Großer Auftritt vor dem Abtritt: Rex-Simplex um 1920

Die frühe Automobilproduktion der Firma Friedrich Hering (später Richard & Hering) im thüringischen Ronneburg ist einigermaßen gut dokumentiert.

Nach den bis ins Jahr 1902 zurückgehenden Anfängen mit Nachbauten führender französischer Modelle wie DeDion-Bouton (von dort bezog man zunächst auch die Motoren) ging man ab 1907 zu Eigenentwicklungen über.

Ab 1912 baute man einen 10/30 PS-Typ (zunächst wohl 10/28 PS). Daneben gab es ein 17/40 PS-Modell und eines mit Spezifikation 22/50 PS.

Nach dem 1. Weltkrieg baute man offenbar nur den kleineren 10/30 PS-Typ kurze Zeit weiter. Ich vermute, dass wir ein solches Exemplar auf dem folgenden Foto sehen:

Rex-Simplex Typ 10/30 PS um 1920; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Neben dieser Aufnahme aus dem Fundus von Leser Klaas Dierks sind inzwischen weitere Fotos aufgetaucht, die ganz ähnliche Spitzkühlermodelle von Rex-Simplex zeigen.

Diese sind allerdings – bei grundsätzlich ähnlicher Gestaltung durchgängig größer dimensioniert.

Sie verfügten im Unterschied zu obigem Exemplar über einen oben stärker abgeflachten Kühler und ein größeres Kühlernetz:

Rex-Simplex, Typ 17/40 PS um 1920 oder 12/40 PS ab 1921; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch der größere Radstand und die gepfeilte Windschutzscheibe sprechen für ein anderes Modell – aber welches?

Auch wenn es in der Literatur nicht ausdrücklich erwähnt wird, könnte ich mir vorstellen, dass Rex-Simplex Wagen während der nur kurz währenden Episode nach dem 1. Weltkrieg auch in der Vorkriegsmotorisierung 17/40 PS weitergebaut wurden.

Eine Alternative wird in der Literatur genannt: So übernahm ab 1921 die Berliner Elitewagen AG die Automobilproduktion von Richard & Hering und baute für kurze Zeit unter dem alten Markennamen Rex-Simplex ein von Elite 1919 herausgebrachtes 12/40 PS-Modell.

In der Literatur finden sich kaum Bildbelege dafür, doch nach dem vorherigen Foto hat sich zwischenzeitlich eine weitere Aufnahme eines identisch gestalteten Rex-Simplex materialisiert:

Rex-Simplex, Typ 17/40 PS um 1920 oder 12/40 PS ab 1921; Originalfoto aus Sammlung Jason Palmer (Australien)

Um die Verwirrung noch zu vergößern, hat jüngst Leser Matthias Schmidt ein Dokument aus seinem Bestand beigesteuert, das einen noch größeren Rex-Simplex zu zeigen scheint.

Allerdings könnte der Eindruck trügen und lediglich das höher bauende Passagierabteil in Verbindung mit der senkrecht aufragenden Frontscheibe auf ein größeres Fahrzeug schließen lassen.

Sollte der Eindruck indessen nicht trügen, hätte dieses Exemplar dann den erwähnten 50 PS-Motor aus der Vorkriegszeit oder das gleichstarke, aber etwas kleinere Aggregat der Elitewerke aus der frühen Nachkriegszeit besitzen können:

Rex-Simplex, evtl. Typ 22/48 PS um 1920 oder 15/50 PS ab 1921; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Wie dem auch sei – für den großen Auftritt vor dem Abritt der Marke Rex-Simplex wäre dieses eindrucksvoll dimensionierte Fahrzeug zweifellos gut geeignet gewesen.

Jedenfalls bot es offenbar gleich einer ganzen Bande von Männern Raum oder zumindest Platz zum Posieren. Was Anlass der Aufnahme und Zweck der Fahrt mit dem Rex-Simplex gewesen sein mag, muss offenbleiben.

Auch verschone ich meine Leser dieses Mal mit Ausführungen zu nicht-automobilen Aspekten wie Kleidungsstil, vermuteten Charakterzügen oder Verwandschaftsverhältnissen.

