Billig, doch nicht beliebig: Plymouth Tourer von 1929

Eigentlich wollte ich heute wieder einmal ein Foto besprechen, das einen deutschen Wagen der 1920er Jahre zeigt – und das werde ich schon bald nachholen.

Doch der „Restaurierungsaufwand“ erwies sich als dermaßen hoch, dass ich diesen Abend zu einem Kandidaten griff, der sich schneller reparieren ließ. Material dafür ist reichlich vorhanden; gerne greife ich in solchen Fällen zur enormen Masse an US-Fabrikaten, die in der Vorkriegszeit unsere Straßen bevölkerten.

Leider trifft man sie auf einschlägigen Veranstaltungen zumindest im Westen der Republik heute weit seltener an, als es ihrer einstigen Bedeutung entspricht. Doch in meinem großen Fundus an zeitgenössischen Fotos, die ich ohne spezielle Schwerpunktsetzung erwerbe (sie müssen vor allem billig sein) haben sie ihren angemessenen Platz.

Stichwort „billig“: Wer sich etwas mit der US-Autohierarchie der 1920/30er Jahre auskennt, der weiß, dass die Marke Plymouth die Billigabspaltung von Chrysler ab 1928 war.

Unter dem Namen sollten die einfachen Vierzylindermodelle vermarktet wurden, die in den Staaten inzwischen nur noch in der untersten Kategorie zu finden waren. Wer der Mittelschicht angehörte, fuhr damals inzwischen mindestens einen Sechszylinder.

Beeindruckend sahen die entsprechenden Chrysler-Modelle seinerzeit aus und ich zeige hier zunächst ein Exemplar, um Sie mit dem Stil dieser Wagen vertraut zu machen. Dieses Prachtexemplar fuhr einst in Deutschland, es war im Besitz von Dr. Frieda Schwarz:

Chrysler „Rumble-Seat Roadster“ von 1929; Originalfoto aus dem Archiv des Heimatvereins Ostbevern

Die Vita dieser beeindruckenden Frau können Sie mit dem Porträt ihres Wagens hier nachlesen.

Einzuprägen braucht man sich nur, dass die Luftschlitze jeweils zum Ende hin kürzer werden – so bekam der Wagen in der Seitenansicht eine eigene Note, die man bei diesem ur-amerikanischen Aufbau als „Rumble-Seat Roadster“ sonst kaum erreicht hätte.

Vergessen wir nun den Sechszylinder-Chrysler von Frieda Schwarz wieder, zumindest was die Motorisierung angeht. Chryslers Billigmarke Plymouth bot nämlich ähnlich gestaltete Wagen mit kompaktem Vierzylinder: 2,8 Liter und 45 PS mussten genügen, für amerikanische Verhältnisse damals nahe an der Untergrenze des Zumutbaren.

Allerdings bot auch ein Plymouth einiges, was man beim knapp darunter angesiedelten Ford A und dem Chevrolet anno 1929 vermisste: hydraulische Bremsen beispielsweise. Auch verfügte der Plymouth über einen längeren Radstand als der Ford und bot damit mehr Platz. Hinzu kam eine beeindruckende Liste an Extras, die unter anderem eine Heizung umfasste.

Wie? Ohne Heizung wurde so ein Wagen damals standardmäßig ausgeliefert? Ja, schließlich war die Menschheit zuvor jahrhundertelang mit Kutsche und Wagen bei Wind und Wetter gereist.

Navigationsgeräte gab es auch noch nicht, und doch bot ein Auto schon vor 100 Jahren alles, was noch heute seinen Wert für den Besitzer ausmacht. Nur dass im damaligen Deutschland auch ein US-Billigheimer von Plymouth für Normalverdiener unerreichbar war.

Man sieht diese Wagen dann mit ganz anderen Augen. Denn selbst der simple Plymouth eröffnete seinen Insassen eine Welt, die ihnen sonst verborgen geblieben wäre:

Plymouth von 1929 in Bozen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wenn man vergessen hatte, die aufpreispflichtige Heizung im 1929er Plymouth zu ordern, fuhr man einfach dorthin, wo es von Natur aus angenehmer temperiert ist als im ungemütlichen Germanien – nach Südtirol beispielsweise.

So gelangte dieser Plymouth einst aus dem Raum Düsseldorf über die Alpen und wurde vor dem „Siegermal“ in Bozen abgelichtet – ein beeindruckender Bau im damals international gepflegten Stil des Neoklassizismus, allerdings errichtet unter dem Mussolini-Regime.

Ich hatte den Wagen übrigens in der Frühzeit meines Blogs – anno 2016 – hier noch als Chrysler identifiziert. Dort können Sie sich auch über den Sinn der lateinischen Inschrift auf dem Triumphbogen belehren lassen. Zumindest insofern ist der Beitrag noch aktuell.

Dass es sich trotz der großen Ähnlichkeit mit dem Chrysler von Frieda Schwarz tatsächlich nur um eine „billige“ Vierzylinderausführung in Gestalt des Plymouth handelte, das lernte ich erst später mit etwas Nachhilfe aus Übersee.

Ein Unterschied betrifft die Radspeichen, welche beim Chrysler wegen der höheren Leistung massiver ausgeführt sind. Mit weiteren Unterschieden will ich an dieser Stelle nicht langweilen.

Denn wir müssen ja noch den eigentlichen Gegenstand der heutigen Betrachtung unter dem Motto „Billig, aber nicht beliebig“ erreichen. Den sehen Sie auf der folgenden Aufnahme, welche ebenfalls ein in Deutschland zugelassenes Exemplar zeigt:

Plymouth Tourer von 1929 in Bozen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer beanstandet, dass man doch kaum etwas von dem Wagen sieht, den darf ich freundlich korrigieren: Erstens sehen wir alles, um Hersteller und Baujahr ansprechen zu können und zweiten ist das, was wir sehen, so erfreulich wie nur wenig in unseren Tagen.

