Bad in der Menge: Presto D 9/30 PS Sport-Tourer

Normalerweise entspricht das Bad in der Menge nicht meinem Geschmack. Mit einer Masse an Zeitgenossen anderen Leuten beim Sport oder Musizieren zuzusehen, gehört nicht zu meinen bevorzugten Beschäftigungen.

Allein mit sich zu sein – tagsüber auf dem Fahrrad oder im Garten und nachts beim Bloggen am Schreibtisch – oder allenfalls mit wenigen ausgewählten Personen die schönen Dinge des Lebens zu genießen, das entspricht eher meinen Neigungen.

Eine Ausnahme aus meiner zweiten Heimat – dem italienischen Umbrien – möchte ich bei der Gelegenheit nicht unerwähnt lassen: das Historienspektakel Giostra della Quintana in Foligno, das mich bereits bei meinem ersten Aufenthalt vor über 30 Jahren begeisterte..

Dass sich Masse und Klasse auch in automobiler Hinsicht nicht immer ausschließen, dafür möchte ich heute ein schönes Beispiel anführen. Das Anschauungsmaterial dazu liefert einer der meistgebauten deutschen Wagen der ersten Hälfte der 1920er Jahre.

Die Rede ist vom Typ D 9/30 PS, welchen der sächsische Hersteller mit dem nach Italien klingenden Namen „Presto“ von 1921 bis 1925 in einigen tausend Exemplaren fertigte. Rund 50 zeitgenössische Dokumente dieses technisch zwar konventionellen, aber schnittig aussehenden Modells konnte ich bisher in meiner Presto-Galerie versammeln.

Nach amerikanischen Maßstäben wäre der Presto eine exklusive Erscheinung gewesen – in den Staaten musste man schon einige zehntausend Exemplare pro Jahr unters Volk bringen, um als Massenfabrikat wahrgenommen zu werden.

Doch im Deutschland der Zeit nach dem 1. Weltkrieg blieb das Automobil ein reines Luxusgut – ganz gleich, was in der Literatur von seinerzeit angeblich „populären“ Modellen erzählt wird. Für den Normalbürger war noch der primitivste PKW unerschwinglich.

So blieb auch der unverwechselbar gezeichnete Presto D 9/30 PS trotz vergleichsweise hoher Stückzahlen letzlich ein rares Gut. Hier hat wohl ein Mechaniker die Gelegenheit dazu genutzt, sich am Steuer einer Tourenwagenversion ablichten zu lassen:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto von 1929 aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Diese schöne Aufnahme, die mir Leser Matthias Schmidt aus Dresden in digitaler Form übersandt hat, zeigt sogar eine besondere Rarität: Hier ist der Presto nämlich nicht nur mit montierten Verdeck zu sehen, was selten ist. Er besitzt auch die erst im letzten Produktionsjahr 1925 eingeführten Vorderradbremsen.

Nun werden Sie als vielleicht langjähriger Konsument meiner nächtlichen Blogeinträge schon oft genug mit dem Presto dieses Typs konfrontiert worden sein.

Doch erinnern Sie sich: Ich hatte eingangs ein Bad in der Menge versprochen und auch angemerkt, dass ich ein solches nur dann schätze, wenn wirklich Außergewöhnliches geboten wird. Das ist heute ganz eindeutig der Fall.

Vorausschicken möchte ich, dass ich erst durch meine Bildrecherchen für den Blog auf eine spezielle Version des Presto D 9/30 PS aufmerksam geworden bin, die in der mir bekannten Literatur völlig übergangen wird – den Sport-Tourer:

Presto Typ D 9/30 PS Sport-Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zu erkennen ist diese sportliche Variante an den Drahtspeichenrädern, dem hochgelegten Tritttbrett, dem niedrigeren Aufbau und der weiter nach hinten gezogenen Motorhaube.

Ob sich unter derselben ab Werk ein leistungsgesteigertes Aggregat befand, ist mir nicht bekannt. Zur der einst bedeutenden Marke Presto gibt es meines Wissens wie bei so vielen deutschen Wagen der 1920er Jahre keine hinreichend detaillierten Informationen in der Literatur oder im Netz. Es scheint sich keiner mehr dafür zu interessieren.

Immerhin konnte ich selbst herausfinden, dass es den Sport-Tourer serienmäßig von Presto gab, denn es haben sich inzwischen etliche Fotos davon materialisiert – dazu brauchte ich nicht einmal systematisch danach zu suchen.

Was für spannendes Material quasi auf der Straße liegt und bloß für symbolische Beträge aufgesammelt und mit ein paar Handgriffen aufgearbeitet werden will, das zeigt mein neuster Fund in Sachen Presto Typ D 9/30 PS.

Dass niemand sonst mit solchen Zeitdokumenten etwas anzufangen weiß – jedenfalls nicht, dass ich davon wüsste – unterstützt zwar meinen Kulturpessimismus, verstärkt aber zugleich meinen Willen, diese Relikte den wenigen zugänglich zu machen, die Freude daran haben.

Hier haben wir nun besagten Fund und nach dem bisher Gesagten sollten Sie meine Zuschreibung des kaum erkennbaren Wagens nachvollziehen können. Angesichts der schieren Masse an Individuen kapituliere ich und erspare Ihnen entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten, über die abgebildeten Personen zu spekulieren.

Für dieses „Bad in der Menge“ gibt es keine Anleitung – genießen Sie es einfach nach Lust und Laune und machen sich Ihre eigenen Gedanken zu den Charakteren und finden Sie Ihre eigenen Favoriten (m/w/d…) darunter:

Presto Typ D 9/30 PS Sport-Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Jetzt wird’s wirklich spannend! Presto Typ D 9/30 PS

Es gibt deutsche Vorkriegswagen, die man schon so oft gesehen hat, dass man bei Erwähnen der bloßen Typbezeichnung Gefahr läuft, bestenfalls ein wohlwollendes Gähnen zu ernten.

Das ist jedenfalls das Risiko in meinem Blog, in dem das „Volumenmodell“ D 9/30 PS des sächsischen Herstellers Presto zu den häufigsten Gästen gehört. In der Presto-Galerie finden sich inzwischen Dutzende zeitgenössischer Abbildungen davon.

Dabei war der von 1921-25 gebaute, technisch konventionelle Vierzylinderwagen damals eines der attraktivsten Autos am deutschen Markt, jedenfalls in optischer Hinsicht.

Der messerscharf zulaufende Spitzkühler stellte selbst die Exemplare von Daimler und Benz in den Schatten, wobei die schnittige Frontpartie durch spitz endende und nach hinten lang auslaufende Vorderkotflügel noch weiter akzentuiert wurde:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

An diesem bislang noch nicht vorgestellten Exemplar aus der Sammlung von Leser Matthias Schmidt (Dresden) erkennt man außerdem die fünf kiemenartigen Luftauslässe in der Motorhaube, die sich an den meisten Prestos des Typs D 9/30 PS finden.

Als Stückzahl für diesen Wagen gibt es nur Schätzungen, die sich auf einige tausend belaufen. Genau weiß es wohl niemand, allerdings unterstützt die auffallend große Zahl der überlieferten Fotos die Annahme, dass die Produktion für deutsche Verhältnisse tatsächlich beträchtlich gewesen sein muss. Bloß überlebende Autos davon sind äußerst rar.

Die meisten Abbildungen zeigen – wie für damalige Wagen typisch – klassische Tourenwagenaufbauten mit ab der Frontscheibe völlig austauschbarer Gestaltung, drei Sitzreihen und dem für diese Fahrzeuggattung typischen leichten Verdeck, das auf den meisten Fotos niedergelegt war, so auch hier:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kleine Variationen gab es bei der Frontscheibe: Meist war sie senkrecht und vertikal geteilt, es finden sich aber auch Ausführungen mit ausstellbarer obererer Hälfte.

Ob man daran frühe und späte Versionen auseinanderhalten kann, ist mir nicht bekannt – es gibt keine hinreichend aussagefähige Literatur zu den Presto-Automodellen.

Wie kommt man angesichts dieses Befundes dazu „Jetzt wird’s wirklich spannend!“ auszurufen? Gut, mögen Sie jetzt sagen, unser Blog-Wart hat ja immerhin schon Exemplare des rasant wirkenden Sport-Tourers auf Basis des Presto Typ D aufgetan.

Dazu zählt unter anderem dieses Gerät, das hier am Ziel der ADAC-Winterfahrt in Garmisch-Partenkirchen im Februar 1925 zu sehen ist, also vor knapp 100 Jahren:

Presto Typ D 9/30 PS Sport-Tourer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese leicht anmutende Ausführung des Presto ist auch in anderen Beispielen dokumentiert und scheint eine ab Werk verfügbare Karosserie als Sport-Tourer besessen zu haben.

Typisch ist hier vor allem das hochgelegene Trittbrett, welches Gewichtseinsparungen bei den Kotflügeln ermöglichte und den Wagen flacher wirken lässt als den ordinären Tourer. Darauf scheinen sich die Modifikationen beschränkt zu haben.

Sie finden weitere Exemplare davon in meiner Presto-Galerie. Einen wirklich spannenden Neuzugang hat mir dort jedoch erst kürzlich Leser und Sammlerkollege Jürgen Klein ermöglicht.

Er hat nämlich eine Karosserieversion auf Basis des Typs D 9/30 PS aufgetan, die nun wirklich speziell ist. Sie ist mir noch nirgends begegnet, dabei stellt sie keineswegs die Bastelarbeit irgendeines begabten Dorfspenglers dar, ganz im Gegenteil.

Wenn Sie bis hierher durchgehalten haben, werden Sie jetzt hoffentlich ebenfalls feststellen: „Das ist nun wirklich spannend!“:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Jürgen Klein

Auch wer bislang meinte, in Sachen Presto Typ D 9/30 PS schon alles gesehen zu haben, wird hier fasziniert sein.

Und diejenigen, welche in dieser Hinsicht noch Novizen sein, werden schon einmal zufrieden feststellen, dass sie diesen schneidig auftretenden Wagen spontan als Presto D-Typ identifiziert hätten. So habe ich auch einmal angefangen…

Doch erst die nicht so vertraut anmutenden Details sind es, welche dieses Fahrzeug so speziell und spannend machen, wie ich finde.

Schauen Sie sich einmal die Heckpartie an – sie fällt nach hinten sanft ab, wie man das damals eher bei amerikanischen Rumbleseat-Roadstern findet. Zudem scheint mir der Radstand merklich kürzer zu sein als beim Tourer oder dem Sport-Tourer.

Das kann täuschen, würde aber zu dem Versuch passen, dem Wagen die Anmutung eines der typischen 2-türigen US-Cabrios der 1920er Jahre zu geben, die damals weit moderner gestaltet waren als deutsche Autos.

Zum Vergleich hier ein Packard Single Six von 1922 mit ausgestelltem Schwiegermuttersitz („rumble seat“) im abfallenden Heck:

Packard Single Six, Modeljahr 1922; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Versuch, die Linie des Presto mit ein wenig Zierat aufzupeppen, hat sich in einer eigenwilligen Zierleiste niedergeschlagen, welche seitlich von der Frontscheibe die Motorhaube entlangläuft und nach vorne immer steiler abfällt.

Vermutlich sollte diese Linie spiegelbildlich mit dem gerundeten Heck korrespondieren. Wie diese Zieleiste technisch realisiert wurde, da die Frontpartie ansonsten vollkommen serienmäßig erscheint, das mögen uns beschlagenere Leser erklären.

Nicht unerwähnt bleiben soll ein letztes Detail, welches dieses Presto für mich zu so einem spannenden Gegenstand der Betrachtung machte, nämlich das Nummernschild.

Die Kennung „MI“ hatte ich bis dato noch nie gesehen und ich war geneigt, eine ausländische Zulassung dieses Presto in Erwägung zu ziehen.

Doch dann schaute ich in Andreas Herzbergs Standardwerk „Handbuch deutsche KfZ-Kennzeichen, Band 1, Deutschland bis 1945“, welches wie andere oft bemühte Klassiker in Reichweite liegen, während ich zu fortgeschrittener Stunde meine Blog-Einträge herunterschreibe.

Dort fand sich das einstige Herzogtum Mecklenburg-Schwerin als Zulassungsbezirk, der bis 1934 seine Eigenständigkeit beibehielt, bevor das Land Mecklenburg als neue Verwaltungseinheit entstand.

Noch mehr Spannendes vermag ich diesem Foto für heute nicht abzugewinnen, ich meine aber, das ist schon so eine ganze Menge.

Schließen möchte ich mit einem Blick auf die drei Herren, welche einst diesen Presto bevölkerten. Wie leider so oft wissen wir nichts über sie, außer dass von ihnen wie dem Presto nichts geblieben sein dürfte außer diesem Fetzen belichteten Papiers:

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Treu, auch wenn’s ernst wird: Presto Typ D 9/30 PS

Ob auf einen alten Freund Verlass ist, das zeigt sich in dem Moment, wenn’s ernst wird. Wer einem auch dann treu zur Seite steht, der hat wahrlich unsere Zuneigung verdient.

So verhält es sich auch mit einem meiner ältesten Freunde auf vier Rädern – dem Typ D 9/30 PS aus dem Presto-Werk im sächsischen Chemnitz. Er gehörte zu den meistgebauten deutschen Wagen der ersten Hälfte der 1920er Jahre – neben dem Brennabor Typ P 8/24 PS, dem NAG C4 10/30 PS und dem Protos Typ C 10/30 PS.

Von diesen hebt er sich mit seiner besonders schnittigen Linienführung ab, welche in erster Linie dem scharfkantigen Spitzkühler und den ebenfalls spitz zulaufenden Vorderkotflügeln zu verdanken ist:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn der Presto wie nahezu alle deutschen Serienwagen technisch nur bewährten Standard bot – der Fortschritt fand nach dem 1. Weltkrieg lange Zeit außerhalb deutschen Landen statt – gehört er aufgrund seiner Ästhetik zu meinen Favoriten.

Aufgrund der achtbaren Stückzahlen haben sich in meiner Presto-Galerie inzwischen über dreißig Originalfotos dieses Typs eingefunden. Darunter befinden sich etliche Exemplare mit Spezialkarosserien, die aber stets alle modelltypischen Elemente aufweisen.

Wer nun meint, dass man von so einem über die Jahre ans Herz gewachsenen Freund bereits alle Seiten kennt, der darf im Fall des Presto Typ D 9/30 PS immer noch mit Überraschungen rechnen – und die sind stets erfreulich.

Beginnen wir die Betrachtung zum Aufwärmen mit einer konventionellen Ansicht des Wagens, welche ich noch nicht vorgestellt habe:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir die gängigste Ausführung als Tourenwagen mit ungefüttertem Verdeck, aber mit Platz für sieben Insassen. Das Studium derselben will ich mir heute sparen, denn dann käme ich vermutlich nie zum eigentlichen Punkt.

Vielleicht nehmen Sie sich aber selbst ein wenig Zeit, um die „Besatzungsmitglieder“ ein wenig kennenzulernen – es sind ja einige sympathisch wirkende Individuen dabei.

Wichtiger für den weiteren Verlauf ist indessen, dass auch aus dieser Perspektive typische Gestaltungselemente des Presto Typ D 9/30 PS zu sehen sind.

Da wäre zum einen der gerade Verlauf des Vorderkotflügels zum Trittbrett hin, zum anderen die sechs nach innen eingepressten „Kiemen“ in der Motorhaube, welche der Entlüftung des „Maschinenraums“ dienen.

Zusammen mit der bereits beschriebenen Frontpartie wären das die modellspezifischen Eigenheiten – alles übrige war in keiner Weise der Marke oder gar dem Typ vorbehalten. Die Grundform fand sich so bei praktisch allen deutschen Tourern der frühen 1920er Jahre.

Presto blieb sich während der gesamten Bauzeit des Typs D 9/30 PS treu – es gab kaum nennenswerten Veränderungen. So meint man bald, diesen alten Freund in allen seinen Facetten zu kennen.

Doch was, wenn man die gewohnten Gefilde verlässt und man in Lebenslagen gerät, in denen es ernst wird? Kann man dem Presto dann auch ganz vertrauen? Oder erweist er sich als launischer Geselle, der sich nur im Alltag bewährt, sonst aber das Weite sucht?

Nun, anhand von zwei „neuen“ Aufnahmen kann ich zeigen, dass auf den Presto auch in den außergewöhnlichen Momenten des Lebens ganz Verlass war, in denen es um unverbrüchliche Treue und stete Einsatzbereitschaft in allen Lagen geht.

Das erste Beispiel zeigt einen Presto Typ D 9/30 PS in einer Ausführung, die mir so noch nicht begegnet ist. Er erweist sich hier als würdiger Begleiter an einem großen Tag, an dem es etwas zu feiern gibt, an dem es aber auch – richtig verstanden – durchaus ernst wird:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sie werden den Wagen trotz des spektakulären Aufbaus gewiss rasch als weiteren Presto des Typs D 9/30 PS identifiziert haben, bevor Sie sich wieder den beiden künftigen Eheleuten zuwenden.

Nebenbei: Angesichts der Tatsache, dass jede zweite Ehe geschieden wird, war ich früh der Auffassung, dass eine echte Partnerschaft ein zuverlässigeres Band braucht als ein einmaliges Ja-Wort vor dem Pfarrer oder Standesbeamten – nämlich die tägliche liebevolle Erneuerung eines unausgesprochenen Bundes im Alltag.

Ob sich das Eheversprechen im Fall dieses Paares als haltbar erwiesen hat, wissen wir zwar nicht. Doch hat die Erinnerung daran in Form dieses Dokuments die Zeiten überdauert. Bald 100 Jahre dürfte das her sein, nach menschlichen Maßstäben eine kleine Ewigkeit.

Damals wie heute gab es freilich weitere Lebenslagen, in denen es ernst – ja brenzlig – werden konnte und das im wörtlichen Sinne.

Wenn irgendwo etwas anzubrennen oder gar abzubrennen droht, auch dann ist ein treuer Partner gefragt, der „presto“ zur Stelle ist und der Situation angemessen zu handeln versteht.

Solche treuen Freunde, deren Wert sich in der Stunde der Not zeigt, das waren und sind unsere Feuerwehrleute! Ihnen gebührt unsere Sympathie und Dankbarkeit in einer Weise wie vielleicht keiner anderen Berufsgruppe.

Gewiss, solange alles im Lot ist im Leben, gilt unsere Bewunderung vor allem den Vertretern der schönen Künste, dann schenken wir der Bedienung beim Bäcker oder an der Tankstelle gern ein Lächeln, grüßen freundlich den Postboten – jedenfalls sollten wir das tun.