In der Hinsicht scheint diese Aufnahme nämlich nicht so ergiebig zu sein wie andere Beispiele, auf denen es abwechslungsreicher zugeht.

Doch wer ausgerechnet an solchen Abschweifungen und den damit verbundenen Spekulationen Gefallen findet (wie ich), kommt bald wieder auf seine Kosten, versprochen!

Für heute müssen wir uns aber mit dem Studium des Wagens begnügen – vielleicht hat ja jemand noch genauere Informationen zu den Rex-Simplex-Typen aus der kurzen Nachkriegsepisode zur Hand…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Einfach königlich: Noch ein „Rex Simplex“ um 1920!

Es gibt in unseren Tagen vieles, was Kulturpessimisten wie mir Anlass dazu gibt, die westliche Welt auf dem absteigenden Ast zu wähnen.

Ich sehe in der Breite nicht mehr den technischen und naturwissenschaftlichen Vorwärtsdrang, der im 19. und 20. Jahrhundert trotz verheerender Kriege letztlich einen Massenwohlstand schuf, der historisch einzigartig ist.

Der Staatsmann Bismarck soll gesagt haben: „Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt.“

Man muss nur Kunstgeschichte durch „Genderwissenschaften“ ersetzen, um diesem Zitat Aktualität verleihen.

Wenn wir Glück haben, umfasst unsere Lebensspanne bloß die der dritten Generation, die mit dem in der Nachkriegszeit geschaffenen Vermögen allzuoft Pseudowissenschaften studiert.

Phänomenale Fortschritte dank unkonventionellen Denkens gepaart mit gesundem Erwerbsstreben sieht man fast nur noch im Bereich der Informationstechnologie – in dem das alte Europa von wenigen Ausnahmen abgesehen bedeutungslos ist.

Diese Technologie des 21. Jahrhunderts, die in den USA marktfähig gemacht wurde und ansonsten nur von den Chinesen wirklich beherrscht wird, hat bei aller Skepsis in einer Hinsicht zu einem nie dagewesenen Durchbruch geführt:

Jedermann kann sich heute beinahe kostenlos und quasi in Echtzeit mit jeder anderen Person auf dem Planeten zu den speziellsten Fragestellungen austauschen – und damit einen denkbar großen Pool an Wissen und Ideen anzapfen.

Wer einer „ernsten“ Sammelleidenschaft frönt oder für irgendein Herzensprojekt recherchiert, stellt irgendwann fest, dass es „da draußen“ jede Menge Gleichgesinnte gibt, mit denen man noch vor einem Vierteljahrhundert kaum in Kontakt gekommen wäre.

Genug der Vorrede – treten wir den Beweis für meine These an, dass wir zumindest in Sachen privater Kommunikation in der besten aller Welten leben, „einfach königlich“!

Als Ausgangspunkt dient dazu diese Aufnahme eines Rex Simplex, der kurz nach dem 1. Weltkrieg entstand:

Rex-Simplex, 30 oder 40 PS-Modell um 1920; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser nach 1918 vom Automobilwerk Richard & Hering im thüringischen Ronneburg gebaute Tourer mit zeittypischem Spitzkühler fristete lange in der einschlägigen Literatur ein Schattendasein.

Bisweilen wurde behauptet, nach dem 1. Weltkrieg seien gar keine solchen Rex Simplex-Wagen mehr entstanden. Andernorts findet man die Feststellung, dass unter dem Markennamen Konstruktionen der Elite-Diamant-Werke vertrieben wurden, die das Werk übernommen hatten. Nur vereinzelt gibt es Hinweise darauf, dass noch kurze Zeit nach Kriegsende auf Vorkriegsmodellen basierende Rex Simplex-Wagen entstanden.

Inzwischen sind mir jedoch mehrere Aufnahmen ähnlicher Nachkriegs-Tourer von Rex Simplex untergekommen. So selten scheinen diese Wagen also nicht gewesen sein, es hat sich bloß keiner bemüht, nach entsprechenden Dokumenten Ausschau zu halten.

Neben den bereits vorgestellten Exemplaren (siehe hier) kann ich nun ein weiteres präsentieren und das aus einer Quelle in Australien, was zunächst überraschen mag.