Hier haben wir eine Gesellschaft von gut situierten Reisenden, die einen Halt mit ihrem Auto eingelegt hat, das im Unterschied zu den zuvor gezeigten Exemplaren einen traditionellen Toureraufbau besitzt. Der lässt das Fahrzeug älter erscheinen, als es war.

Die Gestaltung der Haubenschlitze und der Räder zusammengenommen verrät, dass wir es hier mit einem Plymouth des Modelljahrs 1929 zu tun haben – auch Form und Position der Standlichter beiderseits der Frontscheibe „passen“.

Der Aufbau entsprach dem in den USA angebotenen – auch die dort erhältlichen Tourer weisen den kleinen Höhenversatz der seitlichen Zierleiste auf Höhe der A-Säule auf. Es sind Details wie diese, mit denen man diesen schlichten Karosserien den Eindruck der Beliebigkeit nahm.

Dass der anno 1929 in über 108.000 Exemplaren gebaute „Billigheimer“ von Plymouth tatsächlich nicht beliebig war, dafür sorgt zumindest auf diesem schönen Zeitzeugnis die adrette junge Dame, welche auf dem Wagen in reizvoller Weise Platz genommen hat:

Haben Sie den Schatten des rechten Fußes auf der Tür bemerkt? Die helle Schleife auf dem Schuh? Die dunkle Locke, die unter dem Hut hervorlugt?

Mit einem Mal bekommt das Foto eines solchen Tourenwagens, der einst ein industrielles Massenprodukt war, ein lebendiges Element, das bis heute fortwirkt.

Wenn wir Nachgeborenen die überlebenden Exemplare der Autos dieser Ära bewundern, dann wollen wir eines gewiss nicht: Dass die Insassen Baseballkappen, kurze Hosen oder Funktionsjacken tragen, wie das längst nicht nur beim einfachen Volk „Mode“ geworden ist.

Der Stil der 1920er Jahre ist nicht ganz leicht zu erreichen, doch es gibt Leute auch in unseren Tagen, für die das zum Leben mit Vorkriegsautos gehört. Das wird zwar nicht billig, aber garantiert wirkt man im Stil jener Zeit nicht beliebig…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Mobile Waschanlage: Ein Plymouth von 1936

Sachen gab’s, die gibt’s nicht mehr – das könnte ein Motto meines Blogs sein, in dem es um weit mehr geht als nur um Vorkriegsautos auf alten Fotos.

Eigentlich ist die Beschäftigung mit dem Blech von einst auf ebenso altem Papier nur ein Vorwand, in der Welt von damals auf Entdeckungsreise zu gehen. Nicht etwa, weil alles besser war, ganz gewiss nicht.

Aber es gab nun einmal eine ganze Menge Dinge, die leider verloren sind. Ihnen nachzuforschen, bisweilen nachzutrauern, das ist ein Luxus, den man sich auch mit wenig Aufwand leisten kann.

Hier im Blog gibt es die Wunder aus längst vergangenen Tagen sogar frei Haus, zumindest für Sie, geschätzte Leser. Den größten Aufwand mussten ohnehin diejenigen treiben, an deren längst vergangenem Leben mit Automobilen wir heute teilhaben dürfen.

Nicht nur war der Besitz eines Autos außerhalb der USA, wo sich jeder Arbeiter eines leisten konnte, eine ziemlich teure Angelegenheit. Noch einmal exklusiver wurde es, wenn man damit zum Vergnügen auch noch ins Ausland reisen wollte.

Dass sich dennoch viele nicht davon abhalten ließen, wenigstens einmal im Leben mit dem eigenen Wagen beispielsweise die Alpen zu überwinden, um ins Sehnsuchtsland Italien zu gelangen, davon erzählen eine ganze Menge Bilder.

Heute haben wir es wieder mit so einem Fall zu tun – nebenbei lernen wir eine ingeniöse Lösung kennen, welche wir im 21. Jh. auch gut gebrauchen könnten, jedenfalls wenn der Sommer mal wieder heiß und trocken ist – also nicht dieses Jahr.

Die Rede ist von der im Titel bereits erwähnten mobilen Waschanlage. Dafür interessieren Sie sich vermutlich auch mehr als für den ebenfalls angekündigten Plymouth des Modelljahrs 1936, oder?

Doch bevor wir uns der mobilen Waschanlage nähern, wollen wir diesem Gewächs aus dem Hause Chrysler (nicht GM!) ebenfalls Gerechtigkeit zukommen lassen.

Für amerikanische Verhältnisse war das 6-Zylinder-Auto mit rund 80 PS Leistung aus 3,3 Litern Hubraum ein preisgünstiger Mittelklassewagen – rund eine halbe Million Exemplare wurden davon binnen eines Jahres verkauft.

Am europäischen Markt dagegen war man damit im Luxussegment unterwegs. Das galt selbst dann, wenn man sich nur für die Exportmotorisierung mit nur „2,8 Litern“ entschied. Allein die Liste der Extras für Komfort und Optik ist beeindruckend lang.

Solche US-Großserienwagen wurden von Leuten gekauft, die nicht an technischen Raffinessen interessiert waren, sondern ausgereifte, leistungsfähige Technik für ein langes Autoleben und komfortable Kilometerfresserei suchten.