Wenn aber einmal die Hütte brennt, stellt sich der Ernst des Lebens plötzlich in aller Härte ein – dann sind andere, handfeste Qualitäten gefragt als Formvollendung und Höflichkeit.

Wenn es darauf ankommt, ist mit einem Mal die von Schöngeistern gern geringgeschätzte Technik unser treuster Freund. Mit den ernst zupackenden Männer, die sie bedienen, besteigen plötzlich echte Helden die Bühne des Lebens.

Nach dieser notwendigen Lobpreisung unserer Feuerwehren muss ich nun wieder die Kurve zum Presto Typ D 9/30 PS bekommen.

Dass mir das gelingt, verdanke ich Alexander Güntner, der mir das folgende Foto aus dem Archiv der Feuerwehr Ulm mit der Genehmigung zur Wiedergabe zukommen ließ:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto: Archiv der Feuerwehr Ulm

Wie bereits vom Einsender vermutet, haben wir es auch hier mit einem Presto des Typs D 9/30 PS zu tun.

Zwar handelt es sich „nur“ um den gängigen Tourenwagen, doch hier geht es nicht um eine unbeschwerte Ausfahrt. Vielmehr diente der Wagen einem ernsthaften Zweck – nämlich, die angehängte Motorspritze zum Einsatzort zu bringen, an dem es gerade „heiß“ herging und es Leben und Behausung zu retten galt.

Viel ernster kann es im Leben kaum zugehen – und dann wünscht man sich einen alten Freund, auf dessen Treue man unbedingt zählen kann.

Dieser Presto D 9/30 PS, welcher einst vor der Ulmer Stadtmauer abgelichtet wurde, ließ diejenigen nicht im Stich, die auf ihn angewiesen waren, da bin ich sicher…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Jetzt mit mehr Sitzkomfort: Presto P 8/25 PS

Kinder, wie die Zeit vergeht! Bald zwei Jahre ist es her, dass ich mich hier den P-Typen der sächsischen Marke Presto gewidmet habe, die ab 1912/13 und im Fall des P8 8/25 PS bis 1919 im Programm blieben.

Über diesen für damalige Verhältnisse recht langen Zeitraum musste sich bei grundsätzlich gleicher Konstruktion im Detail natürlich einiges tun.

Bei Einführung waren noch nicht einmal Reifen verfügbar – vermutlich waren sie ein Extra (kleiner Scherz):

Presto Typ P8 8/25 PS oder P10 10/35 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Weshalb dieser Presto hier auf den Felgen draußen abgestellt war, darüber lässt sich trefflich mutmaßen. Wichtiger ist mir aber etwas anderes:

Zum einen kann man hier besser als in anderen Fällen das Markenemblem studieren, das sich aus der Distanz oder aus spitzem Winkel nur noch als Wappen darbietet, welches horizontal in eine helle obere und eine teilweise dunkle untere Fläche unterteilt war.

Zum anderen sieht man hier gasbetriebene Scheinwerfer, wie sie bis zum 1. Weltkrieg Standard waren (elektrisches Licht war jedoch ab 1913 zunehmend optional verfügbar), außerdem eine durchgehende Sitzbank im Heck.

Warum ich auf auf letztgenannte verweise, wird später noch klar. Daher prägen Sie sich jetzt bitte die schlichte Gestaltung ohne Steppung und mit durchgehendem Kissen am oberen Abschluss ein.

Den Presto-Wagen der P-Reihe sah man die genaue Motorisierung selten an. Die beiden mittleren und wohl häufigsten Varianten 8/25 PS und 10/35 PS besaßen einen nahezu identischen Radstand und unterschieden sich von den Proportionen kaum.

Diese erwachsenen und leistungsfähigen Fahrzeuge absolvierten die übliche „Karriere“ im 1. Weltkrieg – hier haben wir ein Exemplar in Diensten der königlich-bayrischen Armee:

Presto Typ P8 8/25 PS oder P10 10/35 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Erkennen Sie das Presto-Kühleremblem hier wieder? Solche Beispiele helfen den Blick für Situationen schulen, in denen das Markenlogo aus ungünstigem Winkel zu sehen ist. Einen birnenförmigen Kühler verwendeten damals nämlich etliche Hersteller.

An der Front sehen wir abermals Gasscheinwerfer, diese waren nur selten typspezifisch und manchmal fehlen sie sogar ganz. Es gab zahllose Varianten davon – ein ganz eigenes Sammelgebiet für Freunde früher Automobile mit wenig Platz (billig ist’s aber auch nicht).

Ein letzter Blick gilt der Rückbank, diesmal mit aufwendiger Steppung, die aber eher die Norm gewesen zu scheint, so mein Eindruck bei Fahrzeugen bis etwa 1920.

Das nächste, sehr stimmungsvolle Foto transportiert uns in die frühe Nachkriegszeit:

Presto P-Typ; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sicher haben Sie diesen Wagen nun bereits auf Anhieb als Presto der P-Modellreihe erkannt, auch wenn das Markenemblem nur schemenhaft erkennbar ist.

Die Gasscheinwerfer sind ein Hinweis darauf, dass hier ein Vorkriegstyp weitergefahren wurde.

Presto baute zwar bis 1919/20 noch Exemplare der alten P-Reihe, teilweise auch mit stärkeren Motoren, diese dürften aber werksseitig mit elektrischem Licht ausgestattet worden sein.

Ich bin der Ansicht, dass der Presto auf dem folgenden Foto ein solches frühes Nachkriegsmodell vor Einführung des neuentwickelten Einheitstyps D 9/30 PS ab 1921 war:

Presto P-Typ; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Diese Aufnahme, die mir Matthias Schmidt aus Dresden in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt hat, ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich.

Zwar ist am Aufbau nichts zu erkennen, was von den oben gezeigten, vermutlich älteren Exemplaren abwiche.

Doch sehen wir hier erstmals elektrische Scheinwerfer in der einfachsten Ausführung, d.h. schwarz lackiert ohne glänzenden Lampenring und noch ohne die unterhalb angebrachten kleinen Zusatzleuchten zur Ausleuchtung von Kurven, die in den frühen 1920er Jahren gern montiert wurden.

Die noch manuell zu betätigende Balgenhupe war kurz nach dem 1. Weltkrieg nicht mehr der letzte Schrei, aber sie findet sich um 1920 noch vereinzelt. Der Fahrer schaut ernst in die Ferne – er zählt im Geiste die Sekunden, bis die Belichtung abgeschlossen ist:

Was an diesem Exemplar aber wohl am interessantesten ist und für eine Nachkriegsversion dieses Presto (angesichts der Zeiten wohl „nur“ ein Typ P8 8/25 PS) spricht, das ist die Gestaltung der Rückbank.

Diese weist nicht nur eine vertikale Unterteilung auf, sondern auf beiden Seiten auch ausgeprägte, ergonomisch wirkende Seitenpolster – und das ganz ohne Steppung in beinahe modern anmutender Manier:

Auf den Rückbänken amerikanischer Limousinen der 1970er Jahre sah es bisweilen so aus, dort konnte man angesichts des gondelhaften Schaukelns weich gefederter Karosserien Seitenhalt auch gut gebrauchen – aber bei einem solchen Presto um 1920?

Ich muss zugeben, dass ich der Gestaltung der Sitze bei Vorkriegsautos bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe, weshalb ich vielleicht bloß nicht auf diese Variante geachtet habe.

Jedenfalls ist sie mir hier erstmals aufgefallen und das will ja etwas heißen und sei es nur etwas in dieser Hinsicht:

Presto P-Typ – Konstruktion auch im Weltkriege bewährt – für die Überlebenden jetzt mit mehr Sitzkomfort!

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Heute eine echte Rarität… Presto D 9/30 PS

In den den frühen 1920er Jahren begegneten einem auf deutschen Straßen vier heute weitgehend vergessene Automobile besonders oft: Brennabor Typ P 8/24 PS, NAG C4 10/30 PS, Protos C 10/30 PS und Presto Typ D 9/30 PS.

Die einstige Häufigkeit dieser in vielen tausend Exemplaren gebauten Fahrzeuge spiegelt sich in meinen entsprechenden Markengalerien wider – man findet dort Dutzende historischer Originalfotos und laufend kommen neue hinzu.

Heute sind alle vier Wagen jedoch große Raritäten – man fragt sich, warum so wenige überlebt haben. Vermutlich weil sich im damaligen Deutschland Autobesitzer vor allem in Großstädten fanden, wo es kaum Platz zum Aufheben nach Ende der Nutzungsdauer gab.

In dünner besiedelten Ländern wie England und Frankreich war die Motorisierung auf dem Land viel weiter vorangeschritten – und dort war es einfacher, den alten Wagen in einer Scheune abzustellen, als ihn in die nächste Stadt zum Schrotthändler zu bringen.

Das könnte – neben einer anderen Wertschätzung historischer Gegenstände – eine Erklärung für die weit größeren Überlebensquoten britischer und französischer Wagen (selbst exotischer und kaum prestigeträchtiger) sein.

Heute kann ich Ihnen den stark verbreiteten Presto Typ D 9/30 PS in einer Erscheinungsform zeigen, die auch unter den zahlreichen Fotos dieses Modells eine absolute Rarität darstellt. Dazu bedarf es nicht einmal eines besonderes Aufbaus.

Damit Sie auch bis zum Ende dranbleiben, werfe ich zunächst aus unterschiedlichen Perspektiven einen Blick auf den Presto Typ D 9/30 PS. Dabei mische ich bereits von mir publizierte Fotos mit einer Reihe „neuer“ Aufnahmen. Die Rarität kommt erst am Ende.

Beginnen wir mit diesem alten Bekannten – schön von rechts aufgenommen:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Woran man den von 1921-25 gebauten Wagen mit konventionellem Vierzylindermotor als Presto des Typs D 9/30 PS erkennt, das werden Sie am Ende (sofern Sie es nicht schon wissen) verinnerlicht haben.

Dazu muss ich gar nichts weiter sagen, ich lasse heute vielmehr die Bilder selbst sprechen – wobei Ihnen der Presto mit jedem Exemplar davon ein Stück vertrauter werden wird.

Verändern wir die Perspektive etwas und studieren den Wagen anhand dieser Taxi-Ausführung:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nun geben wir dem hier etwas bräsig und beliebig wirkenden Wagen noch einen kleinen „Spin“ und schon dreht er sich zu seinem Vorteil ein wenig weiter.

Jetzt wirkt er viel dynamischer und zugleich graziler – interessant, was ein nur leicht veränderter Blickwinkel ausmacht. Vielleicht trägt auch der „cooler“ dreinschauende Fahrer zu dem Eindruck bei:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ein paar Grad weiter uns zugewandt ist dann das folgende Exemplar. Dieses ist als Chauffeur-Limousine ausgeführt und hat eine ganz andere – repräsentative – Ausstrahlung.

Ungewöhnlich sind hier die Drahtspeichenfelgen und die nachgerüstete einfache Stoßstange, die uns aber nicht den Blick auf die Charakteristika verstellen kann:

Presto Typ D 9/30 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nun unternehmen wir eine ganz ähnliche Betrachtung des Presto Typ D 9/30 PS von der anderen Wagenseite aus.

Wiederum beginnen wir mit der seitlichen Ansicht und verändern dann schrittweise die Perspektive.

Merkwürdigerweise verfüge ich hier über eine wesentlich größere Bilderauswahl – aus irgendeinem Grund scheint man einst diese Seite bevorzugt zu haben.

Wir könnten uns daher nun wesentlich mehr Zeit für den Wagen nehmen. Ich will mich aber auf die besten Aufnahmen beschränken.

Beginnen wir mit diesem Neuzugang aus der Sammlung von Leser Matthias Schmidt:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Auch hier wollen wir den Wagen schrittweise zu uns drehen – bzw. um ihn herumgehen.

Ein erster Schritt gelingt uns dank einer Aufnahme aus dem Fundus von Leser Klaas Dierks – was einmal mehr illustriert, wie schön sich die Zusammenarbeit mit anderen Sammlern gestalten kann, die nicht lediglich ängstlich auf ihren Beständen sitzen und nichts Publikumswirksames damit anzustellen wissen.

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Der nächste „Dreh“ des Presto D 9/30 PS geht nun wieder auf mein Konto.

Tatsächlich gehört der Typ seit langem zu meinen Favoriten unter den deutschen Wagen der ersten Hälfte der 1920er Jahre – weil er trotz vollkommen konventioneller Technik mit seiner unverwechselbaren schnittigen Optik hervorstach.

Ausreichend leistungsfähig für anspruchsvollere Touren scheint er auch gewesen zu sein, sonst wäre er kaum hier irgendwo im Alpenraum mit sechs Insassen unterwegs gewesen.

Das Leistungsvermögen des Presto dürfte aber auch die Untergrenze dessen markiert haben, was zur halbwegs komfortablen Bewältigung von Bergstrecken notwendig war:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wir verharren aber nicht länger bei diesem Anblick, denn auch wir haben noch etwas vor.

So geht es weiter gegen den Uhrzeigersinn, wobei uns eine Aufnahme begegnet, die ich noch nicht vorgestellt habe, die ich aber ausgesprochen reizvoll finde.

Dieses Dokument erzählt wie so viele damalige Fotos eindrucksvoll davon, dass ein solcher Wagen als vollwertiges Familienmitglied verstanden wurde, das man liebevoll vereinnahmte.

Wie stark sich die Gestalt des Automobils seither verändert hat, lässt sich schon daran ersehen, dass man heutzutage keine vergleichbare Aufnahme mehr realisieren könnte.

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei dieser aus meiner Sicht grandiosen Aufnahme kann man ruhig eine Weile verharren und ein wenig die Situation und die unterschiedlichen Protagonisten studieren.

Mir gefällt hier besonders der Fahrer, der mit seiner kalt-entschlossenen Miene einen perfekten Gentleman-Ganoven in einem zeitgenössischen Film abgegeben hätte. Aber auch sonst gibt es hier einige hübsche Details zu besichtigen, etwa den Strauß am Heck.

Damit hätten wir nun fast eine 180 Grad-Runde um den Presto Typ D 9/30 PS gemacht. Ich bin sicher, dass inzwischen auch der erstmals mit diesem Modell konfrontierte Leser die Elemente erfasst hat, an denen sich ein solcher Wagen erkennen ließ:

Da war zunächst der weit schärfer als bei zeitgenössischen deutschen Wagen zulaufende Spitzkühler mit der angedeuteten „Nase“ am Oberteil, dann die sechs der Entlüftung des Motorraums dienenden „Kiemen“ in der Haube, außerdem die spitz zulaufenden Vorderkotflügel und das gewölbte Abdeckblech zwischen denselben.

Alles übrige, also der gesamte Aufbau hinter der Windschutzscheibe, konnte wie damals üblich variieren und liefert kaum Anhaltspunkte zur Identfikation.

Wenn also letzlich die Frontpartie den Charakter eines Presto Typ D 9/30 PS ausmachte – was lag dann näher als eine Frontalaufnahme davon?

Gewiss, bloß ist mir bislang keine begegnet. Das änderte sich erst als Wolfgang Kuessner aus Kiel auf mich zukam und um Identifikation einer Automobile bat, die auf alten Fotos aus seiner Heimatstadt zu sehen sind und die er im Netz publiziert (hier).

Darunter befand sich ein Aufnahme, die das ersehnte fehlende Glied in der heutigen Betrachtung darstellte und bislang die einzige mir bekannte ihrer Art ist.

Wer bis an diese Stelle durchgehalten hat, kommt nun endlich auf seine Kosten. Heute gib’t es hier tatsächlich eine Rarität zu bestaunen, und das will beim Presto D 9/30 PS etwas heißen:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Wolfgang D. Kuessner (Kiel)

Habe ich zuviel versprochen? Hat man den Presto Typ D je aus dieser eindrucksvollen Perspektive gesehen?

Vermutlich nicht. Das kann aber auch daran liegen, dass es sich hier um ein spezielles Exemplar handelt, welches für sich genommen eine Rarität darstellte.

Wer genau hinsieht, stellt nämlich fest, dass der Wagen im Unterschied zu den zuvor gezeigten Vorderradbremsen besitzt. Diese wurden im letzten Produktionsjahr 1925 eingeführt.

Kurze Zeit später wichen die sechs „Kiemen“ in der Motorhaube einer Reihe hoher und schmaler Luftschlitze, wie sie seinerzeit üblich waren.

Das fand sich so auch bei der ebenfalls 1925 eingeführten stärkeren Variante Presto Typ E 9/40 PS. Allerdings gibt es ein überlebendes Exemplar des Typ D 9/30 PS mit denselben Charakteristika, hier auf einem Foto von 1968:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Fast 45 Jahre alt war dieser Presto, als er im Winter in bester Verfassung aufgenommen wurde – prinzipiell waren diese Wagen ewig haltbar, sollte man meinen.

Dennoch ist das große Rad der Zeit über die meisten von ihnen hinweggegangen und Sie werden heute auf einem Vorkriegsautotreffen eher eine Horde Bentleys oder Bugattis (teils fragwürdiger Provenienz) treffen als ein solches Original.

So ändern sich die Zeiten – aus dem vieltausendfach gebauten und abgelichteten Presto Typ D 9/30 PS ist eine große Rarität geworden – vielleicht konnte ich heute ein wenig von seinem Charme vermitteln…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Unzeitgemäße Betrachtungen: Presto D 9/30 PS

Im ersten Impuls wollte ich meinen heutigen Blogeintrag zum Presto Typ D der ersten Hälfte der 1920er Jahre mit dem Titel „Versuch einer Chronologie“ versehen.

Zwar liegen mir inzwischen beinahe 40 historische Fotos dieses seinerzeit recht verbreiteten, heute aber praktisch ausgestorbenen Wagens der sächsischen Presto-Werke vor, die eine Vielzahl unterschiedlicher Details erkennen lassen.

Doch darauf auch nur den Versuch einer Chronologie aufzubauen, erwies sich bei näherer Betrachtung als vermessen oder zumindest verfrüht.

Da sich auf der Zeitschiene aus meiner Sicht noch keine eindeutige Entwicklung nachvollziehen lässt, verfiel ich stattdessen auf das Motto „Unzeitgemäße Betrachtungen“.

Freunde oder Feinde des brillant-bösen Polemikers und Meisters der deutschen Sprache – Friedrich Nietzsche – verbinden mit diesem Titel vier Essays, von denen einer sogar Bezug zu dem hat, was ich hier betreibe: „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“.

