Seiner Linie treu: MAF Zweisitzer 1908-1914

Nach (zu) langer Pause ist heute wieder einmal die Marke MAF aus Markranstädt bei Leipzig an der Reihe.

Sie entstand nach dem Ausscheiden von Hugo Ruppe aus dem väterlichen Betrieb Ruppe & Sohn in Apolda, wo er das Modell „Piccolo“ mit luftgekühltem Motor konstruiert hatte und wo später die bekannten „Apollo“-Wagen nach Entwurf von Karl Slevogt entstanden.

Hugo Ruppe blieb seiner Linie treu und entwarf 1908 für seine neue Automobilfabrik eine Reihe von Kleinwagen mit luftgekühlten Vierzylindermotoren, hauptsächlich in der Hubraumklasse zwischen 1,2 und 1,8 Litern.

Auf die Vielfalt der Motorisierungen, die laufende Leistungssteigungen bei ähnlicher Grundkonstruktion widerspiegelt, will ich mich nicht einlassen. Man sah einem MAF wohl kaum an, was genau sich unter seiner Motorhaube und hinter der Kühlerattrappe verbarg.

Mich interessiert bei diesen frühen MAF-Wagen vor dem 1. Weltkrieg (die Marke existierte bis 1921, als sie von Apollo übernommen wurde) etwas ganz anderes.

Hugo Ruppe blieb nämlich zumindest bei der Zweisitzerversion seiner Automobile auch äußerlich seiner Linie erstaunlich treu, wenngleich das Erscheinungsbild der allgemeinen Tendenz am deutschen Markt folgend behutsam modernisiert wurde.

Dies lässt sich sehr schön anhand der Fotos dokumentieren, die ich nachfolgend zusammengestellt habe. Den Anfang macht dieser ganz frühe Zweisitzer:

MAF Zweisitzer von 1908/09; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Fahrzeug habe ich schon einmal ausführlich besprochen, es handelt sich sehr wahrscheinlich um eines der von Hugo Ruppe neu konstruierten Modelle aus dem ersten Jahr 1908, spätestens aber 1909.

Die Grundform dieses Zweisitzers sollte in den folgenden Jahren bis 1914 im wesentlichen die gleiche bleiben.

Wir halten fest: nach hinten ansteigender Karosseriekörper, vor der Hinterachse endender Innenraum, schwingenartige Vorderkotflügel und damit korrespondierender Aufschwung des Hinterkotflügels, entsprechend kurzes Trittbrett, insgesamt sehr reduzierter Aufbau.

Dieses sportliche Erscheinungsbild findet man ab 1910 wieder, auch wenn nun die damals obligatorisch werdende „Windkappe“ zu sehen ist, welche die Luft ab der Motorhaube nach oben lenkt:

MAF Zweisitzer von 1910; Originalfoto: Sammlung Stefan Rothe (Berlin)

Denkt man sich den noch wie aufgesetzt wirkenden „Windlauf“ weg, hat man es praktisch mit derselben Konstruktion zu tun, nur dass man jetzt auch die damals runde MAF-Kühlerattrappe erkennen kann.

Dieses Foto veranschaulicht wieder einmal die gestalterische Zäsur, welche mit der Übernahme des Windlaufs aus dem Sport (dort ab 1907/08 gebräuchlich) bei Automobilen aus dem deutschen Sprachraum einherging.

Im nächsten Schritt wurde der Windlauf harmonisch an die Haube angepasst – damit war ein großer Schritt weg von der Kutsche mit davorgesetztem Motor hin zum Auto mit eigenständig gestalteter Frontpartie getan.

Mit einem Mal erkennt man etwas, was bis heute prinzipiell unverändert geblieben ist. Schauen Sie einfach einmal bei Ihrem Wagen nach, auch er sollte vor der Frontscheibe noch einen Windlauf haben, wenngleich viel kürzer als hier:

MAF Zweisitzer um 1912; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Erstaunlich, was die überarbeitete Frontpartie ausmacht, nicht wahr? Aber davon abgesehen ist auch dieser MAF-Zweisitzer von ca. 1912 ganz seiner Linie treu geblieben.

