Die Frage, ob man sich noch eine Immobilie hierzulande ans Bein binden und sich damit in unsicheren Zeiten immobil machen will, stellt sich immer mehr Leuten, habe ich den Eindruck.
Damit meine ich aber nicht das absurde Szenario, dass demnächst „der Russe“ vor der Tür steht, um ein heruntergewirtschaftetes Land zu übernehmen, das sich bereits für unstrittige Kernaufgaben des Staats – Verteidigung und Infrastruktur – meint verschulden zu „müssen“.
Nein, es fragen sich immer mehr Bürger, ob sie und ihre Kinder hier noch eine gedeihliche Zukunft erwarten können, in der sie sicher und von Bevormundung unbehelligt leben und die Früchte ihres Fleißes in erster Linie selbst genießen können.
Vor dem Hintergrund gewinnt die Frage „Immobilie oder immer mobil?“ eine Aktualität, die sie vor über 100 Jahren schon einmal hatte.
Kurz nach dem 1. Weltkrieg standen die Gutsituierten hierzulande wie auch in anderen Ländern vor der Frage, ob sie der Aushöhlung des Geldwerts durch staatliche Schuldenexzesse dadurch entgehen könnten, dass sie ihr Vermögen schnell noch in ein schönes Haus in guter Lage stecken.
Alternativ bot sich in finanziell ähnlicher Größenordnung die Anschaffung eines stark motorisierten Automobils der internationalen Spitzenklasse an, das die nötigen Anlagen hatte, auf Jahrzehnte hinaus freie Fahrt für freie Bürger zu ermöglichen.
Genauso ein Gerät, das auch einen soliden „Fund des Monats“ abgeben würde, wenn ich nicht gerade großzügig aufgelegt wäre, darf ich Ihnen heute präsentieren. Die Puristen mögen beanstanden, dass das Foto zu „jung“ ist, um als wirklich „alt“ durchzugehen, wie das hier sonst üblich ist.
Aber da ich hier der Chef bin, erlaube ich mir, was mir gefällt, und ansehen muss sich diesen Hispano-Suiza H6B von 1921 ja keiner. Aber vielleicht macht Sie die Nennung dieser europäischen Luxusmarke mit ihrer komplizierten Geschichte doch neugierig.
Wichtig zu wissen ist über den Hersteller vor allem eines: Er gehörte in der Vorkriegszeit zur absoluten Elite des Automobilbaus und wurde schon immer in einem Atemzug mit Rolls-Royce, Delage Isotta-Fraschini und Minerva genannt.
Die auf Spanien und Frankreich verteilten Aktivitäten im Flugmotor- und Autobau mündeten nach dem 1. Weltkrieg in die Entwicklung eines großartigen Sechszylinderwagens, des Typs H6. Er verfügte über einen aus einem V12 abgeleiteten OHC-Motor mit 6,6 Litern Hubraum der bereits bei niedriger Drezahl rund 135 PS leistete.
Die Verwendung von Aluminiumkolben in stählernern Laufbüchsen, die wiederum im Alu-Motorblock eingelassen waren, unterstrichen das moderne Konzept ebenso wie die schon bei Erscheinen 1919 eingesetzten servounterstützten Vierradbremsen – das System wurde aufgrund seiner Effektivität auch von Rolls-Royce übernommen.
Im Jahr 1921 entstand eine Variante dieses Hispano-Suiza – der Typ H6B – mit kombiniertem Alu-Holz-Aufbau von Charles Duquesne. Die spezielle Bauweise inspirierte die aus dem Bootsbau stammende Bezeichnung „Skiff“ für den Wagen:

Als ich dieses Foto erwarb, dachte ich nicht, dass ich ohne weiteres herausfinden könnte, was genau das für ein Hispano-Suiza war. Nur die legendäre Kühlerfigur – ein vorwärtsstrebender Kranich mit ausgebreiteten Schwingen erkannte ich auf Anhieb.
Heute schaute ich einmal nach, ob ich etwas zu dem Wagen herausfinden könnte. Tatsächlich wurde ich rasch fündig, nachdem ich auf das Modell H6 gestoßen war, das von von 1919 bis 1932 in etwas mehr als 2.000 Exemplaren gebaut wurde.
Den Schlüssel lieferte der Holzaufbau, den es ähnlich zwar auch bei anderen Wagen der Zeit bis etwa 1925 gab, in der Kombination mit einem Hispano-Suiza aber Spuren in Form weiterer Fotos im Netz hinterlassen haben musste.
Genau das war der Fall, und da der abgebildete Wagen exzellent dokumentiert ist, sind mir die exakten Angaben möglich, von denen an bei anderen Herstellern oft nur träumen kann.
Die ersten drei Besitzer waren reiche Franzosen aus dem Umland von Paris. Der letzte der drei hatte nach der deutschen Besetzung Frankreichs 1940 die Räder verschwinden lassen – damals die einfachste Methode, ein begehrtes Auto zur Immobilie zu machen.
In diesem Zustand verbrachte der Hispano-Suiza die Zeit unangetastet bis in die 1960er Jahre. 1965 kaufte der französische Sammler Jean-Paul Dubroca den Wagen und brachte ihn mit geringem Aufwand wieder auf die Straße. Nur die Lackierung von Blech und Holz sowie das Lederinterieur ließ er erneuern.
1968 stand eine Motorüberholung an, 1992 war dann das Getriebe an der Reihe. In der Zwischenheit hatte Monsieur Dubroca mit dem Hispano Suiza, der beim Kauf eine Laufleistung von 64.000 Kilometern aufgewiesen hatte, über 30.000 Kilometer zurückgelegt.
Bei einer der ausgedehnten Reisen mit dem souverän motorisierten Wagen muss die Aufnahme entstanden sein, die ich Ihnen heute präsentiert habe. Ich vermute, dass am Steuer Monsiur Dubroca selbst zu sehen ist.
Er starb 2014, doch der Wagen blieb seither in der Familie. 2023 wurde der Hispano-Suiza zwar bei einer Bonhams-Auktion angeboten, doch er fand keinen Käufer.
Der Schätzpreis entsprach mit 400.000 bis 600.000 wie schon 1921 dem Gegenwert einer durchschnittlichen Einfamilien-Immobilie, dennoch konnte sich niemand durchringen zuzuschlagen, um mit dem Hispano-Suiza für immer mobil zu bleiben.
Sie können den Wagen immerhin auf einem Foto in Farbe bestaunen, das anlässlich der Auktion entstand. Von dort stammt auch die ausführliche Beschreibung des Wagens, ohne die ich dieserm großartigen Fahrzeug nicht annähernd so viel hätte abgewinnen können.
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.