen weitergebaut wurden.

Damit wären wir bei dem Foto, das uns Udo Ammerschuber freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Er hat es im Fotoalbum der Familie gefunden und weiß, dass es den Wagen seines Urgroßvaters zeigt; Marke und Typ waren ihm aber unbekannt.

Nun, da können wir Abhilfe schaffen. Wie so oft bei Tourenwagen der Vorkriegszeit ist die Gestaltung der Frontpartie entscheidend. Schauen wir genauer hin:

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Vom Kühlergrill sieht man nicht viel, aber umso mehr von der Kühlerfigur – einer „1“, die von der in Fahrtrichtung linken Seite gesehen richtig herum steht. Ab 1923 war die „1“ das Markenzeichen von Audi – ein erstes wichtiges Indiz, wenn auch noch kein Beweis.

Geht man nun mit der Arbeitshypothese „Audi Tourenwagen Mitte der 1920er Jahre“ die Bilder in der einschlägigen Literatur durch, findet man genau eine Entsprechung: den von 1913-24 gebauten Audi Typ E 22/55 PS.

Nur er weist die charakteristische Abfolge von vier Luftschlitzen in der Motorhaube und zwei weiteren im Seitenteil auf. Auf dem Foto von Udo Ammerschuber ist der untere Teile der Luftschlitze nicht zu sehen, da das Original an dieser Stelle beschädigt ist. Retuschen halfen hier nur bedingt, das ursprüngliche Erscheinungsbild herzustellen.

Zum Vergleich sei auf den Audi Typ E auf Seite 60 des im Verlag Delius-Klasing erschienen Standardwerks „Audi-Automobile 1909-40“ von Kirchberg/Hornung verwiesen. Der dort in der Mitte links abgebildete Wagen stimmt in allen Details mit dem Fahrzeug auf dem Foto überein.

Wie muss man sich den auf dem Foto nur teilweise zu sehenden Kühler dieses Wagens vorstellen? Zufälligerweise hat der Verfasser 2013 beim Festival de l’Automobile im elsässischen Mühlhausen die Frontpartie eines ähnlichen Audi jener Zeit fotografiert, leider ohne die charakteristische Eins auf dem Kühler:

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© Audi Spitzkühler-Tourenwagen, Anfang der 1920er Jahre; Bildrechte: Michael Schlenger

Es handelt sich um einen Spitzkühler, wie ihn etliche deutsche Autos kurz vor und nach dem 1.Weltkrieg trugen. So markant fiel er aber nur bei den damaligen Audis aus.

Nach so viel formalen Details ein paar Worte zur Technik: Der Audi Typ E 22/55PS war vor und nach dem 1. Weltkrieg das Spitzenmodell der Zwickauer Marke und entsprechend großzügig motorisiert. Der Vierzylinder mit satten 5,7 Liter Hubraum leistete 55 PS, die er über ein 4-Gang-Getriebe an die Hinterachse übertrug.

Das Wagengewicht hing vom Aufbau ab und betrug in der offenen Ausführung 1,7 Tonnen. An die 100km/h konnte man mit dem Wagen erreichen, wenngleich das auf den Straßen jener Zeit ein theoretischer Wert war. Wichtiger war die dank des großen Hubraums souveräne Leistung an Steigungen.

Ein derartig leistungsfähiger und großzügiger Wagen hatte natürlich seinen Preis. 1914 rief Audi für den Typ E 22/55 PS damals unglaubliche 14.500 Reichsmark für das Chassis mit Motor, aber ohne Karosserie auf. Nach dem Krieg wurde es eher teurer…

Wie sahen die Leute aus, die sich so etwas leisten konnten? Dazu ein letzter Blick auf das schöne Foto von Udo Ammerschuber:

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Das waren selbstbewusste, weltgewandte Leute, die es gewohnt waren, in eine Kamera zu schauen. Das Foto ist eine würdige Erinnerung an sie und den grandiosen Audi, der wahrscheinlich den Weg alles Irdischen gegangen ist. Nur rund 300 Stück davon wurden in der langen Bauzeit von 1913-24 gefertigt.

Ein solcher Audi war schon immer eine Rarität und daher sei dem Besitzer dieses Privatfotos herzlich für die Genehmigung gedankt, es hier veröffentlichen zu dürfen.

Übrigens steht im Automuseum in Mühlhausen einer der wenigen überlebenden Audis des Typs E 22/55 PS.

1935: Horch 830R Kübelwagen bei der Reichswehr

Der auf einem zivilen 8-Zylindermodell der sächsischen Luxusmarke Horch basierende Kübelwagen 830 R wurde hier bereits in unterschiedlichen Varianten und Zuständen vorgestellt (Bildbericht).

Originalfotos vom Kriegseinsatz des Wagens sind recht leicht zu bekommen, schließlich wurden davon zwischen 1934-37 rund 4.500 Stück gebaut.

Da viele Landser mit privater Kamera bewaffnet in den Krieg zogen und die Horch-Kübelwagen wegen ihrer Robustheit geschätzt wurden, sind diese Autos oft im Einsatz fotografiert worden, wenn es die Situation erlaubte.

