Ein Nachkriegs-Ford aus England mit BMW-Kühlergrill

Der BMW-Konzern – offiziell hartnäckig als BMW Group bezeichnet – feiert 2016 sein 100-jähriges Bestehen. Grund genug, auch in diesem Blog der deutschen Traditionsmarke mit dem Propelleremblem einige PKW-Porträts zu widmen.

Die ersten Gehversuche von BMW im Autobau bis hin zu den frühen 6-Zylindermodellen der 1930er Jahre haben wir hier bereits mit Originalfotos dokumentiert (Bildergalerie bzw. Berichte).

Bevor es mit den BMW-Vorkriegsmodellen weitergeht, unternehmen wir zur Abwechslung einen Ausflug in die 1950er Jahre. Dort findet sich ein interessantes Beispiel für das Weiterleben des BMW-Gesichts mit der langgezogenen Doppelniere der Vorkriegszeit.

Wer hier mit Blick auf das britische Nummernschild und das typisch englische Fachwerk im Hintergrund auf einen Frazer-Nash nach BMW-Vorkriegslizenz oder einen von BMW inspirierten Bristol der Nachkriegszeit tippt, liegt falsch.

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© Ford Anglia bzw. Popular der 1950er Jahre; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Bei dem Wagen handelt es sich – so unglaublich es klingt – um einen Ford der späten 1940er und frühen 1950er Jahre. Das äußerlich ansprechende Auto bot unter dem Blech spartanische Technik und war seinerzeit der billigste PKW aus britischer Produktion.

Der simple Wagen mit seinem seitengesteuerten 4-Zylinder mit 1 Liter Hubraum und mechanischen Bremsen war in fast jeder Hinsicht veraltet. Dass Ford dennoch Erfolg mit dem Auto hatte, lag am extrem niedrigen Preis und der desolaten Lage der britischen Bevölkerung.

Dazu muss man wissen, dass England nach dem mit US-Hilfe gewonnenen Krieg kein wirtschaftlicher Aufschwung gelang, wie das in Deutschland nach der Währungsreform und den marktwirtschaftlichen Reformen von Ludwig Erhardt der Fall war.

Die Briten laborierten  – wie die Franzosen auch – bis in die 1970er Jahre mit einer planwirtschaftlichen Politik nach sozialistischem “Vorbild”, die zu Fehlentwicklungen in der Wirtschaft und permanenten Mangel führte.

Vor diesem Hintergrund bot Ford of Britain nach dem Krieg zunächst keine Neukonstruktion wie Borgward mit dem Hansa oder Fiat mit dem 1400er. Selbst Peugeot gelang trotz kriegsbedingter Zerstörungen mit dem 203 ein brillianter Neuanfang.

Offenbar blieb Ford nur die Option, dem Vorkriegsmodell Ford “Anglia” ein neues Gesicht zu geben, das sich wohl an den sportlichen BMW-Modellen der 1930er Jahre orientierte, die auch in England hochangesehen waren:

Ford_Popular_um_1950_Ausschnitt

Der 1949 mit dem markanten BMW-Gesicht ausgestattete Ford Anglia lief zwar 1953 aus. Doch bestand noch bis Ende der 1950er Jahre in England Bedarf an einem so einfachen Wagen. Daher baute Ford den Wagen kurzerhand als Ford “Popular” weiter.

Wie der Name schon sagt, war dieses Modell als britischer “Volkswagen” gedacht, wobei Morris mit dem neukonstruierten Minor in jeder Hinsicht das bessere Auto anbot. So gesehen markierte der Ford Popular den Anfang des Abstieg des einstigen Pioniers der Massenmotorisierung.

Ob es sich bei dem Wagen auf unserem Foto nun um einen Ford “Anglia” oder einen “Popular” handelt, kann vielleicht ein Kenner der britischen Ford-Automobile sagen. Anhand von Kleidung und Frisur der jungen Mutter lässt sich das Bild jedenfalls auf die erste Hälfte der 1950er Jahre datieren.

BMW 3/20 PS der 1930er Jahre in der Nachkriegszeit

Kürzlich haben wir hier den ersten von BMW selbstkonstruierten Wagen vorgestellt – das Modell 3/20 PS von 1932.

Man mag es kaum glauben, doch nach den Anfängen mit einem Lizennachbau des britischen Kleinwagens Austin Seven leistete der erste “echte” BMW nur 20 PS. Doch dann machte die Automobilentwicklung im Eisenacher Werk der Firma rapide Fortschritte – so waren die ab 1933 vorgestellten 6-Zylinder-Modelle bereits eine Klasse für sich.

Trotz der steilen Karriere der ersten sportlichen BMWs überlebten auch einige der wenig überzeugenden Wagen des 3/20 PS-Modells den 2. Weltkrieg.

So kündet auch folgendes in den 1950er Jahren entstandene Originalfoto eines BMW 3/20 PS Cabriolets trotz des Alters des Wagens von Besitzerstolz:

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© BMW Typ 3/20 PS Cabriolet; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Nun mag man sich fragen, wie sich der nur ausschnitthaft abgebildete Wagen so genau identifizieren lässt. Schließlich ist außer dem zusammengelegtem Verdeck, dem Innenraum und Teilen der Motorhaube kaum etwas zu sehen.

Wie so oft bei solchen eher zufälligen Aufnahmen, bei denen das Auto nicht im Mittelpunkt steht, sind es kleine Details, die den entscheidenden Hinweis geben. Im vorliegenden Fall ist es die Zierleiste mit dem mittigen Oval auf der Tür.

