Auch wenn der Individualverkehr in den Ballungsgebieten stark zugenommen hat und speziell die PKW-Pendelei für viele nur ein notwendiges Übel darstellt – das Freiheitsversprechen des Automobils, welches von Anbeginn seine Faszination ausgemacht hat, erweist sich spätestens dann als ungebrochen, wenn es in die Ferne geht.
Unabhängig von Fahrplänen und ohne die Zumutungen öffentlicher Verkehrsmittel, deren Versagen hierzulande inzwischen auch bei sonst höflichen ausländischen Gästen für Spott sorgt – also nach eigenem Gusto Fahrzeit, Route und Tempo bestimmen zu können, das ist ein Luxus, den sich heute jedermann leisten kann (noch).
Mit einem billigen Gebrauchtwagen mit kleinem Benzin- oder Dieselmotor gelangt man heute mühelos in ein paar Stunden an die See, in die Alpen oder in lockende Nachbarländer. Dabei hat sich jedoch eines in hundert Jahren nicht geändert: weniger Gewicht bedeutet bei gleicher Leistung mehr Bewegungsfreiheit auf vier Rädern.
Das Gewicht war und ist Feind Nr. 1, wenn es um Agilität und geringen Verbrauch beim Automobil geht. Das gilt nicht nur für heutige, für den Normalbürger unbezahlbare Batteriekutschen. Das war erst recht zu einer Zeit der Fall, als die Motoren vor allem bei Wagen der Einstiegsklasse allgemein nur wenig Leistung boten.
Der Grund war nicht technisches Unvermögen, sondern der Kostenfaktor. Autos waren vor allem im Deutschland der Vorkriegszeit gemessen am Einkommensniveau dermaßen teuer, dass in der Einsteigerklasse gespart werden musste, wo es nur ging: Am Material und an der Montagezeit, am Hubraum und am Verbrauch natürlich.
Dennoch bot in den frühen 1920er Jahren schon so ein Wägelchen wie dieses mit kompaktem 1,3-Liter-Vierzylinder bis dahin ungekannte Reisefreiheit, weshalb sich der Aufbau als viersitziger Tourenwagen besonderer Beliebteit erfreute:

Diese rare Aufnahme eines „Freia“-Wagens aus dem schönen Städtchen Greiz in Thüringen habe ich bereits vor einigen Jahren hier präsentiert.
In dem damaligen Blog-Eintrag ist auch etwas zur Geschichte der Marke zu lesen, wenn daran Interesse besteht.
Man mag es kaum glauben, doch das Auto auf obigem Foto war tatsächlich ein viersitziger Tourer – zu erkennen an den zwei Seitenscheiben, die in typischer Tourenwagenmanier auf die Karosserie aufgesteckt wurden und auch weggelassen werden konnten.
Leser Matthias Schmidt aus Dresden steuerte seinerzeit eine weitere Aufnahme eines „Freia“-Tourenwagens bei, bei dem besser zu erkennen ist, dass es tatsächlich eine rückwärtige Sitzbank für Mitreisende gab:
Bei diesen Spitzkühlermodellen handelt es sich um frühe Exemplare aus der Freia-Serienproduktion , die 1921 mit dem Typ S5 begann. In diesem Modell befand sich unter der Motorhaube ein simpler Seitenventiler mit 15 PS .
Der spärlichen Literatur ist zu entnehmen, dass es ab 1923 – wohl parallel zur Einführung eines Rundkühlers – einen wesentlich stärkeren Motor gab, der bei identischem Hubraum nun dank kopfgesteuerter Ventile ganze 20 PS leistete, nach anderen Angaben sogar 25 PS.
Lachen Sie nicht! Bei einem Fahrzeuggewicht von schätzungsweise 5-600 Kilogramm macht sich jede zusätzliche Pferdestärke positiv bemerkbar.
Bei derartigen Exzessen muss der Fahrer eines solchermaßen potenten Freia-Wagens freilich darauf achten, dass er sich das Mehr an Leistung nicht an anderer Stelle wieder ruiniert. Wie gesagt: Das Gewicht ist der Feind der Freiheit auf vier Rädern!
Zwei Dinge sind auf diesem Sektor im Blick zu behalten: Zum einen gilt es, das eigene Gewicht in Zaum zu halten – jeder Motorradfahrer weiß, dass der eigene Bauch alles zunichtemacht, was an der Maschine an Leichtbaumaterial verbaut oder an Teilen demontiert werden kann.
Zum anderen ist zu vermeiden, dass das Gefährt durch das Gewicht von Mitreisenden belastet wird, die nicht zum engen Kreis der Favoriten im eigenen Dasein gehören.
Also: Kein Schwiegermuttersitz im Heck und bloß keine zweite Sitzbank für verzichtbare Vertreter der buckligen Verwandschaft, falsche Freunde und sonstige Trittbrettfahrer.
Einen „Freia“-Fahrer, der dies alles beherzigt und die ultimative Konsequenz daraus gezogen hat, sehen wir auf dem folgende Foto, welches mir Leser Klaas Dierks kürzlich in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt hat:
Sieht dieser Zweisitzer nicht großartig aus? Dabei verfügt er über dieselben bescheidenen Abmessungen wie der Tourer – bis auf das Heck, das hier praktisch nicht vorhanden ist.
Weder die Schwiegermutter noch der zum selbstgefälligen Schwätzen neigende „Autoexperte“ aus dem Nachbarort findet hier die Gelegenheit, huckepack zu fahren.
Nur die bessere Hälfte – und die beste Cousine von allen – fänden hier noch Platz, aber auch nicht viel. Ein Anreiz mehr, das Gewicht in sportlich verträglichen Grenzen zu halten.
Jetzt wüsste man nur gern noch etwas mehr über diesen rasant wirkenden „Freia“: Wie schnell lief der Wagen mit dem kleinen 1,3 Liter-Motor unter der endlos langen Haube ? Wie groß war der Tank und wie weit kam man damit?
Das alles gilt es noch in Erfahrung zu bringen, denn Gewicht ist sehr wichtig, aber eben nicht alles, wenn es um die möglichst unbegrenzte Freiheit auf vier Rädern geht.
Aber großartig sieht er schon aus, dieser Freia-Zweisitzer und wenn man gerade an einem Seelenschmerz leidet, hat der Gedanke therapeutische Wirkung, durch die Zeit zu reisen und mit so einem Gerät einfach allem davonzufahren, was einen beschwert…
Literaturhinweis: Einen kurzen Abriss der Freia-Historie findet man in: Automobil & Motorrad-Chronik, September 1976
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.