Selten zu finden sind dagegen Aufnahmen, die den Horch Kübelwagen noch zu Friedenszeiten zeigen. Das gilt besonders für die Zeit der deutschen Reichswehr bis 1935, in der die Aufrüstungspolitik des NS-Regimes erst allmählich Fahrt aufnahm.

Eine solche Rarität ist das folgende Originalfoto, das von alter Hand auf der Rückseite mit „Eisenach, März 1935“ beschriftet ist:

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© Horch 830 R Kübelwagen der Reichswehr; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Die unscharfe Aufnahme zeigt den Innenhof einer Kaserne, in der etliche Soldaten mit der Wartung von Fahrzeugen – vor allem Beiwagen-Krädern – beschäftigt sind. Ein sachkundiger Leser weiß sicher, um was für Maschinen es sich handelt.

Uns interessiert an dieser Stelle vor allem der Horch-Kübelwagen, der gut an der typischen Kühlermaske mit den vier Auto-Union-Ringen zu erkennen ist. Auch der Verlauf des Kotflügelausschnitts entspricht dem beim Horch 830 R:

Horch_Kübelwagen_Eisenach_März 1935_Ausschnitt

Das Nummernschild mit dem Kürzel RW bestätigt die frühe Datierung, da die 1921 gegründete Reichswehr 1935 in Wehrmacht umbenannt wurde und Heeresfahrzeuge neue Nummernschilder mit dem Kürzel WH (Wehrmacht Heer) erhielten.

Von Horch Kübelwagen im Kriegseinsatz unterscheidet sich der hier zu sehende Wagen auch durch das moderate Reifenprofil. Auf späteren Bildern sieht man meist grobsstolligere Reifen, die zu dem starke Abnutzungsspuren aufwiesen.

Das friedensmäßige Aussehen dieses Fahrzeugs steht in krassem Gegensatz zu dem Erscheinungsbild nach Kriegausbruch, als diese Wagen mit allerlei improvisiertem Zubehör ausgestattet wurden, um Einsatzbedingungen gerecht zu werden, für die sie eigentlich kaum geeignet waren.

Trotz ihrer robusten Bauweise boten die Horch Kübelwagen keinen Schutz vor gegnerischem Beschuss durch Tiefflieger oder Artillerie und endeten dann oft genug wie das Exemplar auf dem folgenden Foto:

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© Horch 830 R Kübelwagen der Wehrmacht; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme ist im Juni 1942 irgendwo in Russland entstanden und zeigt einen Wehrmachtssoldaten, der neben einem zusammengeschossenen Horch 830 R der eigenen Truppe posiert – ein etwas merkwürdiges Motiv.

Das Foto lässt trotz zerstörter Frontpartie die eindrucksvollen Dimensionen des Fahrzeugs noch deutlich erkennen. Offenbar war der Kübelwagen mit persönlicher Ausrüstung schwer beladen, die im hinteren Teil zu erkennen ist.

Man kann nur hoffen, dass die Besatzung das ungepanzerte Fahrzeug noch rechtzeitig durch einen Sprung in den nächsten Straßengraben verlassen konnte…

Rarität von DKW: Der F5 Front Luxus Roadster

Die einst enorm populären Zweitaktwagen von DKW aus dem sächsischen Zschopau sind auf diesem Blog von allen deutschen Vorkriegswagen in Wort und Bild derzeit am vollständigsten dokumentiert (Bildergalerie und Artikelserie).

Gewiss: Die leistungsschwachen und wenig dauerhaft gebauten DKWs sind nicht jedermanns Sache. Man muss schon ein Faible für die einfache Zweitakttechnik haben. Motorradfahrern fällt dies leichter, wie schon in den 1920er/30er Jahren.

Von der schlichten Technik und Konstruktion abgesehen gibt es wenig Zweifel an den formalen Qualitäten speziell der DKW Fronttriebler. Sie waren in der Kleinwagenklasse mit die am attraktivsten gezeichneten Großserienautos.

Nachdem DKW Teil des Auto-Union-Verbunds geworden war, profitierte die Marke von der Nähe zum Luxushersteller Horch, wo man eine glückliche Hand in der Karosseriegestaltung hatte.

Ein erster großartiger Wurf, der aus der Zusammenarbeit resultierte, war das ab 1935 gebaute DKW F5 Front Luxus Cabriolet, mit dem wir uns bereits beschäftigt haben:

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© DKW F5 Front Luxus Cabriolet, viersitzig, 1935-37; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn dieses Foto etwas unscharf ist, versteht man, warum diese Ausführung den Beinamen „der kleine Horch“ erhielt. Ein besonders schönes Originalfoto dieses Modells in der viersitzigen Ausführung von Baur wird hier vorgestellt.

Übrigens: Die bei Horch gezeichneten und teilweise auch dort gebauten DKW Front Luxus Cabriolet wiesen keine Kunstlederkarosserie mehr auf wie die meisten Serien-DKWs. Sie waren in Blech gearbeitet, auch wenn sich darunter ein traditionelles Holzgerippe verbarg.

Nach dem Erfolg des Front Luxus Cabriolets gab DKW bei Horch einen noch kühneren Entwurf in Auftrag – einen Roadster auf der technischen Basis des DKW F5. 

