Nach wie vor ungelöst: Das Rätsel des AGA Typs B

Endlich mal wieder etwas zu den markanten AGA-Wagen der 1920er Jahre, mag jetzt mancher Kenner der Geschichte deutscher Vorkriegsautos denken.

In der Tat: Mehr als ein Jahr ist es her, dass ich hier das letzte Mal ein Auto der Berliner Aktiengesellschaft für Automobilbau (AGA) vorgestellt habe, nämlich diesen hier:

AGA_6-20_PS_mittel_1925_Galerie

AGA Typ A 6/20 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Sollte man nicht viel öfter auf solche Dokumente der kurzlebigen Marke stoßen?

Immerhin behauptet die mir zugängliche Literatur, dass einst rund 15.000 Wagen mit dem dreieckigen AGA-Emblem auf dem Kühler produziert worden seien.

Bei solchen auffallend runden Zahlen habe ich freilich stets den Verdacht, dass es sich um eine bloße Vermutung handelt.

Eine interessante Detailiformation, die Kai-Uwe Merz in seiner umfangreichen Auseinandersetzung mit AGA liefert („Der AGA-Wagen – Eine Automobilgeschichte aus Berlin“, Berlin Story Verlag, 2011) ist die, dass die späte Ausführung des AGA-Wagens – der Flachkühlertyp C – mit der Fahrgestellnummer 5.476 beginnt.

Dieser Typ C 6/24 PS – die Typzuordnungen in der älteren Literatur (Fersen, Oswald, Kirchberg) scheinen unzuverlässig und konfus – wurde erst 1923 eingeführt, also vier Jahre nach Beginn der Produktion des AGA Typs A 6/16 PS.

Bereits 1925 ging AGA in Konkurs. Auch wenn in geringem Umfang noch bis 1929 Fahrzeuge unter der Marke AGA entstanden, erscheint es ausgeschlossen, dass nach dem ersten 1923 gebauten AGA Typ C mit Nr. 5.476 bis zum Ende der Produktion dahin noch fast 10.000 weitere gebaut worden sein sollen.

Das steht auch im Widerspruch zur Feststellung von Kai-Uwe Merz, dass zum Zeitpunkt seiner Publikation (2011) überhaupt nur noch ein überlebender AGA Typ C bekannt war. Vom Vorläufertyp A dagegen existieren einige mehr.

Merz selbst ist ebenfalls skeptisch – nennt als höchste ihm bekannte Fahrgestell-Nr. 6.136 (1924) und gelangt zu einer deutlich niedrigeren Schätzung (8-12.000 produzierte AGA-Wagen)

Wenn auch mir eine grobe Schätzung erlaubt ist, sind insgesamt wohl kaum viel mehr als 7.500 AGA Wagen entstanden.

So wäre auch zu erklären, dass Fotos von AGA-Wagen seltener zu finden sind als solche des Konkurrenten Brennabor, dessen Produktion in der ersten Hälfte der 1920er Jahre auf mehr als 10.000 Automobile beziffert wird.

Immerhin konnte ich mittlerweile das eine oder andere AGA-Foto ergattern, „neu“ ist beispielsweise dieses hier:

AGA Typ A 6/20 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der aus günstiger Perspektive aufgenommene Tourenwagen stimmt in allen wesentlichen Details mit dem weiter oben gezeigten Fahrzeug überein:

  • Spitzkühler nach Benz-Vorbild mit dreieckigem AGA-Emblem
  • gerundete statt zuvor eckige Schutzbleche
  • wenige und recht niedrige Luftschlitze in der Motorhaube
  • flache Windschutzscheibe mit vernickeltem Rahmen
  • schlichte Gestaltung der Seiten- und Heckpartie

Diese Elemente werden in der Literatur dem von 1921-23 gebauten AGA 6/20 PS zugeschrieben. Zum Vergleich hier eine Aufnahme des ersten AGA Typs A 6/16 PS, wie er ab 1919 gefertigt wurde:

Aga Typ A 6/16 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenge

Die Unterschiede sind so augenfällig, dass ich sie an dieser Stelle wohl nicht hervorheben muss.

Nun findet sich im trefflich bebilderten – jedoch etwas eigenwilligen – AGA-Buch von Kai Uwe Merz auf S. 67 eine Originalreklame, die einen Typ 6/20 PS mit derselben Karosserie zeigt – also ebenfalls noch mit Spitzkühler und eckigen Kotflügeln.