Dieses Detail findet sich nach den Recherchen des Verfassers nur beim BMW 3/20 PS und dort auch nur beim 2-türigen Cabriolet. Für die Zuschreibung als BMW spricht auch das oben auf dem Kühler montierte, hier nur schwach zu erkennene Markenemblem.

Bei der Datierung hilft der im Hintergrund zu sehende Volkswagen mit Faltschiebedach und seitlich in der B-Säule montiertem Winker:

BMW_3-20PS_Cabriolet_Nachkrieg_Ausschnitt2

Das Faltdach war beim VW erstmals ab 1950 als Extra lieferbar, die Winker wurden bis 1960 verbaut. Kenner können das Baujahr des Käfers anhand der Stärke der Karosserieholme und der Chromleisten vielleicht noch weiter einengen.

Der Fahrer des BMW mit weitgeschnittenem Zweireiher-Jackett scheint wohlgenährt zu sein – vermutlich ist die Aufnahme in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre entstanden, als das Wirtschaftswunder auch auf die Statur vieler Bundesbürger durchschlug.

Ein selten zu sehendes Detail ist das elfenbeinfarbene Federspeichenlenkrad des BMW, das möglicherweise ein zeitgenössisches Nachrüstteil ist. Hier sind die Experten für frühe BMW-Modelle gefragt.

Der BMW scheint zum Aufnahmezeitpunkt trotz seines Alters von rund 20 Jahren noch in sehr gepflegtem Zustand gewesen zu sein. Er ist im Krieg offenbar nicht von der Wehrmacht eingezogen worden, obwohl auch leistungsschwache Wagen für frontferne Verwendungen durchaus requiriert wurden.

Heute ist ein solches 3/20 PS-Modell eine Rarität – die zur Geschichte der BMW-Automobile ebenso gehört wie die auch nicht gerade sportliche, aber charakterstarke Isetta.

1935: Horch 830R Kübelwagen bei der Reichswehr

Der auf einem zivilen 8-Zylindermodell der sächsischen Luxusmarke Horch basierende Kübelwagen 830 R wurde hier bereits in unterschiedlichen Varianten und Zuständen vorgestellt (Bildbericht).

Originalfotos vom Kriegseinsatz des Wagens sind recht leicht zu bekommen, schließlich wurden davon zwischen 1934-37 rund 4.500 Stück gebaut.

Da viele Landser mit privater Kamera bewaffnet in den Krieg zogen und die Horch-Kübelwagen wegen ihrer Robustheit geschätzt wurden, sind diese Autos oft im Einsatz fotografiert worden, wenn es die Situation erlaubte.

Selten zu finden sind dagegen Aufnahmen, die den Horch Kübelwagen noch zu Friedenszeiten zeigen. Das gilt besonders für die Zeit der deutschen Reichswehr bis 1935, in der die Aufrüstungspolitik des NS-Regimes erst allmählich Fahrt aufnahm.

Eine solche Rarität ist das folgende Originalfoto, das von alter Hand auf der Rückseite mit “Eisenach, März 1935” beschriftet ist:

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© Horch 830 R Kübelwagen der Reichswehr; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Die unscharfe Aufnahme zeigt den Innenhof einer Kaserne, in der etliche Soldaten mit der Wartung von Fahrzeugen – vor allem Beiwagen-Krädern – beschäftigt sind. Ein sachkundiger Leser weiß sicher, um was für Maschinen es sich handelt.

Uns interessiert an dieser Stelle vor allem der Horch-Kübelwagen, der gut an der typischen Kühlermaske mit den vier Auto-Union-Ringen zu erkennen ist. Auch der Verlauf des Kotflügelausschnitts entspricht dem beim Horch 830 R:

Horch_Kübelwagen_Eisenach_März 1935_Ausschnitt

Das Nummernschild mit dem Kürzel RW bestätigt die frühe Datierung, da die 1921 gegründete Reichswehr 1935 in Wehrmacht umbenannt wurde und Heeresfahrzeuge neue Nummernschilder mit dem Kürzel WH (Wehrmacht Heer) erhielten.

Von Horch Kübelwagen im Kriegseinsatz unterscheidet sich der hier zu sehende Wagen auch durch das moderate Reifenprofil. Auf späteren Bildern sieht man meist grobsstolligere Reifen, die zu dem starke Abnutzungsspuren aufwiesen.

Das friedensmäßige Aussehen dieses Fahrzeugs steht in krassem Gegensatz zu dem Erscheinungsbild nach Kriegausbruch, als diese Wagen mit allerlei improvisiertem Zubehör ausgestattet wurden, um Einsatzbedingungen gerecht zu werden, für die sie eigentlich kaum geeignet waren.

Trotz ihrer robusten Bauweise boten die Horch Kübelwagen keinen Schutz vor gegnerischem Beschuss durch Tiefflieger oder Artillerie und endeten dann oft genug wie das Exemplar auf dem folgenden Foto:

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© Horch 830 R Kübelwagen der Wehrmacht; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme ist im Juni 1942 irgendwo in Russland entstanden und zeigt einen Wehrmachtssoldaten, der neben einem zusammengeschossenen Horch 830 R der eigenen Truppe posiert – ein etwas merkwürdiges Motiv.

Das Foto lässt trotz zerstörter Frontpartie die eindrucksvollen Dimensionen des Fahrzeugs noch deutlich erkennen. Offenbar war der Kübelwagen mit persönlicher Ausrüstung schwer beladen, die im hinteren Teil zu erkennen ist.

Man kann nur hoffen, dass die Besatzung das ungepanzerte Fahrzeug noch rechtzeitig durch einen Sprung in den nächsten Straßengraben verlassen konnte…

BMW 319 Limousine im Berlin der Nachkriegszeit

Kürzlich wurde hier die Cabriolet-Version des BMW 319 der 1930er Jahre vorgestellt. Dabei waren die zur Identifikation des Modells entscheidenden Details nur schwach zu erkennen.

