Von Geistern und Gestern: De Dion-Bouton Tourenwagen

Gibt es Geister? – Nun, wohl nicht in dem Sinne, wie wir andere Phänomene wahrnehmen können. Man kann sie nicht anfassen, fotografieren oder sonstwie objektiv dingfest machen.

Doch hätten wir den Begriff nicht, wenn ihm nicht etwas in unserer Welt entspräche.

Geister – im schlimmeren Fall auch Dämonen – entstehen in uns selbst und können uns erscheinen, ohne dass wir es wollen, wir können sie aber auch selbst herbeirufen. Unser Verhältnis zu ihnen ist vielschichtig, sie können uns begeistern, einnehmen oder blankes Entsetzen auslösen.

Heute ist für mich ein Anlass, mich meinen Geistern der Vergangenheit ausliefern. Sie nehmen mich ganz ein, aber bei aller Macht tun sie mir letztlich nichts Böses und verlassen mich friedlich wieder bis zum nächsten Mal.

Weil dies ein Blog ist – also ein online geführtes Diarium mit zufälligem Schwerpunkt auf Vorkriegsautos auf alten Fotos – lasse ich meine Leser zunächst an meiner persönlichen Geisterstunde teilhaben, bevor es ans eigentliche Thema geht.

Auf den Tag heute vor zwei Jahren verbrachte ich die letzten Stunden mit meiner Katze „Millie“. Sie stammte aus der Nachbarschaft, hatte ein Zuhause, aber aus Zuneigung blieb sie irgendwann ganz bei mir.

Fünf Jahre lang begleitete und gestaltete sie jeden meiner Tage, entwickelte sich zu einer wahren Freundin – Katzen können das, wenn man sich auf sie einlässt.

Hunderte von nächtlichen Blogeinträgen hat sie begleitet – neben dem Rechner unter der Schreibtischlampe liegend, bis es irgendwann ins Bett ging. Ein fataler Unfall mit einer nicht heilbaren Verletzung erzwang schließlich, dass ich sie einschläfern lassen musste.

Der letzte Tag mit ihr war der längste meines Lebens und hat sich tief in meiner Erinnerung eingeprägt. Aus diesen Tiefen stieg heute ihr Geist auf und das damalige Erleben begleitete mich in Gedanken den ganzen Tag über.

Der Zufall will es, dass ebenfalls dieser Tage vor fünf Jahren meine Mutter ihre letzten Lebenswoche verbrachte. Den Frühling verdämmerte sie in Bad Nauheim, für sie ein besonderer Ort, an den sie zurückwollte, was zu ermöglichen mir gelungen ist.

Ihre im schlesische Liegnitz lebenen Eltern hatten auf ihre Hochzeitsreise vor über 100 Jahren in dem damals über Deutschlands Grenzen hinaus berühmten Badeort am Rand des Taunus gewohnt. So erzählte sie mir es vor langer Zeit – leider weiß ich nicht mehr darüber.

Getrieben von den Geistern der Vergangenheit geht es nun in diese Zeit zurück, in die Welt von gestern, wenn auch nicht ins immer noch zauberhafte Bad Nauheim.

Gestern war ich auf einer ganz anderen Geisterjagd unterwegs, sie hat mich bis weit hinter Mitternacht beschäftigt gehalten. So konnte ich auf einem verblichenen, stark fleckigen alten Foto aus meiner Sammlung etwas erahnen, was eine intensive „Seance“ rechtfertigte.

Die Geister, die sich dort verbargen, ließen sich nach intensivem Bemühen hervorlocken – hier zeigen sie sich erstmals seit gut 100 Jahren – etwas geheimnsvoll, aber immerhin:

De Dion-Bouton Tourenwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auf dem schwer versehrten Abzug hatte sich zufällig neben den Insassen auch die Kühlerpartie des Wagens einigermaßen erhalten.

