Es gibt Eis, Baby! Ein Aero 662 Roadster

Wem die aktuelle herrlich trockene Wärme, deretwegen man sich sonst als Germane gewohnheitsmäßig in den Süden aufmacht, schon wieder zuviel ist – vielleicht Symptom einer körperlich immer weniger belastbaren autochthonen Population – für diejenigen also gibt es hier eine Erfrischung.

Frei nach dem Großmeister des neuzeitlichen Dada-Humors Helge Schneider (nebenbei ein formidabler Jazz-Musiker, aber das sagt vielen nichts) heißt es wie immer das Thema trefflich verfehlend: „Es gibt Eis, Baby“.

Auf die Idee kam ich heute am frühen Nachmittag nach getaner Gartenarbeit – unter anderem auf des japanischen Nachbars Grundstück, der mich stets freundlich lächelnd dort das wuchernde Unkraut wegmachen lässt, das auf unsere Seite herüberwächst.

Nach dieser Arbeit setzte ich mich ins Auto und besorgte im Supermarkt ein Zitronensorbet-Eis und kehrte zurück mit dem Schlachtruf „Es gibt Eis, Baby!

Selbiges genossen wir dann unter dem prächtigen alten Maronenbaum, der mit seinem weit auskragenden Blätterdach ein perfektes Mikroklima für solche Situationen schafft.

Jetzt am Abend sind alle Fenster geöffnet, angenehm kühle Luft weht aus der Au durchs Haus und gegen unerwünschten Besuch ist die französische „Berger“-Lampe angezündet, die einen zuverlässig gegen alle Bestechungsversuche immunisiert.

Doch mag mancher Großstadtbewohner auf dergleichen verzichten müssen und schmort deweil zwischen vom Sonnenschein erhitzten Mauern ohne Aussicht auf Abkühlung.

Wirklich helfen kann ich diesen urbanen Zeitgenossen nicht, aber zumindest visuell habe ich heute jede Menge Abkühlung und erfrischende Perspektiven im Angebot:

Aero Typ 662; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mag sein, dass sich die Vertreter der „Mir ist so heiß„-Fraktion gerade einen Schneehaufen wie hier im Hintergrund herbeiwünschen, doch nach dem ersten Kontakt wär’s dann vermutlich auch nicht recht: „Puuh, ist das kalt!

Das ist mir aber egal, denn mir gefällt hier vor allem die Situation, die auf einem Foto festgehalten ist, welches einst vom Fotohaus Görner am Bismarckplatz in Dresden entwickelt wurde – mehr wissen wir leider nicht dazu.

Der abgebildete Wagen ist trotz des Kühlerüberzugs, der bei kaltem Wetter den Kühlluftduchsatz regulierte und so den Motor schneller warmwerden ließ, als „Aero“ aus tschechischer Produktion erkennbar.

Ich vermutete bereits etwas in der Richtung, bevor ich den nicht gut lesbaren Markenschriftzug am unteren Ende des Kühlers entdeckte.

Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich meine, dass es sich um den Zweizylinder-Zweitakt-Typ 662 handelt, der von 1931-34 gebaut wurde. Die Typbezeichnung bezog sich auf den Hubraum in Kubikzentimeter – der Motor leistete 18 PS.

Man fühlt sich ein wenig an die DKWs jener Zeit erinert, doch dieser Aero besaß Heckantrieb und war auch nicht so elegant gestaltet. Dafür hatte der Roadster eine gewisse britische Anmutung und mit Spitze 80km/h ließ sich die nur 500 kg „schwere“ offene Version auf der Landstraße durchaus flott bewegen.

Aero bot daneben die 1 Liter-Version „1000“ an, die mit 26 PS dann ein echtes Sportwagen-Erlebnis bot. Diese seltenere Variante besaß aber eine etwas andere Kühlergestaltung.

Viel mehr vermag ich dem kleinen Aero für heute nicht abzugewinnen, außer dass er der bislang früheste Vertreter seiner Art in meinem Blog ist. Wie immer sind sachkundige Kommentare zu diesen interessanten, aber heute hierzulande wenig bekannten tschechischen Roadstern willkommen.