Doch Freunde untergegangener deutscher Vorkriegsmarken wie etwa Stoewer wissen, dass der Kontinent „down under“ beinahe unerschöpflich ist, was überlebende Exemplare angeht – seien es welche aus Blech im Maßstab 1: 1, sei es auf historischen Fotos.

Tatsächlich gibt es zahlreiche australische Enthusiasten, die nicht nur seltene Fahrzeuge europäischer Provenienz besitzen, sondern auch umfangreiche Archive an Dokumenten dazu pflegen und sich bei raren Fabrikaten hervorragend auskennen.

Mit einem dieser Spezialisten aus Australien – Jason Palmer – stehe ich dank globaler Kommunikationsplattformen wie Facebook seit einigen Jahren in Kontakt und wir tauschen uns über exotische Fahrzeuge aus alten Zeiten aus, die uns beide interessieren.

Jason Palmer kann aus seiner australischen Heimat präzise nachverfolgen, was ich hier in Deutschland in Sachen Vorkriegsautos online treibe und hat mir immer wieder Dokumente aus seiner Sammlung zur Verfügung gestellt, wenn diese das Bild ergänzen helfen.

Und siehe da, auch ihm ist bei der Recherche nach ungewöhnlichen Wagen europäischer Hersteller irgendwann ein altes Foto eines Rex Simplex ins Netz gegangen – ein nahezu perfektes Spiegelbild zu meiner oben gezeigten Aufnahme:

Rex-Simplex, 30 oder 40 PS-Modell um 1920; Originalfoto aus Sammlung Jason Palmer (Australien)

Alles Wesentliche stimmt hier überein – gleichzeitig verraten einige Details, das es sich nicht lediglich um ein Foto desselben Wagens aus anderer Perspektive handelt:

Das Nummernschild weicht ab, die Ausführung der Scheinwerfer unterscheidet sich, außerdem fehlt hier der Fahrtrichtungsanzeiger an der Frontscheibe.

Solche Abweichungen liegen völlig im Rahmen der damals üblichen Unterschiede innerhalb der Serie – es gibt ansonsten keinen Anlass zum Zweifel daran, dass es sich um dasselbe Modell handelt.

Um das Ganze abzurunden, lässt sich mit ein paar Handgriffen eine kolorierte Fassung dieses Autos zaubern – kostenlos und mit (meist) brauchbarem Ergebnis:

Auch im Hinblick auf solche Software kommt am zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit verlierenden Standort Deutschland nichts „aus dem Auspuff“.

Trotz des ernüchternden Befundes finde ich die uns Klassikerfreunden heute verfügbaren Möglichkeiten in Anlehnung an den Markennamen dieses Wagens „einfach königlich“…

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Hochzeitstag, darauf ein Bier! Der letzte „Rex-Simplex“

Mit den Wagen der Marke Rex-Simplex, die ab 1902 im thüringischen Gera bzw. Ronneburg vom Automobilwerk Richard & Hering gebaut wurden, habe ich mich in diesem Blog überhaupt erst zweimal befasst, zuletzt hier.

Auf die beachtlichen Mittel- und Oberklassewagen-, die bis zum 1. Weltkrieg entstanden, folgte ab 1918 keine nennenswerte Produktion mehr – so die Standardliteratur.

In Heinrich von Fersens Abhandlung „Autos in Deutschland 1885-1920“ von 1965 hieß es sogar, dass nach Kriegsende gar keine Automobile unter der Marke Rex-Simplex entstanden. Dass dies nicht stimmt, wird zwar in der jüngeren Literatur zugestanden, aber es finden sich kaum genaue Angaben dazu.

Rex-Simplex baute mindestens über das Jahr 1914 hinaus noch PKW, das geht allein schon aus der folgenden Reklame aus meiner Sammlung hervor:

Rex-Simplex Reklame zwischen 1914 und 1920; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Alle mir aus der Literatur bekannten Aufnahmen von Rex-Simplex-Wagen zeigen Fahrzeuge mit Flachkühlern, während hier ein Tourenwagen mit Spitzkühler zu sehen ist. Vor 1914 ist diese Reklame mit Sicherheit nicht entstanden, eher später.