Mit viel Geduld und begleitet von Kantaten von Dietrich Buxtehude (CD-Empfehlung: Purcell Quartet mit Emma Kirkby, Chandos 2003) ließ sich das Wesentliche wieder herausarbeiten – und ich meine, dass sich der Aufwand gelohnt hat.

Da wären zunächst die Geister der Personen zu nennen, welche sich nach so langer Zeit erstaunlich lebendig eingefunden haben und uns ganz einnehmen:

Die charmante junge Dame mit Pelzkragen und Tuch über dem Hut weiß auch nach 100 Jahren noch zu bezaubern.

Eher unheimlich geisterhaft wirkt die Frau auf dem Beifahrersitz, und ihr Pendant ganz links macht einen geradezu schaurigen Eindruck. Doch der Herr am Steuer mit den Ziernähten auf dem hellen Handschuh wirkt einigermaßen vertrauenerweckend.

Letztlich haben wir von diesen Geistern der Vergangenheit nichts zu befürchten, sie lassen uns bereitwillig an der Situation teilhaben und vielleicht gefällt ihnen, dass sie hier nochmals eine unverhoffte Bühne nach so langer Zeit erhalten.

Sie werden uns auch nicht böse sein, dass wir unsere Aufmerksamkeit nun dem Fabrikat des Tourenwagens zuwenden, mit welchem sie sich einst haben ablichten lassen:

Diesen Spitzkühler mit leichter Einbuchtung an den abfallenden Teilen der Oberseite, welche sich kaum merklich in der Motorhaube fortsetzt, gab es so Anfang der 1920er Jahre bei einem ganz bestimmten Hersteller: De Dion-Bouton aus Frankreich.

Die altehrwürdige Marke – deren Bedeutung man für die Entwicklung des Automobils nicht unterschätzen kann – ist hierzulande wohl eher für die ganz frühen Typen und die Einbaumotoren bekannt, welche viele deutsche Hersteller ab 1900 zukauften und damit überhaupt erst „in die Gänge kamen“.

Dass De Dion-Bouton auch in den 1920er Jahren noch eine beachtliche Bedeutung hatte, mag diejenigen überraschen, die nur die französischen Großserienhersteller Citroen, Peugeot und Renault kennen.

Noch bemerkenswerter mag man finden, dass dieses Exemplar, dessen genauer Typ sich wohl nicht mehr ermitteln lässt, kurz nach dem, 1. Weltkrieg in Deutschland zugelassen war – im Raum Köln, um genau zu sein.

Dass dieser De Dion Bouton damals kein Einzelfall war, zeigt ein weiteres Foto, das zwar später entstand, aber ebenfalls einen solchen Tourer der frühen 1920er Jahre zeigt.

Ich verdanke diese Aufnahme Leser Matthias Schmidt aus Dresden:

De Dion-Bouton Tourenwagen in Königswinter; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Auf diesem Foto sehen wir nicht nur längst verschwundene Geister der Vergangenheit, sondern auch einen Zeugen der Welt von gestern, der sich auf wunderbare Weise kaum verändert hat.

Die Rede ist vom Hotel Loreley in Königswinter am Rhein. Es muss um die Mitte der 1920er Jahre gewesen sein, als der eindrucksvoll dimensionierte De Dion Bouton-Tourer dort haltmachte.

Wenn ich mich nicht täusche, verfügte der Wagen über Vorderradbremsen, die ab 1923 bei der Marke verfügbar waren – die Franzosen waren in der Hinsicht deutschen Herstellern voraus (ein extremes Beispiel dafür folgt gelegentlich).

Aber machen Sie sich selbst ein Bild von diesem großzügigen Automobil:

De Dion-Bouton Tourenwagen in Königswinter; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Haben Sie es gesehen? Auch dieser De Dion-Bouton besaß eine deutsche Zulassung und wieder handelt es sich um ein Kennzeichen aus dem Rheinland („IZ“).