Auch wenn der 319er in seiner kurzen Bauzeit von 1935-37 nur einige tausend Mal gebaut wurde, ist dem Verfasser nun ein weiteres Originalfoto in die Hände gefallen. Darauf sind die typischen Elemente deutlich zu sehen:

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© BMW 319 Limousine, Baujahr:  1935-37; Bildrechte: Michael Schlenger

Hier haben wir es mit der zweitürigen Limousine zu tun, die den Sechszylinder braver wirken lässt, als er tatsächlich war. Mit seinen 45 PS aus 1,9 Liter Hubraum war er den meisten deutschen Wagen seiner Klasse leistungsmäßig überlegen.

Alle damaligen 3er-Typen der Marke zeichnete außerdem das neu geschaffene BMW-Gesicht mit der Doppelniere aus. Nur Rosengart in Frankreich und der britische Ford Popular wiesen einen ähnlichen Kühlergrill auf – die BMW-Lizenznachbauten von Frazer-Nash natürlich auch.

Von den kleineren Modellen 305, 309 und 315 unterschied sich der BMW 319 vor allem durch die drei waagerechten Chromzierleisten auf den Seitenflächen der Motorhaube. Die großen Radkappen sind ein weiteres Indiz. Ansonsten waren die Serienkarosserien der ersten “Dreier”-BMWs nahezu identisch.

Insofern eignet sich dieses Foto gut als Muster zur Identifikation des BMW 319. Bei weiteren Details – etwa den Scheinwerfern – ist dennoch etwas Vorsicht angebracht.

Denn dieses Auto war zum Zeitpunkt der Aufnahme schon über 10 Jahre alt und hat den 2. Weltkrieg hinter sich. Das belegt das Kürzel “KB” auf dem Nummernschild, das ab 1946 in Berlin unter Besatzungsrecht vergeben wurde und für “Kommandantur Berlin” stand.

Der Lack des Autos sieht an der Tür zwar etwas herunterpoliert aus, doch ansonsten macht der Wagen einen erstaunlich gesunden Eindruck. Dagegen sieht man in der Nachkriegszeit fotografierten Autos der 1930er Jahre ihr bewegtes Leben meist deutlich an. Oft ist die Karosserie verbeult, es fehlen Teile oder es wurden fremde verbaut.

Auf unserem Foto dürfte aber noch alles original sein. Wenn der BMW auch die nächsten 10 Jahre so überstanden hat, stehen die Chancen gut, dass er noch heute existiert.

Offen ist übrigens, um was für ein Auto es sich bei dem Wagen hinter dem BMW handelt:

BMW_319_Limousine_unbek_Wagene

Leider ist der Schriftzug auf dem Kühler nicht zu entziffern. Doch die Kühlerform mit dem vage zu erkennenden Emblem zusammen mit der fast senkrecht stehenden Frontscheibe sollten eine Identifikation ermöglichen.

Vielleicht hat ein Leser eine zündende Idee…

Vor 100 Jahren: NAW “Sperber” – ein Auto aus Hameln

Leser dieses Blogs dürfen neben Bildberichten über klassische Vorkriegswagen heute noch bekannter oder existierenderer Marken auch Porträts von Exoten aus aller Welt erwarten. Für den Individualisten sind solche ultrararen Veteranen das Salz in der Suppe.

Das können französische Wagen von Bellanger-Frères, britische Fahrzeuge von Crossley oder auch belgische Autos von Metallurgique sein. Doch auch am deutschen Markt buhlten einst zahllose Hersteller mehr oder weniger erfolgreich um die Gunst der Käufer.

Als Beispiel sei die Berliner Automarke NAG genannt, deren großzügige und hochwertige Wagen hier bereits öfters besprochen wurden. Heute geht es um den ähnlich klingenden Hersteller NAW aus dem niedersächsischen Hameln.

NAW war der Markenname der Norddeutschen Automobil-Werke, die von 1907-1919 eine kurze Blütezeit erlebten. Es  gibt nur wenige überlebende Fahrzeuge dieser einst international angesehenen Marke und ein historisches Originalfoto ist ebenso rar.

Selbst in Halwart Schraders Standardwerk “Deutsche Autos 1885-1920” findet sich im gesamten fünfseitigen Bericht über NAW kein einziges historisches Foto eines Autos der Marke. Von daher ist folgender alter Abzug ein großartiger Fund:

NAW_Sperber_vor WKI_Galerie

© NAW “Sperber” Tourenwagen, 1911-19; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Anbieter dieses Fotos wusste, was er da hat und lieferte eine präzise Beschreibung. Ein früherer Besitzer hatte auf der Rückseite Marke, Typ und technische Details vermerkt.

Dass sich sonst niemand für die Abbildung interessierte, sodass diese für einen lächerlichen Preis zu erwerben war, kündet von der Ignoranz der hiesigen Klassikerszene gegenüber wirklich raren Autos der Frühzeit.  

Schauen wir uns den Wagen einmal näher an:

NAW_Sperber_vor WKI_Frontpartie

Auf der Kühlermaske ist in erhabenen Lettern der Schriftzug “SPERBER” zu lesen. Das war das ab 1911 gebaute Modell von NAW, das mit einem 1300 bzw. 1600 ccm großen Vierzylindermotor gebaut wurde.

Es handelte sich damit hubraummäßig um einen Kleinwagen, der mit 15-20 PS damals jedoch als ausreichend motorisiert galt. Äußerlich machten die Autos von NAW einen erwachsenen Eindruck, was von der guten Verarbeitung unterstützt wurde.