Der Essay ist nebenbei wie etliche andere Werke von Nietzsche hervorragend dazu geeignet, sich an einem Thema abzuarbeiten, verschiedene (durchaus zugespitzte) Sichtweisen nachzuvollziehen und sich am Ende ein eigenes Bild zu machen.

„Zugespitzt“ und „ein eigenes Bild“ – damit lässt sich trefflich zum Gegenstand meiner heutigen unzeitgemäßen Betrachtung überleiten.

So haben wir hier ein Foto aus meinem Fundus, welches den 1921 eingeführten Presto Typ D 9/30 PS mit seinem vorne scharfkantigen, oben leicht abgerundeten Kühler zeigt:

Presto-Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Folgende Details sind hier festzuhalten:

Der Kühler ist in Wagenfarbe lackiert, sechs Luftschlitze befinden sich am hinteren Ende der Motorhaube, der Belag des Trittbretts endet an der Schwellerpartie und die Radschrauben sind schlicht in Wagenfarbe gehalten, lediglich die Nabenkappe glänzt ein wenig.

Der Tourenwagenaufbau weist am Heck einen „tulpenartigen“ Querschnitt auf, gewinnt also nach oben an Breite, und das niedergelegte Verdeck verbirgt sich in einem umlaufenden Kasten ohne „aufzutragen“.

Markant ist außerdem die „Bügelfalte“ zwischen dem hinteren Ende der Motorhaube und der Frontscheibe. Diese ist schräggestellt, mittig unterteilt und zumindest auf der Fahrerseite oben ausstellbar.

Beinahe das gleiche Bild zeigt sich auf der nächsten Aufnahme:

Presto-Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Einziger Unterschied: Hier ist der Kühler vernickelt, was die Frage aufwirft, ob dies bereits eine weitere Entwicklungsstufe des Presto Typ D kennzeichnet oder ob es sich lediglich um ein anfänglich aufpreispflichtiges Extra handelt.

Jedenfalls taucht ein lediglich in Wagenfarbe lackierter Kühler auf keinem meiner weiteren Fotos dieses Modells mehr auf.

Ein Extra scheinen jedenfalls die Drahtspeichenräder gewesen zu sein, die auf folgender Aufnahme dokumentiert sind:

Presto-Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Von den Rädern abgesehen scheint hier alles so zu sein wie auf den zuvor gezeigten Fotos. Doch der Tourenwagenaufbau ist am Heck nun schlichter und schmaler gehalten und das niedergelegte Verdeck ist jetzt außen angebracht.

Diese sachliche Gestaltung setzte sich in den 1920er Jahren gegenüber der expressiveren Tulpenform durch, doch könnte es beide Varianten eine Weile parallel gegeben haben.

Ein weiteres Detail lässt sich anhand geeigneter Aufnahmen dokumentieren – und zwar die Anbringung des Ersatzrads auf diesem bislang unpublizierten Foto aus meiner Sammlung:

Presto-Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme stammt aus dem Raum Dresden (das lässt zumindest der Stempel des Fotogeschäfts auf der Rückseite vermuten), als Fahrer des Wagens ist W. Hilpert genannt – vermutlich ein angestellter Chauffeur.

Er konnte im Zweifelsfall auf zwei Ersatzräder zugreifen , welche nicht eigens auf die Felgen aufgezogen werden mussten, sondern auf den Radkranz geschraubt werden konnten.

Davon abgesehen scheint alles den Erwartungen zu entsprechen, die man in Bezug auf einen Presto Typ D 9/30 PS hegt. Auch eine eigenwillige Zweifarblackierung wie auf der nächsten Aufnahme bringt einen noch nicht aus dem Konzept:

Presto-Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Allenfalls bemerkt man an diesem Wagen eine zwar schräggestellte, aber nunmehr durchgehende Windschutzscheibe. Wiederum stellt sich die Frage: Optional oder Hinweis auf eine weitere Entwicklungsstufe des Presto Typ D 9/30 PS?

Ich schätze, dass hier einfach jemand seine persönlichen Vorstellungen hat umsetzen lassen, was im Rahmen der Manufakturproduktion bei Presto sicher möglich war.

Auf den ersten Blick eine weitere Variation über dasselbe Thema findet sich auf der nächsten Abbildung:

Presto-Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses schöne Dokument zeigt einen in Schlesien zugelassenen Wagen, wie ihn meine von dort stammenden Großeltern mütterlicherseits vielleicht einmal gesehen haben.

Alle bislang besprochenen Details scheinen hier vorhanden zu sein – doch nicht ganz: Die sechs Luftschlitze sind näher zur Mitte der Motorhaube gerückt und auf den Rädern findet sich mit einem Mal eine vernickelte breite Nabenkappe mit nunmehr sechs Radbolzen.

Karosserie und Frontscheibe erscheinen wie bisher, dennoch dürften wir es hier mit einer modellgepflegten Variante zu tun haben – Einführungsdatum ungewiss.

Die weiter nach vorne gewanderten Haubenschlitze finden sich auch an dem folgenden Fahrzeug, allerdings sind hier wieder die wie bisher schmucklosen Radnaben zu sehen:

Presto-Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die vernickelten Radkappen würde ich daher als zumindest anfänglich aufpreispflichtiges Zubehör ansehen. Doch findet sich an diesem Presto Typ D ein weiteres neues Detail, welches auf dem vorherigen Foto leicht zu übersehen ist.

Hier endet das Trittblech nämlich nicht am Schweller, sondern reicht abgewinkelt noch ein Stück daran nach oben. Das findet sich dann durchgehend auf allen mir vorliegenden otos von Presto-Wagen des Typs D 9/30 PS mit näher zur Mitte gerückten Haubenschlitzen:

Presto-Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wie es scheint, finden sich in Verbindung mit den vernickelten Radkappen und den näher zur Mitte gerückten Luftschlitzen tendenziell auch eher horizontal durchgehende Windschutzscheiben, meist senkrecht stehend.

Aus meiner Sich ging im Zuge dieser Veränderungen die anfänglich sportliche äußere Anmutung des Presto Typ D 9/30 PS verloren – vielleicht an diesem Beispiel eines darauf basierenden Taxis gut erkennbar:

Presto-Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch nicht nur diese bieder wirkende Droschkenausführung lässt den ursprünglichen Reiz des Modells D 9/30 PS von Presto vermissen.

Dasselbe gilt für die folgende (bisher unpublizierte) Aufnahme eines weiteren Tourenwagens dieses Typs, welcher einst im Raum Stettin (seit 1945 zu Polen gehörig) zugelassen war:

Presto-Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

So schön dieses hochsommerlich anmutende Foto sein mag – irgendwie hat der Presto D 9/30 PS in dieser Ausführung seinen ursprünglichen Reiz als schnittiger Tourer verloren.

Nun ist aus meinen subjektiven unzeitgemäßen Betrachtungen vielleicht doch so etwas wie der Versuch einer Chronologie des Presto Typ D 9/30 PS geworden. Doch würde ich dieses Feld gerne den Markenexperten überlassen.

Aber gibt es denn für die Presto-PKWs überhaupt welche? Schwer zu sagen. Bestimmt gibt es jede Menge originales Prospektmaterial und sonstige Dokumentation in Spezialistenhand, auf die ich als bloß dilettierender Vorkriegsautofreund keinen Zugriff habe.

Friedrich Nietzsche plädiert in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen dafür, die rechte Balance zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig der Auseinandersetzung mit der Historie zu finden.

Vielleicht traut sich ja gelegentlich jemand in Sachen Presto oder einer der anderen unterbelichteten deutschen Marken hervor, gern auch zugespitzt und meinungsstark wie Meister Nietzsche…

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Der diskrete Charme der Limousine: Presto D 9/30 PS

Vielleicht kennen Sie den Film „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ von Luis Buñuel. Der 1972 gedrehte Streifen gilt manchen als Meisterwerk des Surrealismus, gern wird er auch als Gesellschaftssatire bezeichnet. Mag alles sein.

Ich selbst kann mit cineastischer Kritik an den bürgerlichen Verhältnissen wenig anfangen, gehören doch arrivierte „Kunstschaffende“ in der Regel selbst zu den oberen Zehntausend und kennen in den seltensten Fällen die Lebensverhältnisse der arbeitenden Bevölkerung aus eigener Anschauung. Luis Buñuel ist ein Musterbeispiel dafür.

Ganz ironiefrei widme ich mich stattdessen heute dem diskreten Charme einer Ikone des Bürgertums – der Limousine. Sie mag manchem Freund von Vorkriegsautos meist weniger erstrebenswert erscheinen als offene Varianten, dabei war es einst genau umgekehrt.

Illustrieren will ich meine These vom diskreten Charme der Limousine am Beispiel eines deutschen Wagens der 1920er Jahre, der zu meinen Favoriten zählt – der Presto Typ D 9/30 PS.

Dieses ab 1921 gebaute Modell war der größte Wurf des Chemnitzer Fahrradherstellers, der Automobile zuvor eher nebenher gebaut hatte. Sein 2,4 Liter großer Vierzylinder war vollkommen konventionell (seitengesteuert), aber unverwüstlich.

Der eigentliche Reiz ging vom schnittigen Äußeren des Presto Typ D aus, welches mich auch beim x-ten Exemplar immer noch begeistert:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser Tourer ist einer der jüngsten Zugänge in meiner stetig wachsenden Presto-Galerie – nebenbei der größten zur Automobilproduktion der Marke überhaupt.

Als Tourenwagen findet man den Presto Typ D mit Abstand am häufigsten, aber nicht weil man die offene Variante so sportlich fand, sondern weil sie die erschwinglichste war.

Käufer, die wirklich auf einen sportlichen Auftritt bedacht waren, entschieden sich für die exklusive Version als Sport-Tourer, die auf folgendem Foto meines Sammler-Kollegen Matthias Schmidt (Dresden) zu sehen ist:

Presto Typ D 9/30 PS Sport-Tourer; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Vom herkömmlichen Tourer unterschied sich diese Ausführung durch die wesentlich leichtere und flacher bauende Karosserie. Sie natürlich teurer als der Standardaufbau, wobei man wohl auch mit der Eitelkeit der Käufer ein Geschäft machte.

Eine weitere Version, in der sich deutlich mehr Geld als im klassischen Tourer versenken ließ, war die sogenannte Aufsatzlimousine. Sie war im wesentlichen ein serienmäßiger Tourenwagen, der mit einem abnehmbaren festen Dachaufbau geliefert wurde.

Eine solche variable Konstruktion war eher vor dem 1. Weltkrieg verbreitet, doch auch Anfang der 1920er Jahre gab es konservative (und sehr betuchte) Kunden, welche die Flexibilität schätzten, einfach den für Jahreszeit oder Wetter geeigneten Aufbau wählen zu können, ohne sich deshalb zwei Autos anschaffen zu müssen.

Mit montiertem Aufsatz sah das im Fall des Presto Typ D 9/30 PS folgendermaßen aus:

Presto Typ D 9/30 PS Aufsatz-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Auch dieses einst vor der Moritzburg in Sachsen entstandene hervorragende Foto verdanke ich Matthias Schmidt und es ist bislang das einzige mir bekannte, das einen Presto Typ D mit einem solchen Aufbau zeigt.

Die nächste – und nochmals teurere – Ausbaustufe war die Chauffeur-Limousine, die ich zur Abwechslung wieder anhand eines Fotos aus meinem eigenen Fundus zeigen kann. Sie zeichnet sich durch das zwar überdachte, aber seitlich offene Fahrerabteil vor dem geschlossenen Passagierraum aus:

Presto Typ D 9/30 PS Chauffeur-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Viel exklusiver ließ sich das Dasein als Besitzer eines Presto Typ D 9/30 PS kaum gestalten.

Diesen Manufakturaufbau ließ sich der Hersteller fürstlich entlohnen und es liegt auf der Hand, dass der Käufer eines solchen Wagens auch das nötige Kleingeld besaß, um einen Fahrer zu beschäftigen – der ist hier übrigens mit der Dame des Hauses abgelichtet.

Waren angestellte Chauffeure lange Zeit quasi Mitglieder der Familie, so gab man ihnen bald den Laufpass, als zunehmend Automobile verfügbar wurden, die der Besitzer ohne außergewöhnliche Fähigkeiten selbst fahren konnte.

In dem Moment, in dem man sein Auto selbst lenken konnte, war der Gipfel der Exklusivität erreicht, konnte man nun doch ganz ohne Angestellte reisen. Was uns heute so selbstverständlich erscheint, war im Deutschland der frühen 1920er Jahre noch selten.

Sicher, in den Vereinigten Staaten hatte der „Erzkapitalist“ Henry Ford dafür gesorgt, dass sich auch seine Fließbandarbeiter ein eigenes Auto leisten konnten – eine ungeheure Errungenschaft, wie ich meine. Doch hierzulande war man längst nicht so weit.

Da war es bereits eine Revolution, wenn sich jemand aus der Oberschicht auf einmal einen Wagen leisten konnte, den er ganz allein fahren und unterhalten konnte.

In diesem Quantensprung der Entwicklung des Automobils liegt der eingangs erwähnte diskrete Charme der – nicht länger chauffeurgesteuerten – Limousine begründet.

Entsprechend dezent kommt das Auto daher, das die erste klassische Limousine darstellt, die mir auf Basis des wahrlich nicht seltenen Presto Typ D 9/30 PS begegnet ist:

Presto Typ D 9/30 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Von dem charakteristischen Presto-Spitzkühler abgesehen, kommt dieser Wagen im Vergleich zu den zuvor gezeigten Varianten ausgesprochen dezent daher.

Dass es sich bei dem im April 1927 aufgenommenen Wagen um ein spätes Exemplar der bis 1925 reichenden Produkton des Presto Typ D handeln dürfte, darauf deuten auch Details wie die nunmehr am Ende hinuntergezogenen Hinterkotflügel hin.

Gleichzeitig entspricht die Vorderpartie noch ganz den Verhältnissen bei Einführung des Modells im Jahr 1921. Diese Kombination aus Elementen von gestern und morgen gefällt mir ausnehmend gut.

So gediegen unauffällig der Presto hier wirkt, repräsentiert er einen Zeitenwandel in vielerlei Hinsicht. Dass der unaufhaltsam ist, wissen wir – dass er aber nicht zwangsläufig nur erfreuliche Veränderungen mit sich bringt, ist eine Binse.

Erfreuen wir uns am diskreten Charme von Limousine und Bourgeoisie gleichermaßen, solang es beide noch gibt. Nichts als selbstverständlich und unabänderlich zu nehmen, das ist eine Lehre der Historie wie unserer eigenen Zeit…

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Freund der Familie: Presto Typ P Außenlenker

Familienfreundlich konnten Autos auch schon vor 100 Jahren sein – auch wenn wohl niemand auf die Idee gekommen wäre, das eigens anzustreben oder hervorzuheben.

Von der Einsteigerklasse abgesehen – meist Zweisitzer für Ärzte und Vertreter – waren Automobile generell so großzügig dimensioniert, dass man sich über mangelndes Platzangebot kaum beschweren konnte, zumindest was die Zahl der Sitzplätze angeht:

unidentifizierter Tourenwagen der frühen 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

In einem solchen Tourenwagen fanden sechs bis sieben Personen Platz, wobei die mittlere Sitzreihe nur wenig Komfort bot – dort befanden sich meist nur leichtgepolsterte Klappsitze.

Übrigens sind Ideen zu Identität dieses Fahrzeugs willkommen, an dem ich mir schon einige Jahre die Zähne ausbeiße. Ich vermute, dass es sich um ein deutsches Fabrikat handelt, allerdings fehlt mir jeder Anhaltspunkt für Hersteller und Typ.

Ganz anders aus sieht das bei der „Familienkutsche“ die ich heute anhand eines außergewöhnlichen Fotos aus der Sammlung von Leser Klaas Dierks präsentieren darf – denn hier haben wir unverkennbar einen Presto der ab 1912 gebauten P-Reihe vor uns:

Presto Typ P mit Aufbau als Außenlenker; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Dieses Prachtstück unterscheidet sich von allen bisher hier gezeigten Presto-Wagen der P-Reihe durch den kostspieligen und schweren Aufbau als Außenlenker-Limousine – also mit geschlossenem Passagierabteil und lediglich überdachtem Fahrerraum.

Die Motorisierung lässt sich nur indirekt erschließen, da alle Presto-Wagen der P-Reihe eine formal identische Frontpartie mit birnenförmigem Flachkühler besaßen.

Die Basisausführung 6/18 PS war für leichte Zweisitzer prädestiniert, wenngleich sie auch mit Toureraufbau angeboten wurde. Die Tourenwagenausführung dürfte aber meist eher mit den Motorisierungen 8/25 PS oder 10/35 PS verkauft worden sein.

Daneben gab es ab ab 1914 die Variante 14/40 PS, die ideal für schwere geschlossene Ausführungen war. Auch sie besaß nur einen Vierzylinder, aber mit 3,5 Litern Hubraum.

Beweisen lässt sich zwar nicht, dass wir es auf dem Foto von Klaas Dierks mit einem solchen Presto Typ P 14 zu tun haben. Doch die Erfahrung besagt, dass vor dem 1. Weltkrieg solche massiven Aufbauten bei deutschen Herstellern meist mit mindestens 30-40 PS starken Motoren ausgerüstet waren, um vollbesetzt reisetauglich zu sein.

Wie gesagt, die Frontpartie alleine erlaubt ohne Größenvergleich keine genauere Aussage:

Die großen elektrischen Scheinwerfer waren bei den Presto-Wagen wohl bereits kurz vor dem 1. Weltkrieg wahlweise verfügbar. Speziell beim teuren, erst 1914 eingeführten 14/40 PS-Typ darf man sie wohl serienmäßig erwarten.

Genaueres könnte uns der Chauffeur sagen, der eigens das Oberteil der Frontscheibe aufgeklappt hat, um ebenfalls auf das Foto zu gelangen, denn die schrägstehende Scheibe spiegelte natürlich.

Die Aufmerksamkeit für den Fahrer war damals keineswegs ungewöhnlich – aufgrund seiner besonderen Verantwortung für das enorm teure Auto, das damals den Gegenwert eines einfachen Hauses repräsentierte, sowie das Wohl der Insassen, war er eine Vertrauensperson und nach einigen Jahren Dienst oft genug Freund der Familie.

Im vorliegenden Fall hatte dieselbe gerade Nachwuchs bekommen – wie freudig der Anlass war, ist dem Gesichtsausdruck der Beteiligten nicht zu entnehmen, da die Belichtungszeit unter Umständen ein paar Sekunden des Stillhaltens erzwang:

Nicht verkneifen kann ich mir hier die Feststellung, dass kleine Männer in solchen Situationen mitunter besonders um „Wirkung“ bemüht sind, daran hat sich bis heute wenig geändert, wenn man sich diverse Politprotagonisten vors geistige Auge ruft.