Ansonsten empfehle ich für weitere erfrischende Momente einen Blick ins Kühlfach. Vielleicht findet sich da ja was, denn für jedes Problem gibt es eine Lösung (wenn man will…) und es heißt dann auch bei Ihnen wie auf diesem Foto: „Es gibt Eis, Baby!“

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Schrödingers Katze lebt! Eine „Aero 30“ Limousine

Bislang glaubte ich, dass meine nächtlichen Betrachtungen von Vorkriegsautos von mir selbst stammten – doch ein schon länger gehegter Verdacht hat sich heute bestätigt: ES schreibt in mir und ich bin nur das Medium von Assoziationen, die sich quasi von allein ergeben.

Heute morgen fand ich eine Nachricht von Leser Klaas Dierks vor – einem der geschätzten Sammler, denen ich soviel inspirierendes Anschauungsmaterial verdanke. Abends schaute ich dann nach, was er mir für Bilder zur Identifikation übersandt hatte.

Das Interessanteste davon präsentiere ich Ihnen im Folgenden. Ohne nur einen Moment überlegen zu müssen, wusste ich genau, was für ein Fahrzeug auf dieser Aufnahme abgebildet ist, obwohl ich es noch nie aus dieser Perspektive gesehen habe:

Aero 30 Limousine; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Das Tempo, in dem sich die Lösung in meinem Bewusstsein manifestierte, ist ein Hinweis darauf, dass ein Großteil der Prozesse in unserem Gehirn unserer Initiative und Kontrolle entzogen sind.

Wie genau das funktioniert, wissen wir nicht annähernd – kaum verwunderlich, da unser limitierter Denkapparat die ihm zugrundeliegenden umfangreicheren Strukturen nicht erfassen kann. Dieses Defizit können wir immerhin erkennen (die skeptische Richtung der griechischen Philosopie hat das bereits vor fast 2500 Jahren formuliert), aber nicht auflösen.

Ich mag solche Paradoxien, denn sie machen uns als Geschöpfe geheimnisvoller und komplexer, als es Experten für platte Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gerne hätten.

Auch die Idee zum Titel und Thema wurde mir in Sekundenbruchteilen von einer Abteilung meines Kopfes serviert, über den ich keine Herrschaft besitze. Denn kaum war mir klar geworden, dass das fragliche Fahrzeug von 1939-47 äußerlich unverändert gebaut wurde und Ort wie Zeitpunkt des Fotos ungewiss sind, fiel mir Schrödingers Katze ein.

Jetzt bin ich immerhin so weit, dass ich mir bewusst Gedanken über den weiteren Fortgang mache:

Soll ich erst über Schrödingers Katze dozieren – ein nicht ganz triviales Sujet? Oder soll ich erst verraten, um was es für ein Fahrzeug sich handelt? Dann haben Sie aber vielleicht kein Interesse mehr an Schrödingers Katze – und das wäre schade.

Also versuche ich mich besser zunächst an der Katzenstory, sodass Sie bis zum Schluss dranbleiben – außerdem werden Sie in Zukunft mit der Geschichte etwas anfangen können.

Wo beginnen? Am besten beim Physik-Unterricht in der Schule – ich weiß: das absolute Lieblingsfach einiger meiner Leser (m/w/d). Erinnern Sie sich an die Atommodelle, mit denen uns die meist skurrilen Lehrer konfrontiert haben?

Ich fand die Sache in der historischen Abfolge hochinteressant und war enttäuscht, als man just in dem Moment abbrach, als das Atom analog zum Planetensystem als von Elektronen umkreister Kern aus Protonen und Neutronen beschrieben wurde.

Das war anschaulich, doch irgendwoher wusste ich schon damals, dass diese Visualisierung nicht mehr dem modernen Stand entsprach. Tatsächlich war die Quantenmechanik bereits in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter.

Demnach ließ sich der Zustand der den Atomkern umkreisenden Elektronen mit mathematischen Wellengleichungen zwar beschreiben, aber der genaue Aufenthaltsort dieser bis dato als Teilchen interpretierten Atombausteine ließ sich nicht allgemein benennen.

Er konnte nur von außen durch Messung für einen bestimmten Zeitpunkt ermittelt werden. Ohne diese Messung war der Zustand eines einzelnen Elektrons ungewiss.

Dieses Unschärfeproblem an der Nahtstelle zwischen Mikrokosmos und unserer menschlichen Makrowelt hat den österreichischen Physiker Erwin Schrödinger 1935 zu einem makabren Gedankenexperiment veranlasst.

Es ging dabei um die Frage, in welchem Zustand sich eine Katze in einer nach außen abgeschirmten Kiste befindet, welche einen Tötungsmechanismus enthält, dessen Auslöser der zufällige Zerfall eines Atoms ist.