Ich vermute, dass die Marke zumindest in der Grenzregion über Verkaufsstrukturen verfügte – vielleicht weiß ein Leser mehr dazu, dann bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Eine andere Sache konnte ich ebenfalls noch nicht klären. Auf Fotos, die Wagen von De Dion-Bouton der frühen 1920er Jahre bis zum Übergang auf den Flachkühler zeigen, findet man durchweg Räder mit vier Radbolzen, unabhängig vom Typ.

Dieses Exemplar mit seinen aus dem Rahmen fallenden Dimensionen besaß jedoch deren sechs, nach meinem Eindruck ein Hinweis auf eine wesentlich höhere Motorleistung und damit auch Belastung des Fahrwerks:

De Dion-Bouton Tourenwagen in Königswinter; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Hier kann man außerdem die makrentypische Kühlergestaltung – und zumindest schemenhaft – auch den Schriftzug „De Dion Bouton“ auf dem Grill erkennen.

Das ist das Ergebnis meines heutigen Ausflugs in die Welt von gestern, die beileibe nicht besser war als die heutige – aber eines war sie im Unterschied zu unseren Tagen: Faszinierend vielfältig und mit Abstand stilvoller, finde ich.

Die Geisterstunde naht – noch eine Weile werden mich die Gespenster der Vergangenheit beschäftigt halten, doch sie sind mir liebe Gefährten meines Daseins und oft genug liefern sie Inspiration zu nächtlichen Ausflügen ins Gestern, von denen auch Sie etwas haben…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Stilvoller Auftritt: Ein De Dion-Bouton von 1913/14

Das Automobil ist für die meisten längst zu einem Alltagsgegenstand geworden, bei dem innere Werte wie Verbrauch, Ladekapazität oder „Entertainment“-Funktionen wichtiger sind als das soziale Signal, das davon ausgeht.

Bis in die 1970er Jahre und etwas darüber hinaus war das anders – da definierte man sich oft auch über den Wagen, den man fuhr – jedenfalls im Westen unseres damals noch geteilten Landes:

Volkswagen für die, denen vor allem an Zuverlässigkeit liegt, Ford wenn man auch von einer simplen Familienkutsche etwas US-Flair erwartete, Fiat für Stilbewusste mit kleinem Portemonnaie, Mercedes und Jaguar für arrivierte Unternehmer und Heiratsschwindler, Alfa und BMW für Draufgänger und Technik-Gourmets, Citroen und Saab für Querköpfe mit kleinem bzw. großem Geldbeutel, Lancia und Volvo für Kreative und sich intellektuell Dünkende, MG und Triumph für Traditionalisten bzw. schraubfreudige Studenten, Lada und Skoda für geizige Förster und rote Studienräte…

Eine angreifbare Zuordnung, gewiss – zumal ich Porsche und Morgan vergessen habe, mit denen ich überwiegend unsympathische Posertypen verbinde.

Bevor ich mir mit solchem Schubladendenken zuviel Feinde mache, ziehe ich mich lieber auf unvermintes Terrain und 100 Jahre zurück – als es diesen Posertypen gab:

De Dion-Bouton Typ EJ4; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese hübsche Aufnahme hat mich lange Zeit beschäftigt. Denn sie vereint Elemente der Welt vor dem 1. Weltkrieg und der Moderne, die mit den 1920er Jahren Einzug hielt – zumindest in der hauchdünnen Oberschicht, die sich in Europa ein Auto leisten konnte.

Geht man nur von den Insassen aus, glaubt man sich in die mondäne Welt des Tennissports der Zwischenkriegszeit zurückversetzt, in der einer der Champions unserer Zeit mangels Manieren bestenfalls Chancen als Balljunge gehabt hätte.

