So aufregend der Fund des Monats meist auch ist, so entspannend ist zugleich seine Wirkung. Denn fast immer schreibe ich den Blog-Eintrag dazu kurz vor Monatsultimo eilig herunter und so bleibt schlicht keine Zeit für umständliche Herleitungen und mehr oder minder gelungene Ab- und Umwege.
Beinahe wäre es heute anders gekommen, denn eigentlich wollte ich auch die heutige Gelegenheit dazu nutzen, Sie wieder einmal mit völlig sachfremden Bildungsballast oder verstiegenen Werturteilen zu belästigen.
Dazu war vorgesehen, einen Vertreter des Fachs der Ägyptologie vorzustellen, welches manche als hochspannend und manche als völlige Zeit- und Geldverschwendung ansehen. Schon bei solchen Themen können völlig unterschiedliche Sichtweisen aufeinanderprallen – gut so, denn diese gehören ganz selbstverständlich zu unserem Alltag.
Daraus wurde allerdings nichts, weil ich bei der Personalie, um die es beim heutigen Fotofund ganz am Rande ging, einfach nicht weiterkam. Ein deutscher Ägyptologe namens Hermann Kress (oder Kreß) soll darauf zu sehen sein.
Dies hat mir jedenfalls der Besitzer des Fotos so übermittelt – Leser Klaas Dierks, der uns wieder einmal mit einer Entdeckung zum Staunen bringt, die einiges klärt, aber wiederum manches auch offen lässt.
Nachdem ich bei einer kurzen Recherche zu Hermann Kress im Kontext mit der Forschung zum Alten Ägypten nicht fündig wurde, blies ich das Vorhaben ab und sagte mir: Deine Leser haben es verdient, dass es wenigstens einmal im Monat direkt zur Sache geht.
Wohlan, auch wenn ich es gern umständlich mag, hier nun das Altertumsobjekt auf vier Rädern, welches jede namenlose Mumie aus dem Wüstensand in den Schatten stellt:

Beinahe enttäuschend, dass man den Hersteller gleich auf den ersten Blick erkennt, selbst wenn man so ein Automobil noch nie zuvor gesehen hat.
ALFI stand für seinen Schöpfer – Alex Fischer aus Berlin – der in der ersten Hälfte der 1920er Jahre wie so viele andere automobile Abenteurer in Deutschland sein Glück mit selbstkonstruierten Wagen der Kleinwagen- und unteren Mittelklasse versuchte.
Im Unterschied zu vielen Konkurrenten gelang es ihm, kurzzeitig ein recht differenziertes Angebot aufzuziehen, das neben elektrisch betriebenen Personen- und Lieferwagen auch Benzinkutschen mit vier unterschiedlichen Motorisierungen umfasste.
Die Hubräume reichten von 800 ccm (3/12 PS) über 900 ccm (4/14 PS) und 1300ccm (5/20 PS) bis hin zu einem großen 7/35 PS-Motor, der zugleich das Ende der Firma anno 1925 einläutete.
Wie meistens in solchen Fällen, habe ich selbst keine Ahnung von dem Hersteller und seinen Fahrzeugen und beziehe mich auf die Angaben in der 2019er Neuausgabe von Werner Oswalds Klassiker „Deutsche Autos 1920-1945“.
Die Ausgabe enthält bei allen Verdiensten jede Menge Fehler (oft auch schlicht redaktioneller Art in Form falscher Bildbeschriftungen) und daher würde es mich nicht wundern, wenn der Eintrag zu Alfi ebenfalls korrektur- oder erweiterungsbedürftig wäre. Aber wie gesagt: Das Verdienst liegt darin, überhaupt eine erheblich verbesserte Auflage zustandegebracht zu haben (ein paar Fotos aus meinem Fundus sind auch darin enthalten).
Im Alfi-Eintrag ist ein Foto aus der Sammlung von Gerd Klioba zu sehen, der sich auf die Kleinwagenmodelle jener Zeit spezialisiert hat. Vermutlich kann er ein fundierteres Urteil als ich darüber abgeben, ob auf dem Foto von Klaas Dierks ein Alfi des Typs 5/20 PS zu sehen ist, wie ich meine, oder doch ein anderes Modell.
Für fundiert halte ich schon einmal die Einschätzung von Klaas Dierks selbst, dass „sein Alfi“ über einen abnehmbaren Karosserieaufsatz verfügte, mit welchem sich die Limousine in einen Tourenwagen verwandeln ließ und umgekehrt.
Diese variable Lösung war bis etwa Mitte der 1920er Jahre öfters zu finden. Man erkennt sie meist an einer auffallenden horizontalen Trennlinie entlang der Wagenseite, welche bei einer echten Limousine stilistisch nicht notwendig bzw. ästhetisch nicht naheliegend war.
Ausschließen können wir das große 7/35 PS Modell, da dieses angeblich Vorderradbremsen besaß. Nebenbei: die Spezifikation 7/35 PS ist einigermaßen exotisch.
Zum Schluss – und weil noch ein Minuten Zeit bis zur Geisterstunde sind – konnte ich es aber dann noch nicht lassen und grub noch einmal nach dem Ägyptologen aus Leipzig, der auf dem Foto neben dem Alfi ganz rechts zu sehen ist.
Statt eines Hermann Kress gab es einen Hermann Kees, der sich dieser nach Ansicht vieler nutzlosen (für mich hingegen verdienstvollen) Profession hingab. Nach seiner Habilitation wirkte er Anfang der 1920er Jahre erst als Privatdozent in Leipzig, ab 1924 findet man ihn in Göttingen.
Diese Daten und auch die Physiognomie widersprechend aus meiner Sicht zumindest nicht der Identifikation des Herrn mit dem kahlen Schädel und der Nickelbrille als Hermann Kees.
Vielleicht kann Leser Klaas Dierks noch einmal die Schreibweise des Namens auf dem Foto prüfen – vielleicht habe ich aber auch etwas bei meiner Suche übersehen.
Interessant finde ich wie so oft beide Fragestellungen – diejenige, welche den Alfi betrifft, und die zur erwähnten Personalie, auch wenn diese mit dem Autothema rein oberflächlich betrachtet gar nichts zu tun hat.
Für mich aber schon, denn ohne die Menschen und das damalige Lebensumfeld einschließlich der politischen Sphäre bleiben die schönsten Autos tote Artefakte und sind uns letztlich so fern wie das Alte Ägypten – sofern dieses nicht wieder zum Leben erweckt oder uns Nachgeborenen zumindest zugänglich gemacht wird.
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.