Dieser von 1935-38 nur rund 400mal gebaute Wagen gehört heute zu den begehrtesten DKWs überhaupt. Ein gutes Originalfoto davon zu finden, ist nicht einfach, daher müssen wir uns mit dieser etwas körnigen Aufnahme begnügen:

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© DKW F5 Front Luxus Roadster, 1935-38; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Wagen stimmt – zumindest optisch – alles: lange Haube, kurzes Heck, tief ausgeschnittene Türen ohne Außengriffe, seitliche Scheiben und umklappbare Frontscheibe.

Davon kann sich manches später als Roadster vermarktetes Cabriolet eine Scheibe abschneiden. So radikal und rassig kamen damals nur die offenen Zweisitzer von BMW daher.

Damit sind wir allerdings auch beim Schwachpunkt des DKW F5 Roadsters angelangt: Der Wagen verfügte nur über den 20 PS-Motor des Serienmodells.

Zwar dürfte dank verkürzten Radstands und niedrigen Gewichts die Roadster-Version sportlicher gewesen sein als die Serienausführung. Warum DKW mit seiner Sporterfahrung bei 2-Takt-Motorrädern dem Motor nicht einige zusätzliche PS mit auf den Weg gab, bleibt dennoch unverständlich.

Es mag sein, dass sich der Wagen auch so flott bewegen ließ – vielleicht bot aber auch das Serienaggregat kein Potential für zuverlässige Mehrleistung. So fällt auf, dass DKW die Leistung der beiden PKW-Motoren mit 600 bzw. 700ccm von 1933 bis zum Krieg unverändert ließ, obwohl die Wagen an Gewicht zulegten.

Möglicherweise kann ein DKW-Spezialist mehr dazu sagen. Interessanterweise geht auch das brilliante Buch von Thomas Erdmann zur Geschichte der DKW Automobile bis 1945 (ISBN: 978-3-7688-3513-8) nicht auf diesen Punkt ein.

Kübelwagen auf Basis des Horch 830 im Kriegseinsatz

Dieser Blog konzentriert sich zwar auf die Vorstellung ziviler Vorkriegs-PKW, doch ist der Übergang zu militärisch genutzten Varianten oft fließend. Daher sind hier auch immer wieder Originalfotos im Krieg requirierter, erbeuteter oder zu Militärfahrzeugen umgebauter Wagen zu finden.

Im letztgenannten Fall handelt es sich um Kübelwagenaufbauten auf zivilen Fahrgestellen, die Kühlermaske, Motorhaube und Antrieb eines Typs aus Friedensproduktion aufweisen.

Dem wohl besten Kübelwagen der europäischen Kriegsparteien, dem VW-Kübel, wird man hier nicht begegnen. Der Kübel auf Volkswagenbasis hat äußerlich nichts mit der Zivilversion gemein und kann daher als reines Militärfahrzeug gelten.

Hier soll es um weniger bekannte Kübelwagen von Hanomag, Stoewer und Wanderer gehen. Doch auch die häufig gebauten Militärversionen auf Basis von Adler-, Horch- und Mercedes-PKW kommen zu ihrem Recht.

Vorgestellt wird dieses Mal der Horch-Kübelwagen, der von 1934-37 in rund 4.500 Exemplaren entstand. Die Grundlage dafür lieferte der zivile Horch 830. Ein Cabriolet des Typs wurde in diesem Blog bereits besprochen (Bildbericht).

Folgende Originalaufnahme einer unbekannten Einheit irgendwo an der Ostfront zeigt gleich zwei dieser als Horch 830 R bezeichneten Kübelwagen:

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© Horch 830 R Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sieht man, wie stark die Frontpartie des Militärmodells von der zivilen Variante beeinflusst war. Die Vorderschutzbleche mit den im Gelände eher hinderlichen Seitenschürzen (später entfallen), die anfangs verbauten Trittbretter (rechtes Fahrzeug), die aufwendige Kühlermaske und die geprägten Radkappen zeigen, dass hier praktischen Erfordernissen nur bedingt Rechnung getragen wurde.

Von einem Luxuswagenhersteller wie Horch war in Friedenszeiten auch kaum zu erwarten, dass er von sich aus zu radikal einfachen, fronttauglichen und materialsparenden Lösungen finden würde, wie das später im Krieg der Fall war.

Die Soldaten, die von ihrer Führung mit solchen schweren, kaum geländetauglichen, technisch komplexen und durstigen Vehikeln in den Kampf geschickt wurden, waren ohnehin nicht gefragt worden. Gleichwohl genossen die mit 8-Zylinder-Motoren (60-70 PS) ausgestatteten Horch-Kübelwagen erhebliches Prestige.

Dafür sprechen zahlreiche Fotos aus der Zeit des 2. Weltkriegs, auf denen deutsche Landser vor solchen Gefährten posieren. Hier ein Beispiel:

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© Horch 830 R Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Der Horch steht ganz im Mittelpunkt dieser Aufnahme, die der Fotograf schön arrangiert hat. Das Bild lässt bei genauem Hinsehen die typischen Elemente des Horch-Kübelwagens und für den Einsatz benötigtes Zubehör erkennen.