Das junge Paar in dem Tourenwagen würde mit seinem im Freien erworbenen dunklen Teint heute glatt als „People of Colour“ durchgehen und könnte sogar einen Beweis für seine Benachteiligung anführen, nämlich das heillos veraltete Automobil:

Während es bei den beiden für gediegene Kleidung und einen modischen Haarschnitt reichte, zeugte ihr fahrbarer Untersatz eindeutig von prekären Verhältnissen.

Petroleumbetriebene Positionsleuchten und außenliegender Tankstutzen vor der Windschutzscheibe, außerdem Gasscheinwerfer, das war um 1920 wirklich von gestern.

So tauchen bereits 1912/13 vermehrt elektrische Positionslichter auf und noch vor dem 1. Weltkrieg waren bei gehobenen Fahrzeugen elektrische Scheinwerfer als Option verfügbar. Gleichzeitig begann der Benzintank ein unauffälliges Dasein im Heck zu führen.

Tatsächlich haben wir es hier mit einem Automobil zu tun, das noch ganz der Tradition verhaftet war. Nur der Windlauf – die ansteigende Blechpartie zwischen Motorhaube und Windschutzscheibe war ein halbwegs modernes Element, das 1909/10 auftauchte.

Was aber ist das für ein „Oldtimer“, mit dem sich das junge Pärchen Anfang der 1920er Jahre hat ablichten lassen? Könnte das ein belgischer Minerva gewesen sein?

Werfen wir zum Vergleich einen Blick auf diesen Minerva von 1912, der einst in Berlin aufgenommen wurde (Bildbericht):

Minerva um 1912; Ausschnitt aus Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Auf den ersten Blick wirkt die Frontpartie mit der Kühlersilhouette folgender Kontur der Motorhaube ganz ähnlich. Doch hier verläuft die obere Einfassung des Kühlernetzes geradetypisch für Minerva und anders als auf dem Foto des fraglichen Wagens.

Wer unter meinen Lesern – mittlerweile über 4.000 pro Monat – nun an einen Lorraine-Dietrich denkt, beweist damit zwar ein hervorragendes Bildgedächtnis, doch auch hier zeigt der Vergleich, dass sich die Frontpartie im Detail unterscheidet.

Als Beispiel mag diese Aufnahme eines mächtigen Lorraine-Dietrich dienen, die ich vor einigen Jahren hier vorgestellt habe:

Lorraine-Dietrich um 1912; originale Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Der Kühlerausschnitt wirkt zwar wie bei dem eingangs gezeigten Wagen, doch folgt die Motorhaube auf ganzer Länge dem Profil des Kühlergehäuses. Zudem ist auf der Kühlerplakette eines Lorraine-Dietrich stets das „Croix de Lorraine“ zu erkennen.

Eine Umfrage in einer einschlägigen Facebook-Gruppe lieferte die Lösung. So handelt es sich bei dem Tourer, mit dem vor rund 100 Jahren unser Tennisspieler-Paar unterwegs war, um einen De Dion-Bouton Typ EJ4 von 1913/14.

Dieses Vierzylindermodell mit einem für die damalige Zeit kompakten 1,2 Liter-Motor wies keine großartigen Besonderheiten auf, scheint sich aber wie die meisten Typen der französischen Traditionsmarke gut verkauft zu haben – einige davon existieren noch.

Genau ein solches Fahrzeug haben wir hier:

De Dion-Bouton Typ EJ4 von 1913; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Foto stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1961 und wurde anlässlich einer Veteranenausfahrt in der Schweiz aufgenommen. Die Insassen haben sich um einen stilvollen Auftritt bemüht, doch kommt das Ergebnis nicht an das Original heran.

Das an Sherlock-Holmes erinnernde Outfit des Fahrers wirkt ein wenig wie eine Persiflage. Doch ist selbst das noch weit besser als das, was man hierzulande bisweilen bei Klassikern dieser Epoche zu sehen bekommt: Bleiches Gebein in kurzen Hosen und Baseballkappe auf dem Kopf bei den Herren, für solche Autos unangemessene „Freizeitkleidung“ bei den Begleiterinnen.