Gut gefällt mir die frischgebackene Mutter, die ein Selbstbewusstsein ausstrahlt, mit dem sich auch ein Gernegroß im Haus aushalten lässt. Ihre kantigen Gesichtszüge stehen in deutlichem Kontrast zu dem topmodischen Kleid, das allein schon eine Datierung dieser Aufnahme auf die frühen bis mittleren 1920er Jahre erlaubt.

Das Kind, das die mutmaßliche Großmutter hält, war wohl frischgetauft und könnte mit einigem Glück hochbetagt noch leben – wobei die Zeitumstände denkbar ungünstig waren, denn bei seiner Volljährigkeit tobte bereits der 2. Weltkrieg.

Kommen wir zum Schluss nach der prächtigen Familienkutsche und dem treuen Fahrer noch zu einem weiteren Freund der Familie, der als einziger auf dieser Aufnahme glücklich und ausgesprochen sympathisch wirkt:

Mitlesende Damen mögen mich korrigieren, aber der Matrose (oder Marinesoldat), der uns hier vom Beifahrersitz aus fixiert, war wohl das, was man auch heute als einen gutaussehenden Mann bezeichnen darf.

In welcher Beziehung er zu der übrigen Gesellschaft stand, darüber lässt sich trefflich, aber wohl vergebens sinnieren. Mir ist jedenfalls keine besondere Ähnlichkeit mit einer der Personen ins Auge gefallen – so will ich es dabei belassen, in ihm einfach einen sympathischen Freund der Familie zu sehen…

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Gelungener (?) Aufsatz zum Thema: Presto D 9/30 PS

Beim Stichwort „Aufsatz“ schrecken ältere Semester unter meinen Lesern vielleicht auf.

„Hefte raus, Klassenarbeit“, das war einst die gefürchtetste Begrüßung zu Beginn einer Unterrichtsstunde. Damals wurde ein Aufsatz über – sagen wir: „Die Rolle der Katastrophe im Liebesroman“ – noch nicht wochenlang angekündigt und thematisch sorgfältig vorbereitet wie eine Weltumsegelung, sondern stand so unverhofft auf der Tagesordnung wie anno 793 die Landung der Wikinger am Kloster Lindisfarne.

Doch aus eigener Erfahrung weiß ich: Wer über eine solide Basis verfügt, muss einen Aufsatz nicht fürchten. Im besten Fall ging die Sache sogar leicht von der Hand – so wie das spätabendliche Verfassen eines Blog-Eintrags zum Thema.

Denn so wie mir schon zu Schulzeiten ein Aufsatz nicht schwerfiel – tatsächlich fand ich früh Gefallen daran – so ist es auch mit dem heutigen Aufsatz über ein Thema, zu dem ich mir eine breite Grundlage beschafft habe, auf der sich aufbauen lässt.

Das Thema mutet nur schlecht präparierten Novizen rätselhaft an: „Presto D 9/30 PS“. Was wie eine Anweisung in einer obskuren Notenhandschrift klingt oder wie eine Stelle in der Briefsammlung eines antiken Kirchenvaters, ist tatsächlich etwas sehr Vertrautes:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Mehr als 30 historische Aufnahmen dieses schnittig wie ein Schnellboot daherkommenden Modells von Presto aus Chemnitz in Sachsen sind mittlerweile in meiner Markengalerie versammelt.

Zwischen 1921 und 1925 entstanden einige tausend Exemplare des technisch unauffälligen Vierzylindertyps mit 2,3 Liter-Seitenventiler – genau weiß das niemand mehr.

Der oben abgerundete Spitzkühler, die glattflächige Blechverkleidung der Frontpartie und fünf kiemenartig ausgebildete Luftschlitze in der Haube machten den D-Typ von Presto unverwechselbar wie sonst kaum einen Wagen aus deutschen Landen in den frühen 1920er Jahren:

Die meisten Exemplare des Presto D-Typs wurden als Tourenwagen verkauft, was nicht zuletzt mit dem drastischen Aufpreis zu tun hatte, der für einen geschlossenen Aufbau zu berappen war – aufwendige Manufakturarbeit forderte schon damals ihren Tribut.

Jenseits wirtschaftlicher Überlegungen wurde allerdings auch das offene Fahren mit einem Tourenwagen geschätzt – so sind Aufnahmen mit montiertem Verdeck und seitlichen Steckscheiben bei dieser Karosserieversion eher selten.

Solange es trocken blieb, bevorzugte man beinahe ganzjährig das Freiluftgefühl, da das Verdeck eines Tourenwagens eher Behelfscharakter hatte und die Steckscheiben nicht vollkommen abdichteten, dafür aber rasch beschlugen und im Lauf der Zeit milchig wurden.

Also entschied man sich lieber für passende Kleidung anstatt auf den unverstellten Blick auf Landschaft und Himmel zu verzichten. Im vorliegenden Fall scheinen aber die Temperaturen noch recht mild gewesen zu sein:

Wer sich übrigens fragt, was es mit dem Tunnel hinter dem Presto auf sich hat und was wohl auf dem Schild daneben zu lesen war, dem kann geholfen werden, allerdings nicht, weil ich dazu selbst die nötige Ortskenntnis besäße.

Doch findet sich die Lösung auf der Rückseite des Originalabzugs. Dort steht von alter Hand geschrieben: „Am Wilhelmsblick, Harz 1926“. Zum gleichnamigen, in kühner Position oberhalb des Bodetals gelegenen Aussichtspunkt führt der gut 20 Meter lange Tunnel, dessen Eingang man hier sieht.

Damals wie heute stehen auf einem Schild in holprigen Versen folgende Worte:

„Wanderer halt die Schritte ein, willst Du Herz und Sinn erfreun.
Leicht ersteigen Bergeshöhen, wo der Vorwelt Schauer wehen.
Und vor längst entschwundenen Jahren Türme noch und Zinnen waren.
Aber jetzt Dein Auge ruht auf des Bergstroms wilder Flut.
Und Du fühlst nur Luft – doch Grauen, wenn Du es wagst hinabzuschauen.
Tritt in diese Höhle ein.“

Zu der Lokalität passt die Zulassung des Presto-Tourers im unweit gelegenen Harz-Erholungsort Blankenburg.

Bis hierhin war das aber eher eine Nacherzählung als ein Aufsatz – mag nun einer einwenden, der im Deutschunterricht aufgepasst hat. Stimmt, und darum geht es jetzt übergangslos zum Aufsatz:

Presto Typ D 9/30 PS Limousine mit Aufsatzkarosserie; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Ist dieses Auto nicht eine Wucht? Es trifft den unvorbereiteten Eleven so unverhofft wie einst der Aufsatz in der Deutschstunde.

Doch das Thema ist bei Licht betrachtet ein wohlbekanntes. Hier kann keiner sagen: „Das haben wir aber gar nicht durchgenommen!“ Etwas geistige Beweglichkeit hilft freilich, um zu begreifen, worum es bei diesem Aufsatz geht.

Hebt man nämlich in Gedanken die dunkel gehaltene Dachpartie ab, findet man sich gleich auf vertrautem Grund wieder – zumindest, was den Wagen angeht:

Presto Typ D 9/30 PS Tourenwagen; Originalfoto (gespiegelt) aus Sammlung Michael Schlenger

Von Kleinigkeiten wie der Ausführung der Räder (Drahtspeichen waren optional) und dem Schwung des hinteren Kotflügels sieht man hier praktisch den gleichen Wagen.

Gut, nach Entfernen des Aufsatzes muss auch eine andere Frontscheibe her, aber das war es dann auch. Habe ich gerade „Aufsatz entfernen“ gesagt? Geht das so einfach – einen lästigen Aufsatz schlicht eliminieren?

Anders als in der Schule kam man um diesen Aufsatz tatsächlich gut herum – man brauchte bloß tüchtige Helfer, die das Oberteil („den Aufsatz“) von der Karosserie abnehmen fertig war der Tourenwagen für die Ausfahrt bei schönem Wetter.

Was leicht klingt, wollte freilich mit schwerer Münze bezahlt werden. Eine solche Aufsatzkarosserie war nämlich beinahe so teuer wie ein Limousinenaufbau ab Werk. Doch vermute ich, dass man mit einem derartigen Aufsatz immer noch günstiger davonkam.

So schwer war das doch am Ende gar nicht, oder? Ein solcher Aufsatz zum Presto D 9/30 PS geht in Wirklichkeit leicht von der Hand, nicht zuletzt, wenn einem der Besitzer dieser Aufnahme – Matthias Schmidt aus Dresden – gleich dazu sagen kann, wo dieses Prachtstück von Wagen mit Aufsatzkarosserie einst abgelichtet wurde.

Das war vor dem Nordeingang zum Wasserschloss Moritzburg bei Dresden – einer wunderbar in die Landschaft eingebetteten Barockanlage mit reichen Kunstschätzen. Doch ein Aufsatz zu diesem Thema würde definitiv ausufern

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Keine typische Studentenkiste: Ein Selve Tourer

Auf Fotos der Nachkriegszeit findet man öfters Automobile der 1920/30er Jahre, die – in die Jahre gekommen und geringgeschätzt – für allerlei Schabernack herhalten mussten.

Als Beispiel dafür mag diese Aufnahme dienen, die wahrscheinlich einen Benz 8/20 PS der Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg zeigt, der entweder beim Karneval oder einem Studentenulk zum Einsatz kam:

Benz Tourenwagen (wohl Typ 8/20 PS); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Für die Studententhese könnte der angeklebte Rauschebart eines der Insassen sprechen – entweder eine Anspielung auf einen Professor oder den an deutschen Universitäten von Kommunisten bis heute verehrten Spinner, Schnorrer, Ehebrecher und Misanthropen Karl Marx.

Wie dem auch sei, die Stimmung auf dieser Aufnahme ist ziemlich ausgelassen, wobei sich die beiden Herren im kurzen Kleidchen ausgesprochen wohl zu fühlen scheinen…

Vielleicht zwanzig Jahre älter mag die folgende Aufnahme sein, die einen mit Studenten vollbesetzten Tourenwagen zeigt – die zwar ebenfalls (überwiegend) gut aufgelegt sind, aber dennoch die guten Sitten zu wahren wissen – zudem ist kein Frauensvolk anwesend:

Selve Tourenwagen, vermutlich Typ 8/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser Tourenwagen war mit Sicherheit kein billiger Untersatz für irgendeinen Studentenulk. Typisch für seine Zeit war er zwar schon, aber er blieb doch eine ziemliche Rarität, wie wir noch sehen werden.

Anfänglich hielt ich dieses Auto mit seinem ausgeprägten Spitzkühler und den sechs Luftschlitzen in der Haube für einen D-Typen mit 9/30 PS Motorisierung, der in der ersten Hälfte der 1920er Jahre von Presto in Chemnitz in größerer Zahl gebaut wurde.

Hier zum Vergleich ein solcher Presto Typ D auf einem Foto von Leser Klaas Dierks:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Auf den ersten Blick ist die Ähnlichkeit in der Tat recht groß. Der zweite Blick offenbart dann aber doch eine ganze Reihe Unterschiede:

Beim Presto weist die Kühlermaske auf der Innenseite eine ausgeprägte Sicke auf, die sechs Luftschlitze sitzen weiter hinten und statt fünf Radbolzen sind deren sechs zu sehen. Vor allem aber besitzt der D-Typ von Presto praktisch immer sehr markant ausgeführte, vorn spitz zulaufende Vorderkotflügel, und die beiden vorderen Rahmenenden sind mit einem Blech verbunden.

All‘ das fehlt dem Wagen auf dem Bild mit den wackeren Studenten, was auf einem zweiten Foto desselben Wagens noch deutlicher wird:

Selve Tourenwagen, vermutlich 8/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sind die jungen Herren schon deutlich wagemutiger, doch die untergelegte Decke zum Schutz der Motorhaube verrät, dass das keine heruntergerittene Studentenkiste war.

Vermutlich hatte sich einer der Burschen das Auto von seinem alten Herrn ausgeliehen oder einer Freundin aus begütertem Hause ausgespannt – leider wissen wir nichts über Ort, Jahr oder Anlass der Aufnahme.

So bleibt uns als Studienobjekt nur das Auto und das Wissen, dass es sich – trotz der großen Ähnlichkeit – um keinen Presto handeln kann. Aber was ist es dann?

Nun, den Schlüssel zur Lösung liefert bei allen technischen Mängeln ein Detail der Kühlerpartie auf dem zweiten Foto:

Hier sieht man nicht nur die erwähnte Decke zur Schonung des Lacks der Motorhaube, sondern auch, dass auf der Spitze der Kühlermaske ein großes, schrägliegendes Emblem angebracht ist.

Beim Presto D-Typ war das Emblem deutlich kleiner und stärker nach vorn geneigt, wie folgende Ausschnittsvergrößerung einer weiteren (noch unveröffentlichten) Aufnahme aus meinem Fundus mit wünschenswerter Deutlichkeit erkennen lässt:

Das reizvolle Komplettfoto dieses Wagens stelle ich gelegentlich ebenfalls vor – zusammen mit einer unkonventionellen Ausführung des Presto Typs D 9/30 PS.

Nun aber zur Auflösung welcher deutsche Tourenwagen besaß die erwähnten Details an der Frontpartie, die sich von denen des Presto D-Typs unterscheiden?

Die Antwort findet sich auf einer Aufnahme, die ich mit freundlicher Genehmigung der Werkzeugfirma Hazet zeigen darf, denn sie stammt aus deren Firmenarchiv.

Ich hatte einst das Vergnügen, eine ganze Reihe von Autos auf Fotos aus dem Hazet-Firmengeschichte zu identifizieren, darunter dieses:

Selve Typ 6/20 PS oder 6/24 PS; Originalfoto aus dem Archiv der Hazet GmbH & Co. KG

Auf dieser Aufnahme, die wahrscheinlich einen Typ 6/20 PS oder 6/24 PS zeigt, der Anfang der 1920er Jahre vom Selve-Werk in Hameln gebaut wurde, erkennt man das oben erwähnte, beinahe flach auf dem Kühlervorderteil liegende große Markenemblem.

Im Unterschied zu unserem „Studienobjekt“ besitzt dieser Selve nur vier statt sechs Luftschlitze in der Motorhaube. Das lässt bei aller Ähnlichkeit der übrigen Vorderpartie vermuten, dass die Studenten den parallel verfügbaren deutlich stärkeren Typ 8/30 PS (später: 8/32 PS) für ihre Zwecke „besetzt“ hatten.

Dabei handelte es sich um einen Zweiliterwagen, der 90 statt nur 70 kmh erreichte und merklich länger war als das 1,6 Liter-Modell. Beide besaßen übrigens bereits Innenschaltung, Anfang der 1920er Jahre keineswegs selbstverständlich.

Woher beziehe ich dieses Wissen? Nun, da muss ich sagen, dass das mir zugängliche Material zu den Selve-Wagen, die nur zwischen 1919 und 1929 gebaut wurden, ziemlich dünn und womöglich auch nicht sonderlich zuverlässig ist.

Da mir inzwischen weitere zeitgenössische Aufnahmen von Selve-Wagen zur Bestimmung vorliegen, bei denen mir eine zuverlässige Ansprache ebenfalls schwerfällt, bin ich für alle Hinweise auf Fotos oder Dokumente gesichert datierter und identifizierter Wagen dieser interessanten Nischenmarke dankbar (siehe Kommentarfunktion).

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Tankstellen-Idylle mit Presto Sechszylinder

Heute darf ich eine Rarität vorstellen, mit der ich mich zuletzt vor fast zwei Jahren beschäftigt habe (hier) – dem letzten Automodell der Firma Presto aus Chemnitz, das kurz vor der Übernahme durch NAG (Berlin) im Jahr 1927 vorgestellt wurde.

Die einst bedeutende Marke Presto hatte damals in einem letzten Aufbäumen versucht, sich einen Anteil am Markt für luxuriöse Sechszylinderwagen zu sichern, der ab Mitte der 1920er Jahre von amerikanischen Großserienherstellern dominiert wurde.

Doch scheiterte man wie andere deutsche Hersteller auch an der unwirtschaftlichen Fertigungsweise mit viel zu kleinen Stückzahlen. Zur Bildung eines großen Konzerns, der die notwendigen Investitionen hätte stemmen können, reichte der Wille nicht.

So blieb es beim letzten Presto-Modell von 1927 bei überschaubaren Stückzahlen – genau lässt sich das nicht mehr ermitteln. Jedenfalls sind Fotos des Presto, mit dem sich die Marke aus dem Automobilbau verabschiedete, äußerst rar.

An dieser Stelle tritt Leser Peter Pochert aus Dresden auf den Plan, der mir vor längerer Zeit bereits ein schönes Foto zur Verfügung gestellt hat, das einen Brennabor der frühen 1920er Jahre zeigt:

Brennabor Typ P 8/24 PS; Originalfoto aus Besitz der Familie Pochert (Dresden)

Das Schöne an dieser Aufnahme ist nicht nur die perfekte Perspektive, aus der diese Limousine abgelichtet wurde – wir wissen auch, wer der stolze Fahrer war, der daneben in typischer Chauffeurs-Uniform posiert.

Es handelt sich um Eugen Jakubowski, den Großvater von Peter Pochert. Er absolvierte damals eine Karriere als Fahrer für wohlhabende Herrschaften und es haben sich mehrere Fotos von ihm mit ganz unterschiedlichen Wagen erhalten.

Heute erfreuen wir uns an einem weiteren Bild, das Eugen Jakubowksi mit einem anderen Auto zeigt, das er damals lenkte:

Presto Typ F 10/50 oder Typ G 12/55 PS; Originalfoto aus Besitz der Familie Pochert (Dresden)

Das ist eine Aufnahme, die man kaum besser inszenieren könnte. Zu sehen ist eine Sechsfenster-Limousine von beeindruckenden Ausmaßen, doch eigentlich liefert das Auto hier nur einen dekorativen Hintergrund.

Magisch zieht es das Auge auf die Gruppe von Personen, die hier neben einer Zapfsäule stehen und vielleicht gar nicht bemerken, dass sie gerade fotografiert werden.

Den Herrn ganz links kennen wir bereits – es ist Eugen Jakubowski in makellosem Fahrer-Outfit, zu dem in der Regel eine Schirmmütze sowie Reiterhosen und Stiefel gehörten; hier ist die bequemere Variante zu sehen, bei der zu den Schuhen um die Unterschenkel geschnallte separate Ledergamaschen getragen wurden.