Aufmerksame Betrachter werden dennoch einige weitere Nuancen bemerken:

Die Kotflügel sind zwar nach wie vor so elegant geschwungen wie zuvor, doch der vordere schließt jetzt direkt ans das Trittbrett an. Zudem ist der Aufbau jetzt aus einem Guss geformt und die zuvor gerundete Motorhaube ist stärker konturiert.

Der sportlich-leichte Stil als solcher ist aber erhalten geblieben, wenngleich der Rahmen hinten nun etwas massiver ausgeführt zu sein scheint – das mag der gestiegenen Leistung geschuldet sein.

Übrigens ließ sich so ein MAF-Zweisitzer durchaus flott bewegen – je nach Motor waren 70m/h Spitze erreichbar – das machen Sie einmal mit so einem filigranen Auto und dieser hohen Sitzposition, das dürfte Ihnen halsbrecherisch vorkommen!

Der Motorenklang dürfte sein übriges dazu getan haben, dass man sich in solch einem MAF beinahe wie ein Rennfahrer vorkam. Möglicherweise war es die Geräuschentwicklung, welche der adretten Dame im nachfolgend abgebildeten Zweisitzer MISSfiel:

MAF-Zweisitzer von 1913/14; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man meint zu wissen, was die junge Dame mit der feschen Lederkappe gerade dachte: „Eine gute Partie ist er schon, mein August, und liebt mich von Herzen, was will man mehr. Dass er meine Mitgift in ein Automobil investiert hat, war auch ausgemacht – er braucht den Wagen ja als Landarzt. Aber musste es denn so ein lärmiger MAF sein? Ich hätte ihm ja zum Opel-Doktorwagen geraten, aber so sind die Männer…“

Nun, unser Mitleid hält sich mit der Dame aus gutem Hause in Grenzen, denn als Automobilistin gehörte sie auf jeden Fall zu den oberen Zehntausend im Deutschen Reich.

1913 oder 1914 dürfte dieses schöne Dokument entstanden sein, und es ist damit das letzte in der heutigen Reihe.

Erkennen Sie in dieser letzten Variante noch den MAF-Zweisitzer von 1908/09 wieder? Ich meine schon, dass es sich im Kern um dieselbe Konstruktion handelt. Bloß die andersartige Kühlerattrappe irritiert auf den ersten Blick.

Mir scheint es eine Version zu sein, die sich an den kurz vor dem 1. Weltkrieg aufkommenden Spitz- oder Schnabelkühlern orientierte. Ob dies eine von MAF selbst angebotene Variante oder ein Teil aus dem damals bereits blühenden Zubehörhandel war, sei dahingestellt.

Eine Modifikation dürfte auch das am Heck angebrachte Gepäckabteil darstellen. Eine genaue Entsprechung habe ich zwar noch nicht gefunden, dennoch bin ich sicher, dass wir es auch hier mit einem der leichten MAF-Zweisitzer zu tun haben, die etliche Jahre ihrer Linie treu blieben und damit offenbar Erfolg beim Kunden hatten.

Auch ich will im Neuen Jahr meiner Linie im Blog treu bleiben, und bisweilen solche rein formalen Betrachtungen anstellen, wenn es das Material hergibt – gern garniert mit einigen erdachten „Originalzitaten“, sofern mich die Situation dazu inspiriert.

Und wie immer freue ich mich über sachkundige, auch kritische Kommentare, gern gewürzt mit etwas Witz und die eine oder andere Abschweifung enthaltend. Wenn auch sonst alles in Bewegung kommt, wollen wir hier doch unserer Linie treu bleiben…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ungleiche Brüder: Zwei MAF-Wagen von 1909/10

Eine ganze Weile ist es her, dass ich mich mit den markanten luftgekühlten MAF-Wagen aus dem beschaulichen Städtchen Markranstädt bei Leipzig beschäftigt habe.

Daher will ich dieser eigenwilligen Marke, die zwischen 1908 und 1920 recht erfolgreich war, heute mit gleich zwei Fotos Reverenz erweisen.

Das erste stammt aus meiner eigenen Sammlung:

MAF von 1908/09; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser Zweisitzer – der einst in der kalten Jahreszeit an einem unbekannten Ort aufgenommen wurde – wirkt zwar interessant, aber der Aufnahmewinkel scheint nicht gerade der günstigste zu sein, was die Chancen auf Identifikation des Typs betrifft.

