Fund des Monats: Ein „Speedwell“ von 1909

Für den Fund des Monats September bleibt mir heute nicht viel Zeit – doch das passt durchaus zum Namen und der kurzen Lebensdauer der Marke, die ich vorstellen darf.

Nur von 1907 bis 1914 entstanden in Dayton im US-Bundesstaat Ohio die Wagen, welche ein gewisser Pierce D. Schenck unter der Bezeichnung „Speedwell“ bauen ließ.

Nach bescheidenen Anfängen mit Einbaumotoren von Rutenber entschied man sich für die Eigenfertigung eines großvolumigen Vierzylinders, der anfänglich 40 (später 50 PS) leistete.

1909 wurden 100 Exemplare gebaut, bis zum Ende der Marke sollten rund 4.000 Stück mit unterschiedlichsten Aufbauten entstehen.

Bemerkenswert ist, dass Speedwell-Wagen bereits ab 1909 über einen „Torpedo“ verfügten, also ein Luftleitblech am hinteren Ende der Motorhaube, wie es ab 1908 erstmals bei reinen Sportwagen zum Einsatz kam:

Speedwell von 1909; Prospektabbildung via Varun Coutinho (USA)

Diese Prospektabbildung schickte mir Varun Coutinho aus den Vereinigten Staaten mitsamt der genauen Ansprache des Wagens zu, nachdem ich in meiner Vorkriegsautogruppe auf Facebook ein entsprechendes Foto mit der Bitte um Identifikation gezeigt hatte.

Entstanden war die Aufnahme 1914 in Chicago und zur Verfügung gestellt hat sie mir Sammlerkollege und Leser Klaas Dierks. Ich hatte auf ein US-Modell vor 1910 getippt, hegte aber Zweifel daran, dass es gelingen konnte, den Hersteller zu identifizieren.

Das markante Emblem auf dem Kühlergrill verwies lediglich auf die American Automobile Association (AAA), half also erst einmal nicht weiter:

Speedwell von 1909; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Tatsächlich findet sich die von Benz bzw. Daimler inspirierte Kühlerform bei zahlreichen amerikanischen Fabrikaten der Frühzeit, doch die Kombination mit dem „Torpedo“ führte besagten US-Experten letzlich auf die richtige Spur.

Die besonders sportlich wirkende Ausführung als „Runabout“ mit minimalistischer Karosserie war durchaus typisch für die Zeit, stellte also keinen „Special“ dar, wie man ihn heute gern auf Basis erhaltener, doch unvollständiger Chassis zu fertigen pflegt.

Leider ruinierte sich Speedwell kurz vor dem 1. Weltkrieg mit Experimenten, welche Motoren mit Drehventilen umfassten. So war die Marke bereits 1915 Geschichte.

Bedeutung über den kurzlebigen Automobilbau hinaus hat Speedwell dadurch erlangt, dass Gründer Schenck einen Teil seinen anfänglich überdimensionierten Fabrikgebäude an die Gebrüder Wright vermietete, welche dort kurzzeitig ihre neuen Fluggeräte bauen ließen.

So erwies sich „Speedwell“ letztlich als gutes Omen für eine Entwicklung, die uns bis heute über Raum und Zeit gebieten lässt…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.