Noch vor Kriegsbeginn 1914 erhielt der NAW Sperber ein 4-Gang-Getriebe, was bis in die 1930er Jahre keine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Unser Foto dürfte noch vor dem 1. Weltkrieg aufgenommen worden sein. Darauf weist weniger die Tourenwagenkarosserie hin, die bei vielen Herstellern noch bis in die 1920 üblich bleiben sollte. Den entscheidenden Hinweis gibt der Hut der ernst schauenden Mitfahrerin auf dem Rücksitz:

NAW_Sperber_vor WKI_Seitenpartie

So ausladende Kopfbedeckungen waren mit dem Ende der Kaiserzeit 1918 passé. Im vorliegenden Fall handelt es sich zudem um ein wenig geschmackvolles Beispiel. Wie elegant die Hutmode jener Zeit sein konnte, zeigt der Vergleich mit dem Foto einer jungen Dame, die sich seinerzeit vor einem Albatros-Flugzeug ablichten ließ.

Zum Schicksal der Marke NAW sei angemerkt, dass das Hamelner Werk 1917 von der Firma Selve übernommen wurde, die dort von 1920-29 grundsolide Wagen unter eigenem Namen fertigte. Wer sich näher für die einstige Automobilproduktion in Hameln interessiert, sei auf diesen Überblick verwiesen.

Rarität von DKW: Der F5 Front Luxus Roadster

Die einst enorm populären Zweitaktwagen von DKW aus dem sächsischen Zschopau sind auf diesem Blog von allen deutschen Vorkriegswagen in Wort und Bild derzeit am vollständigsten dokumentiert (Bildergalerie und Artikelserie).

Gewiss: Die leistungsschwachen und wenig dauerhaft gebauten DKWs sind nicht jedermanns Sache. Man muss schon ein Faible für die einfache Zweitakttechnik haben. Motorradfahrern fällt dies leichter, wie schon in den 1920er/30er Jahren.

Von der schlichten Technik und Konstruktion abgesehen gibt es wenig Zweifel an den formalen Qualitäten speziell der DKW Fronttriebler. Sie waren in der Kleinwagenklasse mit die am attraktivsten gezeichneten Großserienautos.

Nachdem DKW Teil des Auto-Union-Verbunds geworden war, profitierte die Marke von der Nähe zum Luxushersteller Horch, wo man eine glückliche Hand in der Karosseriegestaltung hatte.

Ein erster großartiger Wurf, der aus der Zusammenarbeit resultierte, war das ab 1935 gebaute DKW F5 Front Luxus Cabriolet, mit dem wir uns bereits beschäftigt haben:

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© DKW F5 Front Luxus Cabriolet, viersitzig, 1935-37; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn dieses Foto etwas unscharf ist, versteht man, warum diese Ausführung den Beinamen “der kleine Horch” erhielt. Ein besonders schönes Originalfoto dieses Modells in der viersitzigen Ausführung von Baur wird hier vorgestellt.

Übrigens: Die bei Horch gezeichneten und teilweise auch dort gebauten DKW Front Luxus Cabriolet wiesen keine Kunstlederkarosserie mehr auf wie die meisten Serien-DKWs. Sie waren in Blech gearbeitet, auch wenn sich darunter ein traditionelles Holzgerippe verbarg.

Nach dem Erfolg des Front Luxus Cabriolets gab DKW bei Horch einen noch kühneren Entwurf in Auftrag – einen Roadster auf der technischen Basis des DKW F5. 

Dieser von 1935-38 nur rund 400mal gebaute Wagen gehört heute zu den begehrtesten DKWs überhaupt. Ein gutes Originalfoto davon zu finden, ist nicht einfach, daher müssen wir uns mit dieser etwas körnigen Aufnahme begnügen:

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© DKW F5 Front Luxus Roadster, 1935-38; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Wagen stimmt – zumindest optisch – alles: lange Haube, kurzes Heck, tief ausgeschnittene Türen ohne Außengriffe, seitliche Scheiben und umklappbare Frontscheibe.

Davon kann sich manches später als Roadster vermarktetes Cabriolet eine Scheibe abschneiden. So radikal und rassig kamen damals nur die offenen Zweisitzer von BMW daher.

Damit sind wir allerdings auch beim Schwachpunkt des DKW F5 Roadsters angelangt: Der Wagen verfügte nur über den 20 PS-Motor des Serienmodells.

Zwar dürfte dank verkürzten Radstands und niedrigen Gewichts die Roadster-Version sportlicher gewesen sein als die Serienausführung. Warum DKW mit seiner Sporterfahrung bei 2-Takt-Motorrädern dem Motor nicht einige zusätzliche PS mit auf den Weg gab, bleibt dennoch unverständlich.

Es mag sein, dass sich der Wagen auch so flott bewegen ließ – vielleicht bot aber auch das Serienaggregat kein Potential für zuverlässige Mehrleistung. So fällt auf, dass DKW die Leistung der beiden PKW-Motoren mit 600 bzw. 700ccm von 1933 bis zum Krieg unverändert ließ, obwohl die Wagen an Gewicht zulegten.

Möglicherweise kann ein DKW-Spezialist mehr dazu sagen. Interessanterweise geht auch das brilliante Buch von Thomas Erdmann zur Geschichte der DKW Automobile bis 1945 (ISBN: 978-3-7688-3513-8) nicht auf diesen Punkt ein.

Hanomag “Rekord” Pullman-Limousine (1934-36)

Leser dieses Blogs finden hier nicht nur reizvolle Originalfotos von Vorkriegsautos heute noch bekannter Hersteller wie BMW, Ford, Opel oder Mercedes. Auch längst untergegangene Marken werden ihrer einstigen Verbreitung entsprechend gewürdigt.