Werfen wir einen näheren Blick auf die Frontpartie des Wagens:

Horch_Kübelwagen_FrontIm oberen Bereich der Kühlermaske ist das Markenemblem von Horch, ein gekröntes „H“ zu erkennen. Leider fehlen die vier Auto-Union-Ringe, die im oberen Drittel auf der Mittelstrebe befestigt waren. Sie sind auf den meisten zeitgenössischen Fotos dieses Typs vorhanden, scheinen hier aber bereits verlorengegangen zu sein.

Das Nummernschild verweist auf die Zugehörigkeit zum Heer (WH=Wehrmacht Heer) und die mit 15 beginnende sechsstellige Ziffernfolge auf den Wehrkreis XV Jena, wo die entsprechende Einheit aufgestellt worden war.

Interessant sind die beiden zusammengerollten Bündel aus mit Draht verbundenen Ästen. Sie sollten es einem in morastigem Gelände festgefahrenen Fahrzeug ermöglichen, sich aus eigener Kraft wieder zu befreien. Dazu wurde die Konstruktion ausgerollt und quasi als Miniaturbohlenweg vor die Antriebsräder gelegt.

Ähnliche Frontimprovisationen sieht man auf vielen Bildern von Kübelwagen jener Zeit. Sie deuten auf die nur begrenzte Geländegängigkeit der nicht allradgetriebenen Fahrzeuge hin. Dass solche Hilfsmittel speziell im Ostfeldzug dringend benötigt wurden, wo im Frühjahr die Wege nach der Schneeschmelze völlig aufweichten, hatten weder Heeresverwaltung noch Hersteller eingeplant.

Improvisiert ist des Weiteren die Anbringung eines Benzinkanisters zwischen Kotflügel, Ersatzrad und Motorhaube. Auch diese Lösung zum Transport zusätzlichen Kraftstoffs war offiziell nicht nicht vorgesehen, da man an den Schreibtischen der Planer offenbar von Idealbedingungen mit stets gesichertem Nachschub ausging.

Zum Schluss ein Blick auf die vier Wehrmachtssoldaten sowie die Markierungen auf den Schutzblechen des Horch, die Auskunft zu ihrer Einheit geben:

Die Aufnahme muss in Frontnähe enstanden sein, da die Soldaten mit Ausnahme des Unteroffiziers (silberne Kragenspitzen) am Koppel die typischen Patronentaschen für den Karabiner 98k tragen.

Der Unteroffizier, der in der linken Hand eine auch von Kradmeldern verwendete Kartentasche hält, verfügt evtl. über eine Dienstpistole. Einer der Soldaten scheint eine Schutzbrille am Hals zu tragen, wie sie von Insassen offener Fahrzeuge häufig verwendet wurden.

Das Abzeichen auf dem Ärmel des in Fahrtrichtung links außen stehenden Soldaten weist auf den Rang eines Obersoldaten hin, den zweitniedrigsten bei Wehrpflichtigen. Bei seinen Kameraden sind die Rangabzeichen kaum zu erkennen, es dürften mit Ausnahme des Unteroffiziers ebenfalls Mannschaftsdienstgrade sein.

Kommen wir zu den Markierungen auf den Vorderschutzblechen. Sie verwiesen auf Art und Aufgabe der jeweiligen Einheit (taktische Zeichen) bzw. auf den jeweiligen Großverband (Division usw.), der sie zugeordnet war.

Die Interpretation dieser Symbole ist eine Wissenschaft für sich. Eine Annäherung ist mit Hilfe von Spezialliteratur möglich (z.B. „Taktische Zeichen auf den Fahrzeugen des deutschen Heeres 1939-45“, Wolfgang Fleischer, ISBN 379090676X).

Der Horch und die Soldaten auf unserem Foto gehörten zur 10. Panzer-Division, die von 1941-43 das auf dem rechten Kotfkügel aufgemalte Divisionskennzeichen „Y III“ trug. Diese Einheit gehörte zur von Generaloberst Heinz Guderian befehligten Panzergruppe 2 – darauf verweist das „G“ auf dem rechten Kotflügel.

Die Panzergruppe Guderian bestand nur in der 2. Hälfte 1941 und trieb in dieser Zeit den bis kurz vor Moskau führenden Angriff gegen die Sowjetunion voran. Damit dürfte das Foto im Sommer/Herbst 1941 irgendwo an der Ostfront entstanden sein.

Leider ließ sich das taktische Zeichen auf dem linken Kotflügel des Horch bisher nicht genau identifizieren. Das Rechteck mit den beiden darunter angeordneten Kreisen verweist auf eine motorisierte Infanterieeinheit, wie sie auch zu Panzerdivisionen gehörten. Das Symbol darüber ist schwer zu erkennen. Das „St“ weist auf eine Stabskompanie hin. Vielleicht wissen sachkundige Leser mehr.

Die 10. Panzerdivision wurde nach dem Einsatz in Russland nach Nordafrika verlegt. Dort ging sie mit dem Deutschen Afrikakorps 1943 unter. Was davon die Männer auf dem Foto miterlebt haben, ist ungewiss. Den Horch jedenfalls dürfte früher oder später sein Schicksal ereilt haben.