Wenn man wissen will, wie man es besser macht, besucht man am besten das jährliche Goodwood-Revival in Südengland – hoffen wir, dass es 2021 wieder stattfinden wird, wenn die in ihrer Undifferenziertheit maßlose Corona-Politik einer realistischen Sicht auf das Dasein und seine im historischen Vergleich überschaubaren Risiken gewichen ist.

Das ist eine der Botschaften der Aufnahmen von einst – oder auch dieser neuzeitlichen vom Goodwood Revival 2017, die daran erinnert, dass die Weltkriegsgeneration wirklich existenziellen Herausforderungen ausgesetzt waren und sich dennoch ihren unerschütterlichen Optimismus bewahrte, dass das Leben weitergehen muss – mit Stil

Goodwood Revival Meeting 2017; Bildrechte: Michael Schlenger

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Rasanz 2015: Automobile der Messingära in Aktion

Zu den wenigen Rallyes für Autos der Messingära – also Wagen bis etwa 1920 – hierzulande gehört die Kronprinz Wilhelm Rasanz am Niederrhein. Initiator ist Marcus Herfort, der mit den Classic Days auf Schloss Dyck Deutschlands wohl schönste Oldtimer-Party ins Leben gerufen hat.

Im Mai 2015 fand die Rasanz zum dritten Mal statt – mit gesteigerter Teilnehmerzahl und Wagen aus mehreren europäischen Ländern. Der Verfasser hatte das Vergnügen, als Gast mit von der Partie zu sein, und ließ sich in einem eindrucksvollen Cadillac 30 von 1912 chauffieren. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an die Besitzer!

© Cadillac 30 von 1912 bei der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Eins vorab: Wer ein über 100 Jahre altes Auto besitzt und bewegt, muss ein Enthusiast sein. So etwas hat man nicht, weil es gerade chic ist, einen Oldtimer zu fahren, oder weil man auf Spekulationsgewinne aus ist.

Den Freunden der Messingära geht es um die Sache, sie wollen diese urigen und doch leistungsfähigen Gefährte mit all‘ ihren Unzulänglichkeiten. Die Besitzer sind durchweg gestandene, sympathische Zeitgenossen. Sie sind so individuell wie ihre Fahrzeuge, verstehen sich aber untereinander blendend.

Die zweitägige Ausfahrt führte von Schloss Krickenbeck aus über meist ruhige Nebenstraßen und war trotz teils widrigen Wetters ein großartiges Erlebnis. Für den Zuschauer sind bereits Ankunft und Ausladen der Fahrzeuge eine spannende Sache – jeder Teilnehmer hat hier seine eigene Transportlösung.

© Impressionen von der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Wer einmal diese Zeugen aus der Frühzeit des Automobils in Aktion erlebt hat, versteht den Sinn solcher Veteranen-Rallyes: Es geht darum, sie der Öffentlichkeit als lebendige Boten aus einer untergegangenen Welt zu präsentieren und ihr Überleben zu sichern. Diese Fahrzeuge dürfen nicht nur in Museen ihr Dasein fristen, sie gehören auf die Straße.

Man vergisst oft, dass vor 100 Jahren die wesentlichen Bauteile des Automobils bereits erfunden waren. Jedoch wurden die Wagen noch in Handarbeit gefertigt, was mit einer Material- und Verarbeitungsqualität einhergeht, die heute unvorstellbar ist.

© Impressionen von der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Der ästhetische Genuss der Fahrzeuge als Produkte von Erfindergeist und Handwerkskunst ist das eine – mit ihnen bei Wind und Wetter fahren ist das andere. Wer einmal Gelegenheit dazu hatte, für den ist die Reise in einem über 100 Jahre alten Automobil ein alle Sinne forderndes Erlebnis.