Doch genügt ein Blick auf die nach vorn hin kleiner werdenden, weit auseinanderliegenden, breiten Luftschlitze, um das Auto als frühen MAF ansprechen zu können.

Mir ist kein anderes Fahrzeug aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg bekannt, das dieses Detail aufweist. Was macht mich so sicher, dass dies ein MAF sein muss? Nun, gewiss nicht die Dokumentation dieser Marke in der (weitgehend) überholten, unvollständigen und fehlerhaften Standardliteratur zu deutschen Autos der Zeit bis 1920.

Das Kapitel zu MAF in Halwart Schraders Werk „Deutsche Autos 1885-1920“ strotzt vor Unstimmigkeiten – sowohl bei der Typbeschreibung als auch beim Bildmaterial. Doch im Netz findet man etliche Abbildungen noch existierender Autos und verstreute Informationen, die ein etwas klareres Bild zeichnen, zum Beispiel hier.

Ich gehöre normalerweise der skeptischen Fraktion an, was die Identifikation früher Automobile anhand solcher Aufnahmen angeht, doch im vorliegenden Fall besteht aus meiner Sicht kein Zweifel – das muss ein MAF von 1908/09 sein.

Für die Datierung vor 1910 spricht das Fehlen des damals bei deutschen Autos allgemein auftauchenden Windlaufs (auch Windkappe oder Torpedo) – eines strömungsgünstigen Übergangs zwischen Motorhaube und Frontscheibe.

Früher als 1908/09 kann der Wagen nicht entstanden sein, da Firmengründer Hugo Ruppe erst Ende 1907 aus dem väterlichen Betrieb A. Ruppe & Sohn in Apolda ausschied, um fortan selbst Automobile zu bauen.

Der Beweis, dass es sich um einen MAF handeln muss, lässt sich – so ungewöhnlich dies erscheint – anhand der Rahmenpartie führen:

Man präge sich hier die Details am Rahmen in dem vom Ersatzrad gebildeten Ausschnitt ein:

  • den mit vier Nieten befestigten Trittbretthalter (ein weiterer befindet sich vorne),
  • das direkt darüber liegende L-förmige Blech, an dem die Karosserie angeschraubt ist,
  • die runde Stange und der Seilzug, die links vom Ersatzrad schräg nach hinten verlaufen.

Auch der Verlauf der unteren Rahmenkante ist markant. Allen vorgenannten Details begegnen wir sogleich in wünschenswerter Klarheit wieder. Ermöglicht hat dies Leser und Sammlerkollege Steffen Rothe aus Berlin mit einer hervorragenden Aufnahme.

Davon betrachten wir zunächst folgenden Ausschnitt:

MAF Zweisitzer von 1910; Ausschnitt aus Originalfoto aus Sammlung Steffen Rothe (Berlin)

Wer aufgepasst hat, findet hier alle erwähnten Details in atemberaubender Genauigkeit wiedergegeben – auf einem winzigen Ausschnitt eines 110 Jahre alten Fotos.

Zugegeben, dieser Ansatz zur Identifikation des Wagens auf der ersten Aufnahme ist außergewöhnlich, und die Gelegenheit dazu dürfte sich nur selten ergeben. Doch hier besteht kein Zweifel – die technischen Gegebenheiten stimmen vollkommen überein.

Wie aber sieht der Wagen auf dem Foto von Steffen Rothe ansonsten aus? War nicht im Titel von ungleichen Brüdern die Rede? In der Tat haben wir es mit einem Brüderpaar zu tun, das etwas auseinanderliegt, also keinen Zwillingen.

Dabei liegt der Hauptunterschied in einem einzigen Bauteil – dem oben erwähnten Windlauf, der 1910 auch bei MAF-Wagen Einzug hielt:

MAF Zweisitzer von 1910; Originalfoto aus Sammlung Steffen Rothe (Berlin)

Überzeugt? Hier sieht man dieselbe Haubenpartie mit den sechs breiten, nach vorne niedriger werdenden Luftschlitzen und den über die Haubenlinie ragenden Kühleraufsatz.