Weitere historische Fotos von Kübelwagen des Typs Horch 830R sind hier zu finden.

Ein Horch 830 BL Cabriolet als Winterauto…

Wie es scheint, neigt sich die kalte Jahreszeit in unseren Breiten dem Ende zu. Die Wintersportfans sind zuletzt noch einmal auf ihre Kosten gekommen, aber wenn es nach uns Oldtimerfreunden ginge, könnte jetzt ruhig die Frühjahrssaison beginnen.

Manch einer bewegt zwar seinen Klassiker ganzjährig, was bei gut vorbereiteter Karosserie vertretbar ist. Doch die meisten schonen ihre vierrädrigen Lieblinge und auch der Verfasser wartet ungeduldig darauf, dass der nächste Regen das Salz von den Straßen spült.

Bei der Gelegenheit sei daran erinnert, dass vielen klassischen Wagen in ihrem früheren Leben solche Schonung kaum gegönnt wurde. Als vor über 70 Jahren in Europa der 2. Weltkrieg tobte, wurden auf alle Seiten massenhaft private Kraftfahrzeuge beschlagnahmt und an der Front und im Hinterland eingesetzt.

Hier ein Originalfoto eines requirierten Adler Trumpf 1,7 Liter auf einer Schlammpiste. Die Kennung WM verweist auf ein Fahrzeug der Kriegsmarine, daher ist das Bild vermutlich eher in Frankreich als in Russland entstanden:

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© Adler Trumpf 1,7 Liter bei der Wehrmacht; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger

Wie bei allen Kriegsparteien – außer den USA – herrschte auch bei der deutschen Wehrmacht von Anfang an chronischer Mangel an PKW. Während der einfache Landser wie schon im 1. Weltkrieg mit Eisenbahn, LKW, Pferdegespann oder auf Schusters Rappen ins Feuer geschickt wurde, wurden für den Bedarf von Offizieren, Kurieren usw. Personenautos in großer Zahl benötigt.

Von den dafür vorgesehenen militärischen Baumustern (Einheits-Kfz) wurden zu keinem Zeitpunkt genügend gebaut, sodass für den Wehrmachtsbedarf alles beschlagnahmt wurde, was halbwegs robust erschien und nicht zwingend für andere Zwecke daheim gebraucht wurde.

Als typisches Beispiel hier ein Kriegsfoto eines eingezogenen Ford Eifel, vermutlich aufgenommen in Norwegen (Bildbericht):

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© Ford Eifel Baujahr 1937-39 bei der Wehrmacht; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger

Aus heutiger Sicht ist es faszinierend zu sehen, was da alles von Skandinavien bis Afrika und von Frankreich bis Russland unterwegs war. Dabei wurden auch heute begehrte Luxuswagen nicht geschont – im Gegenteil:

Für hohe Offiziere war es eine Prestigeangelegenheit, in einem repräsentativen Wagen unterwegs zu sein. Speziell Typen von Horch oder Mercedes waren begehrt, aber auch erbeutete amerikanische Luxuswagen wurden gern genommen.

Dass diese Autos ungeeignet für den harten militärischen Einsatz waren, viel Kraftstoff verbrauchten und mit Frontmitteln kaum zu reparieren waren, interessierte die Herrschaften nicht. Auch darin kommt der Größenwahn eines Großteils der damaligen Führung zum Ausdruck.

Fronterprobte Generäle wie Guderian und Rommel bevorzugten im Einsatz dagegen bewährte Sonder-Kfz. Ihre Unterführer ließen ohnehin nichts auf den unverwüstlichen „Kübel“ von Volkswagen kommen.

Das folgende Originalfoto aus dem 2. Weltkrieg dokumentiert, in welchen Situationen Luxuswagen beim deutschen Militär entgegen alle Vernunft eingesetzt wurden:

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© Horch 830 BL bei der Wehrmacht; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger

Man glaubt zunächst nicht, dass der Wagen auf diesem etwas unscharfen Bild zu identifizieren ist. Und doch ist es mit etwas detektivischem Spürsinn möglich.

Ausgangspunkt ist der mit schwarzem Überzug versehene quadratische Stander auf dem linken Vorderkotflügel. Er weist darauf hin, dass der Wagen einen Befehlshaber ab Armeekorps aufwärts und höchste Stäbe chauffierte, also den Kommandeur eines Großverbandes (Dank an Klaas Dierks für den sachkundigen Hinweis an dieser Stelle)

Auf dieser Führungsebene wurden außer ausländischen Luxuswagen Erzeugnisse der erwähnten deutschen Marken Horch und Mercedes bevorzugt. Die Neigung der Kühlermaske und der Mittelsteg sprechen für einen Horch, und diese Zuschreibung bestätigt sich bei einem Abgleich der Details (Scheinwerfer, Radkappen, Zierleiste, Trittbrettverlauf usw.) mit entsprechenden Abbildungen.