Was hier im Moment der Aufnahme gerade „verhandelt“ wird, darauf komme ich am Ende zurück. Zunächst einmal will das Auto identifiziert sein – und das erwies sich als recht aufwendige Sache.

Da das erste Foto mit Eugen Jakubowski einen Brennabor zeigte, könnte man meinen, dass es sich hier ebenfalls um ein Auto des einstigen Traditionsherstellers aus Brandenburg an der Havel handeln könnte.

Tatsächlich hatte Brennabor damals ein auf den ersten Blick ähnliches, recht großes Modell im Angebot, den Typ AL 10/55 PS (siehe Porträt hier):

Brennabor Typ AL 10/55 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Kraus

Für das weniger geschulte Auge könnte das doch glatt der Wagen sein, mit dem Ernst Jakubowski einst Halt an der Tanstelle gemacht hatte, oder?

Nun, bei den Autos der späten 1920er Jahre, die sich oft sehr ähnlich sehen, zählt jedes Detail, wenn man genau wissen will, was man da vor sich hat – vergleichen wir also:

  • Beide Wagen verfügen über vernickelte Nabenkappen, doch die Zahl der Radbolzen unterscheidet sich.
  • Beide Autos haben senkrechte Luftschlitze in der Motorhaube, aber beim Brennabor sind sie einfach in die Haube gestanzt, während es beim Wagen auf dem ersten Foto aussieht, als sei ein erhabenes Feld mit den Schlitzen auf die Haubenseite gesetzt worden
  • Außerdem unterscheidet sich die Form der Frontscheinwerfer – einmal sind sie trommelförmig, einmal schüsselförmig.

Das sind zuviele Unterschiede an für die Identifikation wesentlichen Stellen.

Den übrigen Aufbau braucht man in solchen Fällen meist nicht näher zu studieren, da die Karosserien oft nicht markenspezifisch waren und häufig bei ein und demselben Wagentyp von unterschiedlichen Lieferanten kommen konnten.

Nachdem Brennabor ausgeschieden war, kam als nächster Kandidat der Achtzylindertyp 303 von Horch aus Zwickau an die Reihe, der große Ähnlichkeit mit dem Auto aufweist, das Eugen Jakubowski einst lenkte:

Horch Typ 303 bis 306; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vergleicht man Nabenkappen, Zahl der Radbolzen und die Ausführung des Blechs mit den Luftschlitzen auf der Haubenseite, scheint alles mit dem Wagen auf dem Foto übereinzustimmen, das uns Peter Pochert zur Verfügung gestellt hat.

Auch Vergleiche mit besseren Aufnahmen dieses ersten Horch-Achtzylinderwagens (Typ 303-306) in der Literatur ließen mich eine Weile annehmen, dass die Lösung nahe war. Doch eines wollte nicht passen, und das waren die trommelförmigen Scheinwerfer an dem Wagen, den Eugen Jakubowski fuhr:

Bei Horch-Automobilen jener Zeit findet man immer nur schüsselförmige Scheinwerfer. So blieb ich misstrauisch. Auch war nicht auszuschließen, dass es sich vielleicht um ein US-Automobil handelte, damals keine Seltenheit in Deutschland.

Die Stahlspeichenräder im typischen „Kapezet“-Stil sprachen zwar gegen einen US-Wagen – dort dominierten lange noch Holzspeichenräder – doch selbst das musste kein zwingender Beweis sein, da importierte US-Automobile oft deutsche Anbauteile erhielten.

Einige Experten für amerikanische Marken der 1920er Jahre versicherten mir jedoch, dass es sich um kein US-Fabrikat handele – somit engte sich die Auswahl wieder ein. Ein Kenner brachte bei der Gelegenheit einen anderen Kandidaten ins Spiel:

NAG-Protos 12/60 oder 14/70 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses eindrucksvolle Modell war von NAG (Berlin) 1926/27 mit 60 bzw. 70 PS leistenden Sechszylindermotoren vorgestellt worden und wurde nach Übernahme von Protos (ebenfalls Berlin) ab 1927 als NAG-Protos verkauft.

Zwar sieht man hier endlich auch einmal trommelförmige Scheinwerfer, dennoch sind zwei wesentliche Abweichungen gegenüber dem Wagen festzustellen, neben dem Eugen Jakubowski einst abgelichtet worden war:

Zum einen reichen die Luftschlitze in der Haubenseite wesentlich weiter nach oben, fast bis an den Ansatz des Haubenoberteils. Zum anderen weist der NAG-Protos an den Vorderkotflügel seitlich nach unten reichende „Schürzen“ auf, die damals selten waren.

Gleichwohl sind wir mit dem NAG-Protos von 1927/28 dem Ziel ganz nahe. Denn NAG übernahm seinerzeit auch Presto aus Chemnitz und baute deren letztes Modell F bzw. G mit Sechszylinder (50 bzw. 55 PS) kurzzeitig als NAG-Presto weiter.

Und dieses letzte Presto-Modell stimmt in allen Details mit dem Auto überein, mit dem Eugen Jakubowski einst an der Tankstelle fotografiert worden war:

Presto Typ F 10/50 pS oder Typ G 12/55 PS; Ausschnitt aus Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zwar haben wir hier eine offene Ausführung vor uns – entscheidend ist aber die Frontpartie, an der alles ganz den Details an der Limousine entspricht, die einst Eugen Jakubowski bewegte.

Ein zweites Foto desselben Presto-Typs mit geschlossenem Aufbau lässt sogar ein identisches Schutzblech am Schweller unterhalb der Tür erkennen, das Beschädigungen des Lacks beim Einsteigen verhinden sollte:

Presto Typ F 10/50 oder Typ 5 12/55 PS Limousine; Ausschnitt aus Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses unscheinbare Detail begegnet uns auch auf folgendem Bildausschnitt, mit dem wir uns nun wieder dem Ausgangsfoto zuwenden, nachdem die Identität des Wagens geklärt ist – Presto Typ F 10/50 PS oder 12/55 PS von 1927/28:

Am Schweller unter der Vordertür sehen wir das gelochte Blech, das identisch mit dem auf der vorherigen Aufnahme einer Presto-Sechszylinder-Limousine von 1927/28 ist.

Spannender ist aber, was sich im Vordergrund abspielt. Ich deute die Situation so: Eugen Jakubowski hat den Presto für den er als Chauffeur verantwortlich war, an einer lokalen Zapfsäule aufgetankt.

Damals musste der Kraftstoff noch mit Hebeln gepumpt werden, zwei davon für unterschiedliche Qualitäten sieht man an der Säule. Diese Arbeit übernahm der Tankwart, vermutlich der Herr im Arbeitskittel rechts. Neben ihm sehen wir vermutlich die Chefin vom Ganzen, die für das Geschäftliche zuständig war.

Sie wusste als gute Buchhalterin, dass Eugen Jakubowski ein treuer Kunde war und mit dem durstigen Sechszylinder-Presto bevorzugt hier tankte, bevor es auf große Fahrt ging. Rund 15 Liter Benzin auf 100 Kilometer genehmigte sich so ein Wagen im Schnitt, bei stärker Beanspruchung wie etwa in bergigem Terrain waren ohne weiteres 20 Liter fällig.

Solche Kundenbeziehungen pflegte man natürlich besonders und wie es scheint, wurde Eugen Jakubowski hier eine Zigarre als Dankeschön für seine Treue angeboten, die er mit Kennerblick in der rechten Hand hält.

Auch wer damals kein regelmäßiger Raucher war, wusste durchaus den Genuss einer Zigarre zu schätzen, die damals den Duft der großen weiten Welt verhieß. Eugen Jakubowski mag sie sich bei entsprechender Gelegenheit gegönnt haben.

Nachdem diese schöne Geschichte, die mich einige Stunden Recherche gekostet hat, einen so harmonischen Abschluss gefunden hat, mag sich der Leser noch eines fragen: Wer war die hübsche junge Dame mit dem Kind, die im Presto sitzt und die Szene lächelnd beobachtet?

Nun, auch das wissen wir ganz genau: Es handelt sich um Eugen Jakubowskis Ehefrau Else und das Kind neben ihr ist die gemeinsame Tochter Sigrid.

Ein bei wohlhabenden Leuten angestellter Chauffeur war damals ein geschätzter und ordentlich bezahlter Fachmann, der offenbar auch eine gute Partie als Familienvater abgab.

Seine Nachfahren – die Familie Pochert aus Dresden – scheinen von ihm das Interesse an den eindrucksvollen Automobilen der Zwischenkriegszeit geerbt zu haben, die für Otto Normalverbraucher damals einen enormen Luxus darstellten.

Einen solchen Wagen als Chauffeur zu bewegen und offenbar auch die Erlaubnis zu haben, die eigene Familie damit gelegentlich mitzunehmen, das stellte vor rund 90 Jahren, als dieses Foto entstand, ein aus heutiger Sicht unvorstellbares Privileg dar.

Dass ich solche Dokumente von Vorkriegsautos aus Familienbesitz zeigen darf, bei denen genau bekannt ist, wen sie zeigen, ist wiederum für mich ein Privileg, für das ich mich im Namen meiner Leser herzlich bei der Familie Pochert bedanken darf.

Den Vogel abschießen wird aber noch ein weiteres Foto mit Eugen Jakubowski, das ich angemessen als Fund des Monats präsentieren will…

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D-tails des D-Typs: Presto 9/30 PS Tourenwagen

Heute kehre ich wieder einmal zurück zu einem alten Bekannten, den ich sehr schätze – den Presto Typ D 9/30 PS der frühen 1920er Jahre.

Sensationen sind dabei nicht zu erwarten, schließlich fertigten die Chemnitzer Presto-Werke einst einige tausend Fahrzeuge dieses Typs. Doch vielleicht nimmt der eine andere oder etwas mit, was die Bedeutung kleiner Details bei Autos jener Zeit angeht.

Außerdem ist ein klassischer Tourenwagen doch meist ein reizvoller Anblick, wenn soviel Leben darin und um ihn herum ist wie auf der folgenden Aufnahme:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Auf den ersten Blick ist wenig zu erkennen, was diesen Tourer von anderen der ersten Hälfte der 1920er Jahre abhebt. Viel nüchterner lässt sich so ein Aufbau kaum gestalten, möchte man meinen.

Der Identifikation nicht gerade zuträglich ist die Kühlermanschette, die in der kalten Jahreszeit eine Regulierung der Luftzufuhr und damit eine schnellere Erwärmung des Kühlwassers erlaubte.

Hier ist zwar die „Jalousie“ der Kühlermanschette ganz nach oben gezogen, doch tritt dabei nichts zutage, was eine Ansprache von Hersteller und Typ ermöglichen würde.

Festzuhalten ist immerhin, dass das Auto über sechs Luftzschlitze in der hinteren Hälfte der Motorhaube verfügt und mit Drahtspeichenrädern ausgestattet ist. Bei noch genauerem Hinsehen bemerkt man weitere Details:

Wenn nicht alles täuscht, verbirgt sich unter der erwähnten Manschette ein Spitzkühler, wie er bei Autos aus dem deutschsprachigen Raum nach dem 1. Weltkrieg bis etwa 1925 verbreitet blieb.

Markant ist außerdem der Verlauf der Innenseite des Kotflügels, die bis ans vordere Ende des Rahmenauslegers gezogen ist. Zwischen den beiden Schutzblechen befindet sich außerdem ein Verbindungsblech, das in den frühen 1920ern eher selten war.

Diese Details ließen mich an den D-Typ 9/30 PS von Presto denken, nur die Drahtspeichenräder wollten nicht so recht passen. Dann entsann ich mich aber einer Aufnahme aus meiner Presto-Galerie, die einen D-Typ mit identischen Rädern zeigt:

Presto Typ D 9/30 PS Limousine; Orignalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gut, mag man jetzt sagen, die Räder sehen identisch aus, aber der gesamte übrige Aufbau ist völlig anders. Das trifft zwar zu, doch beim Presto D-Typ kommt es eben manchmal auf’s „D-tail“ an.

Festzuhalten ist hier zum einen der typspezifische Spitzkühler, bei dem das Oberteil ganz leicht vorkragt. Zum anderen präge man sich die Position der drei hellen Punkte in der hinteren Hälfte der Schwellerpartie ein – zwei davon am unteren Rand, einer weiter oben.

Dabei handelt es sich keineswegs um Fehler auf dem alten Fotoabzug. Vielmehr sind es Knöpfe bzw. Rändelschrauben zum Öffnen von Klappen, hinter denen sich entweder Werkzeug oder Schmierstellen befanden.

Der eingangs gezeigte Tourenwagen wartet genau mit diesen Details auf:

Diese Übereinstimmung ist kein Zufall und so kann man diesen Tourenwagen mit eher seltenen Drahtspeichenrädern ebenfalls als Presto Typ D 9/30 PS ansprechen.

Trotz der reizvollen Szene am Heck des Wagens, die wie eigens inszeniert wirkt, da man bei solchen Privataufnahmen meist in die Kamera schaute, könnte man ein wenig enttäuscht sein von dem Wagen, der außer ein paar Details so wenig von sich preisgibt.

Zum Glück steuerte aber just dieser Tage Leser Klaas Dierks ein passendes Foto eines weiteren Presto D-Typs bei, bei dem die Frontpartie in wünschenswerter Klarheit zu sehen ist:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Hier ist nun der erwähnte Spitzkühler mit dem markanten, fast schnabelartigen Vorsprung auf der Oberseite zu sehen, der sich ähnlich nur bei Selve findet, außerdem die ebenfalls typische Ausführung des vorderen Abschlusses der Kotflügel.

Die Luftschlitze in der Haube sind ebenfalls sechs an der Zahl, doch befinden sie sich hier näher an der Mitte – eine Variation, die mir schon bei anderen Fotos dieses Typs aufgefallen ist, ohne dass ich bislang herausgefunden habe, was sie bedeutet.

Statt der filigranen Drahtspeichenräder sind hier die gängigeren und robusteren Stahlspeichenräder montiert, mit denen der Wagen besser für die damaligen Straßenverhältnisse gewappnet war.

Sehr gut gefällt mir der Hintergrund mit einigen Remisen, wie sie einst typisch für Gutshöfe und Domänen waren. Dort wurden Wagen und Kutschen abgestellt, angrenzend befanden sich häufig die Stallungen, in denen die Pferde untergebracht waren.

Spontan fühlte ich mich an eine Situation erinnert, die ich 2013 bei den Classic Days auf Schloss Dyck am Niederrhein aufgenommen habe:

Bugatti vor der Remise auf Schloss Dyck; Bildrechte: Michael Schlenger

Auch diese Situation ist mittlerweile Geschichte – die Tore der Remise auf Schloss Dyck sind im Zuge des Umbaus des Gebäudes zu einem Hotel modernen Glasfronten gewichen. Die Örtlichkeit hat nach wie vor ihren Reiz, doch was ist aus den schönen Holztoren geworden?

Nebenbei sei vermerkt, dass auch die Classic Days 2020 ein Opfer des kollektiven Ausnahmezustands geworden sind, den die Politik mit Hinweis auf das Corona-Virus über unser Land verhängt hat, anstatt alle Ressourcen und Verhaltensregeln strikt auf die inzwischen hinlänglich bekannten Risikogruppen auszurichten.

Es ist zu hoffen, dass die Politik aus den verheerenden Fehlern lernt, die erst in einer fahrlässig verspäteten und dann heillos überzogenen (weil undifferenzierten) Reaktion bestanden.

Da Virus-Epidemien jedes Jahr auftreten (können), wären bei einer erneuten Überreaktion Klassiker-Veranstaltungen sonst ebenso Geschichte wie die Presto-Wagen des D-Typs 9/30 PS, die wir fast nur noch anhand solcher Fotos im Detail genießen können…

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Offene Frage: Presto D 9/30 PS oder E 9/40?

Seitdem ich diesen Blog zu Vorkriegsautos auf alten Fotos betreibe, habe ich mich mit über 150 Marken mehr oder minder intensiv beschäftigt. Klingt viel, ist aber gemessen an den tausenden Herstellern, die es einst gegeben hat, nur ein Anfang.

Diese heute unvorstellbare Vielfalt erlebbar zu machen, ist eine von vielen Motivationen für mein Projekt. Daher suche ich nicht gezielt nach Dokumenten bestimmter Marken, sondern lasse mich vom Angebot an Fotos, Reklamen und Prospekten (ver)leiten, da dieses am ehesten repräsentativ für die automobile Welt von gestern ist.

Dennoch haben sich einige Typen von alleine als dauerhafte Begleiter herausgestellt, sind mir ans Herz gewachsen und erfreuen mich immer wieder auf’s Neue. Ein Beispiel dafür ist der Vierzylindertyp D 9/30 PS, den die Marke Presto aus Chemnitz in der ersten Hälfte der 1920er Jahre baute.

Der letzte Vertreter dieses Typs war diese attraktiv gezeichnete Sportvariante, die ich hier ausführlich besprochen habe:

Presto Typ D 9/30 PS mit sportlichem Aufbau; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Bislang war diese Aufnahme, die Leser Matthias Schmidt aus seinem reichhaltigen Fundus beigesteuert hat, das großartigste Dokument des Presto D 9/30 PS, das ich bislang präsentieren konnte.

Mittlerweile haben sich weitere reizvolle Exemplare eingefunden, die es verdienen, einem breiten Publikum gezeigt zu werden. Gleichzeitig werfen sie eine Frage auf, die aus meiner Sicht bislang unbeantwortet geblieben ist:

Wie grenzt sich der bis 1925 gebaute Presto Typ D 9/30 PS eigentlich äußerlich von seinem stärkeren Nachfolger Typ E 9/40 PS ab?

Nun, auf jeden Fall lässt sich sagen, dass ein Presto wie der oben gezeigte Sporttyp immer dann ein Typ D 9/30 PS sein muss, wenn über keine Vorderradbremsen verfügt.

Wie sieht es aber aus, wenn er welche besitzt? Dann wird es kompliziert. Folgende Originalreklame verrät nämlich, dass der Presto Typ D 9/30 PS ab einem bestimmten Zeitpunkt mit Vierradbremse gebaut wurde:

Presto-Reklame für den Typ 9/30 PS mit Vierradbremse; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Laut Literatur wurde der Presto Typ D 9/30 PS erst in seinem letzten Produktionsjahr (1925) mit Vierradbremse angeboten.