Vielleicht gerade weil das Wetter bei der Rasanz 2015 nicht perfekt war, dürfte die Veranstaltung den Teilnehmern in Erinnerung bleiben. Denn genau so haben unsere Vorfahren diese Wagen im Alltag erlebt, waren stolz auf das Erreichte und nahmen Härten in Kauf, die in Zeiten klimatisierter Wagen mit Servolenkung und Einparkhilfe inakzeptabel wären.

© Impressionen von der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Die Bilder lassen erkennen, dass dies keine gemütliche Ausfahrt bei Sonnenschein war. Dem Sportsgeist der Teilnehmer tat das keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Das gemeinsam Erlebte, das reizvolle Programm und die ausgezeichnete Organisation durch das Veranstalter-Team wogen alle Unannehmlichkeiten auf.

Es bleibt zu hoffen, dass die Rasanz eine Neuauflage im Jahr 2016 erfährt oder eine ähnliche Veranstaltung am Niederrhein ihre Nachfolge antritt. Wer sich über die Rasanz informieren möchte, kann dies auf der Website „Anno 1907″ tun. Dort gibt es auch Filmmaterial der bisherigen Veranstaltungen.

Für die Freunde der analogen Fotografie hier noch ein paar Impressionen in schwarz-weiß (Kamera: Nikon FM).

© Impressionen von der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Rallye für Veteranen bis Baujahr 1905 in Frankreich

Die Vertreter der automobilen Frühzeit haben in Frankreich bis heute viele Freunde. Tatsächlich haben französische Marken wie De Dion, Panhard und Peugeot die Autoentwicklung bis zum 1. Weltkrieg maßgeblich vorangetrieben. Von wenigen Ausnahmen abgesehen waren die wesentlichen technischen Elemente des Automobils, wie wir es kennen, damals bereits erfunden.

Gleichzeitig waren die Fahrzeuge der Pionierzeit so individuell wie vermutlich nie wieder danach. Es war eine Zeit atemberaubenden Innovationstempos und eines heute kaum vorstellbaren Wettbewerbs zwischen Erfindern, Ingenieuren und Querköpfen.

© De Dion-Bouton von 1914 bei der Kronprinz Wilhelm Rasanz 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Automobile aus dieser untergegangenen Welt in Aktion zu erleben, ist stets ein besonderes Erlebnis, gerade weil niemand mehr eine persönliche Erinnerung an über 100 Jahre alte Fahrzeuge hat.

Wer entsprechende Veranstaltungen in Deutschland kennt – wie die Kronprinz Wilhelm Rasanz, stellt immer wieder fest, wie präsent dabei französische Fahrzeuge sind.

Die Erinnerung an die einheimischen Marken aus der Pionierzeit hält in Frankreich seit 1935 der Club „Les Teuf Teuf“ hoch. Im Oktober 2015 jährte sich zum 25. Mal die vom Club veranstaltete „Rallye des Ancetres“ für Fahrzeuge bis Baujahr 1905.

Ausgangspunkt war das Schloss von Compiègne nördlich von Paris. Von dort aus unternahmen die 42 teilnehmenden Fahrzeugen an zwei Tagen Ausfahrten mit bis zu 80km Länge.

Nur fünf der Fahrzeuge stammten nicht von französischen Herstellern, wobei ein Adler Vis-à-vis von 1901 hervorzuheben ist. Dieser wurde von einem britischen Enthusiasten gesteuert, wie überhaupt etliche englische Fahrer mit von der Partie waren. Aus Deutschland war nur ein Teilnehmer angereist, der einen in Coventry gebauten Swift von 1904 mitbrachte.

Nachfolgend die Liste aller gemeldeten Fahrzeuge mit Angabe des Besitzers.

Rallye_des_Ancetres_Teilnehmerliste_2015

Ein Großteil der Fahrzeuge ist im folgenden Video bei der Einfahrt in den Innenhof von Schloss Compiègne zu sehen. Besagter Adler fährt übrigens bei 1:42 min durch’s Bild:

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