Vom Stil des Aufbaus und der Grafik kommt hier der Zeitraum von Anfang des 1. Weltkriegs bis 1920 in Frage.

Die Zeichnung des Wagens entstand im Atelier des begabten Künstlers und passionierten Kraftfahrers Ernst Neumann-Neander, dessen Signet mit der stilisierten Eule in der rechten unteren Ecke zu sehen ist.

Die Kühlerpartie könnte mit einiger künstlerischen Freiheit gestaltet worden sein, doch der Aufbau entspricht genau den markanten Entwürfen, mit denen Neumann-Neander damals stilbildend wurde.

Bleibt die Frage, ob sich auch Fotos finden, die solch mutmaßlich nach 1914 entstandene Spitzkühlerwagen der Marke von Rex-Simplex zeigen. In der Literatur herrschte diesbezüglich lange weitgehend Fehlanzeige.

Doch heute kann ich gleich zwei Aufnahmen zeigen, die genau solche späten Rex-Simplex-Wagen zeigen. Den Anfang macht dieses Foto aus der Sammlung von Leser Klaas Dierks:

Rex-Simplex 30 oder 40 PS-Wagen; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Dieses Foto voller Leben entstand anlässlich einer Hochzeit in Gera und ich sehe darauf nichts, das nicht zu einer Entstehung um 1920 passen würde – vor dem 1. Weltkrieg ist die Aufnahme sicherlich nicht entstanden.

Theoretisch könnte das Auto selbst – dessen Marke deutlich auf dem Spitzkühler zu erkennen ist – noch 1914 gebaut worden sein. Ich halte aber angesichts des Fehlens entsprechender Abbildungen in der Literatur eine spätere Bauzeit für wahrscheinlicher.

Tatsächlich gibt es eine Aufnahme, die auf 1920 datiert ist und den Ausstellungsstand von Rex-Simplex in Berlin mit zwei Fahrzeugen mit entsprechenden Spitzkühlern zeigt. Dieses Foto findet sich in „Autoland Thüringen“ von Horst Ihling (2002) auf Seite 47.

Der Rex-Simplex auf dem Foto aus dem Fundus von Klaas Dierks ist daher mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls der kaum dokumentierten frühen Nachkriegsproduktion der Marke zuzuordnen.

Wer über die Neuauflage des Klassikers „Deutsche Autos 1920-1945“ von Werner Oswald (2019) verfügt, findet dort ein weiteres Foto eines sehr ähnlichen Wagens.

Diese Aufnahme stammt aus meiner Sammlung und ist eine von zahlreichen, die ich dem Motorbuch-Verlag für die Neuauflage zur Verfügung gestellt habe (an den zahlreichen redaktionellen Schnitzern in dem Werk bin ich indessen unschuldig):

Rex-Simplex 30 oder 40 PS-Wagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Fast könnte man meinen, man habe es hier mit Resten der obigen Hochzeitsgesellschaft zu tun, die sich hier etwas abseits von den anstrengenden Festivitäten erholt. Hier ist jedenfalls unübersehbar das Motto „Darauf ein Bier!“.

Doch während der Markenschriftzug auf dem Kühler identisch ist, unterscheiden sich die Wagen in einigen Details. So sind hier wesentlich größere vernickelte Scheinwerfer montiert, und die geneigte, mittig unterteilte und gepfeilte Frontscheibe lässt das zweite Auto sportlicher wirken.

Ich möchte nicht ausschließen, dass wir es auch mit zwei unterschiedlichen Motorisierungen zu tun haben. Die Angaben dazu sind freilich (das gilt schon für die Vorkriegsversionen) einigermaßen verwirrend.

Mein Eindruck ist der, dass nach dem 1. Weltkrieg zwei Rex-Simplex-Modelle mit modernem Spitzkühler weitergebaut wurden, die zuvor 28 bzw. 38 PS leisteten. Sie könnten nach Kriegsende noch eine Weile mit 30 bzw. 40 PS angeboten worden sein.