Vor allem aber erkennt man den für frühe MAF-Wagen typischen Rundkühler – der eine Attrappe war, denn die hier verbauten Vierzylinder-Motoren waren luftgekühlt!

Wer immer noch Zweifel hegt, dem kann geholfen werden. Die überragende Qualität des Fotos, das uns Steffen Rothe zur Verfügung gestellt hat, erlaubt es, auf der Nabenkappe den Markenschriftzug „MAF“ zu lesen:

MAF Zweisitzer von 1910; Ausschnitt aus Originalfoto aus Sammlung Steffen Rothe (Berlin)

Sehr gut zu studieren sind hier außerdem die farblich von der übrigen Haube abgesetzten Luftschlitze – solche Details sind nur auf allerbesten Aufnahmen zu sehen.

Der Vollständigkeit sei auf den Rundkühler verwiesen, der nur bis 1911 verbaut wurde und danach einem ovalen wich. Nicht ungewöhnlich ist hier das Fehlen der Frontscheinwerfer – diese empfindlichen Anbauteile wurden damals von besorgten Besitzern meist nur für Nachtfahrten montiert, die eher selten waren.

Auf folgende Reklame von 1910 findet man übrigens unten dasselbe Modell mit montierten Scheinwerfern:

MAF Originalreklame von 1910; Sammlung Michael Schlenger

Die beiden Wagen dokumentieren vorbildlich den Übergang zum erwähnten Windlauf im Jahr 1910, der bei dem sportlich wirkenden Zweisitzer naheliegender ist als bei dem repräsentativen Tourer darüber.

Übrigens unterstreicht die Angabe 8-10 PS bei dem Zweisitzer das oben angeprangerte Durcheinander bzw. Defizit bei den überlieferten Typenbezeichnungen. Ein MAF mit 10 PS findet sich nur in „Ahnen unserer Autos“ (Gränz/Kirchberg, 1975) Erwähnung, als Baujahr wird 1909-1911 angegeben.

Dies passt wie auch die Karosserie zur Diagnose, dass sich 1909/10 ein Wandel bei MAF vollzog, den die vorgestellten beiden Fotos zweier ungleicher Brüder illustrieren.

Damit wäre ich für heute fast „durch“. Doch auch wenn die Nacht schon fortgeschritten ist, will ich am Ende noch auf die Möglichkeit zweier weiterer ungleicher Brüder hinweisen.

Was meinen Sie, liebe Leser, wie könnten hier die Verwandschaftsverhältnisse gewesen sein?

MAF Zweisitzer von 1910; Ausschnitt aus Originalfoto aus Sammlung Steffen Rothe (Berlin)

Ich schätze, dass Fahrer und Beifahrer Vater und Sohn gewesen sein könnten – das mache ich an der Nase fest. Könnte der gut aussehende junge Herr ganz rechts ebenfalls zur Familie gehört haben? Oder war er vielleicht der Schwager, der mit dem dann Schwester des Beifahrers verheiratet war?

Dieses Rätsel scheint mir schwerer zu lösen als das der beiden ungleichen Brüder aus dem Hause MAF – aber nicht weniger reizvoll…

Wer jetzt immer noch lieber mehr über diese frühen MAF-Wagen erfahren will, kommt hier auf seine Kosten und zwar in Form überlebender Wagen genau des heute gezeigten Typs (über die Verkommenheit des heutigen Umfelds muss man hinwegsehen).

Video hochgeladen von Hachemuehle; Onlinequelle: YouTube.com

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Fall für zwei: MAF um 1913 in der Schweiz

Die Krimiserie „Ein Fall für zwei“ gehört für mich zu den Jugenderinnerungen an das Fernsehen der 1980er Jahre wie die Musiksendung „Formel 1“ oder die italienische Serie „Allein gegen die Mafia“. Jüngere Produktionen kenne ich nur vom Hörensagen.

Nach dem Auszug aus dem Elternhaus als Student habe ich nie wieder im klassischen Sinn „ferngesehen“. In der Studenten-WG liefen im Flimmerkasten nur Videofilme und seit ich eine eigene Wohnung habe, besitze ich keinen Fernseher.