Dazu zählt neben Adler, Brennabor, DKW, NAG und Wanderer auch die niedersächsische Marke Hanomag. Der Maschinenbauhersteller aus Hannover existiert zwar noch – doch PKW baute er nur bis zum 2.Weltkrieg.

In den 1930er Jahren waren die soliden – wenn auch technisch konventionellen – Hanomags in der Mittelklasse recht beliebt. Am häufigsten ist auf alten Aufnahmen der von 1934-38 gebaute 4-Zylinder-Typ “Rekord” zu sehen. Ihn haben wir hier bereits in mehreren Varianten besprochen, noch zu Friedenszeiten, im Krieg und nach 1945.

Das historische Bilder des Hanomag “Rekord” recht gut zu bekommen sind, ist erstaunlich – von ihm wurden weniger als 20.000 Exemplare gebaut. Es mag an seiner großzügigen Anmutung und Haltbarkeit gelegen haben, dass er vergleichsweise oft fotografiert wurde:

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© Hanomag Rekord 6-Fenster-Limousine, 1934-36; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese schöne Originalaufnahme ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass der Hanomag “Rekord” beinahe luxuriös wirken konnte. Man würde dieses Auto von den Dimensionen her glatt der Oberklasse zurechnen.

Tatsächlich sieht die Karosserie – von der Zahl der Luftklappen in der Motorhaube abgesehen – derjenigen des Spitzenmodells Hanomag “Sturm” sehr ähnlich. An diesem wurde serienmäßig ebenfalls eine solche Karosserie von Ambi-Budd aus Berlin verbaut, die übrigens auch bei zeitgenössischen Wagen von Adler auftaucht.

Dass wir es dennoch “nur” mit einem Rekord zu tun haben, verrät der entsprechende Schriftzug auf dem Kühlergitter:

Hanomag_Rekord_6-Fenster-Limousine_Frontpartie

Auf der Oberseite des Kühlers ist das Flügelwappen der Firma zu sehen, auf dem in einem Bogen HANOMAG geschrieben steht.

Der reichliche Einsatz von Chrom bei den Scheinwerfern, der Verbindungsstange dazwischen, an der Hupe und dem Verschlussdeckel der Öffnung für die (kaum benötigte) Anlasserkurbel sowie an der Stoßstange, lässt den Qualitätsanspruch von Hanomag ahnen.

Das Nummernschild mit dem Kürzel “IS” verweist übrigens auf eine Zulassung im Bezirk Hannover – vielleicht handelt es sich um ein Werksfoto. Das große Format und die hervorragende technische Qualität des des Abzugs sprechen jedenfalls dafür.

Ein für die Datierung wichtiges Detail sind die Scheibenfelgen, die 1937 von Lochfelgen abgelöst wurden. Werfen wir noch einen Blick auf die Seitenpartie des Wagens und nehmen wir auch die junge Dame davor näher in Augenschein:

Hanomag_Rekord_6-Fenster-Limousine_Seitenpartie

Hier erklärt sich nun, weshalb der Wagen so einen mächtigen Eindruck macht: Es ist eine viertürige Limousine mit sechs (!) Seitenfenstern. Eigentlich müsste diese Version über einen verlängerten Radstand verfügen und wäre dann eine Pullman-Limousine.

Leider gibt die spärliche Literatur zu Hanomag-PKWs diesbezüglich nichts her, sodass dieser Punkt vorerst offen bleiben muss. Hervorzuheben ist auf jeden Fall die exzellente Verarbeitung mit engen Spaltmaßen, die die horizontalen Linien kaum merklich unterbrechen – die Länge des Wagens wird so zusätzlich betont.

Dass der Wagen größer wirkt, als man es bei einem Mittelklasseauto vermuten würde, hat auch mit unserem Fotomodell zu tun. Der Hanomag “Rekord” hatte eine Gesamthöhe von 1,61 Meter und unser Fräulein scheint kaum wesentlich größer gewesen sein, wenn man die Absätze und den Hut berücksichtigt.

Dass die junge Dame dennoch ausgesprochen wohlproportioniert wirkt, liegt nicht zuletzt an ihrer schlanken Figur und der körpernah geschnittenen Kleidung.

Der lange Rock mit dem hohen Bund würde sicher noch vorteilhafter an ihr wirken, wenn sie weniger verkrampft dastünde. Auch der wenig freundliche Blick trübt das ansonsten sehr elegante Erscheinungsbild, das heute leider selten geworden ist – auch auf Klassikerveranstaltungen…

Der erste “echte” PKW von BMW: Typ 3/20 PS von 1932

Allmählich schließen sich auf diesem Blog die Lücken bei der Dokumentation der frühen BMW-Automodelle der Vorkriegszeit.

Der aus einem Austin-Seven-Lizenznachbau abgeleitete erste BMW 3/15 PS von 1929 wurde hier bereits präsentiert – im Zusammenhang mit der Vorgängermarke “Dixi” aus Eisenach. Nach diesen bescheidenen Anfängen erkannte BMW schnell die Notwendigkeit einer zeitgemäßeren Konstruktion.

So schuf man beim ersten “echten” BMW – dem 1932 vorgestellten Typ 3/20 PS – einen verbesserten Rahmen und einen moderneren Motor mit hängenden Ventilen. Die selbstkonstruierte Vorderachse stellte aber einen Rückschritt dar, selbst gegenüber dem veralteten Vorbild von Austin.

Auch in gestalterischer Hinsicht kann man den Wagen nur als “konservativ” beschreiben. Wie flott ein deutscher Kleinwagen in der ersten Hälfte der 1930er Jahre aussehen konnte, zeigte der sächsische Hersteller DKW mit seinen Frontantriebsautos.