Genau so ein Exemplar mit – wie ich vermute – Zulassung irgendwo in Nordeuropa begegnet uns nun im italienischen Städtchen Cernobbio am Comer See:

Plymouth, Modelljahr 1936; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dass wir es mit einem Plymouth zu tun haben, das zu ermitteln, erforderte eine gute Viertelstunde Recherche. Der markante Kühlergrill mit der lackierten mittigen Unterteilung verwies schon einmal auf ein US-Fabrikat um die Mitte der 1930er Jahre.

Sofern man die Lösung nicht gleich weiß, geht man einfach die gängigsten US-Marken jener Zeit durch, also etwa 20 an der Zahl, und sucht im Netz nach Fotos davon in Verbindung mit den Jahreszahlen von etwa 1934 bis 1937.

Oft ist schon meine US-Fotogalerie ausreichend, doch dieses Exemplar fehlte bislang dort – wie gesagt ein 1936er Plymouth. Hier haben wir ihn als Limousine in dunkler Lackierung und mit aufpreispflichtigen zwei Ersatzrädern – vielleicht ein Hinweis auf die Langstreckenambitionen des Besitzers und auf jeden Fall ein optischer Akzent.

Das war auch schon alles, was ich zu dem Auto erzählen will, denn interessanter ist der Ort, an dem es einst abgelichtet wurde. Der Plymouth befand sich nämlich direkt an einer mobilen Waschanlage, wie sie einem nach langer Urlaubsfahrt auch heute gewiss willkommen wäre.

Das glauben Sie nicht? Nun, ich biege mir hier schon manches so zurecht, wie es mir gefällt und blende bisweilen das eine oder andere aus, das mir nicht zusagt – aber im Großen und Ganzen halte ich mich an das, was auf diesen alten Zeugnissen zu sehen ist.

Also auch hier – aber schauen Sie selbst:

Plymouth, Modelljahr 1936; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die versprochene mobile Waschanlage wurde offensichtlich von der Gemeinde des Städtchens Cernobbio am Comer See betrieben.

Dort gibt es vor allem einige herrschaftliche Villen zu bewundern, von denen die Villa d’Este heute noch Schauplatz eines der exklusivsten Schönheitswettbewerbe für klassische Automobile überhaupt ist.

Dorthin hatte sich also unserer wackerer Plymouth von anno 1936 verirrt, als ihm der lokale Sprengwagen entgegenkam, der es freilich weniger auf verdreckte Autos abgesehen hatte als auf Straßen, auf denen es in trockenen Sommern den Staub zu binden galt.

Der Sprengmeister, dessen Gefährt noch von einem Pferd gezogen wurde, wirft einen interessierten Blick auf den modernen Wagen mit einem Vielfachen an Pferdestärken, bequemen Polstern und einem festen Dach über dem Kopf.

Was der Fotograf dieser Szene eher im Auge hatte – das exklusive US-Auto, die „mobile Waschanlage“ oder die Kombination aus beidem, das wissen wir nicht.

Leider lässt sich das auch mit einem Ortstermin nicht mehr feststellen, obwohl ich zufälligerweise morgen um diese Zeit ganz in der Nähe weilen werden – auf dem Weg zu einer speziellen Klassikerveranstaltung in Umbrien, die ausnahmsweise wenig mit Autos, dafür aber viel mit Stil und Freude an historischer Technik zu tun hat…

Gut eine Woche lang herrscht daher Funkstille im Blog, bevor ich heimkehre. Bis dahin findet ja jemand heraus, wo genau in Cernobbio dieses Foto entstand. Das wäre fast so ein Wunder wie die mobile Waschanlage…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Gestern und morgen: Plymouth von 1931 und 1933

Manchmal in der Geschichte markieren nur ein, zwei Jahre die Zäsur zwischen gestern und morgen. Abrupt endet die eine Tradition, und schon kündigt sich die kommende an. Zwar im Gewand des Neuen, ist auch sie dazu bestimmt, bald Geschichte zu sein.

Das lehrt nicht nur das akademische Studium der Historie des an Umbrüchen reichen 20. Jahrhunderts. Schon die Betrachtung alter Autofotos lässt einen begreifen: nichts bleibt, wie es ist – ganz ohne eigenes Zutun verwandelt sich die Welt, ob es einem passt oder nicht.

Kürzlich erwarb ich diese Aufnahme, die eine mir anfänglich unbekannte Limousine mit offenbar deutschem Kennzeichen zeigte:

Plymouth Modelljahr 1931; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was macht man mit so einem leicht verunglückten Dokument, bei dem der Fotograf wohl vergessen hatte, dass ihm auf diese Distanz im Sucher das Motiv etwas höher präsentiert wurde, als eine Ebene drunter das Abbild durch das Objektiv auf den Film projiziert wurde?

Nun, man wartet auf eine Gelegenheit, es in einem Kontext zu zeigen, der es interessant macht. Denn für sich genommen ist das abgebildete Automobil wenig bemerkenswert.

Es handelt sich um eines der unzähligen US-Modelle, die Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre das Straßenbild in Deutschland mitprägten.

Den Schlüssel zur Identifikation lieferte die Gestaltung der Radkappe, welche auf ein amerikanisches Großserienmodell hindeutete. Nach einiger Sucherei wurde ich bei der Marke Plymouth fündig und konnte das Auto auf 1931 datieren.

Der Wagen aus dem Chrysler-Konzern konkurrierte in den Staaten mit preisgünstigen Einstiegsmodellen von Chevolet und Ford.

Sein Vierzylindermotor leistete 58 PS, womit er auch am deutschen Markt hervorragend positioniert war. Jedenfalls wüsste ich keinen direkten Konkurrenten in dieser Klasse; deutsche Autos waren Anfang der 1930er Jahre entweder weit schwächer oder weit stärker motorisiert.