Es gibt zu viele schöne Dinge, die man mit seiner knappen Lebenszeit anstellen kann, da bleibt einfach keine Zeit für „Zerstreuung“ via TV. Den dreisten „Beitrag“ für den teuersten Staatsfunk der Welt muss ich trotzdem zahlen.

Doch die Erinnerungen an die Fernsehkultur der 1980er Jahre möchte ich nicht missen. Einst fuhr Privatdetektiv Matula aus „Ein Fall für zwei“ einen fauchenden Alfa-Romeo, heute wird es vermutlich ein Elektroauto oder noch besser ein Lastenrad sein…

Nach diesem kleinen Exkurs in die „jüngere“ Vergangenheit, die mir aus heutiger Sicht wie das reine Paradies vorkommt, geht es nun gleich über 100 Jahre zurück – doch auch dabei begleitet mich das Thema „Ein Fall für zwei“:

MAF Typ F 5/14 PS oder Typ G 6/16 PS um 1913; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Dieses ganz ausgezeichnete Foto verdanke ich wieder einmal dem Spürsinn von Leser Klaas Dierks, der sich zwar nicht ganz sicher war, was er da geschossen hatte, aber ahnte, dass es etwas nicht ganz Alltägliches ist.

Der Abzug trägt die Prägung eines Fotoateliers in St. Gallen (Schweiz), was aber keinen Hinweis auf das abgebildete Fabrikat gibt. Von Ausnahmen wie Martini abgesehen, bauten die sonst in technischer Hinsicht hochkompetenten Schweizer kaum Autos von Rang.

So musste der hübsche Wagen – eindeutig nur ein Fall für zwei – ein Importfahrzeug sein. Dummerweise kamen zum Zeitpunkt der Aufnahme vor dem 1. Weltkrieg (die Gasscheinwerfer verraten es) prinzipiell hunderte von Herstellern in Frage.

Damals rangen unzählige französische, belgische, britische und deutsche Firmen um ein Stück aus dem verlockenden Kuchen, der sich in Form eines rapide wachsenden Automarkts darbot. Selbst US-Fahrzeuge wurden damals schon in Europa verkauft.

Für Foto- und Filmenthusiast Klaas Dierks, der nebenbei mit großem zeitgeschichtlichem Wissen über die Vorkriegsepoche aufwarten kann, war es dennoch ausgemacht, dass dies ein Auto aus deutscher Produktion sein musste – und das zurecht.

Man kann es schwer beschreiben, aber so sah vor dem 1. Weltkrieg kein Auto aus einem unserer Nachbarländer aus. Oberflächlich mögen viele Wagen jener Zeit ja ähnlich erscheinen, aber es gibt gewisse stilistische Unterschiede, die landestypisch waren.

So verfolgte ich Klaas Dierks Hypothese weiter und überlegte, welche deutschen Fabrikate damals eine solche ovale (oder runde?) Kühlerpartie besaßen, in die von oben ein unten abgerundetes Element hineinragte.

Könnte das ein NSU sein? Schließlich bauten die Neckarsulmer kurz vor dem 1. Weltkrieg Modelle mit einer recht ähnlichen Kühlerpartie:

NSU 5/15 PS, Bauzeit: ab 1914; Aufnahme um 1920, Originalabzug aus Sammlung Michael Schlenger

Doch bei näherem Hinsehen wollen einige Details nicht passen: die Ausführung der Vorderschutzbleche etwa, vor allem aber die Ausführung der Luftschlitze in der Haube.

Beim NSU sind überhaupt keine zu sehen, vermutlich wurde die warme Abluft vom Kühler einfach nach unten abtransportiert. Auf dem Foto von Klaas Dierks sind dagegen gleich acht recht breite Luftschlitze zu sehen:

Für ein so kompaktes Auto ist das allerhand – ich komme noch darauf zurück. Jedenfalls war ich sicher, dass dies kein NSU sein kann, da seine Kühlerpartie aus diesem Blickwinkel ein anderes Bild ergeben würde.

Dann fiel mir ein, dass es doch von der Markranstädter Automobilfabrik (MAF) vor dem 1. Weltkrieg genau so ein Modell gab, bei dem ein rundes Element von oben in das Kühlernetz ragt (siehe hier).