Wenn man obiger Reklame glauben darf, war die Vierradbremse bei äußerlich unverändertem Erscheinungsbild erhältlich, also mit den sechs hohen in die Haube eingeprägten Luftschlitzen, wie sie auch besagter Sporttyp besaß, der noch ohne Vorderradbremse auskommen musste:

Presto Typ D 9/30 PS (Sportaufbau); Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

So weit so gut. Nun stieß ich aber vor einiger Zeit auf eine Aufnahme, deren Einordnung Schwierigkeiten bereitet, denn sie zeigt einen Presto Typ D 9/30 PS mit Vorderradbremsen, der auf 1924 datiert ist- also ein Jahr früher als in der Literatur erwähnt – und außerdem ganz andere Haubenschlitze besitzt:

Presto Typ D 9/30 PS, Baujahr (angeblich): 1924; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme zeigt einen Presto, der im Jahr 1968 in der DDR aufgenommen wurde, deren Bürger von derselben „Partei“ eingemauert worden waren, die heute unter anderem Namen in Bundestag und Länderparlamenten vertreten ist und wieder im Aufwind ist…

Vorderradbremsen und geänderte Luftschlitze sind hier klar zu erkennen. Aufnahmedatum und -ort (Leipzig), Baujahr (1924) und Typbezeichnung (D 9/30 PS) sind auf der Rückseite von Hand vermerkt:

Dieser Vermerk „zur frdl Erinnerung vom Sportsfreund Kurt Perschmann stammt vom einstigen Besitzer des Presto selbst (siehe Kommentar unten). Dann kann an den Angaben kaum ein Zweifel bestehen, sollte man meinen.

Mag sein, dass er sich im Baujahr geirrt hat, aber wohl kaum bei der Typbezeichnung D 9/30 PS.

Jedenfalls wirft dieses originale Dokument aus meiner Sammlung die Frage auf, wie andere Presto-Wagen mit denselben Details anzusprechen sind – also Vorderradbremsen und in die Haube eingesetztem Blech mit einer Vielzahl schmaler Luftschlitze.

Das eine oder andere Beispiel dafür findet sich bereits in meiner Presto-Galerie.

Eines davon hatte ich bei der Vorstellung einst als Nachfolgetyp E 9/40 PS ab 1925 identifiziert – doch wahrscheinlich handelt es sich um dasselbe, oben als D 9/30 PS von 1924 angesprochene Auto – bei einem Umzug in der Nachkriegszeit aufgenommen:

Presto Typ D 9/30 PS (oder E 9/40 PS); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser Presto, der zu Zeiten der sich „Deutsche Demokratische Republik“ nennenden sozialistischen Diktatur aufgenommen wurde, existiert heute noch (siehe Kommentar unten). Somit besteht die Chance zu ermitteln, wann genau der Wagen gebaut wurde.

Somit sollte sich klären lassen, ob der Presto tatsächlich bereits 1924 mit Vorderradbremsen und geänderten Luftschlitzen gebaut wurde, während die Motorisierung vorerst die alte war, was die Bezeichnung 9/30 PS rechtfertigen würde.

Meine Vermutung ist, dass die Einführung der Vorderradbremsen, die Steigerung der Leistung von 30 auf 40 PS und die Änderung der Haubenschlitze nicht gleichzeitig, sondern nacheinander erfolgte.

Sofern Vorderradbremsen und geänderte Haubenschlitze bereits vor dem Wechsel zum stärkeren Motor des Presto Typ E 9/40 PS Standard waren, wäre es praktisch unmöglich, diesen äußerlich vom Vorgängertyp D 9/30 PS zu unterscheiden.

Das würde dann auch für den Presto auf diesem exzellenten Foto gelten, das mir Leser Reinhard Sudhoff aus dem Album seiner Familie zur Verfügung gestellt hat:

Presto Typ D9/30 PS (spät) oder E 9/40 PS; Originalfoto zur Verfügung gestellt von Reinhard Sudhoff

Dieser hervorragend getroffene Presto gehörte den Großeltern von Reinhard Sudhoff: Dr. med. Walther Sudhoff und seiner Frau Marianne. Beide teilten offenbar nicht nur die Leidenschaft für rassige Automobile, sondern waren auch begeisterte Fotoamateure.

Diese scharfe (im Original noch bessere) Aufnahme wurde mit einer großformatigen Kamera aus ihrem Besitz aufgenommen, wie mir Reinhard Sudhoff mitteilte.

Auf der Verbindungsstange zwischen den Scheinwerfern sehen wir eine Plakette mit Äskulapstab, die auf die Profession von Dr. Sudhoff verwies. Außerdem haben wir hier ein Beispiel für eine der damals nur als Zubehör erhältlichen frühen Stoßstangen:

Das Nummernschild verweist auf eine Zulassung im Landkreis Salzwedel (bis 1945: Sachsen, heute: Sachsen-Anhalt).

Die zigarrenförmige Stoßstange ist mir schon auf zeitgenössischen Fotos anderer Wagen begegnet, die Variante mit vernickelten „Fanghaken“ für den Fall einer Kollision war mir bis dato nicht bekannt. Vielleicht weiß jemand mehr dazu (Kommentarfunktion).

Der Presto der Großeltern von Reinhard Sudhoff wartet aber noch mit weiteren Überraschungen auf: An der Windschutzscheibe – deren Oberteil hier waagerecht gestellt ist, sieht man einen mittig angebrachten Rückspiegel – damals noch etwas Neues.

Wenn ich mich nicht irre, besaß dieser Presto außerdem am Chassis senkrechte Stützen, die im Fall eines Reifenwechsels ausgefahren werden konnten. Dieses Detail habe ich bislang bei keinem anderen Presto registriert.

Solche Elemente lassen vermuten, dass wir es hier tatsächlich mit dem von 1925-27 gebauten Typ E 9/40 PS zu tun haben, der auf den ersten Blick kaum vom späten Typ D 9/30 PS zu unterscheiden ist.

Hinweise sachkundiger Leser, die zur Klärung der hier aufgeworfenen Fragen beitragen können, sind hochwillkommen und fließen in den Blog-Eintrag sowie ggf. die Typenbezeichnungen in der Presto-Galerie ein.

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Auf den 2. Blick ein echter Sportstyp: Presto 9/30 PS

Alte Bekannte können sich irgendwann als lästig erweisen oder erfreuen einen immer wieder aus Neue – mit altbekannten Qualitäten und bisweilen neuen Facetten.

Ein perfektes Beispiel für letzteres aus der Welt der Vorkriegsautos ist der Typ D 9/30 PS der Chemnitzer Presto-Werke. An die 20 historische Fotos dieses attraktiv gezeichneten Vierzylinders sind mittlerweile in meiner Presto-Galerie versammelt.

Kaum einer der darauf abgebildeten Wagen besaß die gleiche Karosserie. Selbst bei den am häufigsten verkauften offenen Versionen findet man etliche ganz unterschiedliche Varianten.

Die wohl sportlichste davon hatte ich 2018 im Zusammenhang mit dem Fund des Jahres vorgestellt. Zur Erinnerung hier nochmals das Foto des Presto mit Aufbau als Sportviersitzer beim Zieleinlauf:

Presto Typ D 9/30 PS Sportversion; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Charakteristisch für die sportliche Variante des Presto D-Typs war der ungewöhnlich niedrige Tourenwagenaufbau mit hoch angesetztem Trittbrett.

Man kann sich gut vorstellen, dass diese Version um einiges leichter war als konventionelle Tourenwagenvarianten, für die die Literatur ein Gewicht von immerhin 1,25 Tonnen nennt.

Bei der massigen Ausführung auf dem folgenden Foto würde man in der Tat keine sportlichen Qualitäten erwarten, hier erscheint eine Maximalgeschwindigkeit von 70 km/h durchaus realistisch:

Doch gab es ganz offensichtlich nicht nur karosserieseitig deutlich abgespeckte Versionen, sondern auch leistungsstärkere Varianten.

So erwähnen Paul Gränz und Peter Kirchberg in ihrem auch nach über 40 Jahren unverzichtbaren Standardwerk „Ahnen unserer Autos“ (Verlag transpress, Ostberlin 1975), dass die Leistung des ab 1921 gebauten Presto Typs D 9/30 PS bis zur Ablösung durch den optisch ähnlichen Typ E 9/40 PS auf 35 PS gesteigert wurde.

Damit waren dann sicher deutlich mehr als 70 km/h erreichbar – je nach Übersetzung wohl 90 bis 100 km/h. Dies würde auch die Präsenz von Presto-Wagen bei zeitgenössischen Sportveranstaltungen erklären.

Der eingangs beim Zieleinlauf gezeigte Presto besaß dementsprechend auch Vierradbremsen, wie sie ab 1925 Standard wurden. Jedoch findet sich der leichte und flach bauende Sportaufbau bereits bei früheren Exemplaren des Presto D-Typs.

Leser und Sammler Matthias Schmitt verdanke ich ein großartiges Belegfoto dafür:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmitt

Das ist ein in jeder Hinsicht herausragendes Foto, wie man es sich besser nicht wünschen kann.

Wer auch immer diese Aufnahme anfertigte, verstand nicht nur sein Handwerk vollkommen – er wusste auch, wie man den schnittigen Sporttyp auf Basis des Presto D-Typs besonders wirkungsvoll inszeniert – aus spitzem Winkel von vorne und in gebückter Haltung.

Im Vergleich zu dieser mutmaßlichen Privataufnahme wirken die meisten Werkssufnahmen jener Zeit – auch bei anderen Marken – meist einfallslos.

Übrigens ist dies die erste Aufnahme eines Presto D-Typ, die mir bekannt ist, auf der der Markenschriftzug schräg auf dem Kühlergrill zu sehen ist – ein weiterer, das Vorwärtsstreben des Wagens betonender Effekt.

Die Kennung auf dem Nummernschild verweist übrigens auf den Zulassungsbezirk Nürnberg – demnach wusste hier jemand aus dem Mittelfränkischen die Qualitäten der Chemnitzer Presto-Wagen zu schätzen.

Auch auf dem zweiten Foto desselben Wagens, das uns Matthias Schmitt freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, macht der Besitzer einen mehr als zufriedenen Eindruck:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmitt

Selbst aus dieser konventionellen Perspektive wirkt der Presto enorm sportlich – wozu neben der gepfeilten Frontscheibe vor allem der niedrige Aufbau beiträgt.

Dabei profitiert das Erscheinungsbild von einem Kunstgriff: Das Vorderschutzblech verläuft weit flacher als bei gängigen Tourenwagenaufbauten und trifft auf ein um schätzungsweise 20 cm höher angesetztes Trittbrett. 

Dadurch wirkt die Gürtellinie des ohnehin flach gehaltenen Aufbaus nochmals deutlich niedriger. Entsprechend mehr ist vom Unterbau zu sehen, was aber den Gesamteindruck keineswegs trübt:

Was genau hier zu sehen ist, erschließt sich nicht ohne weiteres:

  • Umschließt der unter dem Trittbrett erkennbare Kasten vor der Vorderachse den hinteren Fußraum oder etwas anderes?
  • Sind davor Kabel oder Kraftstoffleitungen zu sehen?
  • Was liegt auf dem Trittbrett vor dem Handbrems- und Schalthebel?

Wie immer freue ich mich über weiterführende Hinweise von Lesern, auch über Anmerkungen zu Elementen, die ich übersehen oder vielleicht falsch interpretiert habe.

Ebenso wie mein Blog auch von solch großartigen Bildbeiträgen aus der Leserschaft lebt, sind es sachkundige Kommentare von Markenkennern, die mir eine immer genauere Ansprache auch obskurer Varianten von Vorkriegswagen ermöglichen.

Alle neuen Erkennntisse fließen unmittelbar in die Blog-Einträge und die Beschriftung der laufend wachsenden Fotogalerien ein – und gerade bei Presto gibt es noch jede Menge Lücken zu füllen…

© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Unendliche Geschichte: Ein Presto D-Typ 9/30 PS

Zu den häufigeren „Gästen“ in meinem Blog für Vorkriegsautos auf alten Fotos gehört der D-Typ der einstigen Marke „Presto“ aus Chemnitz.

Einige tausend Stück (die genaue Zahl ist unbekannt) des Vierzylindermodells mit dem schnittigen Bug wurden in der ersten Hälfte der 1920er Jahre gefertigt.

Bislang 15 davon sind in meiner Presto-Galerie dokumentiert – mehr als an irgendeinem anderen Ort, sei es in der Literatur oder im Netz.

Den Schwerpunkt stellen die offenen Versionen dar, für die dieser prächtige Tourenwagen steht:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Kurz zur Erinnerung: Typisch für den Presto Typ D 9/30 PS sind folgende Elemente:

  • Spitzkühler mit schnabelartig ausgeführter Oberseite der Kühlermaske
  • sechs hohe, senkrecht stehende Luftschlitze in der Motorhaube
  • bis ans Ende der vorderen Rahmenausleger reichende Frontschutzbleche

Alles übrige am Aufbau unterlag mehr oder minder starken Variationen.

So finden sich am Tourenwagen sowohl die mittig unterteilte, schrägstehende Windschutzscheibe wie bei obigem Foto als auch eine senkrecht stehende mit horizontaler Unterteilung:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Neben den verbreiteten offenen Versionen, die am erschwinglichsten waren, scheint es nur relativ wenige Presto-Wagen des Typs D 9/30 PS mit geschlossenem Aufbau gegeben zu haben.

Mein Fundus beherbergte jedenfalls bislang nur drei entsprechende Dokumente. Folgende Aufnahme aus Besitz von Leser Gottfried Hess stellt eine interessante Ergänzung dar:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Gottfried Hess

Möglicherweise handelt es sich hier um eine Aufsatz-Limousine – d.h. der Aufbau oberhalb der Gürtellinie konnte abgenommen werden.

Jedenfalls erkennt man entlang des Rahmens der hinteren beiden Seitenfenster eine horizontale Unterteilung, unterhalb derer sich die Linie eines Tourenwagen mit nach innen eingezogenem Karosserieabschluss abzeichnet.

Bei einem „echten“ Limousinenaufbau war dagegen die Karosserie oberhalb des Schwellers aus einem Guss wie auf der folgenden Aufnahme, die ebenfalls einen Presto-Typ D 9/30 PS zeigt:

Presto Typ D 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn dieser Wagen über Drahtspeichenräder verfügt (als Extra erhältlich) handelt es sich dabei jedoch höchstwahrscheinlich ebenfalls um einen Presto D-Typ – die Chemnitzer Traditionsfirma stellte von 1921-25 nur diesen einen Typ her.

Die vier bisher gezeigten Aufnahmen lassen bereits ahnen, dass kaum ein Presto des D-Typs aussah wie der andere.

Details wie die Ausführung der Frontscheibe mögen baujahrabhängig variiert haben – ich vermute, dass nur ganz frühe Modelle die vertikal unterteilte Scheibe besaßen – leider sind dazu nirgends verlässliche Aussagen zu finden.

Speziell die geschlossenen Versionen unterschieden sich stark, da sie von unabhängigen Karosseriefabrikanten hergestellt werden.

Auch von daher darf man annehmen, dass bei einer Produktionszahl von einigen tausend Stück die realisierten Aufbauten zahllose Variationen aufwiesen.

Dass wir es im Fall des Presto Typ D 9/30 PS tatsächlich mit einer „unendlichen Geschichte“ zu tun haben, belegt mein jüngster Fund:

Presto Typ D 9/30PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Sieht man von der Unschärfe der Frontpartie (und dem banalen Hintergrund) ab, gehört diese Aufnahme zu den besten, die mir bislang vom Presto D-Typ begegnet sind.

Aus dieser Perspektive kommen der schnittige Bug, die vorn spitz zulaufenden Schutzbleche und die schlanke, leicht taillierte Karosserie gut zur Geltung.

Erst auf den zweiten Blick bemerkt man, dass der Presto hier einen geräumigen Aufbau als Chauffeur-Limousine besitzt. Charakteristisch für diese Karosserievariante ist, dass nur das Passagierabteil über Seitenscheiben verfügt. 

Der Fahrer scheint hier für das Foto eigens auf den Beifahrerseitz gerückt zu sein. Dass er so ebenfalls wirkungsvoll abgelichtet wurde, ist durchaus typisch für derartige Aufnahmen – der Chauffeur war in der Regel eine geschätzte Vertrauensperson.

Auf diesem Ausschnitt erkennt man aber noch mehr:

Zwei Dinge fallen hier ins Auge:

  • Oberhalb des ausstellbaren Teils der Windschutzscheibe befindet sich eine weitere Fensterpartie, die eine höhere Dachpartie ermöglicht
  • Unterhalb des Rahmens der hinteren Seitenscheiben ist eine horizontale Unterteilung zu erkennen, die genau auf Höhe des oberen Karosserieabschlusses im Fahrerabteil liegt.

Diese Indizien sprechen stark für eine weitere Aufsatz-Limousine. Denkt man sich den Aufbau weg, hat man einen typischen Presto-Tourenwagen mit senkrechter Windschutzscheibe vor sich.

Wie so oft fragt man sich bei der Betrachtung solcher aufwendigen Schöpfungen, die im Deutschland der 1920er Jahre einen heute kaum vorstellbaren Luxus verkörperten: Wie kann ein solches großartiges Produkt menschlichen Erfindungsgeistes und praktischen Können so einfach verschwinden?

Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass irgendwo noch ein Exemplar eines Presto Typs D 9/30 PS in der enorm aufwendigen Ausführung als Chauffeur-Limousine mit Aufsatz-Karosserie existiert.

Doch dank alter Fotos wie der hier gezeigten bleibt die Beschäftigung mit Prestos D-Typ 9/30 PS auch im 21. Jahrhundert eine unendliche Geschichte

© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Puzzlearbeit: Die P-Typen von Presto bis 1919

Auch im fünften Jahr meines Blogs für Vorkriegsautos überrascht mich immer noch, wie lückenhaft das Wissen um etliche deutsche Marken der Frühzeit ist – und wie fehlerhaft oder fragwürdig die dazu vorhandene, meist ältere Literatur.

Positiv gewendet heißt das: „Es gibt viel zu tun, packen wir’s an.“

So lautete übrigens ein Werbespruch von Esso in den 1980er Jahren – eine Zeit, in der man hierzulande noch Dinge erledigt bekam. Heute redet meist inkompententes Politpersonal in Talkshows endlos über „Projekte“, die entweder mit gigantischen Bauzeit- und/oder Kostenüberschreitungen bzw. nie fertig werden…

Ein Glück, dass die Entwicklung des Automobils von einem anfälligen, enorm teuren Objekt zu einem alltagstauglichen Fortbewegungsmittel für jedermann seinerzeit praktisch ohne staatliche „Lenkung“ erfolgte.