Immerhin waren die offenen Versionen des BMW 3/20 PS recht ansehnlich:

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© BMW 3/20 PS, 1932-34; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei diesem Exemplar hatte der Besitzer mit einem modischen Steinschlaggitter vor dem Kühler dem Wagen eine etwas dynamischere Optik gegeben.

Die übrigen Details – das Kühlwasserthermometer mit BMW-Logo, die geschwungene Verbindungsstange zwischen den Scheinwerfern, die Form der Kotflügel und die vertikalen Luftschlitze in der Motorhaube – verweisen auf das Modell 3/20 PS.

Interessant ist der Aufbau als zweifenstrige Cabriolimousine. In der einschlägigen Literatur findet man neben der biederen geschlossenen Variante zwar auch einen Roadster und ein Cabriolet – außerdem eine 4-fenstrige Limousine mit Rolldach.

Die hier abgebildete Variante mit festen Fensterrahmen, nur zwei Fenstern und Cabrioletverdeck scheint jedoch eine Sonderanfertigung gewesen zu sein. Vielleicht weiß ein Leser mehr darüber.

Zu Ort und Zeitpunkt der Aufnahme lässt sich Folgendes sagen: Das Nummernschild ist ein Besatzungskennzeichen, das in der amerikanischen Zone “Hessen” ausgegeben wurde – daher das Kürzel “AH”. Die anschließende Zahl 54 verweist auf den Zulassungsbezirk Frankfurt-Höchst.

Wer genau hinschaut, sieht auf dem Foto im Hintergrund blühende Obstbäume in einer waldreichen Hügellandschaft.

Vermutlich ist das Foto bei einer Frühjahrsausfahrt im nahen Rheingau oder Taunus entstanden – dank weitgehender Abwesenheit industrieller Wind”parks” heute immer noch ein Paradies für Erholungssuchende und Klassikerfahrer.

Die rückseitige Aufschrift verrät sogar das Entstehungsjahr der Aufnahme: Es war das Jahr 1952, als der BMW bereits an die 20 Jahre alt war. Das Auto macht einen gepflegten Eindruck und der Besitzer war stolz darauf. Sonst hätte er seine Frau und den Buben hinter dem Steuer kaum so abgelichtet.

Dennoch standen die weiteren Überlebenschancen für Vorkriegsautos damals schlecht. Viele Leute wollten nach dem verlorenen Krieg und den harten Jahren des Wiederaufbaus nichts mehr von der Vergangenheit wissen.

Dem radikalen Neubeginn sind neben übriggebliebenen architektonischen Schätzen – speziell in Frankfurt am Main – damals auch zahllose Autos zum Opfer gefallen.

Einigen Querköpfen haben wir es aber zu verdanken, dass es dennoch Exemplare solcher unspektakulären Vorkriegsautos gibt, die einst der ganze Stolz der Familie waren.

Ein Hauch von Luxus mit 3 Grazien: Wanderer W10/IV

Audi, DKW und Horch kennt heute noch jeder Klassikerliebhaber, auch wenn die beiden letzten Marken untergegangen sind. Die vierte Firma im einstigen Auto-Union-Verband wird merkwürdigerweise meist übergangen – Wanderer.

Auf diesem Blog wurden bereits einige Modelle dieser soliden Marke vorgestellt. Zuletzt haben wir uns mit dem Vierzylindertyp W10/II beschäftigt. Heute gibt ein schönes Originalfoto Anlass, die letzte Ausführung dieses Modells der frühen 1930er Jahre zu besprechen,  den Wanderer W10/IV:

Wanderer_W10_IV

© Wanderer Typ W10/IV, Bj. 1930-32; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf dieser Aufnahme stellt das Auto nur Staffage dar – wer auch immer dieses Foto gemacht hat, verfügte über malerisches Gespür. Er oder sie verteilte nach klassischem Vorbild drei Grazien über den Wagen  und integrierte den herrlichen spätmittelalterlichen Turm im Hintergrund.

Der mutmaßliche Fahrer hat sich hinten platziert und scheint die Szene zu genießen. Das Ganze ist so elegant inszeniert, dass wir es uns gleich noch einmal näher ansehen:

Wander_W10_IV_Ausschnitt Die drei Damen scheinen einige Jahre auseinander zu sein, doch tragen sie Kleider mit fast identischem Muster. Wer genau hinsieht, bemerkt, dass der Schnitt etwas unterschiedlich ist. Könnten das Schwestern sein, die dieselbe Schneiderin hatten?

Leider wissen wir nichts Genaues darüber. Jedenfalls scheint die Aufnahme nach dem Stil der Frisuren und der Rocklänge Anfang der 1930er Jahre entstanden zu sein.

Kommen wir nun zum Wagen, auf dem man sich seinerzeit ganz selbstverständlich platzierte – heute heißt es bei überrestaurierten Vorkriegswagen: “Nicht anfassen” oder sogar “Fotografieren verboten”. Das gibt’s aber wohl nur in Deutschland.

Das Auto ist ein Wanderer W10/IV, dessen verchromte Kühlerfront bei Vorstellung 1930 einen Hauch von Luxus ausstrahlen sollte. Technisch war die Marke mit 30 PS aus 1,6 Liter, 3-Gang-Getriebe und mechanischer Bremse dagegen kaum konkurrenzfähig,

Es bleibt ein schönes Foto, von dem man gern wüsste, wo es aufgenommen wurde. Vielleicht weiß ein Leser mehr.