Mir stellt sich die Frage, ob bei diesen diversen aufeinanderfolgenden Varianten nicht auch eine zusätzliche Typenbezeichnung gegeben hat, die diesen zuzuordnen ist. Die stärkere Motorisierung 6/20 PS mag sich aus der laufenden Verbesserung gegenüber dem 6/16 PS-Modell ergeben und keine neue Typbezeichnung gerechtfertigt haben

Dennoch fände ich eine Übergangsvariante AGA Typ B naheliegend, die jedoch nirgends in der mir bekannten Literatur zu finden ist. Stattdessen geht es überall mit dem Typ C weiter, der wohl den ab 1923 gebauten AGA 6/20 PS mit nunmehr flachem Kühler bezeichnet.

Um den Lesern ohne Zugang zur mir vorliegenden Literatur eine Vorstellung von der abenteuerlichen Quellenlage bei AGA zu geben, hier eine Übersicht der unterschiedlichen Angaben zum AGA Typ C:

  • Typ 6/16 PS, Bauzeit: 1919-21 (Quelle: Gränz/Kirchberg, Ahnen unserer Autos)
  • Typ 6/20 PS, Bauzeit: 1921-27 und Typ 6/24 PS, Bauzeit: 1927/28 (Quelle: Werner Oswald: Deutsche Autos 1920-1945, Ausgabe 2001)
  • Typ 6/24 PS, Bauzeit: ab 1923 (Quelle: Kai-Uwe Merz, Der AGA-Wagen, 2011)

In dieses offensichtliche Durcheinander hat vermutlich Kai-Uwe Merz das meiste Licht gebracht. Allerdings scheint auch ihm trotz aufwendiger Recherchen kein AGA Typ B begegnet zu sein – dessen Existenz ich nicht aussschließen würde.

Man fragt sich schon, weshalb man für den bloßen Wechsel vom Spitzkühler-Typ A zum Flachkühlertyp von 1923 die neue Modellbezeichnung C gewählt hat, die man bis 1928 beibeihielt, obwohl zwischenzeitlich die Leistung auf 24 PS erhöht und Vierradbremsen eingeführt worden waren.

Irgendeine alte Aufnahme, Reklame oder Besprechung müsste doch Aufschluss geben können, was es mit der auffallenden Lücke in der AGA-Typologie auf sich hat. Weiß hier vielleicht jemand schon mehr, als die mir zugängliche Literatur hergibt?

Dann wäre hier aus meiner Sicht der richtige Ort, diese Information allgemein zugänglich zu machen, am besten versehen mit einem Bild- oder Textnachweis.

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Sachlichkeit adieu! Ein AGA Typ A 6/20 PS um 1925

Vor einiger Zeit habe ich hier erstmals einen der markanten AGA-Wagen vorgestellt, die ab 1919 von der Autogen-Gas-Akkumulator AG in Berlin gefertigt wurden.

Die erste Serie zeichnete sich durch eine „klare Kante“ aus, die in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg enorm modern wirkte – der verheerende Krieg und der anschließende politische Neubeginn hatte alle gewohnten Maßstäbe durcheinandergebracht.

Der AGA-Wagen wies einen besonders eigenwilligen Stil auf, der radikale Sachlichkeit und eine noch aus der Vorkriegszeit stammende Schnittigkeit geschickt verknüpfte.

Zur Erinnerung nochmals eine zeitgenössische Ansicht des ersten AGA-Typs 6/16 PS:

Aga Typ A 6/16 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Spitzkühler nach Vorbild von Benz sowie die V-förmig geteilte und geneigte Frontscheibe sind Elemente, die sich ab 1914 auf breiter Front im deutschen Automobilbau durchsetzten.

Zwar boten Auto- und Karosseriehersteller hierzulande auch weiterhin konservativere Aufbauten mit Flachkühler und flacher Windschutzscheibe an, doch wer mit der Mode gehen wollte, bevorzugte diesen „Schnellboot-Stil“.