Horch 830_BL_Front Übrigens ist auf der Motorhaube eine wohl aus Stroh hergestellte Abdeckung zu sehen, die in Verbindung mit der weitgehend blockierten Kühlluftzufuhr das Erreichen der Betriebstemperatur des Motors bei strengem Frost erleichtern sollte.

Man darf davon ausgehen, dass diese Aufnahme im Winter irgendwo an der Ostfront entstanden ist. Die langen Wintermäntel der beiden Soldaten sind von der Machart, die im ersten russischen Kriegswinter 1941/42 fatalerweise noch kaum verfügbar war.

Hier sehen wir zudem die von der russischen Armee abgeschaute Fellmütze, auf die die deutschen Soldaten anfangs ebenfalls verzichten mussten.Wenn man genau hinschaut, sieht man neben dem linken Ärmel des Soldaten einen Verdeckbügel und einen Türgriff. Diese Details erlauben die Identifikation des Wagentyps!

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Offenbar handelt es sich um ein viertüriges Cabriolet. Und das gab es von Horch in Verbindung mit der flachen Frontscheibe nur beim Modell 830 BL (mit längerem Radstand als der 830 BK). Der von 1935 bis April 1940 etwas mehr als 6.000mal gebaute Wagen verfügte je nach Baujahr über einen 75 bis 92 PS starken V8-Motor mit 3,5 Liter Hubraum.

Bei über 2 Tonnen Leergewicht waren damit natürlich keine sportlichen Fahrleistungen möglich, was auch nie Ziel der sächsischen Traditionsmarke war.  Bedenklich war allerdings der Benzinverbrauch von fast 20 Liter auf 100 km.

Doch in diesem Blog geht es ebenso um die Menschen, die in einer Verbindung zu den gezeigten Fahrzeugen standen.  Daher sollen auch die beiden Männer gewürdigt werden, die sich irgendwo an der Ostfront mit dem Horch haben ablichten lassen.

Der Kamerad, der auf Höhe der Motorhaube steht, trägt über der Schulter eine lederne Kartentasche, wie man sie oft auf zeitgenössischen Bildern von Kradmeldern findet. Auf der Brust ist links eine bei Militär und Polizei einst gängige Taschenlampe zu sehen, die über einen Drehknopf auch mit Handschuhen betätigt werden konnte.

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Von Dienstgradabzeichen und Auszeichnungen ist nichts zu sehen. Hier stand ganz klar der Kälteschutz im Vordergrund.

Nun könnte man vermuten, dass zwei zufällig anwesende Soldaten die Gelegenheit nutzten, sich vor einem der schon damals legendären Horch-Achtzylinder fotografieren zu lassen. Tatsächlich fällt auf, wie oft auf Kriegsfotos hochkarätige Wagen zu sehen sind, während es von weit öfter gebauten Modellen vergleichsweise wenige Bilder gibt.

Solche Aufnahmen künden vom Bedürfnis, der eigenen Existenz auch unter schlimmsten Bedingungen eine gewisse Qualität abzuringen. Und sei es nur, dass man mit den Negativen die Botschaft nach Hause schickte: „Schaut, ich lebe noch und hatte heute in der Stellung hohen Besuch.“

Doch hier liegt der Fall anders. Denn zu der Aufnahme gehört ein zweites Foto, dass die beiden Soldaten im Horch sitzend zeigt:

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Offenbar gehörten die beiden Männer zu dem Wagen. Einer war der Fahrer und der andere möglicherweise der Adjutant des „hohen Tieres“, der in dem Horch auf der Rückbank unterwegs war.

Wer aber das Bild gemacht hat, wann und wo, lässt sich nicht mehr klären. Der Blick des verhalten lächelnden Fahrers berührt auch nach über 70 Jahren noch. Was wohl aus den beiden und dem Horch wohl geworden ist?

Horch 10/50 PS: Neubeginn nach dem 1. Weltkrieg

Wie andere deutsche Automobilhersteller auch brauchte die Nobelmarke Horch nach dem 1. Weltkrieg einige Zeit, um wieder Anschluss an die allgemeine Entwicklung zu bekommen. Bis 1922 stellt man im sächsischen Zwickau noch die Vorkriegsmodelle her, bis sie durch den völlig neuen Typ 10 M abgelöst wurden.

Mit diesen bis 1927 gebauten Wagen, die es als 10/35 PS und 10/50 PS-Ausführung gab, war Horch nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern in mancher Hinsicht führend, zumindest am deutschen Markt. So konservativ die Linienführung wirkt, so kompromisslos modern war die verbaute Technik.

Aber werfen wir erst einmal einen Blick auf eines dieser neuen Horch-Modelle:

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© Originalfoto eines Horch 10/50 PS, späte 1920er Jahre; Bildquelle: Sammlung Michael Schlenger

Das Originalfoto ist von ausgezeichneter Qualität, doch glaubt man erst einmal nicht, dass sich das Fahrzeug identifizieren lässt. Der großgewachsene Herr in Mantel und Schiebermütze hat sich so vor den Kühler gestellt, dass man fast nichts davon sehen kann. Markenlogos sucht man an dem Wagen ansonsten vergebens.