Der Vorgang unterliegt derselben Unschärfe wie der Aufenthaltsort eines Elektrons – es sind von außen nur Wahrscheinlichkeitsaussagen darüber möglich, ob das Atom bereits zerfallen und die Katze tot ist oder nicht.

Aus Sicht der Quantenmechanik ist die Katze daher statistisch ebenso tot wie lebendig – erst die konkrete Messung in Form der Öffnung der Kiste wird den status quo ans Licht bringen.

Natürlich entspricht es der Erfahrung unserer Makrowelt, dass die Katze nicht gleichzeitig tot und lebendig sein kann – dieses Paradoxon wollte Schrödinger auf den Punkt bringen.

Sind Sie noch dabei? Dann erfahren Sie jetzt, was Schrödingers Katze mit der Limousine auf Klaas Dierks Foto zu tun hat und warum wir sicher sein dürfen, dass sie überlebt hat.

Die katzenhafte Silhouette war es dabei übrigens nicht, die mich inspirierte, aber sie passt gut zu der ganzen Geschichte.

Es war die vorne abgerundete Kühlerpartie in Kombination mit der Gestaltung der Vorderkotflügel und den Lochfelgen, die mein Unterbewusstsein in Bruchteilen auf die tschechische Marke Aero brachte.

Ein Blick in meine kleine Aero-Galerie und ein Abgleich mit Fotos im Netz brachte dann das Ergebnis, dass wir es mit dem Aero Typ 30 in der 1939 eingeführten Form zu tun haben. Dies ist ein Exemplar in der Ausführung als Cabrio-Limousine, das ich hier besprochen habe:

Aero 30 ab1939; Originalfoto via Johannes Kühmayer (Wien)

Dieses Automobil gehörte wohl zu den agilsten seiner Hubraumklasse: 30 PS aus nur 1 Liter Hubraum dürften damals in der Zweitaktfraktion unübertroffen gewesen sein. In Verbindung mit modernem Frontantrieb und recht niedrigem Gewicht (950 kg im Fall der Limousine) war das durchaus ein flott zu bewegendes Fahrzeug im Kleinwagensegment.

Bis zu 110 km/h Spitzengeschwindigkeit werden dem Aero 30 zugeschrieben und es wundert nicht, dass das Modell praktisch unverändert bis 1947 gebaut wurde.

Und damit wären wir bei Schrödingers Katze: Der Aero 30 auf dem heute vorgestellten Foto liefert uns keine konkrete Information darüber, ob er nun vor oder nach dem 2. Weltkrieg gebaut wurde und auch nicht darüber, wann er fotografiert wurde.

Quantenphysiker würden nun sagen, dass sich das Problem mit der mathematischen Beschreibung der Wahrscheinlichkeiten beschreiben lasse und das Foto gleichzeitig eine Vorkriegs- wie eine Nachkriegssituation darstellen kann.

Damit würden es die Physiker wohl bewenden lassen. Doch wenn wir den Aero mit Schrödingers Katze gleichsetzen, ist das Fazit unbefriedigend: Der konkret abgebildete Wagen konnte unmöglich beides sein: Vorkrieg oder Nachkrieg – tot oder lebendig.

Anders formuliert: Hat unsere Katze mit dem wenig haustiergerechten Namen Aero 30 nun das Kriegsgeschehen überlebt oder nicht?

Ich als Anhänger klassischer Werte halte mich an die traditionelle Lehre und behaupte, dass das Fehlen der Chromradkappen darauf hindeutet, dass wir es sehr wahrscheinlich mit einem Aero 30 noch aus Vorkriegsproduktion zu tun haben, der kurz nach dem Krieg fotografiert wurde, als das eine oder andere Teil verlorengegangen war.

Die Quantenmechaniker unter meinen Lesern – es werden doch welche dabei sein, oder? – werden jetzt milde lächeln, denn ich habe „sehr wahrscheinlich“ geschrieben.

Genau diese unhintergehbare Ungewissheit beschreiben die modernen Mathematiker mit ihren Modellen und gehen dann zum Kühlschrank, in dem mit einer gewissen Wahrscheinlickeit ein Kaltgetränk auf sie wartet oder auch nicht – bis sie die Tür aufmachen.