So unsicher diese Zuschreibung auch ist, haben wir es in beiden Fällen mit Dokumenten zu tun, die das Bild der Marke Rex-Simplex vervollständigen helfen, welche 1921 im Zuge der Übernahme des Ronneburger Werks durch den „Elite“-Konzern aus der Geschichte verschwand.

Auf den heute vorgestellten Fotos gibt sich Rex-Simplex ein letztes Stelldichein, was „Darauf ein Bier“ absolut rechtfertigt. Ich selbst zelebriere den Anlass mit einem Glas Sekt, was mir im Fall eines solchen großzügigen Qualitätswagens noch angemessener erscheint.

Übrigens habe ich noch eine ganze Reihe von Dokumenten zu früheren „Rex-Simplex“-Automobilen in petto, die ich ebenfalls nach und nach vorstellen will. Wer sich speziell für diese Marke interessiert, kann diese aber schon vorher bei mir anfordern.

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Eines Königs würdig: Rex Simplex 17/38 PS von 1914

Mit den ausgezeichneten Wagen der Marke Rex-Simplex habe ich mich bislang erst einmal beschäftigt (hier).

Gefertigt wurden sie von einem thüringischen Hersteller, der zunächst als „Friedrich Hering“ in Gera firmierte, ab 1904 dann als „Hering & Richard“ im nahegelegenen Ronneburg.

Nachdem man zunächst wie viele andere deutsche Autobauer französische Fabrikate in Lizenz hergestellt hatte, bot das Unternehmen ab 1907 selbstkonstruierte Wagen an, die rasch einen sehr guten Ruf erlangten.

Kurz vor dem 1. Weltkrieg umfasste das Programm das bereits vorgestellte 10/28 PS-Modell und einen 17/38 PS-Typ mit mächtigem 4,3 Liter-Vierzylinder. Das folgende Foto aus meiner Sammlung zeigt mit hoher Wahrscheinlichkeit einen solchen Giganten:

Rex-Simplex 17/38 PS; Postkarte von Januar 1915 aus Sammlung Michael Schlenger

Erhalten hat sich diese Aufnahme auf einer Postkarte von Januar 1915, also aus der Frühphase des 1. Weltkriegs.

Wie komme ich nun auf die Ansprache als Rex-Simplex 17/38 PS?

Nun, am Hersteller kann es keinen Zweifel geben, auch wenn das Emblem nur unscharf wiedergegeben ist. Das war auch beim bereits präsentierten 10/28 PS-Typ von ca. 1911 der Fall, doch dort war der Markenname im Original lesbar – im übrigen stimmen die beiden Embleme überein:

Einen Datierungshinweis geben uns die elektrischen Positionsleuchten im Windlauf vor der Frontscheibe sowie die gerade Linienführung von Motorhaube und Windlauf.

Beides taucht bei deutschen Automobilen meines Wissens ca. 1913/14 auf. Daher können wir ein drittes Modell von Rex-Simplex aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg ausschließen, den Typ 25/50 PS – dieser wurde nämlich nur von 1910-12 gebaut.

In der Literatur konnte ich nur eine Abbildung eines Rex-Simplex mit derartig moderner Linienführung aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg finden, und zwar den 10/28 PS von 1914.

Dennoch meine ich, dass es sich bei dem Wagen auf dem heute vorgestellten Foto um das weiter oben angesiedelte und wesentlich größere Modell 17/38 PS handelt.

Schon die Proportionen des Vorderwagens lassen vermuten, dass wir es hier nicht mit einem gewöhnlichen Mittelklassewagen zu tun haben:

Interessant ist hier übrigens das Nebeneinander von elektrischen und petroleum-betriebenen Positionslampen.

Die Frontscheibe ist nach vorne geklappt, vermutlich um ungewollte Spiegelungen bei der Aufnahme zu vermeiden. In Reichweite des Fahrers sieht man den Ball der Hupe sowie die außenliegenden Hebel von Handbremse (vorn) und Gangschaltung (hinten).

Zwei mit Nägeln versehene, auf Felgen aufgezogene Reservereifen stehen als Ersatz bereit und können dank der abnehmbaren Felgen rasch montiert werden. Der helle Farbton lässt vermuten, dass sie älteren Datums sind und aus einer Zeit stammen, in der man dem Reifengummi noch keinen Ruß zur Verbesserung der Haltbarkeit beimischte.