Doch wie so oft helfen mehrere Indizien weiter: Das Stadtbild im Hintergrund, die Insassen und letztlich der Wagen selbst wirken sehr „deutsch“. Für eine so großzügige Tourenwagenkarosserie mit sechs Sitzen kam seinerzeit hierzulande nur eine Handvoll Hersteller in Frage.

Letztlich ist es das Zusammentreffen mehrerer Merkmale, das die Identifikation als Horch 10/50 PS-Modell ermöglicht: die Parabelform der Stahlspeichen, die Gestaltung der Bleche unterhalb der Türen, die verchromten/vernickelten Nabenkappen, die tiefliegenden Kühlluftschlitze und die spitzgiebelartige Form der Motorhaube, die für eine entsprechende Kühlermaske spricht. In Werner Oswalds Standardwerk „Deutsche Autos 1920-45“ ist genau diese Ausführung abgebildet.

Zwar waren diese Horch-Modelle noch weit von der gestalterischen Raffinesse der späteren 8-Zylinder-Wagen der Marke entfernt. Doch scheint die Kundschaft auch so verstanden zu haben, dass man damit Fahrzeuge der gehobenen Klasse erwarb. Der Anspruch, den die Geschäftspolitik von Horch (heute würde man von „Philosophie“ sprechen) auszeichnete, kam nicht nur in der makellosen Verarbeitung zum Ausdruck. Auch die fortschrittliche Technik zeugt vom Ehrgeiz der Firma.

So hatte das von 1924-26 gebaute 10/50 PS-Modell zwar nur einen 4-Zylinder-Motor mit 2,6 Liter Hubraum. Doch die hängenden Ventile wurden von einer königswellengetriebenen obenliegenden Nockenwelle gesteuert – noch präziser ließ sich das damals kaum bewerkstelligen. Verantwortlich für die Konstruktion war übrigens Paul Daimler, der 1922 zu Horch kam.

Der Motorblock bestand aus einer Aluminium-Legierung, die Kolben waren sogar ganz aus Aluminium. Hochbelastete Flächen waren nitriert, also mit Stickstoff zeitaufwendig gehärtet; eine Bearbeitung war dann nur noch mit Diamanten möglich.

Der Horch 10/50 PS wurde serienmäßig mit Vierradbremsen geliefert – was keine Selbstverständlichkeit darstellte. Ein Novum waren die Bandstoßdämpfer, die dem unkontrollierten Ausfedern entgegenwirkten. Dass immer noch 40 Schmiernippel an Fahrwerk, Lenkung und Bremsen mit Fett versorgt sein wollten, verrät einiges darüber, wie stark Automobilbesitzer einst in Anspruch genommen wurden.

Dennoch: wer einen solchen Wagen Mitte der 1920er Jahre sein eigen nennen konnte, durfte stolz darauf sein. Diese Selbstzufriedenheit kommt in unserem Foto gut zum Ausdruck. Die Herrschaften – wohl eine Familie – hatten sich für die populäre Phaeton-Ausführung entschieden, also den offenen Tourenwagen mit leichtem Verdeck und seitlichen Steckscheiben aus Zelluloid.

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Die Pelzmäntel der Damen und die Schneereste im Hintergrund verweisen auf einen Wintertag in einer nördlich gelegenen deutschen Stadt – die Backsteinarchitektur spricht dafür. Vielleicht erkennt ein Leser die Silhouette mit der markanten zweitürmigen Kirche und den mächtigen Bastionen.

Nachtrag: Dank eines Fotos aus der Sammlung von Helmut Kasimirowicz konnte ich den Ort als Tangermünde identifizieren.

Dass man bei trockenem Wetter mit einem solchen Wagen auch bei Kälte offen fuhr, mutet in Zeiten beheizbarer Lenkräder irritierend an. Doch auch Vermögende waren damals offenbar aus einem anderen Holz geschnitzt…

Literaturtipp: Kirchberg/Pönisch: Horch – Typen, Technik, Modelle, Verlag Delius-Klasing, 2. Ausgabe 2011, ISBN: 9-783768-817752

Horch 8 Typ 780 Cabriolet: winterliche Wagenwäsche

So mild sich der Winter derzeit hierzulande auch gibt, so streng fällt er in anderen Regionen wie den USA aus. Ändert sich die Großwetterlage nochmals, ist auch bei uns ein winterliches Idyll wie das auf dem folgenden Originalfoto nicht auszuschließen – wenn auch gewiss nicht mit einem Fahrzeug dieses Kalibers:

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© Horch 8 Typ 780 der 1930er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der majestätische Wagen ist schnell identifiziert – was die Ausnahme bei historischen Privatfotos darstellt. Schon Größe und Proportionen sowie die Form der Kühlermaske deuten auf einen Horch der 1930er Jahre hin.

Kurz im „Oswald“ (Deutsche Autos 1920-45) nachgeschlagen und der Fall ist klar: ein Horch 8 des Typs 780, der nur von 1932-34 gebaut wurde. Erleichtert wird die Zuordnung durch die dreiteilige Frontscheibe, ein selten zu findendes Detail.