Wir rückständigen Freunde des Vorkriegsautomobils dagegen denken heimlich: „Ganz egal, was diese Experten auch erzählen, wir sehen doch genau vor uns, was ist: Schrödingers Katze hat überlebt und das in Form eines Aero 30…

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Sportlich & schön auf tschechisch: Aero 30 Roadster

Was sagt man in Tschechien, wenn man eine Sache sportlich und schön findet? Nach meiner Recherche lautet die richtige Lösung: sportovní a krásný.

Doch da mir der Zugang zu den slawischen Sprachen fehlt, habe ich mich für eine andere Herangehensweise entschieden. Anlass dazu gab die Diskussion im Anschluss an meinen Blog-Eintrag zum Fiat 508 S Spyder Sport.

Denn ich hatte die These aufgestellt, dass kein deutscher Hersteller es in der ersten Hälfte der 1930er Jahre wagte, in der 1 Liter-Klasse einen Serienwagen mit dermaßen gutem Leistungsgewicht zu bauen: 30 bzw. 38 PS auf 600 kg.

Allenfalls der Adler Trumpf Junior Sport (ab 1935) kam in die Nähe dieser Relation.

Warum man sich nicht mit den Italienern auf diesem Feld messen wollte? Vermutlich galt das hemmungslose Streben nach Spitzenleistung in der Kleinwagenklasse den Firmenvorständen hierzulande als unschicklich, obwohl es einen Markt dafür gab.

Vielleicht meinte man auch, dass solche Fahrzeuge nicht belastbar seien. Derselben Fehleinschätzung unterlagen die deutschen Motorradhersteller nach dem Krieg, als sie den hochdrehenden japanischen Konkurrenten mangelhafte Standfestigkeit unterstellten und sich selbst für das Maß aller Dinge hielten – wie das ausging, ist bekannt.

Ein Leser meiner Facebook-Gruppe, in der ich regelmäßig auf diesen Blog verlinke und die über 1.500 Mitglieder aus aller Welt hat, erinnerte mich daran, dass auch die Tschechen in den 30er Jahren ein Faible für 1-Liter-Autos hatten, die sportlich und schön waren.

Eines dieser Rezepte trug den Namen „Aero 30 Roadster“ und zufälligerweise habe ich gerade vor einigen Tagen ein zeitgenössisches Foto davon aufgetan:

Aero 30 Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dass es sich bei diesem beinahe britisch wirkenden Auto um die Schöpfung eines tschechischen Herstellers handelt, darauf deutete schon das Nummernschild hin. Mir war dieses scharfe Gerät aber bereits bei früherer Gelegenheit begegnet.

Im damaligen Blog-Eintrag ging es allerdings um die spätere Ausführung mit Aufbau nach Entwurf von Sodomka, während wir hier eine frühere Version sehen.

Dass ich überhaupt etwas zu diesem attraktiven Fahrzeug sagen kann, verdanke ich der deutschen Aero-IG – man sieht, es gibt auch im 21. Jahrhundert immer noch Deutsche, welche die besonderen Qualitäten dieser Marke zu schätzen wissen.

Demnach wurde der Aero 30 im Jahr 1934 eingeführt und war von Anfang an auch mit dieser gelungenen Roadster-Karosserie erhältlich. Antriebsseitig sind Ähnlichkeiten mit den Fronttrieblern von DKW unübersehbar – ein Zweizylinder-Zweitaktmotor und Vorderradantrieb waren die Kennzeichen.

Allerdings spielte der Aero mit 30 PS aus knapp einem Liter Hubraum in einer für die sonst durchaus agilen DKWs unerreichbaren Liga. Bis zu 110 km/h Spitze werden für den Roadster angegeben.

Was das Gewicht betrifft, blieben freilich die 600 kg des Fiat 508 S Spyder Sport unerreicht – der Aero brachte über 800 kg auf Waage (sofern die Angabe stimmt, die mir recht hoch vorkommt.)

Während der Fiat 508 Roadster femininer und filigraner wirkte, repräsentierte der Aero 30 Roadster wie gesagt eher den kernigen britischen Stil:

Wer so etwas aus deutschen Landen wünschte, wurde in gestalterischer Hinsicht damals noch am ehesten beim Tornax Rex fündig – nicht zufällig ein Nischenfahrzeug wie auch der DKW F5 Front Luxus Roadster mit seiner eher weichen Linienführung.

