Hatte ich nicht erst kürzlich hier einen Wagen der französischen Marke Pilain als „Fund des Monats“ präsentiert – zusammen mit einem jungen Mann, der wirkte wie auf der Gewinnerseite der Gesellschaft stehend?
Gewiss, aber es ist nun wirklich nicht mein Fehler, wenn ich Ihnen heute einen wenige Jahre zuvor entstandenen Pilain mit dem Stigma des Verlierers präsentieren muss.
Da gibt es nichts zu beschönigen, denn Verlierertyen mag doch niemand, oder? Das gilt vor allem, wenn einer erst als großer Sieger vorgeführt wird, sich aber dann als Versager auf ganzer Linie entpuppt.
Solche Losertypen gibt es nicht nur in der Gegenwart – man fand und findet sie überall, wo es um Wettbewerb geht – einer entscheidenden Triebfeder der menschlichen Entwicklung, die abseits der rauhen Alltags-Wirklichkeit auch im sportlichen Messen Ausdruck findet.
Kaum war das Automobil erfunden, suchten furchtlose Zeitgenossen nach allerlei Möglichkeiten, sich gegenseitig im Rennen zu besiegen – für die technische Entwicklung bis in die jüngere Zeit eine fruchtbare Angelegenheit.
So kam man anno 1902 in Frankreich auf die Idee, ein Bergrennen am 1.900 Meter hohen Mont Ventoux in der Provence abzuhalten. Dabei gingen die Wagen nacheinander auf die knapp 22 Kilometer lange Strecke, wobei 1.600 Höhenmeter zu überwinden waren.
Benötigte der Sieger des ersten Rennens noch über 27 Minuten für die Strecke, schaffte das bereits 1905 der Italiener Allessandro Cagno auf Fiat in sagenhaften 18 Minuten und 30 Sekunden. Wirklich drastisch und dauerhaft unterboten wurde das erst ab 1930.
1906 brauchte der Sieger Collomb deutlich länger als der Vorjahressieger – nämlich fast 25 Minuten und das trotz eines 100 PS-Wagens. Hier ist er laut eines zeitgenössischen Fotos in einer Kehre im unteren Bereich des Mont Ventoux zu sehen:

Könnte es am wenig sportlichen, schweren Tourenwagenaufbau gelegen haben, dass sich dieser Wagen nur mit großer Kraftanstrengung um die Kurve manövrieren ließ?
Ich ging der Sache nach, zumal ich an der Kühlerform mit dem markanten Ausschnitt für die Anlasserkurbel hier einen weiteren Pilain zu erkennen meinte. Damit sollte ich richtig liegen, aber auf andere Weise, als ich erwartet hatte.
Zwar wurde der abgebildete Wagen in der Bildunterschrift ausdrücklich mit dem Rennfahrer Collomb in Verbindung gebracht, der „mit seinem 100 PS-Wagen die Konkurrenz der Rennfahrzeuge am Monte Ventoux gewann“.
Allerdings ist in der Chronik des Bergrennens am Mont Ventoux (hier) nachzulesen, dass Collomb 1906 den Sieg auf einem Wagen der Marke Rochet-Schneider davongetragen hatte. Dieser sah ganz anders aus.
Der Hinweis eines Spezialisten für Vorkriegsrennen ergab, dass 1906 zwar tatsächlich auch ein Pilain antrat – und das wird wohl der abgebildete Wagen gewesen sein.
Leider landete der Pilain damals auf dem letzten Platz. So erwies sich der vermeintliche strahlende Sieger mit fast 120 Jahren Verspätung als veritabler Losertyp.
Anno 1906 wird es kaum einer mitbekommen haben, dass hier mit einem falschen Bild gearbeitet wurde – heute geht das mit dem Entzaubern von Blendern zwar viel schneller, aber besser wird die Sache dadurch auch nicht…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.