Den rechten Vorderkotflügel scheint man am Ende provisorisch repariert zu haben, da offenbar ein dünneres Blech von oben angebracht wurde – eventuell handelt es sich auch um einen improvisierten Schmutzfänger.

Ein weiteres Indiz dafür, dass wir hier eher einen 17/38 PS-Typ als das 10/28 PS-Modell vor uns haben, liefert der Radstand, der bei der stärkeren Version fast 30 cm länger war:

Von den gesamten Proportionen her scheint mir dies jedenfalls ein wesentlich größeres Fahrzeug zu sein als der auf alten Fotos eher kompakt wirkende Typ 10/28 PS.

Nicht unerwähnt bleiben soll bei diesem Bildausschnitt der kleine Hund, der es sich hinten im Verdeck gemütlich gemacht hat und sich schon auf die nächste Ausfahrt zu freuen scheint.

Man kann sich gut vorstellen, dass er ebenfalls auf den Namen „Rex“ hörte, was perfekt zu dem eindrucksvollen Automobil passen würde, das wahrhaft eines Königs würdig war, nicht nur eines gleichnamigen Vierbeiners. Sein Herrchen dürfte ein ziemlich „hohes Tier“ beim deutschen Militär gewesen sein.

Sachkundige Leser werden sicher anhand der zahlreichen Beschriftungen auf Kühler und Karosserie etwas zu der Einheit sagen können, bei der diese schöne Rex-Simplex einst diente (bitte Kommentarfunktion nutzen, damit alle etwas davon haben).

Inzwischen haben sich einige weitere Originalfotos von Rex-Simplex-Wagen eingefunden, teils aus meinem eigenen Fundus, teils von Lesern dieses Blogs beigesteuert.

Darauf sind weit ältere Fahrzeuge der Marke abgebildet, aber auch Exemplare aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, von deren Existenz bis vor einiger Zeit nichts bekannt war.

Ein Wiedersehen mit weiteren Modellen dieser interessanten und leider weitgehend vergessenen Marke ist also sicher!

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„Frontimprovisation“: Ein Rex-Simplex 10 PS-Modell

Der Begriff „Frontimprovisation“ in diesem Blog-Eintrag ist bewusst doppeldeutig angelegt. Vermutlich klingt er für manche Leser ähnlich geheimnisvoll wie der Name der Marke, um die es heute geht: Rex-Simplex.

Es handelt sich um einen der zahlreichen deutschen Hersteller der Frühzeit, die längst in Vergessenheit geraten sind, doch einst beachtliche Bekanntheit genossen.

Der Ursprung der Marke liegt wie so oft in einer Fahrradproduktion – die im vorliegenden Fall 1888 von Friedrich Hering im thüringischen Gera gegründet wurde.

Zeittypisch ist auch, dass man die ersten tastenden Schritte im Automobilbau (ab 1902) in Anlehnung an die damals führenden französischen Konstruktionen unternahm und Motoren von De Dion-Bouton verbaute.

Die ersten nach dem Firmenumzug nach Ronneburg gebauten Typen wurden als Rex-Motorwagen vertrieben, später mit dem Zusatz „Simplex“, mit dem bereits die Daimler Motoren-Gesellschaft ihren legendären Mercedes-Wagen bezeichnete.

Die in Teilen der Literatur zu findende „Übersetzung“ von Rex Simplex als „König der Einfachheit“ ist bereits mit Schullatein als abwegig erkennbar. Vorrangig ging es um einen wohlklingenden Markennamen mit hohem Wiedererkennungswert.

Beflügelt vom Verkaufserfolg begann das mittlerweile als „Automobilwerk Hering & Richard“ firmierende Unternehmen ab 1908 selbstentwickelte Motoren zu montieren.