Jedenfalls kann sich die tschechische Interpretation des Rezepts „sportlich und schön“ im Konkurrenzvergleich absolut sehen lassen und man versteht, warum sich jemand einst dafür und nichts anderes entschied.

Dank der quicklebendigen Vorkriegsszene im heutigen Tschechien kann man nach 90 Jahren immer noch Exemplare dieses Aero 30 Roadster genießen. Ein besonders schönes Beispiel in himmelblau findet sich aus verschiedenen Perspektiven hier:

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Nur ein kurzes Vergnügen… Aero 30 Roadster

Heute ist in meinem Blog nur ein kurzes Vergnügen drin – das aber nicht nur in zeitlicher Hinsicht.

Zunächst gilt es, an ein Porträt des Typs 30 anzuknüpfen, den die reizvolle tschechische Marke Aero ab 1934 mit Vorderradantrieb baute. So hatte ich im Sommer die erste Ausführung dieses auch äußerlich starken Modells hier präsentiert.

Die noch attraktiver gestylte spätere Version des Aero 30 von 1939 konnte ich damals „nur“ anhand einer Cabrio-Limousine dokumentieren:

Aero 30, Karosserie Sodomka; Originalfoto aus Familienbesitz (via Johannes Kühmayer, Wien)

Dieser Ausführung ging zwar das klassische Ebenmaß der parallel in Deutschland gebauten Fronttriebler von DKW ab (siehe meinen gestrigen Blog-Eintrag zum Modell F7). Doch die raubtierhafte Spannung des Karosseriekörpers ist auf ihre Art ebenfalls ein Meisterstück.

Dieser kühne Entwurf stammte von der Karosserieschmiede Sodomka, der wir einige der exaltiersten Blechkreationen der 1930er Jahre verdanken. Dort entstand auch der Roadster-Aufbau, mit dem der Aero 30 ebenfalls erhältlich war.

Mir gefällt zwar – wie häufig bei Autos jener Zeit – die coupéhafte geschlossene Version besser, aber zu verachten war dieser Aero-Roadster keineswegs. Im Fall des heute vorgestellten Exemplars tut die „Besatzung“ ein übriges:

Aero 30 Roadster, Karosserie Sodomka; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt

Diese Aufnahme transportiert uns ins Frühjahr oder in den Sommer 1939, denn erst in jenem Schicksalsjahr war diese modernisierte Ausführung des Aero 30 erhältlich.

Was hier so heiter erscheint, sollte also nur ein kurzes Vergnügen bleiben, denn wenig später begann mit den zeitlich kurz aufeinanderfolgenden Zangenangriffen des Deutschen Reichs und der Sowjetunion auf Polen der Zweite Weltkrieg.

Ebenfalls ein kurzes Vergnügen sollte die 1938 erfolgte Heraustrennung des überwiegend deutsch besiedelten Sudetenlands aus der Tschechoslowakei und die Einbeziehung ins Deutsche Reich sein.

Das Kennzeichen des Aero 30 Roadsters mit „S“ für Sudetengau verweist auf diese kurze Episode, die im Frühjahr 1945 ein für viele unschuldige Zivilisten dort grausames Ende fand.

Wie im Fall der seit 2014 zunehmenden Aggression der Ukraine gegen die Bevölkerung ihrer russisch besiedelten Regionen, welche im Februar 2022 den Einfall russischer Truppen auslöste (keine Entschuldigung, aber eine Erklärung) – ist nüchtern zu konstatieren, dass Vielvölkerstaaten nur bei fairem Miteinander fortbestehen können, gegebenenfalls mit autonomen Regionen, oder aufgespalten werden müssen, um Schlimmeres zu verhindern.

Im Fall des Sudetenlands kam ein solcher Schritt zu spät, und die über lange Zeit sich steigernde Drangsalierung der dortigen deutschen Bevölkerung gab im Reich den radikalen Kräften zusätzlichen Auftrieb, welche dann halb Europa verheerten.

So blieb der Sommerausflug im Aero 30 Roadster mit Kennzeichen Sudetenland ein kurzes Vergnügen – und für viele das letzte vor der Katastrophe. Aus dieser hätte man eigentlich lernen können, ein neues Aufflammen kriegerischer Konflikte entlang der Grenzen zwischen verschiedenen Völker oder Ethnien unbedingt zu vermeiden.

