Sportlich & schön auf tschechisch: Aero 30 Roadster

Was sagt man in Tschechien, wenn man eine Sache sportlich und schön findet? Nach meiner Recherche lautet die richtige Lösung: sportovní a krásný.

Doch da mir der Zugang zu den slawischen Sprachen fehlt, habe ich mich für eine andere Herangehensweise entschieden. Anlass dazu gab die Diskussion im Anschluss an meinen Blog-Eintrag zum Fiat 508 S Spyder Sport.

Denn ich hatte die These aufgestellt, dass kein deutscher Hersteller es in der ersten Hälfte der 1930er Jahre wagte, in der 1 Liter-Klasse einen Serienwagen mit dermaßen gutem Leistungsgewicht zu bauen: 30 bzw. 38 PS auf 600 kg.

Allenfalls der Adler Trumpf Junior Sport (ab 1935) kam in die Nähe dieser Relation.

Warum man sich nicht mit den Italienern auf diesem Feld messen wollte? Vermutlich galt das hemmungslose Streben nach Spitzenleistung in der Kleinwagenklasse den Firmenvorständen hierzulande als unschicklich, obwohl es einen Markt dafür gab.

Vielleicht meinte man auch, dass solche Fahrzeuge nicht belastbar seien. Derselben Fehleinschätzung unterlagen die deutschen Motorradhersteller nach dem Krieg, als sie den hochdrehenden japanischen Konkurrenten mangelhafte Standfestigkeit unterstellten und sich selbst für das Maß aller Dinge hielten – wie das ausging, ist bekannt.

Ein Leser meiner Facebook-Gruppe, in der ich regelmäßig auf diesen Blog verlinke und die über 1.500 Mitglieder aus aller Welt hat, erinnerte mich daran, dass auch die Tschechen in den 30er Jahren ein Faible für 1-Liter-Autos hatten, die sportlich und schön waren.

Eines dieser Rezepte trug den Namen „Aero 30 Roadster“ und zufälligerweise habe ich gerade vor einigen Tagen ein zeitgenössisches Foto davon aufgetan:

Aero 30 Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dass es sich bei diesem beinahe britisch wirkenden Auto um die Schöpfung eines tschechischen Herstellers handelt, darauf deutete schon das Nummernschild hin. Mir war dieses scharfe Gerät aber bereits bei früherer Gelegenheit begegnet.

Im damaligen Blog-Eintrag ging es allerdings um die spätere Ausführung mit Aufbau nach Entwurf von Sodomka, während wir hier eine frühere Version sehen.

Dass ich überhaupt etwas zu diesem attraktiven Fahrzeug sagen kann, verdanke ich der deutschen Aero-IG – man sieht, es gibt auch im 21. Jahrhundert immer noch Deutsche, welche die besonderen Qualitäten dieser Marke zu schätzen wissen.

Demnach wurde der Aero 30 im Jahr 1934 eingeführt und war von Anfang an auch mit dieser gelungenen Roadster-Karosserie erhältlich. Antriebsseitig sind Ähnlichkeiten mit den Fronttrieblern von DKW unübersehbar – ein Zweizylinder-Zweitaktmotor und Vorderradantrieb waren die Kennzeichen.

Allerdings spielte der Aero mit 30 PS aus knapp einem Liter Hubraum in einer für die sonst durchaus agilen DKWs unerreichbaren Liga. Bis zu 110 km/h Spitze werden für den Roadster angegeben.

Was das Gewicht betrifft, blieben freilich die 600 kg des Fiat 508 S Spyder Sport unerreicht – der Aero brachte über 800 kg auf Waage (sofern die Angabe stimmt, die mir recht hoch vorkommt.)

Während der Fiat 508 Roadster femininer und filigraner wirkte, repräsentierte der Aero 30 Roadster wie gesagt eher den kernigen britischen Stil:

Wer so etwas aus deutschen Landen wünschte, wurde in gestalterischer Hinsicht damals noch am ehesten beim Tornax Rex fündig – nicht zufällig ein Nischenfahrzeug wie auch der DKW F5 Front Luxus Roadster mit seiner eher weichen Linienführung.

Jedenfalls kann sich die tschechische Interpretation des Rezepts „sportlich und schön“ im Konkurrenzvergleich absolut sehen lassen und man versteht, warum sich jemand einst dafür und nichts anderes entschied.