Rex-Simplex Originalreklame von ca. 1908 aus Sammlung Michael Schlenger

Binnen weniger Jahre arbeitete man sich in die obere Mittelklasse vor. Diesem Segment gehört auch der Rex-Simplex an, den ich heute als ersten einer ganzen Reihe von Typen vorstellen möchte, von denen mir zeitgenössische Fotos vorliegen:

Rex-Simplex 10 PS-Modell; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme ist auf einer Feldpostkarte von Mai 1916 erhalten geblieben. Auf einen Blick wird auch klar, was hier unter „Frontimprovisation“ zu verstehen ist:

Die ab Werk verbaute Frontscheibe war offenbar zerstört worden – vielleicht war sie auch für zu niedrig befunden worden.

Jedenfalls haben hier handwerklich versierte Soldaten eine größere, zweigeteilte und teilweise ausstellbare Scheibe fabriziert, die vermutlich in einen Holzrahmen  eingesetzt war, der wiederum an den ursprünglichen Montagepunkten fixiert war.

Die höhere Ausführung dürfte den Vorteil gehabt haben, dass bei schneller Fahrt auch die rückwärtigen Passagiere vor Luftzug geschützt waren.

Es wirkt aber noch etwas anderes improvisiert an der Front dieses Rex-Simplex, dessen typisches Markenemblem hier leider nur schemenhaft zu erkennen ist:

Der Windlauf – also die Blechpartie zwischen Motorhaube und Frontscheibe – wirkt wie nachträglich aufgesetzt – jedenfalls besteht keine harmonische Verbindung mit dem Vorderwagen.

Dies ist aber tatsächlich eine werksseitige Lösung, wie sie ab 1909/10 bei deutschen Automobilen vorübergehend zu finden ist.

Während französische und britische Hersteller bis zum 1. Weltkrieg an dieser Gestaltungsweise festhielten, findet man bei Wagen im deutschsprachigen Raum ab 1912 fast durchweg einen harmonisch gestalteten Übergang von (nunmehr leicht ansteigender) Motorhaube und daran anschließenden Windlauf.

Als Beispiel dafür mag folgender Opel 6/16 PS Tourer dienen, den ich vor längerem hier besprochen habe:

Opel 6/16 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vor diesem Hintergrund würde ich den Rex-Simplex auf dem heute vorgestellten Foto auf 1910/11 datieren. Ab 1912 findet man eigentlich nur noch die Gestaltung von Windlauf und Haubenpartie wie beim obigen Opel.

Doch zusammen mit dem Foto des Rex-Simplex auf der Feldpostkarte war die Information überliefert, dass es sich um das Modell 10/28 PS handele.

Dieses wurde aber erst 1912-14 gebaut. Eine Aufnahme in der Literatur (H. von Fersen, Autos in Deutschland 1885-1920) zeigt einen solchen Rex-Simplex 10/28 PS von 1914, der die damals übliche durchgehende Linie von Motorhaube und Windlauf besitzt.

Da es sich dabei laut Gränz/Kirchberg (Ahnen unserer Autos) (um die leistungsgesteigerte Version des Typs 10/20 PS von 1910 handelt, könnte ich mir vorstellen, dass im Jahr 1912 nicht nur die leistungsgesteigerte Ausführung des 10 PS-Typs eingeführt wurde, sondern auch die modernisierte Frontpartie.

Unser Rex-Simplex könnte die Nahtstelle dieses Umbruchs repräsentieren, in der sich gestalterisch wie leistungsseitig einiges tat im deutschen Automobilbau.

Ob nun 10/20 PS von 1910-11 oder 10/28 PS von 1912 – dieser Rex-Simplex gehörte den Dimensionen nach zu urteilen auf jeden Fall der gehobenen Mittelklasse an:

Das Platzangebot, das diese beiden Soldaten auf der Rückbank genossen, spricht  für einen beträchtlichen Radstand. Auch Größe der Räder und Zahl der Speichen (12) passt passen zu einem sehr ordentlich motorisierten Wagen jener Zeit.

Trotz der mangelhaften Qualität der über 100 Jahre alten, aus der Bewegung heraus entstandenen Aufnahme ist dies damit ein eindrucksvolles Dokument der Klasse, in der die Marke Rex-Simplex einst angesiedelt war.

Anhand weiterer, erheblich besserer Aufnahmen späterer Modelle werde ich dieses hier noch ein wenig „improvisierte“ Bild nach und nach untermauern…

© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.