Stilistisch war der 1931er Plymouth noch ganz der Tradition der 1920er Jahre verhaftet.

Blättern wir zwei Jahre weiter im Kalender und schauen, was sich in den zwei Jahren bis 1933 getan hatte.

Die Weltwirtschaft begann wieder Fahrt aufzunehmen – wovon übrigens auch die nationalen Sozialisten im Deutschen Reich profitieren sollten, obwohl sie nur schuldenfinanzierte Plan- und Kriegswirtschaft betrieben und Autobahnen für ein Volk ohne Autos bauen ließen.

Anno 1933 war in den Vereinigten Staaten wieder „Business“ angesagt – die Wirtschaft barst vor Zuversicht und auch der Durchschnittsbürger spürte, dass es aufwärtsging.

Dazu passend brachte Plymouth für 1933 ein „Business Coupe“ heraus – das war ein typischer Wagen für Handelsvertreter, hier aber offenbar bei einem Ausflug festgehalten:

Plymouth Modelljahr 1933; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Schick ist er schon dieser Zweisitzer mit ausklappbarem Sitz für die Schwiegermutter im Heck, nicht wahr?

Abgesehen von den Radkappen erinnert praktisch nichts an das Plymouth-Modell von 1931 – man hatte sich von der Tradition der 1920er Jahre losgelöst und ein neues Styling entwickelt, das die 1930er Jahre über aktuell bleiben sollte.

Auch unter der Haube hatte sich einiges getan: Der Vierzylindermotor war einem etwas kleineren Sechsyzlinder gewichen, der nun aber an die 70 PS leistete – der Preis des modernisierten Plymouth entsprach ungefähr dem vierzylindrigen Billigheimer von 1931.

Der Plymouth von 1933 wurde auf Anhieb das Auto mit der dritthöchsten Verkaufszahl in den USA – was allerdings nur knapp 200.000 Fahrzeugen entsprach – das Hauptgeschäft entfiel auf Chevrolet (ca. 500.000 Wagen) und Ford (ca. 330.0000).

Für das angebliche Mutterland des Automobils – Deutschland – waren das so oder so unvorstellbare Zahlen. Ohne die Produktion der damaligen General Motors-Tochter Opel lagen die Stückzahlen auf niedrigem Niveau und blieben es bis weit in die 1950er Jahre.

In den Genuss eines soliden, gut ausgestatteten und für jedermannn erschwinglichen Wagens kam der deutsche „Volksgenosse“ vor dem 2. Weltkrieg nur durch Auswanderung.

Tatsächlich gehörte das oben gezeigte 1933er Plymouth Business Coupe deutschstämmigen Amerikanern der ersten Generation, die das Foto in die alte Heimat sandten – deutsch beschriftet.

Sie kannten noch das „gestern“, während schon ihre Kinder – als Musterbeispiele gelungener Integration – nur noch das „morgen“ kannten, amerikanisch sprachen und dachten.

Viele von ihnen kehrten als Soldaten 1944/45 in das Geburtsland ihrer Eltern zurück, wo sie zu ihrer Überraschung auf eine Welt stießen, in der modernen Autobahnen primitive Lebensverhältnisse der Landbevölkerung gegenüberstanden, welche noch mit dem Pferdegespann die Felder bestellte.

Der Sprung vom gestern ins morgen – er vollzieht sich bisweilen in irritierender Kürze wie einst Anfang der 1930er Jahre. Wenn sich die Welt abrupt verändert, bleibt dem Einzelnen keine Wahl, als dennoch darin seinen Weg zu finden…

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Sieg der Moderne: Ein Plymouth P8 von 1939 in Essen

Moderner als im heutigen Eintrag wird es auf diesem Blog für Vorkriegsautos nur selten zugehen – und das ist gut so.

Denn so sehr der Verfasser die automobilen Klassiker der 1950/60er Jahre schätzt – von denen er selber welche besitzt – so sehr schmerzt ihn die Zäsur des 2. Weltkriegs, mit der das alte Europa in mehr als nur formaler Hinsicht untergegangen ist.

Daran mitgewirkt haben nicht nur die faschistischen und kommunistischen Diktaturen, die den Krieg 1939 angezettelt haben, sondern auch der mit zunehmender Kriegsdauer zur Routine werdende Vernichtungswille der alliierten Militärführung.

Die Ergebnisse dieses vielfachen Zivilisationsbruchs sind nicht nur an den Stätten deutscher Kriegsverbrechen und Massenmorde zu besichtigen, sondern auch in den vom alliierten „Moral Bombing“ verheerten Altstädten.

Das folgende, auf den ersten Blick unbeschwert erscheinende Foto konfrontiert uns bei näherer Betrachtung mit diesem tragischen Geschehen und kündet zugleich vom Sieg der Moderne auch in der Gestaltung des Automobils:

Plymouth P8 Convertible Sedan; Originlafoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das viertürige Cabriolet ließ sich mit einigem Aufwand als Plymouth P8 des Modelljahrs 1939 identifizieren.

An dem Sechsyzlinderwagen mit über 80 PS Leistung, Schwingachsen und hydraulischen Bremsen kann man die Kinderstube des Nachkriegsautos mit Pontonkarosserie studieren:

  • Die Vorderkotflügel sind als Radhäuser ausgeführt und beginnen mit der Haubenpartie zu verschmelzen.
  • Die Scheinwerfer sind in den Schutzblechen integriert und nicht mehr aufgesetzt.
  • Der Kühler tritt zugunsten eines Ensembles aus Zierleisten in den Hintergrund, die die ursprüngliche Form dieses funktionellen Elements nur noch andeuten.
  • Die Motorhaube stellt formal eine Übergangslösung zwischen zwei seitlich aufzuklappenden Flügeln und einem nach oben zu öffnenden Deckel dar

Die Seiten- und Heckpartie steht dagegen noch ganz in der Tradition der 1930er Jahre. Für das Modelljahr 1939 hatte man bei Plymouth lediglich die Frontpartie überarbeitet, der Rest entspricht weitgehend den Typen ab etwa 1935.

