Bei der Wagenwäsche von Hand lernt man ein Auto erst so richtig kennen. Ich hatte das Vergnügen kürzlich wieder.
Der Vater der besseren Hälfte hat im Alter von 86 Jahren seinen Toyota „Corolla“ an uns abgetreten. Baujahr 1998 ist das Teil und sieht mit Schrägheck und Rundscheinwerfern ganz ansprechend aus.
Der 1,4 Liter-Einspritzer leistet gut 85 PS, hängt gut am Gas und klingt sogar recht kernig – der Motor will gedreht werden und das Getriebe ist gut abgestimmt.
Rost an der Karosserie ist beim Toyota kein Thema. Allerdings scheint der Japaner beim Verbrauch recht großzügig zu sein – nicht nur bei der „zügigen“ Fahrweise, die man mir anno 1987 in der Fahrschule noch beigebracht hat.
Meine Aufgabe bestand nun darin, den Toyota mit weniger als 130.000 km auf der Uhr für den anstehenden TÜV-Termin durchzusehen und etwas aufzuhübschen. Dazu zählte eine gründliche Reinigung innen und außen, bei der man sieht, wo Handlungsbedarf besteht.
Trotz aller Gründlichkeit gab es bei dem Wagen nichts zu entdecken – bloß im Motorraum fand ich einige kleine Rostansätze, derer ich mich annahm.
Da es also in diesem Fall kaum Überraschungen gab – der Toyota bekam anstandslos seine neue Plakette und die freie Werkstatt sah auch sonst keinen Handlungsbedarf – musste ich meine Ambitionen in eine andere Richtung lenken.
Das brachte mich auf diese Aufnahme, die zwar zum Thema Wagenpflege passt, aber ansonsten aus einer ganz anderen Welt stammt – geografisch wie zeitlich:

Ist doch immer wieder nett, so ein kleines Zweisitzer-Cabrio und adretter Zweifarblackierung vom Ende der 1920er Jahre, nicht wahr?
Gewiss, aber versuchen Sie mal herauszufinden, was das für ein Gefährt war! Da wird Ihnen erst klar, was ich für Arbeit mit diesen alten Kisten habe.
Vom Stil her musste das ein US-Fabrikat sein, auch wenn die Aufnahme in Deutschland entstand. Die Positionsleuchten am hinteren Ende der Motorhaube und der Aufbau als „Rumble Seat Roadster“ sprechen dafür.
Dieser Stil aus den Staaten – gekennzeichnet durch Notverdeck, seitliche Steckscheiben und ausklappbaren „Schwiegermuttersitz“ im Heck – fand in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre auch viele Freunde auf dem europäischen Kontinent – einschließlich Deutschlands.
Charakteristisch sind an dem Fahrzeug eigentlich nur zwei Dinge: Die horizontalen Luftschlitze (damals hierzulande vor allem von Stoewer verwendet) und die für ein US-Auto ungewöhnlich kompakten Abmessungen.
An sich gab es in Amerika keinen Grund, bei den Dimensionen sparsam zu sein – die Massenfabrikation erlaubte auch bei Einsteigermodellen ein großzügiges Platzangebot und ein gutes Styling entfaltet sich auf einem langen Chassis am besten.
Die atemberaubenden US-Autokreationen speziell der 60/70er Jahre beziehen ihren Reiz nicht zuletzt daraus, dass sie eine schnittige Coupé-Optik mit dem üppigen Platzangebot einer vollwertigen Limousine verbanden.
Wenn sich Ende der 1920er Jahre, als „Amerikaner“-Wagen ebenfalls schon eine Nummer größer waren als vergleichbare Europäer, ein US-Hersteller für so bescheidene Dimensionen entschied, dann musste er sich etwas Besonderes dabei gedacht haben.
Das war hier der Fall – denn für das Modelljahr 1929 hatte die Marke Marmon, deren Geschichte ich hier dargestellt habe, den billigsten US-Wagen mit 8-Zylinder vorgesehen.
Für unglaubliche 995 Dollar bekam man damals das als „Roosevelt“ angebotene Modell mit 3,3 Litern Hubraum und über 70 PS Höchstleistung. Der Gipfel war freilich, dass ausgerechnet dieser Billigheimer mit dem ersten ab Werk verfügbaren Autoradio daherkam.
Mit diesem sensationellen Angebot konnte Marmon 1929 seinen Absatz drastisch auf über 20.000 Fahrzeuge steigern.
Zumindest einer dieser „Roosevelt“-Achtzylinder muss den Weg über den Atlantik gefunden haben. Genau den haben wir heute bei der Wagenpflege entdeckt.
Wenn Sie jetzt noch Lust auf eine Ausfahrt mit einem Marmon dieses Typs – allerdings mit Limousinen-Aufbau – haben, dann können Sie hier einsteigen…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.