Der Fall war soweit klar: Das Auto musste ein MAF aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg sein – nur die Bestimmung des genauen Typs bereitet mir noch Schwierigkeiten. So ist das Auto auch in dieser Hinsicht „Ein Fall für zwei“.

In Frage kommen nämlich die annähernd zeitgleichen MAF-Typen F 5/14 PS und G 6/16 PS, die beide luftgekühlte Vierzylindermotoren besaßen – daher die auffallend zahlreichen und großen Entlüftungsschlitze.

Leider kann man die Dokumentation der MAF-Typen nur als desolat bezeichnen. In der Standardliteratur finden sich bloß unvollständige und teils widersprüchliche Angaben. Im Netz gab es einmal eine sehr wertvolle Dokumentation anhand originaler Prospekte, die aber mittlerweile „abgeklemmt“ zu sein scheint.

So muss ich mangels eigener Expertise darauf warten, dass irgendwann ein Automobilhistoriker oder einfach nur ein Enthusiast diesen „Fall für zwei“ – und am besten gleich die ganze MAF-Geschichte klärt.

Woher die Zeit dafür nehmen? Ganz einfach – den Flimmerkasten auslassen…

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Kaum zu fassen! Ein MAF Typ B 6/14 PS von 1910

Kaum zu fassen – das trifft auf den Gegenstand meines heutigen Blog-Eintrags gleich in mehrfacher Hinsicht zu.

So ist es kaum zu fassen, wie miserabel die Wagen der bei Leipzig gelegenen Markranstädter Automobil Fabrik – kurz MAF – dokumentiert sind, die sich ab 1909 mit einigem Erfolg verkauften.

Auch international fanden die mit luftgekühlten Reihenvierzylindern ausgestatteten, äußerst robusten Wagen Anklang, wie wir noch sehen werden.

Die Luftkühlung brachte MAF-Gründer Hugo Ruppe als Erbe aus dem väterlichen Betrieb im thüringischen Apolda mit, wo ab 1904 zunächst Autos mit gebläsekühltem Zweizylinder entstanden waren.

Ein Beispiel für diese als „Piccolo“ vermarkteten leichten Wagen habe ich hier bereits vor einiger Zeit als Fund des Monats vorgestellt:

Piccolo 5 PS-Modell von 1905; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

 

 

Ab 1906 wurden in Apolda dann auch luftgekühlte Vierzylinder gefertigt. Mit dem Übergang zu vollwertigen Automobilen erhielten die Wagen den Markennamen Apollo.

Nachdem Hugo Ruppe das florierende Unternehmen aufgrund von Differenzen mit seinem Bruder verlassen hatte, baute er ab 1909 in Markranstädt luftgekühlte Wagen eigener Konstruktion.

Leider sind die Angaben zu den ersten Modellen A und B in der Standardliteratur äußerst lückenhaft. Altmeister Hans-Heinrich von Fersen geht in seinem Klassiker „Autos in Deutschland 1885-1920“ nur auf die Modelle D und E näherein.

Die Modelle A und B erwähnt er dann nur flüchtig, als sei ihm nachträglich eingefallen, das man sie doch zumindest nennen sollte.

Offenbar lagen von Fersen keinerlei Dokumente zu diesen frühen MAF-Typen vor. Das scheint auch für Halwart Schrader gegolten zu haben, der mit seinem Standardwerk „Deutsche Autos 1885-1920“ eine erweiterte Fassung des „Fersen“ vorlegte.

Doch auch er weiß zu den beiden Typen A und B nichts zu sagen, er nennt die Modelle nicht einmal. Stattdessen liest man lediglich folgende verworren anmutende Passage:

„Es gab anfangs einen 4/12, einen 5/14 und einen 6/16 PS, 1909 abgelöst durch die Modelle 6/12 und 6/18 PS“.

Die Modelle 4/12 und 5/14 PS sind ebenfalls nur die von Fersen genannten Typen D und E, die Modelle A und B bleiben bei Schrader wie gesagt ganz unerwähnt.