Eine AGA-typische Zutat waren nach dem 1. Weltkrieg die aus geraden Elementen zusammengesetzten Schutzbleche. Daraus ergab sich gerade ein markantes, von strengen geometrischen Formen bestimmtes Erscheinungsbild:

AGA-Reklame, geschaffen von Ludwig Hohlwein; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Die Bauweise der Kotflügel dürfte auch fertigungstechnische Vorteile gehabt haben, für die damals meist noch in Manufaktur arbeitenden Hersteller im deutschsprachigen Raum ein nicht unwesentlicher Faktor.

Allerdings könnte diese Konstruktion auf den Gourmet auch ein wenig nach „Hinterhofarbeit“ gewirkt haben. Dass es entsprechende Bastelfabrikate gegeben hat, dafür spricht die folgende Aufnahme:

unbekannnter Wagen der frühen 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Trotz der Ähnlichkeit handelt es sich eindeutig um keine AGA-Karosserie, sondern um einen daran orientierten Eigenbau auf Basis eines Vorkriegsmodells.

Was für ein Auto daher herhalten musste, ließ sich bislang nicht klären – auch eine Vorstellung auf www.prewarcar.com lieferte kein Ergebnis – außer „AGA“, was aber aufgrund vieler Details nicht stimmen kann.

Zurück zum echten AGA-Wagen. Wie der Literatur zu entnehmen ist, schwenkte man ab 1923 wieder auf die international üblichen Karosserietrends mit flache(re)m Kühler und der Radform mehr oder weniger folgenden Schutzblechen ein.

Ab 1921 gab es jedoch noch den AGA 6/20 PS als Zwischentyp . Hier haben wir ein Beispiel dafür:

AGA Typ A 6/20 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf dieser schönen Aufnahme, die auf 1925 datiert ist und einst bei tiefstehender Sonne entstand, sehen wir noch den Spitzkühler mit dem dreieckigen AGA-Emblem (einen Dürkopp können wir anhand der Kühlerform ausschließen).

Doch die Schutzbleche weisen nun einen gefälligen Schwung auf, der dem Wagen zwar etwas von seinem Charakter nimmt, ihn aber eleganter wirken lässt.

Der offenbar im Raum Berlin (Kennung „IA“) zugelassene AGA war von seinem Besitzer mit einer Stoßstange aus dem Zubehörhandel nachgerüstet worden – im dichter werdenden Großstadtverkehr ein hilfreiches Accessoire.

Die Stoßstange scheint verchromt oder vernickelt gewesen zu sein, während der AGA-Wagen vom Fensterrahmen noch fast völlig ohne solchen Zierrat auskam.

Das Foto lässt sehr schön erkennen, dass man bei Wahl eines tiefdunklen Lacks auch ohne solche Akzente einen „glänzenden Auftritt“ hinlegte.

Leider verschwand mit den eckigen Schutzblechen auch der Kasten an der Heckpartie, indem sich das niedergelegte Verdeck verbarg – die damit verbundene klare Gestaltung der Seitenlinie ist hier dahin:

Die Insassen „unseres“ AGA des Typs A 6/20 PS scheinen sich auch in dem konventionelleren Aufbau wohlgefühlt zu haben.

Welcher Hersteller für diese Übergangsversion verantwortlich war – Lindner oder Karmann – ist bislang ebensowenig klar wie der genaue Entstehungszeitraum.

Auch das in mancher Hinsicht hervorragende – wenngleich sprachlich und strukturell verbesserungsbedürftige – Standardwerk „Der AGA-Wagen“ von Kai-Uwe Merz (2011) liefert in dieser Hinsicht keinen Aufschluss.

Da Bilder und Dokumente von AGA-Wagen nicht zu den ganz großen Raritäten zählen, wird sich das früher oder später klären lassen. Entsprechende Hinweise und Originalmaterialien sind mir wie immer hochwillkommen und werden von mir gern unter Nennung des Besitzers angemessen präsentiert.

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Charaktertyp mit Ecken und Kanten: AGA 6/16 PS

Kenner deutscher Vorkriegsmarken werden schon einige Zeit darauf gewartet haben, dass in diesem Blog endlich einmal die AGA-Wagen aus Berlin gewürdigt werden, die in den 1920er Jahren einigen Erfolg im Kleinwagensegment hatten.

Dass Berlin einst ein wichtiger Standort der deutschen Automobilproduktion war, ist kein Geheimnis. Neben bedeutenden Herstellern wie NAG und Protos montierten in der Reichshauptstadt auch etliche ausländische Marken ihre Wagen.