“Humber revisited” im Mai vor 70 Jahren

Der Mai des Jahres 2016 zeigt uns gegenwärtig die kalte Schulter – nach erfreulichem Beginn waren die letzten Tage eher zugig und frisch. Speziell jüngere Männer greifen nach Beobachtung des Verfassers zu Skimützen und Schals, es muss wirklich sehr kalt sein…

In der klimatisch begünstigten Wetterau nördlich von Frankfurt am Main und im Windschatten des Taunusgebirges schien immerhin die Sonne, entsprechend waren viele Klassiker am Pfingstwochenende in der Region unterwegs.

Sonnig muss auch der Mai des Jahres 1946 gewesen sein, als laut umseitigen Vermerks das folgende Foto entstand:

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© Humber Super Snipe, Mai 1946; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wir sehen einen noch recht jungen Mann in schon etwas mitgenommener, aber korrekter Kleidung neben einem ungewöhnlichen Automobil stehen. 

Der 2. Weltkrieg ist seit 12 Monaten vorbei, vielerorts herrscht große Not und in den zerstörten Städten Deutschlands setzt ganz allmählich der Wiederaufbau ein. Man sollte meinen, dass es andere Sorgen gab, doch hier hatte offenbar noch jemand einen Film in der Kamera – und was fotografiert er oder sie?

Einen Freund oder ein Familienmitglied neben einem englischen Auto – ausgerechnet ein Wagen der britischen Besatzer! Darauf weist der “Union Jack” auf der Stoßstange hin, außerdem das Kürzel “RAF” auf dem Kennzeichen: Es ist ein Fahrzeug der “Royal Air Force”, die in den Jahren zuvor systematisch deutsche Wohnviertel eingeebnet hatte.

Immerhin scheinen die prächtigen Gründerzeitfassaden im Hintergrund davongekommen zu sein. Selbst im unzählige Male bombardierten Berlin haben einige Straßen den Krieg so überstanden. Wo nur Brandbomben fielen, brannten bestenfalls bloß die Dachstühle aus, die massiven Ziegelmauern verhinderten Schlimmeres.

Wo genau das Foto entstand, wissen wir nicht. Doch der Wagentyp auf der Aufnahme lässt sich identifizieren. Es ist ein Humber Super Snipe, wie er von 1938-40 in rund 1.500 Exemplaren gebaut wurde.

Der Wagen war großzügig motorisiert: sein 4-Liter Sechszylinder ermöglichte eine Spitzengeschwindigkeit von fast 130 km/h. Nach Kriegsausbruch 1939 wurde er für die britische Armee weitergebaut. Mit so einem Wagen haben wir es hier zu tun.

Es ist nur eine Vermutung, doch möglicherweise verband die Person auf dem Foto eine Erinnerung mit dem Humber. Erst kürzlich wurde auf diesem Blog folgende Aufnahme eines ähnlichen Wagens besprochen (Bildbericht):

Humber_Pullman_Balkan_1941

Zu sehen sind drei deutsche Soldaten, die sich im Jahr 1941 irgendwo auf dem Balkan mit einem von den Briten erbeuteten Humber haben ablichten lassen. Der Mann auf unserem Ausgangsfoto hat sicher ebenfalls am Krieg teilgenommen und vielleicht entsprechende persönliche Erinnerungen an solch einen Wagen.

Britische PKW wurden von der Wehrmacht in großer Zahl 1940 in Dünkirchen und 1941-43 an der Südfront (Balkan, Griechenland, Nordafrika) vom Gegner erbeutet und in den eigenen Fahrzeugbestand eingegliedert. An ein Auto dieses Kalibers erinnerte man sich gern, auch wenn es irgendwann mangels Ersatzteilen aufgegeben werden musste.

Eine ähnliche Geschichte könnte sich hinter unserem Foto verbergen. Übrigens entstand bei der Gelegenheit noch eine zweite Aufnahme, die wir ebenfalls zeigen, obwohl hier das Auto im Hintergrund steht:

Humber_RAF_2_Galerie

Das ist in jeder Hinsicht ein großartiges Foto: Technisch ist die Aufnahme makellos, der Schärfebereich liegt präzise auf dem Porträtierten, die Belichtung könnte nicht besser sein. Auch der Bildaufbau mit dem Wagen und der Häuserzeile im Hintergrund ist ideal.

Der Mann auf dem Bild mit der Nickelbrille und der hohen Stirn schaut selbstsicher in die Kamera. Gut zu erkennen ist die sorgfältige Kleidung mit diagonal gestreifter Krawatte – ein zeitloser Klassiker – und Taschentuch in der Brusttasche. Die aufgesetzten Taschen erinnern an die Uniformjacke eines Offiziers, möglicherweise ein umgearbeitetes Stück:

Humber_RAF_Mai_1946_Detail

Doch da ist noch etwas: ein Flugblatt der KPD – der Kommunistischen Partei Deutschlands – auf dem Anschlagbrett. Es erinnert daran, dass für unsere Landsleute in Ostdeutschland die braune Diktatur 1945 durch eine rotlackierte abgelöst wurde.

Diese zettelte zwar keinen Krieg gegen andere Nationen an, sperrte aber die eigene Bevölkerung ein, drangsalierte sie im Namen der “sozialen Gerechtigkeit” auf’s Übelste und schreckte vor gezielter Ermordung am “antifaschistischen Schutzwall” nicht zurück.

So ist diese Aufnahme ein Beispiel dafür, dass sich in der Historie der Mobilität auch die allgemeine Zeitgeschichte widerspiegelt. Gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Autoschicksale oft genug auch Menschenschicksale.

DKW-Hecktriebler vom Feinsten: Sonderklasse 1001

Von den deutschen Großserienherstellern der 1930er Jahre genießt DKW heute wohl das geringste Renommée. Die meisten überlebenden Fahrzeuge sind frontgetriebene 2-Zylinder-Zweitakter mit gering anmutender Leistung.

