Auch das ist original: Hanomag „Rekord“ in der DDR

Auf die Frage, was bei einem historischen Fahrzeug als Originalzustand anzusehen ist, gibt es für viele Klassikerfreunde nur eine Antwort – Neuzustand. Tatsächlich kommt man in vielen Fällen nicht umhin, sich bei der Restaurierung daran anzunähern oder sich zumindest daran zu orientieren:

Bei Unfallfahrzeugen, unvollständigen Teileträgern oder völlig verschlissenen und nicht mehr funktionsfähigen Vehikeln führt am Neuaufbau kein Weg vorbei. Doch leider werden hierzulande immer noch komplette Fahrzeuge mit guter Substanz und viel Charakter ohne Not auseinandergerissen und „restauriert“.

Das heißt oft genug, dass unersetzliche Originalsubstanz wie Leder, Stoffe und Chromteile durch modernes, selten gleichwertiges Material ersetzt wird. Es bedeutet häufig auch, dass in einem langen Autoleben dazugekommene Accessoires und zeitgenössische Umbauten entfernt werden. Dabei ist früher kaum ein Fahrzeug nach der Auslieferung unverändert geblieben.

Zu den Spuren der Nutzung an Lack, Chrom und Innenraum traten Modifikationen, die der Verschönerung oder der Alltagstauglichkeit dienten. Gängig waren auch Improvisationen, weil keine Originalteile mehr zu bekommen waren. Dass das Ergebnis solcher Veränderungen nicht nur „originell“, sondern auch „original“ und damit erhaltenswert sein kann, zeigt folgendes Beispiel eines Hanomag Rekord aus den 1930er Jahren:

Hanomag_Rekord_DDR

© Hanomag Rekord in der DDR, um 1960; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Anstelle einer bereits andernorts erfolgten technischen Besprechung des Modells soll es hier um das gehen, was das abgebildete Exemplar „besonders original“ macht.

Zunächst einige Worte zum Entstehungszeitpunkt und Ort der Aufnahme. Ins Auge fällt das Nummernschild, das der 1953 in der DDR eingeführten Systematik entspricht. Dabei bezeichnete das Buchstabenpaar keine Städte, sondern Bezirke und Kreise. „KW“ stand für den Kreis Sangerhausen im Bezirk Halle in Sachsen-Anhalt.

Praktischerweise ist auf der Rückseite als Ortsangabe „Wippra“ vermerkt, ein idyllisch am Harz gelegenes Städtchen, keine 20km von Sangerhausen entfernt. Anlass war offenbar eine Wochenendspritztour der Familie – Muttern wird dabei das Foto geschossen haben. Vaters schmale Krawatte deutet auf die frühen 1960er Jahre.

Da als Wagentyp „Hanomag Rekord“ auf der Rückseite vermerkt ist, können wir das für bare Münze nehmen. Ohne diesen Hinweis wäre man auch darauf gekommen, doch hätten etliche Unstimmigkeiten für Irritation gesorgt. Werfen wir also einen näheren Blick auf den Wagen – es gibt einiges zu entdecken:

Merkwürdig mutet zunächst der Kühler an. So fehlt der geschwungene Schriftzug „Rekord“, der meist auf der rechten Seite (in Fahrtrichtung angebracht) war. Entweder ist er verlorengegangen oder der Kühler ist durch ein Teil des schwächer motorisierten Hanomag „Garant“ oder „Kurier“ ersetzt worden, der ähnlich aussah.

Anlass für die Modifikation des Kühlers könnte ein Unfall gewesen sein. Dabei wäre dann vermutlich auch die Stoßstange ersetzt worden. Diese entspricht nicht mehr dem durchgehenden Hanomag-Originalteil, sondern ähnelt der bei DKW in den 1930er Jahren verbauten zweiteiligen, geschwungenen Stoßstange. Sie wurde nach dem Krieg beim IFA F8 – der Wiederauflage des DKW F8 – weiterverbaut. Im Unterschied zu Vorkriegsversion wies sie oft eine horizontal verlaufende Verdickung auf, die auch auf dem Foto zu erahnen ist.

Wahrscheinlich hat man sich hier mit einem IFA-Teil beholfen, das gemessen am Alter des Wagens noch in auffallend gutem Zustand ist. Ebenfalls Standardteile aus DDR-Produktion dürften die mittig montierte Hupe (evtl. von einem Motorrad MZ RT 125) und der Rückspiegel am Dachholm sein. Letzter entspricht der Form nach bei Mofas und Mopeds der „Vogelserie“ verbauten Teilen.

Vermutlich von einem Fremdfahrzeug stammen auch die Radkappen, die glattflächiger wirken als bei Hanomag-Modellen. Möglicherweise wurden sogar komplette Räder eines anderen Wagens verbaut, eventuell eines Wanderer W24. Rätselhaft erscheint die Verkleidung vor dem Unterteil des Kühlers.