Einen besonders interessanten Fall stellt die Autofabrikation der Autogen-Gas-Akkumulator AG (AGA) dar, die die Berliner Tochter eines traditionsreichen schwedischen Industriekonzerns war.

Nach dem 1. Weltkrieg stellte AGA einen 6/16 PS-Wagen vor, der angeblich auf einer nie verwirklichten Konstruktion des belgischen Waffenherstellers FN basierte.

Die technischen Details mögen abgekupfert worden sein, doch das formale Erscheinungsbild war vollkommen eigenständig und sehr deutsch:

AGA Typ A 6/16 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei oberflächlicher Betrachtung mag man aufgrund des Spitzkühlers an einen kleinen Benz denken, wie er in Form des 8/20 PS Modells nach dem 1. Weltkrieg gebaut wurde.

Doch dann bemerkt man die V-förmig geteilte Windschutzscheibe und die Schutzbleche, die jede Rundung vermeiden und nur aus Geraden zusammengesetzt sind.

Ein Auto mit derart vielen Ecken und Kanten war selbst in der eigenwilligen Welt deutscher Automobile nach dem 1. Weltkrieg die Ausnahme. Hier haben wir ein weiteres Beispiel dafür, wenn auch die Qualität des Abzugs leider sehr mäßig ist:

AGA Typ A 6/16 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zu sehen ist ein ähnliches Fahrzeug, doch nun mit flacher Frontscheibe und raffinierter Zweifarblackierung, die den Wagen gleich viel leichter wirken lässt.

Auf dem Spitzkühler nach Benz-Vorbild meint man ein Emblem zu erahnen, doch lesbar ist es selbst auf dem Originalabzug nicht.

Wir können aber sicher sein, dass wir es mit einem Produkt desselben Herstellers zu tun haben – kein anderes deutsches Fabrikat kam so gnadenlos geometrisch daher.

Hier haben wir ein wesentlich besseres Foto dieses Wagentyps, den die Berliner AGA als 6/16 PS-Modell ab 1919 fertigte.

AGA Typ A 6/16 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Selbst die Werkzeugkiste auf dem Trittbrett muss sich der radikal-winkligen Formgebung beugen – nur den Rädern ließ man zum Glück ihre Rundungen.

Auf dieser Aufnahme, die eine Gesellschaft bei tiefstehender Sonne in heiterer Stimmung zeigt, kann man auf der Kühlermaske ein dreieckiges Emblem erkennen.

Auch die wiederum drei Luftschlitze in der Haube sind ein Charakteristikum, das man an anderen deutschen Wagen der frühen 1920er Jahre kaum findet.

Der Eindruck, dass wir es auch hier mit einem AGA-Wagen des frühen A-Typs zu tun haben, verdichtet sich. Letztendliche Evidenz liefert dieses herausragende Dokument:

AGA Typ A 6/16 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Im Fall dieses technisch brillianten und aus idealer Perspektive aufgenommenen Fotos wusste der Verkäufer, was er da im Angebot hat.

Ein solcher Fang kann nicht ganz billig sein, selbst im reich bebilderten AGA-Standardwerk von K.U. Merz „Der AGA-Wagen – Eine Automobil-Geschichte aus Berlin“, 2011, findet sich keine Aufnahme von vergleichbarer Qualität.

Wer sich über AGA-Automobile informieren will, kommt an dem Werk nicht vorbei. Doch ist es aufgrund des oft telegrammartigen Stils passagenweise schwere Kost. Leseprobe:

„Ein AGA-Typ A aus dem Besitz des Technikmuseums Berlin ist in Potsdam zu besichtigen. Ein Viersitzer. Gut 1,80 m hoch. Mit textilem Dach, geschlossene Bauweise. Drei Fenster hat die Limousine seitlich. Eine besondere Karosserie offenbar. Sitz. Ledern der Bezug.“

Diese abgehackte Ausdrucksweise steht in schwer erklärbarem Widerspruch zu der eindrucksvollen Recherchearbeit, die in dieses Buch geflossen ist.

Man wünscht sich dem an sich verdienstvollen Werk ein nochmaliges Lektorat. Indessen harren im Fundus des Verfassers dieses Blogs etliche weitere Fotos von AGA-Wagen auch späterer Typen, die in ganz normaler Sprache vorgestellt werden…

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