Allenfalls die militärische Nachfrage nach Automobilen wirkte beschleunigend; sie ergab sich aus einem „Bedarf“ zur Kriegsführung, der vor über 100 Jahren in den meisten europäischen Staaten ziemlich ähnlich ausgeprägt war.

So werden wir auch beim heutigen Thema den Kriegseinsatz ziviler Automobile streifen. Das bleibt nicht aus, wenn man sich mit der Evolution der P-Typen des Chemnitzer Herstellers Presto von 1910-19 befasst.

Hier haben wir das früheste Foto eines Presto-Wagens des P-Typs aus meiner Sammlung:

Presto Typ P 8/22 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dabei handelt es sich meines Erachtens um das ab 1910 gebaute Modell P 8/22 PS, die erste eigenständige Autokonstruktion des sächsischen Fahrrad- und Motorradbauers.

Indizien für eine frühe Entstehung und eine moderate Motorisierung sind das große Markenemblem, das bald von einem kleineren abgelöst wurde, und die recht kleine Kühleroberfläche.

Der 2,3 Liter große Vierzylinder wurde 1913 von einem Motor mit 2,1-Litern abgelöst, der nun 25 PS leistete und entsprechend größeren Kühlungsbedarf hatte.

Der Zufall will es, dass die beiden aufeinanderfolgenden Modelle 8/22 PS und 8/25 PS auf diesem Foto nebeneinander abgelichtet sind:

Presto Typ P 8/22 PS und 8/25 PS: Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sieht man sowohl die größere Kühlerfläche und das geänderte Markenemblem des Presto Typ P 8/25 PS als auch die gegenüber dem Vorgänger 8/22 PS deutlich geglättete Karosserie.

So verschmelzen bei dem rechten, moderneren Wagen Motorhaube und Windlauf – also die Partie vor der Frontscheibe – bereits fast zu einem Ganzen. Warum der Presto P 8/25 PS hier ohne Reifen herumsteht?

Mag sein, dass die Aufnahme in der fortgeschrittenen Phase des 1. Weltkriegs oder kurz danach entstand, als neue Reifen Mangelware waren.

Der Presto 8/25 PS macht davon abgesehen einen hervorragenden Eindruck:

Presto Typ P 8/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gebaut wurde der auf 25 PS erstarkte Presto als einziges Vorkriegsmodell der Chemnitzer Marke bis 1919 – die letzten Exemplare entstanden also vor 100 Jahren!

In der Zwischenzeit wurde das Modell in etlichen Exemplaren militärisch genutzt. Jedenfalls findet man öfters Bilder des Presto P 8/25 PS im Einsatz der deutschen Truppen.

Ein abgesehen vom bayrischen Wappen konventionelles Exemplar haben wir hier:

Presto Typ P 8/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Daneben muss es vom Presto Typ P 8/25 PS auch eine Variante mit dem ab 1914 Mode gewordenen Spitzkühler nach Vorbild von Daimler und Benz gegeben haben.

Zwar ist eine solche Ausführung in der mir bekannten Literatur weder erwähnt noch abgebildet, aber das ist letztlich ohne Bedeutung.

Denn welche bessere Evidenz könnte es geben als ein zeitgenössisches Originalfoto, das eine solche Variante zeigt? Im vorliegenden Fall haben wir die Kenntnis davon einem Leser aus Australien zu verdanken, der ein Faible für frühe deutsche Autos hat:

Presto Typ 8/25 PS (Spitzkühlerversion); Originalfoto aus Sammlung Jason Palmer

Doch dieses Spitzkühlermodell mit beidseitigem Markenemblem ist längst noch nicht das letzte Teil im Puzzle um den P-Typ von Presto.

Blenden wir zurück in den Januar 1914, als Presto eine Anzeige herausbrachte, in der neben dem P 8/25 PS weitere Motorenvarianten genannt sind, die bei entsprechend größerem Hubraum 35 bzw. 40 PS leisteten.

Bei der Gelegenheit wird auf elf internationale Sporterfolge allein im Jahr 1913 verwiesen, die vermuten lassen, dass die Presto-Wagen schon vor dem 1. Weltkrieg einiges Ansehen besaßen und sich auch überregional gut verkauften.

Leider scheinen keine Produktionszahlen aus jener Zeit bekannt zu sein, so lassen wir einfach besagte Werbeanzeige für sich sprechen:

Presto-Reklame von Januar 1914; Original aus  Sammlung Michael Schlenger

Das in der Werbeanzeige genannte Modell Typ P 10/35 PS wird in der Standardliteratur mit technischen Daten erwähnt. Doch entsprechen diese vom größeren Hubraum (2,6 statt 2,3 Liter) abgesehen weitgehend denen des Typs P 8/25 PS.

Somit lassen sich die beiden Versionen anhand der äußeren Dimensionen nicht auseinanderhalten.

Immerhin zeigt Halwart Schrader in seinem Buch „Deutsche Autos 1885-1920“ eine Prospektabbildung des Presto Typ P 10/35 PS, die sich identisch beim Vorgängerwerk von Heinrich von Fersen (Autos in Deutschland 1885-1920) findet.

Die Abbildung weist zwei Besonderheiten auf: Zum einen verfügt der Presto dort über Drahtspeichenräder, was am deutschen Markt meist auf eine höherwertige Ausführung hinwies. Zum anderen besitzt der Wagen im Windlauf elektrische Positionslichter.

In natura sah das dann so aus wie auf folgendem bisher unveröffentlichtem Foto:

Presto Typ P 8/25 PS oder Typ P 10/35 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser im Mai 1915 im Hinterland der Westfront abgelichtete Presto entspricht weitgehend dem Typ P 10/35 PS im Buch von Halwart Schrader.

Zwar sind die Vorderschutzbleche hier dünner ausgeführt, aber das muss nichts bedeuten. Jedenfalls finden wir hier die erwähnten Drahtspeichenräder wieder. Dumm nur, dass es die als Option auch beim Typ 8/25 PS gab…

Zwar ist mir bislang sonst kein Foto eines Presto des Typs P mit Drahtspeichenrädern begegnet, doch eignen sie sich allenfalls als Indiz für das stärkere Modell 10/35 PS, wo diese sportlichere Ausführung möglicherweise häufiger montiert wurde.

Bleibt das elektrische Positionslicht, das hier durch Petroleumleuchten ergänzt wurde. Dieses Detail findet sich auf Abbildungen des Typs P 8/25 PS nur bei einer raren Sportversion, ansonsten scheint man dort darauf verzichtet zu haben.

Daher wage ich die Hypothese, dass der Presto aus der Zeit des 1. Weltkrieg, der laut Kennung auf der Haube zum Lauenburgischen Jäger-Bataillon 9 (7. Kavallerie-Division) gehörte, eher ein Typ P 10/35 PS als ein Typ 8/25 PS war.

Nachtrag: Leser Klaas Dierks verdanke ich den Hinweis, dass der abgebildete Wagen laut Nummernschild zur Armeeabteilung Falkenhausen gehörte, die zum Zeitpunkt der Aufnahme (Mai 1915) in den Vogesen kämpfte.

Vielleicht finden sich dereinst weitere Puzzlestücke, die die These vom Presto 10/35 PS-Modell bestätigen oder auch widerlegen. Von der in der Anzeige von Januar 1914 erwähnten noch stärkeren Ausführung 14/40 PS fehlt bislang ein zeitgenössisches Foto – auch hier bestehen also Lücken.

Sicher ist aber, dass einige der Presto-Wagen des am längsten gebauten Typs 8/25 PS den 1. Weltkrieg überlebt haben. Einen davon habe ich schon vor längerem anhand folgender stimmungsvoller Aufnahme vorgestellt:

Presto Typ P 8/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Kleidung und Frisuren (speziell der jungen Dame) deuten auf eine Nachkriegsaufnahme hin. Da der Presto hier noch über gasbetriebene Scheinwerfer verfügt, die ab 1918 allgemein von elektrischen Lampen abgelöst wurden, wird diese Aufnahme kaum nach 1920 entstanden sein.

Damit wären wir fast am vorläufigen Ende dieses Puzzles um den Presto Typ P, von dem noch einige Teile fehlen. Neben dem erwähnten großen 14/40 PS-Modell gab es nämlich auch eine Kleinwagenausführung mit der Bezeichnung P 6/18 PS.

Davon fehlt bislang jede Spur, nur die technischen Daten sind bekannt. Wer Abbildungen dazu kennt oder selbst welche beisteuern kann, melde sich bitte über die Kommentarfunktion.

Immerhin liefert mein eigener Fundus ein „neues“ Foto eines Presto Typ P 8/25 PS, das ich den Lesern nicht vorenthalten will. So ist eine zweite Aufnahme exakt des Wagens aufgetaucht, der einst kurz nach dem 1. Weltkrieg so idyllisch aufgenommen wurde:

Zwar kann die Qualität nicht mit der des zuvor gezeigten Fotos mithalten. Dennoch ist die Aufnahme von großem Reiz.

Sie zeigt drei der uns bereits bekannten Insassen und eine weitere junge Dame (mit Fahrerhaube). Offenbar war nun der zuvor am Lenkrad sitzende Herr an der Reihe mit Fotografieren.

Auch wenn sich das (handgemalt erscheinende) Kennzeichen auch hier nicht sicher entziffern lässt, liefert uns diese zweite Aufnahme des Presto möglicherweise einen Hinweis auf den Entstehungsort.

Erkennt jemand die im Hintergrund hoch auf einem Felsen liegende Burganlage wieder? Es scheint sich um einen im Geiste der Romantik im 19. Jahrhundert neugestaltete Festung zu handeln, die heute sicher noch so aussieht.

Nur macht gewiss kein Mensch mehr solche zauberhaften Fotos mit seinem von einer langen Tour heillos verdreckten offenen Wagen davor…

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Fund des Jahres 2018: Presto D „Sport“ von 1925

Kurz vor dem Jahreswechsel 2018/2019 präsentiere ich einen ganz besonderen Fund, dessen Reiz sich erst auf den zweiten Blick erschließt.

Was soll an einem x-tausendfach produzierten Presto des Typs D 9/30 PS aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre schon außergewöhnlich sein? Sicher, mit seinem Spitzkühler wirkte der Wagen speziell als Tourer recht schnittig.

Doch unter der Haube werkelte ein braver Vierzylinder mit 2,4 Liter Hubraum und konventionell seitlich stehenden Ventilen – mehr als 30 PS Höchstleistung waren da nicht zu erwarten, gerade ausreichend für Spitze 70 km/h.

So hatte der Presto Typ D 9/30 PS trotz des schnittigen Bugs und italienischen Namens das Temperament eines Brauereigauls. Hier steht ein Taxi des Typs passenderweise vor einem pferdebespannnten Zug der Frankfurter Brauerei Binding:

Presto Typ D9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dass der D-Typ von Presto nicht immer so behäbig wirkte, beweist ein Blick in die Presto-Galerie meines Blogs, in der etliche Originalaufnahmen des Modells versammelt sind und dabei oft durchaus „bella figura“ machen.

Doch eine wirklich sportliche Charakteristik traut man dem einst recht verbreiteten Presto kaum zu. Dabei muss es genau das einst gegeben haben – und zwar in Form „heißgemachter“ Werkssportwagen mit höherer Leistung und leichterem Aufbau.

Leider findet sich in der mir vorliegenden Literatur im Unterschied zu den parallel gebauten Sportversionen des NAG C4 kein Hinweis darauf. Eine erste Spur lieferte folgende Aufnahme aus meiner Sammlung:

Presto Typ D „Sport“; Foto von Josef Roßteuscher (München), Originalabzug aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen, der hier mit selbstbewusster Geste der Beifahrer durchs Ziel stürmt, ist eindeutig ein Presto, gefahren von einem Herrn Huth aus Chemnitz.

Entstanden ist dieses Dokument im Februar 1925 anlässlich der Winterfahrt des ADAC in Garmisch-Partenkirchen. Wie man sieht, gab es auch damals schneearme Winter und die Kleidung von Teilnehmer und Besuchern deutet auf milde Temperaturen hin.

Der flache und leichte Aufbau ähnelt dem der bekannteren Sportversionen des NAG C4. Die Vorrderradbremsen waren ab 1925 Standard bei Presto-Wagen.

Unklar ist die Motorisierung. 1925 löste der bei gleichem Hubraum nunmehr 40 PS starke Presto Typ E den D-Typ ab. Möglicherweise war im Vorgriff darauf bereits ab 1924 eine entsprechend leistungsgesteigerte Version des D-Typs verfügbar.

Jedenfalls gab es von Presto eine leichtere und deutlich stärkere Werkssport-Ausführung, die auch von Privatfahrern erworben werden konnte.

So trat Presto bei der Alpenfahrt 1925 des Österreichischen Automobil Clubs mit einem Team aus drei solcher Werksfahrzeuge an:

Presto-Team 1925 bei der Einfahrt in die Etappenstation Linz; Foto des Aktuellen Bilderdiensts, Verlag J.J. Weber (Leipzig), Originalabzug aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser an die Tradition der Alpenfahrten der Vorkriegszeit anknüpfende Wettbewerb führt über eine Strecke von rund 2.300 km von Wien nach München und umfasste eine Reihe von Sonderprüfungen.

Von den 41 Wagen am Start – darunter hochkarätige Fahrzeuge von Marken wie Gräf&Stift, Mercedes und Steyr – erreichten nur 17 das Ziel.

Hier haben wir den Presto des bereits oben genannten Fahrers Huth aus Chemnitz an einer Kontrollstation während der Alpenfahrt 1925:

Sehr gut ist hier der niedrige Aufbau mit flacher Frontscheibe und kleiner Tür zu erkennen. Hier haben wir außerdem die filigranen und leichten Drahtspeichenräder, die beim Serien-Presto als Option verfügbar waren.

Vielleicht kann ein Leser etwas zum Zweck des hohen Kühlwassereinfüllstutzens und des Tuchs über dem Kühler sagen. Möglicherweise ging es hier um den Ausgleich stärkerer Schwankungen des Kühlwasservolumens im Renneinsatz.

Kommen wir zum überraschenden Teil: Einer der Presto-Fahrer – Rudolf Reinicke aus Magdeburg – sicherte sich bei der anspruchsvollen Alpenfahrt 1925 den zweiten Platz im Gesamtklassement. Hier haben wir sein Konterfei anlässlich der Siegerehrung:

Eine hübsche Geschichte und ein schöner Erfolg für Presto, den man der Marke aus Chemnitz vielleicht nicht zugetraut hätte. Aber kommt jetzt noch etwas?

Gemach. Dass ich die entsprechenden Bilder hier überhaupt präsentieren kann, ist einem Leser meines Blogs zu verdanken – dem an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

Er schickte mir nämlich eines Tages den Hinweis auf eine im Netz angebotene Aufnahme zu, von der er vermutete, dass sich mich interessieren könnte.

Hier haben wir das gute Stück:

Presto Werksteam bei der Alpenfahrt 1925; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir nun alle drei oben gezeigten Aufnahmen vom Einsatz des Presto-Teams bei der Alpenfahrt 1925 auf einem zeitgenössischen Pressefoto versammelt.

Dieses Dokument musste ich haben! Denn auf einmal löste sich das Rätsel eines anderen Fotos aus meiner Sammlung, das ich längst abgeschrieben hatte.

Dabei handelt es sich um den großformatigen Abzug einer professionellen Aufnahme in hervorragender Qualität, die mitsamt Passepartout erhalten ist. Hier das Original in voller Pracht:

Und wen haben wir da inmitten dieses Menschenauflaufs, der den Blick auf das dahinterstehende Automobil fast völlig verdeckt?

Richtig: Rudolf Reinecke aus Magdeburg, Zweiter bei der Alpenfahrt 1925 auf Presto genau in der Pose und genau mit denselben Umstehenden wie auf dem Pressefoto!

Damit ist dies die Originalaufnahme, die anlässlich der Siegerehrung entstand und von der ein kleiner Ausschnitt in das offizielle Pressefoto gelangte.

Ein solches Spitzenfoto in diesem Format und noch dazu mit originalem Passepartout kann nur aus dem Umfeld des einstigen Presto-Fahrers selbst stammen.

So sehr ich mich über diesen Fund freue, so sehr betrübt mich, dass rare Originaldokumente wie dieses in unseren Tagen von ignoranten Erben für kleines Geld verscherbelt werden.

Doch sehen wir es positiv: Dank eines Lesers dieses Blogs konnte diese Aufnahme und der darauf festgehaltene Moment dem Vergessen entrissen werden.

Auch weiß ich aus vielen Zuschriften, dass es jede Menge Zeitgenossen gibt, die die Dokumente der automobilen Leidenschaften ihrer Vorfahren schätzen und an Details dazu brennend interessiert sind.

Möge uns das Jahr 2019 bei aller sonstiger Ungewissheit neben Glück und Gesundheit auch weitere solche bewegenden Momente bescheren!

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Unbekannte Größen: Presto Typ F und G von 1927

Wer heute überhaupt noch die Wagen der Presto-Werke kennt, die von 1909-27 in Chemnitz gebaut wurden, wird vor allem an den schnittigen Typ D 9/30 PS denken, von dem zwischen 1921 und 1926 einige tausend Exemplare entstanden.

Hier haben wir eine schöne Aufnahme dieses hochwertigen Wagens, die wir bereits bei anderer Gelegenheit gezeigt haben:

Presto Typ „D“ 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der scharfgeschnittene Spitzkühler mit dem tropfenartigen oberen Abschluss und die sechs nach hinten versetzten Haubenschlitze machen den D-Typ unverwechselbar.

1927 war jedenfalls die Epoche der Spitzkühlermodelle auch bei Protos vorbei.

Die neuen Flachkühlermodelle von Presto waren mit zwei Radständen verfügbar – der Typ F mit 3,00 Meter Radstand und der Typ G mit 3,30 Meter Radstand. Unabhängig davon waren beide Modelle mit 10/50 oder mit 12/55 PS-Motorisierung erhältlich.

Da sich die beiden parallel gebauten Typen äußerlich sonst nicht zu unterscheiden schienen, ist es fast unmöglich, sie auf alten Fotos auseinanderzuhalten. Erschwert wird die Identifikation dadurch, dass die dem Verfasser zugängliche Literatur nur alte Katalogaufnahmen des Presto Typ F bzw. G. enthält.

In diesem Blog können wir uns dafür heute gleich an drei Aufnahmen dieser mächtigen Sechszylindertypen erfreuen, die die letzten Presto-Entwicklungen sein sollten. Erst die drei Fotos zusammen zeichnen dabei ein aussagefähiges Bild.