Dank der quicklebendigen Vorkriegsszene im heutigen Tschechien kann man nach 90 Jahren immer noch Exemplare dieses Aero 30 Roadster genießen. Ein besonders schönes Beispiel in himmelblau findet sich aus verschiedenen Perspektiven hier:

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Nur ein kurzes Vergnügen… Aero 30 Roadster

Heute ist in meinem Blog nur ein kurzes Vergnügen drin – das aber nicht nur in zeitlicher Hinsicht.

Zunächst gilt es, an ein Porträt des Typs 30 anzuknüpfen, den die reizvolle tschechische Marke Aero ab 1934 mit Vorderradantrieb baute. So hatte ich im Sommer die erste Ausführung dieses auch äußerlich starken Modells hier präsentiert.

Die noch attraktiver gestylte spätere Version des Aero 30 von 1939 konnte ich damals „nur“ anhand einer Cabrio-Limousine dokumentieren:

Aero 30, Karosserie Sodomka; Originalfoto aus Familienbesitz (via Johannes Kühmayer, Wien)

Dieser Ausführung ging zwar das klassische Ebenmaß der parallel in Deutschland gebauten Fronttriebler von DKW ab (siehe meinen gestrigen Blog-Eintrag zum Modell F7). Doch die raubtierhafte Spannung des Karosseriekörpers ist auf ihre Art ebenfalls ein Meisterstück.

Dieser kühne Entwurf stammte von der Karosserieschmiede Sodomka, der wir einige der exaltiersten Blechkreationen der 1930er Jahre verdanken. Dort entstand auch der Roadster-Aufbau, mit dem der Aero 30 ebenfalls erhältlich war.

Mir gefällt zwar – wie häufig bei Autos jener Zeit – die coupéhafte geschlossene Version besser, aber zu verachten war dieser Aero-Roadster keineswegs. Im Fall des heute vorgestellten Exemplars tut die „Besatzung“ ein übriges:

Aero 30 Roadster, Karosserie Sodomka; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt

Diese Aufnahme transportiert uns ins Frühjahr oder in den Sommer 1939, denn erst in jenem Schicksalsjahr war diese modernisierte Ausführung des Aero 30 erhältlich.

Was hier so heiter erscheint, sollte also nur ein kurzes Vergnügen bleiben, denn wenig später begann mit den zeitlich kurz aufeinanderfolgenden Zangenangriffen des Deutschen Reichs und der Sowjetunion auf Polen der Zweite Weltkrieg.

Ebenfalls ein kurzes Vergnügen sollte die 1938 erfolgte Heraustrennung des überwiegend deutsch besiedelten Sudetenlands aus der Tschechoslowakei und die Einbeziehung ins Deutsche Reich sein.

Das Kennzeichen des Aero 30 Roadsters mit „S“ für Sudetengau verweist auf diese kurze Episode, die im Frühjahr 1945 ein für viele unschuldige Zivilisten dort grausames Ende fand.

Wie im Fall der seit 2014 zunehmenden Aggression der Ukraine gegen die Bevölkerung ihrer russisch besiedelten Regionen, welche im Februar 2022 den Einfall russischer Truppen auslöste (keine Entschuldigung, aber eine Erklärung) – ist nüchtern zu konstatieren, dass Vielvölkerstaaten nur bei fairem Miteinander fortbestehen können, gegebenenfalls mit autonomen Regionen, oder aufgespalten werden müssen, um Schlimmeres zu verhindern.

Im Fall des Sudetenlands kam ein solcher Schritt zu spät, und die über lange Zeit sich steigernde Drangsalierung der dortigen deutschen Bevölkerung gab im Reich den radikalen Kräften zusätzlichen Auftrieb, welche dann halb Europa verheerten.

So blieb der Sommerausflug im Aero 30 Roadster mit Kennzeichen Sudetenland ein kurzes Vergnügen – und für viele das letzte vor der Katastrophe. Aus dieser hätte man eigentlich lernen können, ein neues Aufflammen kriegerischer Konflikte entlang der Grenzen zwischen verschiedenen Völker oder Ethnien unbedingt zu vermeiden.

Aber die historische Erinnerung ist leider nur eine kurze – keineswegs ein Vergnügen…

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Tschechisch, stark und chic: Aero 30

Tschechische Vorkriegswagen haben auch in deutschen Landen viele Liebhaber – das gilt vor allem für die bekannte Marke Tatra. Doch auch für weitgehend vergessene Nischenhersteller unseres Nachbarlands können sich einige Enthusiasten begeistern.