Bemerkenswert ist, dass das viertürige Cabriolet des Plymouth P8 seinerzeit der einzige offene Wagen im Programm des General Motors-Konzerns war.

Auch in der Präferenz für geschlossene Aufbauten kündigt sich die Neuzeit an, in der offene Wagen lange überwiegend als exotisch galten und entsprechend teuer waren.

Als unser Foto entstand, wirkte der Plymouth auf den ersten Blick zwar noch modern, doch hatte sich bei den progressiveren Herstellern auch hierzulande die Pontonform durchgesetzt – Borgward wäre hier an erster Stelle zu nennen.

Aber wann und wo ist dieses Foto überhaupt geschossen worden? Nun, zum Glück liefert der Originalabzug etwas mehr Informationen als obiger Bildausschnitt:

Die Reklamen für die „Neue Ruhr Zeitung“ und „Eick Söhne“ liefern nach kurzer Recherche als Aufnahmeort die Essener Innenstadt, um genau zu sein: die Kettwiger Straße mit dem im Kern aus dem Jahr 1915 stammenden Eickhaus.

Die alliierten Bombardements der Essener Altstadt – der letzte Großangriff mit über 1.000 Flugzeugen fand im März 1945 statt – ließen von der historischen Bausubstanz des Geschäftshauses und der umliegenden Bauten nicht viel übrig.

Wer genau hinsieht, erkennt am Erdgeschoss des noch heute in verstümmelter Form existierenden Gebäudes Spuren der vier Wochen vor Einmarsch von US-Einheiten ohne militärischen Zweck abgeworfenen über 4.000 Tonnen Sprengbomben.

Als unser Foto entstand, war das Grauen des gezielten Bombenkriegs gegen die deutsche Zivilbevölkerung ebenso vorbei wie das industrielle Morden in den unter deutscher Aufsicht stehenden Konzentrationslagern.

Dass man nach diesen Exzessen, die im Kriegsverlauf auf allen Seiten eine für überwunden gehaltene Bestialität zutageförderte, wieder zu einem zivilisierten Miteinander zurückfand, muss uns Nachgeborene mit Dankbarkeit erfüllen.

Von Glück sagen konnten auch die beiden jungen Essener Damen, die sich irgendwann in den frühen 1950er Jahren mit dem damals schon angejahrten Plymouth eines Angehörigen der amerikanischen Besatzungsmacht umherfahren ließen:

Damen aus Essen, frühe 1950er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Modisch betrachtet hätten die beiden auch in den späten 1930er und 40er Jahren gute Figur gemacht. Ob Wellenfrisur, hochgeschlossenes Kostüm oder feine Lederhandschuhe – hier lebte noch ganz der Stil der Vorkriegszeit.

Dass sie damit formal einer untergegangenen Welt wie der Plymouth P8 von 1939 angehörten, wird ihnen kaum bewusst gewesen sein. Die Moderne brauchte einige Zeit, um nach Kriegsende in den weitgehend zerstörten Städten Deutschlands Fuß zu fassen.

Nur wenige Jahre später jedoch finden sich in deutschen Fotoalben Zeugnisse ganz anderer Art. Autos, Mode und Lebensstil der angeblich so verklemmten 1950er Jahre lassen auf einmal einen frischen Wind erkennen:

Fiat 1400 in Triest; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

In der Sehnsucht nach Neuanfang und Genuss des Daseins wurde jedoch leider auch manches kostbare Erbe und manche zeitlose Gewissheit ein für allemal abgewickelt.

Was der Kriegsgeneration an Stilempfinden, Umgangsformen und Lebensklugheit in den Wirtschaftswunderjahren verlorenging, wird vielleicht erst dem Spätergeborenen bei der Betrachtung historischer Aufnahmen bewusst…

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Freunde und ihr Campingwagen: Plymouth von 1938

Eigentlich dreht sich auf diesem Oldtimerblog alles um Vorkriegs-PKW, Nutzfahrzeuge sind also kein Thema. Doch mitunter fällt es schwer, die Grenze eindeutig zu bestimmen.

Es gab einfach zuviele interessante Wagen auf PKW-Basis: Lieferwagen, Pritschenwagen, Mannschaftswagen für die Polizei, Kübelwagen für’s Militär. Selbst leichte LKW wurden bis in die 1920er Jahre auf PKW-Chassis gefertigt.

Von diesen Zwittern bringen wir hier ab und zu ausgesuchte Exemplare. Der Fotofundus des Verfassers ist diesbezüglich noch für einige Überraschungen gut…

Speziell nach dem 2. Weltkrieg begann für übriggbeliebene PKW oft ein erstaunliches neues Dasein. Heute haben wir ein besonderes Beispiel dafür – einen Campingwagen!

Plymouth P6 von 1938, Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick sieht dieses Mobil noch einigermaßen „zivil“ aus. Doch zeugt das Fahrzeug auf dem Foto von einer abenteuerlichen Geschichte.

Dazu muss man sagen, dass der Verfasser ein Faible für „nicht originale“ Automobile hat. Wagen also, die im Lauf eines langen Lebens erhebliche Veränderungen erfahren haben, die von zeitgeschichtlichen Umbrüchen erzählen.

