Big in Japan: Ein Franklin „Six“ von 1930

Wer glaubt, dass wir heute einen Retro-Trip in die 1980er Jahre unternehmen – irgendwie mit einem Umweg in die Vorkriegszeit verknüpft – den muss ich enttäuschen.

Mancher wird zwar bei „Big in Japan“ an den gleichnamigen Hit der westdeutschen Popgruppe „Alphaville“ denken, die damals wie viele andere hiesige Musiker auch international geschätzt wurde – heute unvorstellbar – doch geht es um etwas anderes.

Dass wir am Ende doch bei einem musikalischen Phänomen landen werden, welches das Prädikat „Big in Japan“ verdient, ist nicht unbeabsichtigt.

Doch bevor wir die Reise ins Land der aufgehenden Sonne unternehmen, das in den Nachrichten komplett ausgeblendet wird (weil es von dort nicht gewisse Probleme zu berichten gibt, die sich der Westen selbst geschaffen hat) geht es nach Syracuse.

Nein, dies ist keiner meiner vielen Flüchtigkeitsfehler, die der fortgeschrittenen Stunde geschuldet sind, zu der ich meinen Blog fortschreibe – es ist nicht das antike Syracus bzw. das moderne Siracusa in Sizilien gemeint.

Wir begeben uns tatsächlich nach Syracuse im US-Bundesstaat New York, wo der Wagen einst gebaut wurde, den wir dann „Big in Japan“ sehen – also „Erfolgreich in Japan.“

In dieser für amerikanische Verhältnisse eher kleinen Großstadt war von 1902-1934 die Fertigung des erfolgreichsten US-Autos mit luftgekühltem Motor beheimatet. Die lange Geschichte dieser einzigartigen Marke will ich Ihnen ersparen.

Das Wichtigste lässt sich im Netz nachlesen – festzuhalten ist an dieser Stelle nur, dass die für ein amerikanisches Fabrikat schwach motorisierten Sechszylinderautos 1925 eine (funktionslose) Kühlerfront erhielten, die sie wie einen „normalen“ Wagen aussehen ließen.

Die Franklins erhielten dadurch ein beeindruckendes Aussehen, was eine gewisse Kompensation für die geringe Leistung darstellte, welche sich aus bauartbedingten Grenzen für die Zylinderbohrung ergab. Noch 1928 leistete ein Franklin nur 46 PS.

Doch 1929 gelang es, ein 60 PS starkes Aggregat zu installieren, was nun perfekt zu seinem Auftritt „Big in Japan“ passt:

Franklin, Modelljahr 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Darauf, dass diese Aufnahme in Fernost entstanden sein könnte, kommt man vielleicht nicht gleich. Kleine Indizien dafür liefern die Straßenlaternen und das eng geschnittene Kleid der Dame, die sich anschickt, in den Wagen auf der rechten Seite einzusteigen.

Wer weiß ich ob ich solche Feinheiten überhaupt bemerkt hätte, wenn nicht auf der Rückseite in deutscher (!) Sprache festgehalten worden wäre, dass es sich um eine Situation im japanischen Yokohama handelte.

Die zweitgrößte Stadt Japans war als schon damals bedeutendes Industrie- und Handelszentrum auch für westliche Geschäftsleute interessant.

Eine zeitgenössische Aufnahme dieser als Benten-Dori bekanntne Einlaufsmeile fndet sich hier – dort sieht man neben den markanten Straßenlaternen auch ein Automobil mit entsprechend gestaltetem Kennzeichen.

Wie nun der Franklin des Modelljahrs 1929 dorthin gekommen war, den wir uns zugewandt sehen, sei dahingestellt – vermutlich gehörte er nicht zu der Dame ganz links, da der Fahrer noch den Verschlag aufzuhalten scheint:

Angesichts der noch sehr begrenzten heimischen Autoproduktion – zu nennen ist vor allem Datsun (heute: Nissan) machten um 1930 vor allem US-Fabrikate das Rennen in Japan.

Wie „Big in Japan“ dabei Franklin war, dessen Produktion anno 1929 weniger als 20.000 Exemplare betrug (für US-Verhältnisse vernachlässigbar), muss offen bleiben. Vielleicht sehen wir hier den einzigen Franklin, der damals auf japanischen Straßen fuhr – wer weiß?

Damit endet unsere heutige Autotour, doch das Thema „Big in Japan“ soll am Ende doch noch eine unerwartete Wendung bekommen – nämlich in musikalischer Hinsicht. Zwar bin ich ein starrköpfiger Vertreter der Ansicht, dass die letzten 500 Jahre mehr Großartiges in dieser Hinsicht bieten als unsere kleine Gegenwart.

Doch registriere ich gewisse Leistungen auf diesem Sektor durchaus mit Wohlwollen, auch wenn sie es nicht mit Monteverdis „Orfeo“ oder Streichquartetten von Schubert aufnehmen können. Von zeitgenössischer Musik habe ich eigentlich keine Ahnung, doch bilde ich mir ein, dass ich handwerkliche und kompositorische Qualität zeitübergreifend erkenne.

Ein Beispiel dafür stellen die japanischen Damen vom Ensemble Tokyo Groove Jyoshi dar, welche nicht nur in ihrer Heimat „Big“ sind, sondern von Kennern weltweit ob ihres phänomenalen Könnens geschätzt und bewundert werden.

Und nein: Sie kopieren nicht einfach nur, sie verstehen diese eigentlich im Westen verwurzelte Musik vollkommen und interpretieren diese perfekt auf eigene Weise.

Ausgewählt habe ich ein Stück, das stilistisch gut zur Vorkriegszeit passt. Doch wenn sie einmal selber schauen, werden sie feststellen, dass diese adretten Damen (und speziell Juna Serita) auch in den Metiers Funk und Groove es mit sämtlichen Könnern aufnehmen:

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.