Ein schönes Beispiel dafür – im wahrsten Sinne des Wortes – ist Aero. Nach dem 1. Weltkrieg als Flugzeugbauer gegründet, begann die Firma Ende der 1920er Jahre auch PKW zu fertigen.

Das erste Modell – der Aero 500 – basierte noch auf einem Entwurf der Prager Marke Enka, deren Konstrukteur mangels eigener Expertise im Automobilbau kurzerhand von Aero abgeworben wurde.

Nach diesen Anfängen wandte man sich kompakten Konstruktionen mit Zweizylinder-Zweitakter nach DKW-Vorbild zu. 1934 ging man ebenfalls zum Vorderradantrieb über, der damals bereits von weit mehr Herstellern propagiert wurde, als man denken mag.

Der erste Vertreter diese Bauweise war der Aero 30 – auf dem Papier zwar „nur“ ein Kleinwagen mit 1-Liter-Motörchen – doch dieser hatte es in sich: Mit 30 PS Höchstleistung ließen die Tschechen die bestenfalls 20 PS „starken“ DKW-Frontwagen locker hinter sich.

Auch gestalterisch ging Aero durchaus eigene Wege – wenngleich ich auf die formalen Qualitäten der zeitgenössischen DKW-Wagen nichts kommen lasse, die war für meine Begriffe in der Kleinwagenklasse international konkurrenzlos.

Aber markant und durchaus sportlich kam bereits der Aero 30 des ersten Modelljahrs daher – hier freilich auf einer Nachkriegsaufnahme mit allerlei die Linie störenden Anbauteilen:

Aero 30; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man muss sich hier folgendes wegdenken, um die Gestaltung der Frontpartie wertschätzen zu können: Blinker, Positionsleuchten, Nebelscheinwerfer, Rückspiegel und wohl auch die Stoßstange waren allesamt nachgerüstet.

Ohne dieses ganze „Lametta“ hat man einen gutaussehenden, niedrig bauenden Wagen vor sich, der heute auf mancher von Prestigemarken dominierten Klassikerveranstaltung Furore machen machen würde.

Kein Wunder, dass diese optisch wie vom Tempo her flotten Wagen auch hierzulande ihre Freunde haben – es gibt sogar eine eigene und sehr aktive Aero-IG. Dieser verdanke ich auch meine gesamte Weisheit, was die Autos der Marke angeht.

Dank der dort wiedergegebenen Typenhistorie war ich imstande, einen weiteren Aero 30 näher einzuordnen, dessen Konterfei mir Johannes Kühmayer (Wien) freundlicherweise aus seinem Familienalbum zur Verfügung gestellt hat:

Aero 30, Karosserie Sodomka; Originalfoto aus Familienbesitz (via Johannes Kühmayer, Wien)

Bei dieser fabelhaft aussehenden Cabrio-Limousine käme man nicht unbedingt auf Idee, dass es sich lediglich um eine spätere Ausführung des Aero 30 handelt.

Das ist kein Wunder – denn bei dieser Version haben die Gestalter der Karosseriefabrik Sodomka Hand angelegt. Diese pflegte einen expressiven, doch stets gekonnten Stil, welcher vielen tschechischen Vorkriegswagen eine unverwechselbare Optik von großem Reiz verlieh.

Leider kann ich derzeit nur mit dieser Aufnahme eines solchen Aero 30 nach Sodomka-Entwurf aufwarten – aber vielleicht findet sich im Fundus eines Lesers noch mehr in dieser Richtung.

Es darf dann übrigens auch gern der Aero 50 sein, der ab 1936 die Palette nach oben abrundete. Mit seinen 50 PS bei gut 1.000 Leergewicht (Zweisitzer) wäre das auch in der Nachkriegszeit noch einige Jahre lang ein durchaus sportliches Auto gewesen.

Doch nur dem schwächeren Aero 30 sollte noch eine kurze Nachkriegskarriere vergönnt bleiben. 1946 wurde die Firma vom kommunistischen Regime verstaatlicht und in der sich daraufhin „entfaltenden“ Planwirtschaft war bald kein Platz mehr für die sinnliche Mischung „Tschechisch, stark und chic“…

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