Das Ergebnis ist historisch, denn es ist Zeuge von Ereignissen, die wir sonst nur aus Geschichtsbüchern und Erzählungen alter Leute kennen.

Einem unrestaurierten Fahrzeug gegenüberzustehen, in dessen Erscheinungsbild ein geschichtlicher Moment vor langer Zeit eingefroren ist, hat etwas Ergreifendes.

So etwas macht man nicht „auf neu“ (das scheitert ja oft schon an den Materialien und Techniken), sondern erhält es möglichst für die Nachwelt.

Was sollte man auch mit einem Wagen machen, der wie dieser hier offenbar einen Gutteil seiner Frontpartie eingebüßt hat?

Wir können nur vermuten, was dieser Wagen durchgemacht haben muss – jedenfalls wissen wir, dass er so nicht 1938 vom Band gelaufen ist.

Das Auto mit dem ungeschickt gestalteten „Waterfall“-Grill ist nämlich ein Plymouth des Modelljahrs 1938. Typisch für die Wagen der Marke jener Zeit waren auch die von einer kräftigen Sicke umgebenen waagerechten Luftschlitze in der Motorhaube.

Im Neuzustand hätten die Vorderschutzbleche bis auf die Stoßstange heruntergereicht, die hier ebenfalls nicht original ist. Allenfalls die skurril geformten Hörner könnten noch zur Ursprungsaustattung gehören.

Eine Schönheit war dieses Gefährt auch im Neuzustand nicht, weshalb es für amerikanische Verhältnisse nicht oft gebaut wurde. Umso interessanter ist es, einen solchen Exoten im Deutschland der frühen Nachkriegszeit anzutreffen.

Diese Erkenntnis verdanken wir dem Besatzungskennzeichen mit den Buchstaben „B“ und „R“, die für Britische Zone Rheinland standen.

Nun die Preisfrage: Wie kommen um 1950 zwei junge Burschen mit keinem Gramm Speck auf den Rippen an einen US-Sechszylinder mit 3 Liter Hubraum und 80 PS? 

Und wie haben Sie dieses durstige Dickschiff im Alltag bewegt? Die Hubraumsteuer hatte ja den Krieg überlebt und ist bekanntlich bis heute nicht totzubekommen.

Die Antwort auf diese Fragen verbirgt sich möglicherweise auf diesem Bildausschnitt:

Hier fallen zum einen die Reifen mit dem Stollenprofil an der Hinterachse auf. So etwas war seinerzeit nur an Militärfahrzeugen zu finden. Zum anderen deutet die nicht originale Dachreeling auf eine Nutzung mit zusätzlichem Gepäck hin.

Dies zusammen mit der amerikanischen Herkunft des Wagens legt folgendes nahe: Es handelt sich um ein Beutefahrzeug, das der deutschen Wehrmacht im Verlauf des 2. Weltkriegs in die Hände fiel. Gelegenheit dazu gab es jedenfalls reichlich.

Dabei war der Plymouth möglicherweise gar kein auf englischer oder amerikanischer Seite eingesetztes Militärfahrzeug. Denn: Die Modelle von Plymouth wurden – wie die Wagen der Schwesterfirma Chrysler – vor dem Krieg auch in Europa gefertigt.

Wie auch immer: Wahrscheinlich haben wir es mit einem Beutewagen einer Wehrmachtseinheit zu tun, der 1945 im Rheinland mit leerem Tank zurückgeblieben war und später auf unerfindliche Weise einen oder zwei neue Besitzer fand.

Die Beiden, die hier auf dem Plymouth herumturnen – machen Sie das mal auf einem „originalgetreu restaurierten“ Fahrzeug – haben den geräumigen Wagen offenbar als Reisemobil genutzt und es sich mit anderen Altautobesitzern auf einem – vermutlich wilden – Campingplatz gemütlich gemacht.

Die Zelte sehen den „Dackelgaragen“ noch ziemlich ähnlich, in denen deutsche Soldaten einige Jahre zuvor im vermeintlichen Dienst des Vaterlands von Finnland bis zum Schwarzen Meer übernachten durften…

Diese Zeiten jedenfalls hatten die beiden Freunde überlebt.

Was es danach bedeutete, mit einem solchen im Krieg heruntergerittenen Reisemobil auf eigene Faust unterwegs zu sein und friedlich irgendwo im Grünen zu nächtigen – das können wir uns nicht annähernd vorstellen.

Die Spritrechnung wird den beiden jedenfalls herzlich egal gewesen sein…

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Ein Bild von einem Wagen: Plymouth PE von 1934

Zu den reizvollen Seiten eines Oldtimerblogs gehört das Phänomen, dass sich manche Beiträge von selbst fortschreiben.

Keine Sorge: Hier übernehmen nicht irgendwelche Schreibroboter die Macht, die in den USA heute bereits einen Großteil der Wetterprognosen, Sportkommentare und Gewinnberichte von Unternehmen schreiben, ohne dass es jemand merkt.

Gemeint ist Folgendes: Man präsentiert einen US-PKW der 1930er Jahre, der einst eingeschneit im Libanon (!) fotografiert wurde (Bericht). Bei der Recherche nach der Automarke (Chrysler) stößt man auf einen ähnlichen Wagen aus demselben Konzern (Plymouth) und löst nebenher ein altes Bilderrätsel.

So war mit einem Mal das Kopfzerbrechen vorbei, das das Auto hinter dem jungen Luftwaffenrekruten auf folgendem Bildausschnitt bereitete (Bericht):

Der unscharf im Hintergrund abgebildete Wagen war kaum als Plymouth PE von 1934 identifiziert, da materialisierte sich das Fahrzeug auf einem weiteren Abzug – diesmal aber in allerbester Qualität.