Dass ein 6/12 PS-Modell auf ein 4/12 bzw. ein 6/16 PS-Modell folgen sollte, ist zudem abwegig. Vermutlich hat hier die in der automobilen Frühzeit übliche laufende Leistungssteigerung bei gleichbleibendem Hubraum für Verwirrung gesorgt.

Wie so oft ist in solchen Fällen das Studium alter Originaldokumente förderlich:

MAF-Reklame von 1909/10; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir – das sei an dieser Stelle verraten – genau das Auto, das ich nachher in einer ausgezeichneten, bislang unveröffentlichten Originalaufnahme zeige.

Unten rechts ist zu lesen: „10/12 u. 12/14 PS“. Auf den ersten Blick mag dies nicht zu obigen Motorisierungsvarianten passen.

Doch haben wir es hier noch mit der Leistungsangabe nach alter Konvention zu tun, also „Dauerleistung/Spitzenleistung“ statt der gängigeren Angabe „Steuer-PS/Brems-PS“.

So entspricht der Angabe „10/12 PS“ faktisch die Bezeichnung „5/12 PS“.

Diese Erkenntnis findet sich zwar nicht bei Fersen und Schrader, wohl aber beim im Detail mitunter präziseren Werk von Kirchberg/Gränz „Ahnen unserer Autos“, das sich aus DDR-Perspektive auf die gängigsten ostdeutschen Marken konzentriert.

Bleibt die Frage, welche der beiden in obiger Reklame genannten Motorisierungen (10/12 PS = 5/12 PS bzw. 12/14PS = 6/14 PS) dem dort abgebildeten Wagen entspricht. Die Vermutung liegt nahe, dass es die stärkere Ausführung ist, also 6/14 PS.

Dies bestätigt sich beim Studium einer Quelle, auf die ich am Ende noch eingehen werde, da sie einige spannende Zusatzinformationen liefert.

Nun aber erst einmal zu dem versprochenen Originalfoto eines solchen MAF 6/14 PS von anno 1909/10:

MAF Typ B 6/14 PS von 1909/10; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dass der MAF hier auf den ersten Blick etwas kompakter wirkt als in der Reklame, liegt an dem heruntergeklappten Oberteil der Windschutzscheibe.

Man stelle sich dieses Teil wieder senkrecht aufgestellt vor  – dann passen die Proportionen wieder. Auch alle übrigen Details scheinen übereinzustimmen.

Nebenbei hat sich das Foto auf einer Postkarte von Mai 1911 erhalten, das Auto wird daher kaum später als 1910 entstanden sein.

Auf dieser außergewöhnlich gut erhaltenen und detailreichen Aufnahme sieht man die für MAF anfänglich typische runde Kühlerattrappe – benötigt wurde ein echter Kühler ja nicht, da der Motor über einen seitlichen Ventilator Kühlluft erhielt.

Zweifel an der Identifikation – der kleine NAG-Wagen mit der Bezeichnung „Puck“ besaß eine ähnliche Frontpartie – räumt auch ein näherer Blick auf den „Kühler“ aus:

Der hier auf dem „Kühler“grill teilweise zu sehende Schriftzug entspricht präzise dem damaligen Markenemblem der Markranstädter Automobilfabrik.

Man mag zwar auf den ersten Blick auch „NAG“ für möglich halten, doch dagegen spricht zum einen, dass die „Kühlerwaben“ hier nur ins Blech gestanzte Löcher sind, hinter denen sich kein Wasserkühler befand.

Zum anderen hilft der Vergleich mit folgender Werbeanzeige, die dasselbe Modell zeigt, nun mit einem weiteren (kleineren MAF) und zusätzlich mit dem Markenlogo:

MAF-Reklame aus „Braunbecks Sportlexikon“ von 1910; Faksimileausgabe aus Sammlung Michael Schlenger

Anhand dieser Reklame lässt sich auch ein weiteres Missverständnis in der MAF-Dokumentation im Schraderschen Standardwerk „Deutsche Autos 1885-1920“ aufklären.