Beginnen wir mit diesem auf den ersten Blick beliebig wirkenden Tourenwagen:

Presto Typ G; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

So sahen in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre viele deutsche Tourenwagen aus – sie alle versuchten, den damals höchst erfolgreichen 6-Zylinderwagen aus US-Produktion nachzueifern – auch äußerlich.

Der Wagen mit der geschmackvollen Zweifarblackierung kam den „Amerikanerwagen“ sehr nahe – bloß handelte es sich hier um ein Manufakturprodukt, während in den USA solche aufwendig gestalteten Autos in Großserie vom Band liefen.

Leider lässt sich das Markenemblem auf dem Kühler nur schemenhaft erkennen:

Das runde Emblem scheint in der oberen Hälfte ein geschwungenes weißes Feld aufzuweisen, was prinzipiell zu Presto passen würde.

Außerdem scheinen die letzten beiden Buchstaben des sonst leider vom Scheinwerfer verdeckten Schriftzugs auf dem Kühler „to“ zu lauten.

Indizien immerhin, aber noch kein Beweis. Etwas weiter bringt uns das zweite Puzzlestück, diesmal eine Limousine eines ähnlichen Typs:

Presto Typ F oder G; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zwar besitzt dieser 1929 aufgenommene Wagen kegel- statt trommelförmige Scheinwerfer, aber das will nicht viel heißen. Zumindest bis zur Schottwand gleichen sich die beiden Wagen weitgehend.

Das Zweifarbschema ist hier anders ausgeführt, was mit dem Limousinenaufbau zu tun hat. Weitere Unterschiede sind die vorne bzw. hinten angeschlagenen Türen und die Trittschutzbleche am Schweller.

Doch auch hier gilt: Bei Manufakturwagen jener Zeit waren solche Unterschiede normal. Entscheidend ist wie so oft die Kühlerpartie:

Hier haben wir dieselbe schlichte Kühlermaske mit dem runden Markenemblem, dessen obere Hälfte von einem geschwungenen weißen Feld eingenommen wird.

Außerdem sehen wir diesmal einen auf der anderen Seite des Kühlergrills angebrachten Schriftzug, der mit „P“ zu beginnen scheint, gefolgt von mindestens drei Kleinbuchstaben.

Damit wären wir fast am Ziel, doch ein letztes Puzzlestück brauchen wir noch, um diese Wagen allesamt als Presto der Typen F oder G von 1927 ansprechen zu können.

Zum Glück hat der Zufall das folgende kuriose Foto an die Gestade unserer Zeit gespült:

Presto Typ F; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dass dieser Schnappschuss im Alpenraum entstanden sein muss, ist klar. Doch wenn jemand anhand der Reklame- und Hinweisschilder den genauen Ort zumindest eingrenzen könnte, wäre das Glück perfekt.

Hier haben wir eines der eher seltenen Beispiele eines Tourenwagens mit niedergelegtem Verdeck, aber montierten seitlichen Steckscheiben.

Vergleicht man die Länge der Schwellerpartie und der Türen mit den Verhältnissen auf dem ersten Foto, scheinen wir es hier mit einer kürzeren Version zu tun haben, die nur eine statt zwei rückwärtige Sitzbänke bot.

Betrachten wir auch bei diesem Wagen die Frontpartie näher:

Dass der Fotograf auf den Wagen statt auf die beiden Burschen im Vordergrund fokussiert hat, mag Zufall sein, kommt uns aber sehr entgegen.

Alle Details – seien es die profilierten Schutzbleche, der Flachkühler oder die Halter der Scheinwerfer – entsprechen denen auf den beiden vorherigen Fotos.

Das Beste aber ist, dass wir hier das Markenemblem lesen können:

Dort, wo bei den beiden anderen Aufnahmen nur ein gewölbtes weißes Band zu erkennen war, kann man hier mit einem Mal „PRESTO“ entziffern.

Spektakulär, denn dieser Ausschnitt entspricht weniger als einem 20stel des rund 90 Jahre alten Originalabzugs, der überdies eingescannt und damit nochmals drastisch in seiner Auflösung reduziert wurde.

Aber genau so sah das Presto-Emblem der 1920er Jahre aus. Zum Vergleich hier eine ähnlich heftige Ausschnittsvergößerung aus einem Foto, das einen Presto des Typs P8 8/25 PS zeigt, der bis 1919 gebaut wurde:

Somit können wir alle drei Wagen als Presto der Typen F oder G ansprechen, wobei der Tourer mit dem langen Radstand ein Typ G und der mit dem kurzen Radstand ein Typ F war. Bei der Limousine müssen wir diesbezüglich passen.

Mit welchen Motoren diese eindrucksvollen letzten Presto-Wagen einst ausgestattet waren, dieses Geheimnis muss ungeklärt bleiben, denn – wie gesagt – waren bei beiden Radständen beide Motorisierungen verfügbar. 

Vermutlich hatte man gemerkt, dass mit den 50 PS des 2,6 Liter Aggregats bereits beim 1,5 Tonnen schweren Tourer kein Staat zu machen war. Der alternativ verfügbare 3,1 Liter Motor mit 5 PS mehr bot aber letztlich auch keinen spürbaren Mehrwert.

Man wollte oder konnte die Motoren wohl nicht stärker belasten – amerikanische Großserienwagen von Buick oder Chevrolet kamen damals bei vergleichbarer Leistung übrigens mit deutlich größerem Hubraum daher.

So scheiterte dieser Versuch von Presto, sich eine ordentliche Scheibe aus dem florierenden Geschäft mit 6-Zylinderwagen Ende der 1920er Jahre herauszuschneiden.

Nach der Übernahme durch NAG aus Berlin wurden die Presto Typen F und G bis 1928 noch als NAG-Presto abverkauft, dann endete die Geschichte des Automobilbaus bei Presto nach weniger als 20 Jahren…

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Vor 100 Jahren: Neues Spitzkühlermodell von Presto

Der heutige Blogeintrag macht zwei Dinge deutlich: Erstens gibt es selbst nach 100 Jahren immer noch Neuigkeiten von längst verblichenen Vorkriegsautomarken.

Zweitens erweist sich das Internet als ideales Medium nicht nur zur Präsentation historischer Automobilfotos, sondern auch zum globalen Austausch von Informationen dazu.

Denn das Bild, das wir heute präsentieren, zeigt erstens ein deutsches Automodell, das nach Kenntnisstand des Verfassers nirgends in der Literatur zu finden ist. Zweitens verdanken wir es der Sammlerleidenschaft eines Enthusiasten aus Australien.

Jason Palmer „from down under“, wie die Briten sagen, hat uns schon den Fund des Monats Mai spendiert, eine rare Aufnahme eines Komnick Tourenwagens.

Nun hat er ein weiteres Foto aus seiner Sammlung eingesandt. Eigentlich wollte er nur wissen, worum es sich bei dem Wagen auf einem malträtierten Abzug handelt.

Das ließ sich schnell herausfinden – es ist ein Presto, doch der genaue Typ ist so interessant, dass er angemessen präsentiert sein will. Beginnen wir also in der Frühzeit des Automobilbaus bei den Presto-Werken in Chemnitz.

Nach einer Phase des Lizenznachbaus von französischen Delahaye-Wagen begann man 1910 mit selbstkonstruierten 8/22 PS-Serienwagen.

Eines dieser bis 1912 gebauten Modelle mit zuletzt 28 PS aus nach wie vor 2,3 Litern Hubraum sehen wir wahrscheinlich auf folgender Aufnahme:

Presto-Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme ist deshalb interessant, weil sich in der Literatur keine weitere findet, die einen frühen Presto-Wagen aus derartig günstiger Perspektive zeigt.

Selbst wenn es sich um eines der ab 1913 gebauten Modelle 8/25 PS oder 10/35 PS handeln sollte – ganz genau lässt sich das ohne Blick unter die Haube nicht sagen – , ist hier ein Detail zu erkennen, das andernorts kaum zu finden ist.

Hier sehen wir nämlich die frühe Ausführung der Markenplakette von Presto:

Auf dem Originalabzug ist auf der runden Kühlerplakette ganz klar „Prestowerke AG Chemnitz i. Sa.“ zu lesen.

In der Mitte ist ein geflügeltes Rad in einem Kreis platziert, der vertikal in zwei Hälften in den sächsischen Landesfarben Grün und Weiß unterteilt ist.

Dieses Element findet sich auch beim anschließend verwendeten Presto-Emblem, bei dem Firmenname und Ortsangabe einem schlichten „PRESTO-Schriftzug gewichen sind:

Presto-Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was diese Ansicht zum Kuriosum macht, sind keinesfalls die fehlenden Reifen, sondern die Tatsache, dass der Wagen einst direkt neben dem zuvor gezeigten Vorgänger abgelichtet wurde.

So lassen sich die Veränderungen von Kühlerform und Markenplakette, aber auch des Übergangs von Motorhaube zur Frontscheibe sowie der Vorderschutzbleche  vergleichen, die sich damals in lediglich zwei, drei Jahren vollzogen:

Dass die Originalaufnahme noch zwei weitere Fahrzeuge anderer Marken zeigt, sei der Vollständigkeit angemerkt – obige Vergrößerungen der Kühlerpartien stellen winzige Ausschnitte des Abzugs dar, was für die Qualität des damaligen Fotomaterials spricht.

Nach dieser umständlichen, doch notwendigen Einleitung kommen wir zum eigentlichen Hauptdarsteller des heutigen Blog-Eintrags – quasi dem australischen Stargast:

Presto-Spitzkühlermodell; Originalfoto aus Sammlung von Jason Palmer (Australien)

Wer meint, dass dieses Bild kaum etwas erkennen lässt, hat das Original noch nicht abgesehen – einen vielfach beschädigten und geknickten Abzug.

Der Verfasser hat die schlimmsten Defekte beseitigt, doch sind noch genügend Spuren der Zeit geblieben – man darf einem solchen Zeugnis ruhig sein Alter ansehen.

Wer weiß, welche Odyssee dieses Zeitdokument hinter sich hatte, bevor es nach rund 100 Jahren in den Händen des heutigen Besitzers im fernen Australien landete.

Bevor wir ins Detail gehen, halten wir folgendes fest:

  • Der Wagen verfügt über einen Spitzkühler nach Vorbild von Mercedes und Benz (damals unabhängig), der ab 1914 bei vielen deutschen Herstellern Mode wurde.
  • Montiert sind elektrische Scheinwerfer, wie sie vor dem 1. Weltkrieg meist nur als Option verfügbar, aber ab 1918 Standard waren.
  • Die Insassen sind deutsche Soldaten – ob im 1. Weltkrieg oder danach bei der Reichswehr, ist schwer zu sagen.
  • Das Kennzeichen aus römisch „II“ und „A“ verweist auf eine Zulassung in der bayrischen Hauptstadt München. Bei der fortlaufenden Nummer könnte vor der „0“ eine Ziffer fehlen, vielleicht weil das Kennzeichen dort einen Knick aufweist.

Nun aber zum interessantesten Detail des Wagens:

Hier haben wir beidseitig des Spitzkühlers die typische Markenplakette von Presto in der Ausführung unmittelbar vor dem 1. Weltkrieg.

Wie eingangs bemerkt, ist dem Verfasser keine weitere Aufnahme eines Presto mit einem derartigen Spitzkühler bekannt – und doch hat es das einst gegeben!

Ganz gleich, ob dieser Presto nun kurz vor dem 1. Weltkrieg oder direkt danach entstand, haben wir hier ein bisher fehlendes Bindeglied zu den einst in Deutschland recht verbreiteten Presto D-Typen mit 9/30 PS-Vierzylindermotor.

Auch diese besaßen nämlich einen Spitzkühler, wenngleich einen mit stärker abgerundeter Oberseite des Kühlergehäuses:

Presto D-Typ 9/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Leistungsmäßig hatte sich zwar gegenüber der Vorkriegszeit nicht viel getan – der nunmehr 2,4 Liter große Vierzylinder war für maximal 30 PS gut – doch die schnittige Optik mit nach unten vorragendem Spitzkühler machte einiges her.

In der Presto-Galerie dieses Blogs sind etliche Originalaufnahmen des reizvollen Presto-D-Typs zu finden  – danach zu urteilen, handelte es sich um ein gehobenes Automobil für stilbewusste Leute.

Dass Autos der 1927 von NAG aus Berlin übernommenen Chemnitzer Marke auch nach rund 100 Jahre bei Sammlern für Begeisterung sorgen, das hätten sich die Männer, die diese Wagen einst konstruierten und bauten, nicht träumen lassen.

Statten wir ihnen auf diese Weise unseren Dank für ihren Beitrag zur Entwicklung und Verbreitung des Automobils im Deutschland der Zwischenkriegszeit ab…

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Jetzt auch mit Vierradbremsen: Presto Typ E 9/40 PS

Nicht schon wieder ein Presto – den hatten wir doch kürzlich erst (und das nicht zum ersten Mal).

Stimmt, der nach dem 1. Weltkrieg verbreitete Typ D 9/30 PS der Chemnitzer Marke ist in diesem Blog ziemlich lebendig – vermutlich gibt es in der Presto-Galerie bereits mehr historische Aufnahmen davon als überlebende Fahrzeuge…

Heute können wir aber tatsächlich etwas „Neues“ in Sachen Presto bringen, den ab 1925 gebauten Nachfolgetyp E 9/40 PS.

Er besaß noch den schnittigen Spitzkühler des Vorgängers – der den Presto-Wagen ein unverwechselbares Gesicht gab.  Aber in technischer Hinsicht war man nicht untätig geblieben.

Aus dem nach wie vor 2,4 Liter großen Vierzylinder – ein klassischer Seitenventiler – hatte man nunmehr 40 statt 30 PS herausgeholt. Solchermaßen beflügelt stieg die Höchstgeschwindigkeit des Presto von 70 auf 80 km/h.

Passend zum gestiegenen Leistungsvermögen hatte man dem E-Typ auch Vierradbremsen verpasst – wie damals üblich noch mechanisch betätigt.

Dieses Detail ist das Hauptunterscheidungsmerkmal des Presto Typ E 9/40 PS gegenüber dem Typ D 9/30 PS. Das war dem Verfasser lange nicht bewusst, weshalb er bei früherer Gelegenheit folgenden Wagen ebenfalls als Typ 9/30 PS angesprochen hatte:

Presto Typ E 9/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die trotz starken Lichteinfalls von links reizvolle Aufnahme mit dem doppelt belichteten Paar lässt die vorderen Bremstrommeln gut erkennen, weshalb es sich um einen Typ E 9/40 PS handeln muss.

Wie es scheint, besaß der Nachfolger des D-Typs statt ausgestanzter breiter Luftschlitze ein aufgenietes Blech mit schmaleren und zahlreicheren Luftschlitzen in der Haube.

Oder war dies erst bei späten Modellen des bis 1927 gebauten E-Typs der Fall?

Auf einer anderen Aufnahme eines Presto E 9/40 PS sehen wir zwar ebenfalls die vorderen Bremstrommeln, aber die Ausführung der Luftschlitze scheint noch wie beim Vorgänger zu sein, sofern dies auf dieser mäßigen Aufnahme überhaupt zu erkennen ist:

Presto Typ E 9/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei Presto in Chemnitz entstanden zwischen 1921 und 1927 keine zehntausend Exemplare der Typen D und E, sodass man noch von einer Manufakturproduktion ausgehen kann.

Da ist es gut möglich, das man entweder bei den letzten D-Typen schon Vierradbremsen verbaute – vielleicht als Zubehör – oder dass bei den ersten E-Typen noch Bestände an Motorhauben des Vorgängers verbaut wurden.

Wer hierzu Näheres weiß, kann dazu die Kommentarfunktion nutzen – ergänzende Informationen werden im Blog-Eintrag berücksichtigt.

Viel mehr lässt sich angesichts der dürftigen Literatur zur Marke Presto zum Typ E 10/40 PS vorerst nicht sagen.

Sollte jemand über einen zugehörigen Originalprospekt verfügen, wäre es natürlich schön, diesen der Leserschaft zugänglich zu machen, die sich aus monatlich über 1.500 Vorkriegsenthusiasten zusammensetzt.

Nicht vorenthalten möchte der Verfasser dem geschätzten Publikum zwei weitere Originalfotos von Presto-Wagen des Typs E 9/40 PS aus seinem Fundus.

Da hätten wir zunächst diesen außergewöhnlichen Schnappschuss:

Presto Typ E 9/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses tolle Foto lässt das beeindruckende Platzangebot in einem sechssitzigen Tourenwagen der 1920er Jahre aus der Vogelperspektive erkennen.

Die Aufnahme wurde vermutlich von einem Balkon im ersten Stock eines Hauses in Leipzig geschossen – jedenfalls entstand der Abzug laut umseitigem Stempel in einem Fotoatelier in der sächsischen Großstadt.

Möglicherweise zeigt das Foto den Presto bei einer Veranstaltung in der Nachkriegszeit, für die sich die Insassen „fein“ gemacht hatten. So ganz zusammenpassen wollen die Kostümierungen jedenfalls nicht.

Wenn dies zutrifft, könnte dieser Presto heute noch existieren. Denn auch unter den Sachzwängen des Sozialismus bestand in Ostdeutschland eine lebendige Vorkriegsautoszene, der wir das Überleben zahlreicher Wagen verdanken.

Und weil es so schön ist, haben wir hier eine weitere Aufnahme eines Presto Typs E  9/40 PS aus Zeiten der „DDR“:

Presto Typ E 9/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Spitzkühler mit tropfenfömigem oberem Abschluss, Vierradbremsen, gerade geschnittene und spitz auslaufende Vorderkotflügel, aufgesetztes Blech mit Luftschlitzen – das ist ganz klar ein Presto Typ E 9/40 PS.

Am in Fahrtrichtung linken Rahmenausleger erkennt man das spezielle Oldtimer-Kennzeichen, das von den „DDR“-Behörden ausgegeben wurde. Es handelt sich somit eindeutig um ein Nachkriegsfoto.

Der Zustand des Presto scheint ausgezeichnet gewesen zu sein – eventuell war das Verdeck erneuert worden, es sieht zu gut aus, um als mindestens 30-jähriges Original durchzugehen.

Bei diesem Wagen dürfen wir erst recht davon ausgehen, dass er das sozialistische Menschenexperiment im Osten unseres Landes unbeschadet überstanden hat. Vielleicht erkennt ja jemand den Presto wieder und weiß, wer der heutige Besitzer ist.

Den Freunden der Marke Presto sei übrigens an dieser Stelle versprochen, dass inzwischen auch Originalfotos der noch selteneren Nachfolgetypen F 10/50 PS bzw.  G 12/55 PS aufgetaucht sind – sie werden hier ebenfalls zu ihrem Recht kommen…

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.