Dazu muss man sagen, dass Wagen der Chysler-Konzernmarke Plymouth nicht gerade zu den gängigsten US-Autos in Europa zählten. Nach dem bis Anfang der 1930er Jahre anhaltenden Importboom sahen sich US-Hersteller in Deutschland ab 1933 erheblichen Einfuhrhindernissen gegenüber.

Die geschäftstüchtigen Amerikaner reagierten durch Kooperation mit Firmen auf deutschem Boden, die US-Wagen aus zugelieferten Teilen zusammenbauten, die keinen Importbeschränkungen unterlagen.

Die Montage von Plymouth-Wagen übernahm ab 1933 die in Koblenz ansässige gegründete HANKO GmbH, die seit 1924 US-Wagen der Marken Packard, Paige, Nash und Chrysler importierte.

Aus dieser Produktion stammt sehr wahrscheinlich auch dieses Prachtexemplar:

Plymouth PE, Baujahr 1934, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir es eindeutig mit einem in Deutschland – genauer: im Großraum Berlin – zugelassenen Plymouth des Typs PE von 1934 zu tun.

Das mag auf den ersten Blick überraschen, denn dieser Wagen sieht eigentlich so aus, wie man sich einen europäischen Klassiker der frühen 1930er Jahre vorstellt.

Vergegenwärtigt man sich den formalen Fehlgriff, den sich Chrysler mit dem Modell „Airflow“ 1934 leistete, ist dieser zeitgleiche Typ aus demselben Konzern geradezu „ein Bild von einem Wagen“.

Wohl nie wieder verband ein US-Automobil technischen Fortschritt mit einem so klassischen Erscheinungsbild. Denn diese Limousine verfügte bereits über eine Einzelradaufhängung an der Vorderachse und weitere moderne Details.

Der Plymouth PE von 1934 relativiert das Klischee von den gut motorisierten, aber fahrwerksseitig stets rückständigen US-PKW. Dass wir es tatsächlich mit so einem Modell zu tun haben, verrät folgender Bildausschnitt:

Der spannungsreich geformte Kühlergrill trägt nicht nur das traditionelle Plymouth-Emblem auf der Mittelstrebe (ursprünglich eine geflügelte Seejungfrau), sondern auch die 1934 neu eingeführte Kühlerfigur – ein stilisiertes Segelschiff.

Die Scheinwerfer und die Hupen dürften zeitgenössische Anbauteile aus deutscher Produktion sein. Auch die Stoßstange weicht von denjenigen ab, die bei in den USA gefertigten Plymouth-Wagen montiert wurden.

Am Nummernschild könne wir ablesen, dass der Plymouth einst in Berlin zugelassen war (Kombination aus römisch „I“ und lateinisch „A“). Die laufende Nr. 33001 verweist auf die geringe Zahl von Automobilen hin, die in der neben Paris sonst führenden Metropole auf dem europäischen Kontinent zugelassen waren.

Unser Foto scheint aber an einer ländlichen Örtlichkeit entstanden zu sein. Leider wissen wir nichts über den Anlass dieser Aufnahme in einem eher rustikalen Umfeld:

Der Besitzer des Plymouth macht nicht gerade den Eindruck eines unverhofft zu Vermögen gekommenen Bauern oder des obligatorischen Dorfmetzgers, der schon vor dem Krieg bevorzugt Prestigewagen fuhr.

Die Situation wirkt eher so, als sei der vermögende Onkel aus der Stadt zu den Verwandten auf’s Land hinausgefahren und habe sich dort ablichten lassen. Wer aber sollte dort eine Kamera besessen haben, die ein so exzellentes Foto produzierte?

Jedenfalls war die Perspektive, die wir hier genießen, vor über 80 Jahren diejenige einer weiteren Person, über die wir leider nichts wissen. Mit ihr teilen wir den Blick durch den Sucher auf einen klassisch-schönen US-Wagen „Made in Germany“.

Wenn man den Informationen im Netz trauen kann, wurden einst rund 2.000 Plymouth des Typs PE in Deutschland gebaut. Zwei davon soll es noch geben…

1942: Ein alter Plymouth und ein junger Flieger…

Gemessen an den Leserreaktionen scheint dieser Oldtimerblog einige Freunde von Vorkriegsautos im deutschsprachigen Raum anzusprechen. Fast 2.000 Besucher sind hier im Monat durchschnittlich zu Gast – Tendenz steigend.

Die positive Resonanz auf die historischen Originalfotos von legendären oder auch in Vergessenheit geratenen Marken ist das eine, was motiviert. Das andere Element sind die unvorhergesehenen Entwicklungen, die sich daraus ergeben.

Ein schönes Beispiel für solche Überraschungen ist folgende Aufnahme:

Luftwaffenrekrut mit Plymouth PE Type, Baujahr 1934

Dieser Abzug aus Kriegszeiten schlummert schon eine ganze Weile im Fundus des Verfassers. Die Aufnahme wäre auch ohne den dunklen Wagen hinter dem feschen Soldaten ein reizvolles Zeitdokument, wie sich noch zeigen wird.

Doch gelangte das Foto in erster Linie wegen des geheimnisvollen Autos in die Sammlung des Verfassers. Solche Bilder bekommt man für symbolische Beträge, da für viele Wk2-Sammler nichts Interessantes darauf zu sehen ist.

Hier geht es aber nicht um spektakuläres Kriegsgerät oder Persönlichkeiten der Zeitgeschichte – uns interessiert das Schicksal von Vorkriegsautos in einem auch für sie lebensgefährlichen Umfeld.