Dort heißt es sinngemäß, MAF habe zunächst als Hugo Ruppe GmbH firmiert und erst ab 1911 als Markranstädter Automobilfabrik. Obige Werbung aus Braunbecks Sportlexikon von 1910 widerlegt diese Aussage klar – es kommt aber noch besser:

Tatsächlich wurde bereits bei Gründung des Unternehmens am 4. Mai 1908 folgender Firmenname eingetragen: „Markranstädter Automobil-Fabrik, Hugo Ruppe“.

Erst nach der Übernahme des in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Unternehmens 1911 durch externe Kapitalgeber wurde MAF umbenannt in: „Markranstädter Automobil-Fabrik, vormals Hugo Ruppe GmbH“.

Diese historisch verbürgte, wenn auch nicht ganz präzise Angabe hat offenbar zu der Fehlannahme verleitet, MAF habe erst ab 1911 so geheißen. Die entsprechenden Details sind übrigens MAF-Enthusiasten vom Markranstädter Oldtimerverein zu verdanken, die hier die Geschichte des Unternehmens zusammengefasst haben.

Kehren wir nochmals zu dem heute erstmals vorgestellten Foto des MAF Typ B 6/14 PS von 1909/10 zurück. Bei den Insassen handelt es sich vermutlich um Vater und Söhne:

Die ernsten Mienen sind der langen Belichtungszeit geschuldet, die bei solchen Aufnahmen vor über 100 Jahren noch erforderlich waren, wenn die Sonne nicht schien.

Eigentlich hatten die beiden Burschen – eventuell waren es auch Cousins oder Freunde –  allen Grund stolz zu sein, in einem solchen Automobil mitfahren zu dürfen. Die aus heutiger Sicht geringe Motorleistung darf nicht über die enorme Exklusivität dieser frühen Manufakturwagen hinwegtäuschen.

Opels 4 PS-Modell „Laubfrosch“ – der erste Volumenerfolg der Marke – war 15 Jahre später mit Motorisierungen von anfänglich nur 12 PS leistungsmäßig auch nicht weiter.

Darf man zeitgenössischen Quellen Glauben schenken, bewährten sich die luftgekühlten MAF-Vierzylinder (damals die einzigen ihrer Art) ganz hervorragend.

Damit wären wir bei der letzten Quelle, auf die ich an dieser Stelle verweisen möchte.

Während nämlich die lückenhafte und widersprüchliche deutsche Standardliteratur zu MAF wenig Verlässliches zu bieten hat, lassen sich im Netz einige darüberhinaus Erkenntnisse gewinnen.

Zu nennen ist vor allem eine MAF-Originalpublikation von 1911, in der die bisherige Marken- und Modellgeschichte anhand zahlreicher Abbildungen reichhaltig dokumentiert wurde (Quelle).

Wer sich durch sämtliche Seiten dieser Publikation durchklickt, wird gleich mehrfach dem auf obigem Originalfoto gezeigten MAF Typ B 6/14 PS begegnen – und das in erstaunlichen Situationen.

Aufschlussreich sind nicht nur Wettbewerbsaufnahmen des 1911 schon nicht mehr ganz taufrischen Modells, sondern unter anderem auch ein Foto, das einen Wagen des Typs auf einer Piste hoch in den Dolomiten zeigt.

Dass „Luft nicht kocht“, war bei den damals verbreiteten Problemen wassergekühlter Automobile ein großer Vorteil – über 30 Jahre vor dem Volkswagen!

Den Vogel schießen in der erwähnten Publikation aber die Bilder eines MAF Typ B 6/14 PS in Kamerun ab. Angeblich handelte es sich um das erste Auto in der damaligen deutschen Kolonie!

So spannend kann die Beschäftigung mit Vorkriegsautos auf alten Fotos sein.

Mitunter, so auch hier, gestaltet sich die Recherche jedoch unerwartet aufwendig. Daher ist seit dem letzten Blog-Eintrag etwas mehr Zeit vergangen als gewöhnlich.

Bleibt festzuhalten: Kaum zu fassen, wieviele deutsche Vorkriegsmarken noch einer gründlichen und strukturierten Aufarbeitung harren – sei es in Buchform oder (was laufende Ergänzungen und Korrekturen ermöglicht:) im Netz.

Vielleicht nimmt sich ja irgendwann einer der hiesigen Automobilhistoriker noch der Herausforderung MAF an…

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