Einige technische Fakten: Der Horch 780 verfügte über die stärkste Variante des Anfang der 1930er Jahre neukonstruierten Reihenachtzylinder-Motors der Luxuswagenmarke aus dem sächsischen Zwickau. Aus knapp 5 Liter Hubraum schöpfte das Aggregat standfeste 100 PS. Das klingt aus heutiger Sicht nach nicht viel, doch mit obenliegender Nockenwelle, Königswellenantrieb und 10 Kurbelwellenlagern war der Motor technisch durchaus anspruchsvoll.

Bei einem Wagen dieser Dimensionen – die Länge betrug über 5 Meter, das Gewicht mehr als 2 Tonnen – kam es vor allem auf souveräne Kraftentfaltung als auf sportliche Qualitäten an. Ein Ausfahren der Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h war Mitte der 1930er Jahre kaum irgendwo möglich  – das Autobahnnetz im Deutschen Reich befand sich erst in seinen Anfängen.

Speziell die Cabriolet-Versionen des Horch 8 zählten seinerzeit in Deutschland zu den repräsentativsten und stilvollsten Wagen überhaupt. Werfen wir einen näheren Blick auf die Frontpartie des prachtvollen Vehikels:

Horch_8_Typ_780_Front

Die verchromte Kühlermaske ist durch einen Überzug verdeckt, an dem im Winter Lamellen aus Kunstleder zur Begrenzung der Luftzufuhr angeknöpft werden konnten. Dieses Zubehör war für die gängigsten Kühlerformen und -größen erhältlich. Die Kühlerfigur scheint nicht dem Standard  – einer geflügelten Weltkugel – zu entsprechen.

Das Markenlogo, ein H, das vom Schriftzug „Horch“ gekrönt war, ist hier zwar nicht auf dem Kühler zu erkennen, man kann es jedoch auf der Radkappe erahnen. Auch wenn es schwer zu erkennen ist, scheint der Wagen über Scheiben- statt Speichenräder zu verfügen – lieferbar waren beide Varianten.

Auffallend ist der sehr große Nebelscheinwerfer, der an der Mittelstange zwischen den beiden Hauptscheinwerfern montiert ist. Da die Lichtmaschine nur 130 Watt leistete, dürfte statt gleichzeitigen Betriebs aller drei Scheinwerfer eher eine Wahlmöglichkeit bei Nebel bestanden haben. Das Nummernschild mit der (röm.) Ziffern-Buchstaben-Kombination „IA“ verweist auf die Zulassung des Horch im Bezirk Berlin.

Als nächstes ein Blick auf die mittlere Wagenpartie:

Horch_8_Typ_780_Mitte

Auch hier zeichnet sich das Horch-Logo schwach auf der Radkappe ab. Am Windschutzscheibenrahmen sind auf beiden Seiten die Winker zur Fahrtrichtungsanzeige angebracht, rechts ist außerdem ein Zusatzscheinwerfer montiert, mit dem man dunkle Hauseingänge anstrahlen konnte – ein charmantes Detail, das leider in Vergessenheit geraten ist.

Auf der Innenseite der Frontscheibe ist eine mit Saugnäpfen befestigte Heizspirale angebracht, ein den Winterbetrieb erleichterndes Accessoire, das auch bei kleineren Fahrzeugen gern nachgerüstet wurde. Bei Horch dürfte dieses Extra ab Werk lieferbar gewesen sein.

Kommen wir zur Heckpartie des Horch, wo sich zwei vergnügt dreinschauende Männer zu schaffen machen:

Horch_8_Typ_780_Heck

Wie es scheint, schüttet der dem Schauspieler Heinz Rühmann ähnelnde Brillenträger aus einem Emailleeimer Wasser in ein größeres zinkfarbenes Behältnis. Sein Kompagnon im Mantel streicht derweil über den hinteren Kotflügel des Horch.

Man darf annehmen, dass wir es hier mit einer winterlichen Wagenwäsche zu tun haben. Dafür spricht, dass der Horch auf dem Ausgangsbild nur noch auf dem linken Vorderkotflügel und dem Dach eine Schneeschicht trägt und ansonsten blitzblank dasteht.

Wahrscheinlich stand der Wagen anlässlich eines Besuchs über Nacht im Freien – zuhause verfügte der Besitzer sicher über eine Garage – und war am Morgen zugeschneit. Hier wurde der Horch vermutlich mit warmem Wasser lackschonend vom Schnee befreit. Der Mantelträger trocknete die gereinigten Partien wohl rasch mit einem Leder, bevor das Wasser gefrieren konnte.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Schirmmütze auf dem Dach des Cabriolets. Sie könnte dem Chauffeur des Wagens – der Herr im Mantel? – gehören. Der Brillenträger in Anzug und Krawatte wohnt womöglich in dem großzügigen Haus im Hintergrund und hat das Wasser von dort geholt. Plausiblerweise ist das Foto dann vom Besitzer des Horch selbst kurz vor der Abfahrt geschossen worden.

Entstanden sein muss das Bild vor Kriegsbeginn. Andernfalls würde der Horch bereits über Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern verfügen, die auch an Zivilfahrzeugen vorgeschrieben waren. Oder er wäre bereits als Wagen eines hohen Offiziers bei der Wehrmacht unterwegs…