Meine heutigen Betrachtungen haben nicht direkt mit dem anstehenden Osterfest zu tun.
Doch da ich weiß, dass dieses für viele Menschen christlichen Glaubens das höchste Fest im religiösen Jahreskalender ist (oft wichtiger als Weihnachten), und da ich selbst mit der heidnischen Tradition dieses Feiertags (Osterhasen, Eiersuchen usw.) großgeworden bin, will ich heute allen Osterfreunden etwas Besonderes ins virtuelle Nest legen.
Die Frage im Titel deutet bereits darauf hin: heute schauen wir uns einen Fund an, der herkömmliche Dimensionen sprengt, und das nicht nur im Hinblick auf gängige Ostergaben.
Die Bezeichnung als „deutsches Edelfabrikat“ stammt dabei nicht von mir – ich würde sie Ende der 1920er Jahre eher bei den Achtyzlinder-Wagen von Horch und Stoewer für angemessen halten.
Vielmehr waren es die Elite-Diamant-Werke aus der sächsischen Kleinstadt Brand-Erbisdorf, welche ihren Wagen um die Jahreswende 1928/29 dieses Prädikat zuerkannten:

Gestalterisch haben die Werbeleute von Elite hier alles richtig gemacht – man bildet das Spitzenmodell 14/60 PS mit exklusiver Landaulet-Karosserie aus vorteilhafter Perspektive mit größter Detail-Genauigkeit ab.
Hier gibt es keine künstlerische Freiheit, die den Wagen ein wenig monumentaler und vielleicht dynamischer wirken lässt, als er wirklich war.
Ein Elite des Spitzentyps S14 14/60 von Ende 1928/Anfang 1929 mit geschlossenem Aufbau sah genau so aus. Und es gab Leute, die genau dieses konservative und zugleich repräsentative Erscheinungsbild so wollten.
Prächtig, nicht wahr? Doch vom „deutschen Edelfabrikat“ gab es damals eine ganz ähnliche Variante, die ganz anders wirkte – ebenfalls kolossal, aber hemdsärmeliger und weniger respekteinflößender.
Würden Sie – österlichen Sonnenschein vorausgesetzt – nicht gern eine Tour durch die erwachende Natur mit diesem Gerät und dem lässig erscheinenden Fahrer machen wollen?
Dieses Dokument hat mir Leser Klaas Dierks in digitaler Form übermittelt. Das mächtige Fahrzeug hat wenig mit modernen Autos zu tun, und genau das macht seinen Reiz aus.
Vor rund 100 Jahren waren solche Tourer mit nur im Notfall aufgespannten ungefütterten Verdeck vor allem in Deutschland ein Standard. Der Trend zu (teureren) geschlossenen Aufbauten war vor allem in den USA weiter fortgeschritten – ich komme darauf zurück.
Aufgenommen wurde dieses bemerkenswerte Foto anno 1929 und es könnte von den Dimensionen her durchaus ebenfalls das Spitzenmodell S14 14/60 PS zeigen.
Dass es sich um einen großen „Elite“ jener Zeit handelt, daran besteht kein Zweifel. die Gestaltung von Kühlergehäuse, Motorhaube, Rädern und Trittschutzblechen am Schweller unterhalb der Türen ist typisch.
Allerdings ist in der dürftigen und in Teilen widersprüchlichen Literatur zu den Elite-Wagen beim Typ S14 14/60 PS keine Rede von einer Tourenwagenausführung, wohl aber beim etwas schwächeren Typ S12 12/50 PS.
Auch der besaß einen Sechszylindermotor, in diesem Fall mit 3,1 Litern Hubraum und der überlieferte Radstand von 3,45 Metern kommt dem des S14 sehr nahe (3,52 Meter).
Diese nahe beieinanderliegenden Fahrzeugdaten haben Anlass zur Vermutung in der Literatur gegeben, dass die Elite-Diamant-Werke sich damit verzettelten und deshalb keine rationelle Produktion zustandebrachten.
Tatsächlich endet die Autofabrikation anno 1929, nachdem sich das Opel-Werk als Aktionär aus diesem abwegigen Engagement zurückgezogen hatten. Der Sachverhalt ist einfach: Elite-Wagen wurden in sorgfältiger Manufakturarbeit gebaut und gaben ihren Besitzern auch nach hoher Laufleistung sicher wenig Anlass zur Beanstandung.
Allein: Die fabelhafte deutsche Werkmannsarbeit interessierte Ende der 1920er Jahre immer weniger Käufer. Sie wollen bezahlbare, leistungsfähige und gestalterisch auf der Höhe der Zeit befindliche Automobile.
„Jetzt bringt er bestimmt wieder eines dieser US-Massenfabrikate“ als Konkurrenz, mag jetzt der eine oder andere denken.
Genau, und wie angemessen das ist, verrät ausgerechnet das Titelblatt des“Auto-Magazins“ vom Jahreswechsel 1928/29, in dem ich die heute vorgestellte Elite-Reklame fand:
Tja, liebe Leser, der Gestalter dieses schönen Titels hatte genau an dem US-Automobil von 1928/29 Maß genommen, was auch ich als damalige Referenz in der Sechszylinderklasse herangezogen hätte.
Die dreiteilge Stoßstange und das Profil von Kühler und Motorhaube finden sich so beim Buick „Standard Six“ von 1928 wieder, der sich damals in deutschen Landen wie etliche anderen US-Modelle ausgezeichnet verkaufte.
Hier haben wir ein Foto einer großzügigen Limousine, wie sie Buick 1928 anbot und welche wohl damals die Inspiration für das Titelblatt des „Auto-Magazin“ lieferte:
Vergleichen Sie ruhig diese 4-türige Buick „Six“ Limousine, die wie viele andere einst in Deutschland Käufer fand, mit dem Wagen auf dem obigen Magazin-Titelblatt.
„Gut, so eine 6-Zylinder-Limousine aus US-Fabrikation kann man doch nicht als Konkurrenten des Elite-Tourers betrachten, die war doch sicher viel teurer.“
Wer so denkt, hat keine Vorstellung davon, was Skalierung von Produktion im industriellen Maßstab zu bewirken vermag. Also machen wir es konkret:
Die Elite-Diamant-Werke riefen schon für den Tourer des kleineren Sechszylindertyps S12 mit 50 PS anno 1928 rund 11.000 Reichsmark auf.
Buick bot damals seinen Sechszylinder zum einen mit moderner Ventilsteuerung (ohv) und 60 Pferdestärken an. Zum anderen gab es den Tourer am deutschen Markt bereits für 8.000 Mark. Selbst die Limousinenausführungen waren weit billiger als ein offener Elite-Tourer.
DAS war der alleinige Grund dafür, warum Elite und fast alle übrigen Hersteller, welche den Übergang zu rationellen Fabrikation nicht hinbekamen, Ende der 1920er Jahre oder spätestens Anfang der 30er vom Markt verschwanden.
Dass es mit Stoewer die Ausnahme einer deutschen Nischenmarke gab, die sich in diesem von gnadenlosem Wettbewerb geprägten Umfeld durchzumogeln verstand, bestätigt als Ausnahme die Regel und unterstreicht den besonderen Rang dieses Hestellers.
Ich komme darauf schon bald zurück.
Doch für heute will ich mich mit „Frohe Ostern!“ verabschieden – ganz gleich, wie Sie das Fest begehen, auf christliche, heidnische oder die Weise, die ich bevorzuge: als Feier des Triumph des Lebens und seiner inspirierenden Geister nach dem Winter…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.