Wie es der Zufall will, hilft uns einer der Wagen im letzten Blogeintrag weiter bei der Aufklärung, nämlich dieser hier:

Chrysler Series CA oder CB, Baujahr 1934

Dieser malerisch zugeschneite Wagen – aufgenommen 1940 im Libanon (!) – war nur dank der Hilfe von US-Vorkriegsspezialisten zu identifizieren, und zwar hier. Demnach handelt es sich um einen Chrysler Series CA oder CB von 1934.

Bei der Diskussion um die Identität des Wagens wurde ein weiteres Fahrzeug genannt, das Ähnlichkeiten aufweist, aber aufgrund von Details am Ende ausgeschlossen werden konnte, ein Plymouth DeLuxe (Type: PE) von 1934.

So lenkte die Beschäftigung mit obigem Winterfoto indirekt den Blick auf das Auto, das wahrscheinlich auf dem eingangs vorgestellten Abzug zu sehen ist:

So unscharf der Wagen im Hintergrund auch abgebildet ist, lassen sich doch alle typischen Elemente eines Plymouth PE von 1934 erkennen.

Da ist zunächst der nach unten vorkragende Kühlergrill mit daran anschließendem Karosserieblech – ein Detail, das hier dank fehlender Stoßstange gut zu sehen ist.

Auch die Positionierung des Emblems auf der Mittelstrebe im oberen Drittel des Kühlers passt zum Plymouth jener Zeit. Den letzten Hinweis gibt die schemenhaft erkennbare Luftklappe auf der in Fahrtrichtung rechten Motorhaubenseite – ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Chrysler.

Man mag sich fragen, warum die beiden Wagen einander so ähnlich waren. Nun, Plymouth wurde 1928 im Chrysler-Konzern als Einstiegsmarke neu geschaffen und bot bei ähnlicher Optik wie die teureren Chryslers und DeSotos erschwingliche Wagen mit schwächerer Motorisierung, aber ebenfalls hoher Qualität.

Was das hieß, verraten die technischen Daten: Der Plymouth PE von 1934 verfügte über einen 3,3 Liter großen 6-Zylindermotor konventioneller Bauart, der über 80 PS leistete, in Europa damals ein eindrucksvoller Wert.

Das eigentlich Interessante an dem Wagen ist aber die Tatsache, dass er mit einer Einzelradaufhängung vorne angeboten wurde. Deutsche Hersteller waren damals keineswegs die einzigen mit innovativen Fahrwerken!

Rund 220.000 Exemplare dieses Modells wurden 1934 gefertigt und einige davon sogar offenbar in Deutschland. Denn seit 1919 importierte die deutsche Firma HANKO amerikanische Wagen und ließ ab 1933 auch solche der Marke Plymouth hierzulande aus Einzelteilen fertigen, um Importbeschränkungen zu umgehen.

So ein Auto könnte auf dem Foto zu sehen sein. Wir kennen immerhin den Aufnahmezeitpunkt: Mai 1942. Damals schickte der blutjunge Luftwaffenrekrut auf dem Foto das Bild an seine „Flamme“.

Dass der gerade von der Schulbank weg eingezogene Bursche bei der Luftwaffe gelandet ist, verraten folgende Details:

Die Jacke ist schlichter als diejenige der Infanteristen, die aufgesetzte Taschen besaß. Auch der Luftwaffenadler auf der Brust und auf dem Schiffchen passt dazu. Ein weiterer Adler wäre auf dem Koppelschloss zu sehen, wenn es scharf abgebildet wäre.

Das Fehlen von Abzeichen – der Kamerad trägt nicht einmal Gefreitenwinkel auf dem Ärmel – belegt, dass es sich um wehrpflichtiges „Frischfleisch“ handelte, wie es millionenfach für einen Krieg eingezogen wurde, den die Mehrheit der Deutschen nicht bestellt hatte.

Das Foto ist der Architektur nach zu urteilen in einer deutschen Großstadt entstanden. Von dort verschickte unser frischgebackener Luftwaffensoldat den Abzug als Postkarte (ja, so etwas ging damals) an seine Verehrte. Er verabschiedete sich darauf mit den Worten: „Ihr Flieger Bobby“.

Das ist nun in mehrfacher Hinsicht spannend. Zunächst fällt das „Sie“ auf, eine in unseren Tagen zunehmend in Vergessenheit geratende Möglichkeit, den Grad der persönlichen Vertrautheit zu differenzieren. Merke: Man kann immer vom „Sie“ zum „Du“ gelangen, doch führt kaum ein Weg zurück…

Dann „Bobby“ – war dieser Spitzname für Robert vor dem Sieg der US-Kultur über das „alte Europa“ hierzulande bekannt? Nun: Die Mutter des deutschen Literaten Hermann Hesse nannte ihren Mann Johannes Hesse bereits um 1900 liebevoll Jonny…

Tja, so einfach sind die Dinge nicht, vor allem nicht auf deutsch. So gilt ein „Flieger“ manchen heutzutage als ein Flugzeug, doch „Flieger Bobby“ wusste nichts davon.

Für ihn waren die Verhältnisse klar: Ein „Fahrer“ fährt ein „Fahrzeug“ und ein „Flieger“ fliegt ein „Flugzeug“. Wer – bitteschön – ist irgendwann auf die Idee gekommen, einen Flugapparat so zu bezeichnen wie denjenigen, der es beherrscht?

Wer sich schlicht merken möchte, was ein Flieger ist, dem sei dies ans Herz gelegt:

Quelle: Youtube, hochgeladen von Ilja Livschakoff