Man fragt sich, ob es den Hanomag auf dem Bild heute noch gibt, immerhin war er zum Zeitpunkt der Aufnahme schon rund 25 Jahre alt. Liebhaber dieser soliden Wagen aus Hannover gab es schon früh, und in der DDR hat man selten etwas Hochwertiges weggeworfen. Wenn er nicht irgendwann selbst als Ersatzteilspender herhalten musste, könnte dieser „Rekord“ noch existieren. Vielleicht weiß jemand aus der Hanomag-Szene Näheres. 

Auf jeden Fall zeigt das Bild eindrucksvoll, wie ein solcher Wagen einst im Alltag ausgesehen hat. Würde man ihn in genau diesem Zustand bekommen, wäre es das Beste, ihn auch so zu konservieren. Originaler als in diesem authentischen Zustand kann ein historisches Fahrzeug kaum sein. Vielleicht eine Anregung für Klassikerbesitzer, bei wirklich gut erhaltenen Fahrzeugen auf unnötige Rückbauten und Neuteile zu verzichten.

Ein in Würde gealtertes Fahrzeug wie der hier vorgestellte Hanomag wird auch vom Publikum als echte Persönlichkeit wahrgenommen, was man von „auf neu“ gemachten und nicht mehr genutzten Fahr(Steh)zeugen kaum behaupten kann.

Winterspaß im Osten mit einem DKW F8

Nach mildem Auftakt hat der Winter inzwischen vor allem den Osten Deutschlands fest im Griff. Dazu passt dieses Foto, das ein vergnügtes Paar im Schnee mit seinem Auto zeigt:

© Originalfoto um 1950, aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen ist schnell identifiziert – die vier Ringe an der mittleren Kühlerstrebe weisen auf ein Modell aus dem 1932 gebildeten Auto-Union-Konzern hin. Dazu gehörten die Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer.

Die markant geschwungene, geteilt wirkende Stoßstange gab es nur bei DKW und Wanderer. Die eng beieinanderliegenden Kühlerstreben und die Form der Kühlermaske weisen auf einen DKW F8 hin, der von 1939 bis 1942 gebaut wurde. DKW-typisch verfügte der Wagen über Frontantrieb und einen Zweitaktmotor.

Die beiden Varianten des DKW F8 „Reichsklasse“ und „Meisterklasse“ unterschieden sich nur geringfügig in Motorisierung und Ausstattung. Der Preisunterschied war allerdings drastisch: Für 20 statt 18 PS und 85 statt 80 km/h Höchstgeschwindigkeit war bei der Limousine ein Aufschlag von rund 30 % fällig!

Weil Zweitaktwagen während des Krieges meist nicht von der Wehrmacht eingezogen wurden, haben viele davon überlebt. Ihre gefällige Form trägt zu ihrer bis heute anhaltenden Beliebtheit bei – und für eine Landpartie reicht die Leistung allemal. Günstiger ist Vorkriegseleganz kaum zu bekommen.

Was Ort und Zeitpunkt der Aufnahme angeht, hilft ein Blick auf das amtliche Kennzeichen des DKW:

Links von der Zahlenkombination sind übereinander die Buchstaben „S“ und „B“ zu erkennen. Dieses Kürzel steht für Sowjetische Zone und das Land Brandenburg. Es handelt sich also um ein Besatzungskennzeichen, wie es in der DDR zwischen 1950 und 1953 ausgegeben wurde. Die erste Zifferngruppe weist auf den Landkreis hin, die 30 steht für Kreis Oberbarnim, Bad Freienwalde/Oder an der Grenze zu Polen.

Damit wäre die Herkunft des Wagens geklärt – die Skistöcke weisen jedoch eher auf einen Aufnahmeort im Erzgebirge hin, wo der Wintersport eine lange Tradition hat. Das Gepäck der beiden spricht jedenfalls für eine Urlaubssituation, wenngleich unter den bescheidenen Bedingungen jener Zeit.

Übrigens wurde der DKW F8 im ehemaligen Audi-Werk in Zwickau ab 1949 äußerlich kaum unverändert weitergebaut. Lediglich sein Name wurde in IFA F8 geändert, wobei IFA für Industrieverband Fahrzeugbau stand, in dem die Fahrzeughersteller in der sowjetischen Zone zusammengefasst waren. Das abgebildete Fahrzeug könnte somit prinzipiell auch ein IFA F8 sein. Konstruktiv wäre es dennoch ein DKW gewesen, auch wenn sich der gleichnamige Hersteller mittlerweile im Westen (Ingolstadt) befand. DKW und IFA F8 stehen somit ebenso für die deutsche Teilung wie beispielsweise DKW und IFA RT 125.

In dem Foto ist also nicht nur ein vergnügter Wintertag festgehalten, sondern auch ein Stück deutscher Geschichte.