Aber die historische Erinnerung ist leider nur eine kurze – keineswegs ein Vergnügen…

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Tschechisch, stark und chic: Aero 30

Tschechische Vorkriegswagen haben auch in deutschen Landen viele Liebhaber – das gilt vor allem für die bekannte Marke Tatra. Doch auch für weitgehend vergessene Nischenhersteller unseres Nachbarlands können sich einige Enthusiasten begeistern.

Ein schönes Beispiel dafür – im wahrsten Sinne des Wortes – ist Aero. Nach dem 1. Weltkrieg als Flugzeugbauer gegründet, begann die Firma Ende der 1920er Jahre auch PKW zu fertigen.

Das erste Modell – der Aero 500 – basierte noch auf einem Entwurf der Prager Marke Enka, deren Konstrukteur mangels eigener Expertise im Automobilbau kurzerhand von Aero abgeworben wurde.

Nach diesen Anfängen wandte man sich kompakten Konstruktionen mit Zweizylinder-Zweitakter nach DKW-Vorbild zu. 1934 ging man ebenfalls zum Vorderradantrieb über, der damals bereits von weit mehr Herstellern propagiert wurde, als man denken mag.

Der erste Vertreter diese Bauweise war der Aero 30 – auf dem Papier zwar „nur“ ein Kleinwagen mit 1-Liter-Motörchen – doch dieser hatte es in sich: Mit 30 PS Höchstleistung ließen die Tschechen die bestenfalls 20 PS „starken“ DKW-Frontwagen locker hinter sich.

Auch gestalterisch ging Aero durchaus eigene Wege – wenngleich ich auf die formalen Qualitäten der zeitgenössischen DKW-Wagen nichts kommen lasse, die war für meine Begriffe in der Kleinwagenklasse international konkurrenzlos.

Aber markant und durchaus sportlich kam bereits der Aero 30 des ersten Modelljahrs daher – hier freilich auf einer Nachkriegsaufnahme mit allerlei die Linie störenden Anbauteilen:

Aero 30; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man muss sich hier folgendes wegdenken, um die Gestaltung der Frontpartie wertschätzen zu können: Blinker, Positionsleuchten, Nebelscheinwerfer, Rückspiegel und wohl auch die Stoßstange waren allesamt nachgerüstet.

Ohne dieses ganze „Lametta“ hat man einen gutaussehenden, niedrig bauenden Wagen vor sich, der heute auf mancher von Prestigemarken dominierten Klassikerveranstaltung Furore machen machen würde.

Kein Wunder, dass diese optisch wie vom Tempo her flotten Wagen auch hierzulande ihre Freunde haben – es gibt sogar eine eigene und sehr aktive Aero-IG. Dieser verdanke ich auch meine gesamte Weisheit, was die Autos der Marke angeht.

Dank der dort wiedergegebenen Typenhistorie war ich imstande, einen weiteren Aero 30 näher einzuordnen, dessen Konterfei mir Johannes Kühmayer (Wien) freundlicherweise aus seinem Familienalbum zur Verfügung gestellt hat:

Aero 30, Karosserie Sodomka; Originalfoto aus Familienbesitz (via Johannes Kühmayer, Wien)

Bei dieser fabelhaft aussehenden Cabrio-Limousine käme man nicht unbedingt auf Idee, dass es sich lediglich um eine spätere Ausführung des Aero 30 handelt.

Das ist kein Wunder – denn bei dieser Version haben die Gestalter der Karosseriefabrik Sodomka Hand angelegt. Diese pflegte einen expressiven, doch stets gekonnten Stil, welcher vielen tschechischen Vorkriegswagen eine unverwechselbare Optik von großem Reiz verlieh.

Leider kann ich derzeit nur mit dieser Aufnahme eines solchen Aero 30 nach Sodomka-Entwurf aufwarten – aber vielleicht findet sich im Fundus eines Lesers noch mehr in dieser Richtung.

Es darf dann übrigens auch gern der Aero 50 sein, der ab 1936 die Palette nach oben abrundete. Mit seinen 50 PS bei gut 1.000 Leergewicht (Zweisitzer) wäre das auch in der Nachkriegszeit noch einige Jahre lang ein durchaus sportliches Auto gewesen.

Doch nur dem schwächeren Aero 30 sollte noch eine kurze Nachkriegskarriere vergönnt bleiben. 1946 wurde die Firma vom kommunistischen Regime verstaatlicht und in der sich daraufhin „entfaltenden“ Planwirtschaft war bald kein Platz mehr für die sinnliche Mischung „Tschechisch, stark und chic“…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.