Doch ist es kein Zufall, dass diese Modelle auf diesem Blog so zahlreich besprochen werden. Denn sie gehörten vor dem 2. Weltkrieg nicht nur zu den populärsten Autos hierzulande, sie waren auch sehr attraktiv gezeichnet. In der Kleinwagenklasse bot sonst niemand so elegant wirkende Autos an.

Dass man bei DKW auch “erwachsene” Autos bauen konnte, zeigte die Marke aus Zschopau in Sachsen erstmals mit dem heckgetriebenen 4-Zylindertyp V1000 ab 1931. 

1932 legte man nach und stellte mit dem Typ 1001 Sonderklasse das wohl schönste DKW-Modell mit 4-Zylinder-Motor und Heckantrieb vor. Einen solchen Wagen zeigt das folgende Originalfoto:

DKW_Sonderklasse_1001_Galerie

© DKW 1001 von 1932; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Foto ist eine Privataufnahme, doch hat hier jemand alles richtig gemacht:

Eine reizvolle Perspektive mit der schräg nach hinten laufenden Straße, auf das Motiv begrenzte Schärfentiefe und perfekte Belichtung trotz großer Helligkeitsunterschiede. Die Personen auf dem Bild sind malerisch arrangiert und wissen zu posieren, alles in allem eine Fotografie der Sonderklasse!

Damit wären wir bei der Identifikation dieses seltenen DKW-Modells.  

DKW_Sonderklasse_1001_Kühlerpartie

Auf der Kühlermaske erkennt man das typische grün-weiße DKW-Markenemblem, das dem Grundsatz nach bis in die 1950er Jahre überlebte.

Auffallend ist zum einen die Kühlerfigur, die vermutlich ein ADAC-Zubehörteil war (hier spiegelverkehrt, da auf die Insassen ausgerichtet). Zum anderen erstaunen die großen, vollverchromten Scheinwerfer – ein erster Hinweis darauf, dass wir es nicht mit einem der kleineren Frontantriebswagen der Marke zu tun haben.

Der Eindruck eines gehobenen Modells setzt sich bei Betrachtung der Frontpartie fort:

DKW_Sonderklasse_1001_Detail2

Die durchgehende Stoßstange, die verchromte Abdeckung der Öffnung für die Anlasserkurbel mit “DKW”-Prägung und weit ausladende Vorderkotflügel – das findet man nicht bei den gängigen DKW-Modellen – das muss etwas Besonderes sein.

Der Eindruck bestätigt sich beim Blick auf die filigranen Drahtspeichenfelgen des Autos:

DKW_Sonderklasse_1001_Detail

Zwar versuchten viele DKW-Besitzer frontgetriebener 2-Zylinderwagen diese mit allerlei Zubehörteilen aufzuwerten, doch die genannten Details zusammengenommen finden sich nur beim Modell DKW 1001 Sonderklasse, das von 1933-35 gebaut wurde.

Nun noch ein Blick auf die Passagiere dieses geschmackvoll gestalteten Wagens:

DKW_Sonderklasse_1001_Insassen

Die rund um den DKW posierenden Herrschaften machen nicht den Eindruck von Arbeit zermürbter Volksgenossen. Das sind Leute mit einem gewissen Wohlstand, die Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild legen. Dabei wirken sie so individuell und typgerecht gekleidet, wie das in heutigen Zeiten uniformer “Funktionskleidung” selten zu finden ist.

Die Dame im DKW mit der Wellenfrisur trägt ein kurzärmliges helles Sommerkleid mit Ausschnitt in klassischer Manier. Dagegen ist das Erscheinungsbild ihrer Geschlechtsgenossin mit dem kräftigen Teint burschikoser. Die schlanken Fesseln und die schmalgeschnittenen Schuhe bilden dazu einen erfreulichen Gegensatz.

Der Herr mit Brille in der Mitte fällt zwar stilistisch nicht aus dem Rahmen. Knickerbocker mit Kniestrümpfen, Oberhemd und Krawatte waren seinerzeit ein sportlicher Standard. Doch das Ganze wirkt so auf den Leib geschneidert, dass es das vermutlich auch war.

Die lässige Haltung mit Zigarette in der Linken ist Ausdruck einer “Coolness”, die es in Europa schon in der Vorkriegszeit gab – lange bevor dieser Begriff aus Amerika eingeschleppt wurde. Dieses Bild eines DKW 1001 ist nicht nur nur in automobiler Hinsicht “Sonderklasse”.

Der 3er mausert sich: BMW 319 Cabriolet von 1935

BMW gehört heute zu den Automarken mit dem höchsten Renommee. Das hat sich die Firma über Jahrzehnte erarbeitet und mit jeder Typengeneration auf’s Neue verdient.

Vielen Autofreunden sind allerdings nur die Modelle nach dem mühsamen Neuanfang der Marke nach dem 2. Weltkrieg geläufig. Doch die Geschichte der PKW-Produktion von BMW reicht zurück bis in die späten 1920er Jahre.

Dabei begann BMWs Autohistorie einst sehr bescheiden. Der erste PKW der Marke war ein Lizenznachbau eines englischen Massenfabrikats, des Austin 7. Dieser als BMW Dixi bekanntgewordene Kleinwagen wurde auf diesem Blog bereits besprochen:

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© BMW 3/15 PS nach Austin-Lizenz, Baujahr 1929-32; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Es ist bemerkenswert, dass deutsche Hersteller in den 1920er Jahren keinen kommerziell überzeugenden eigenen Entwurf in dieser Klasse vorlegen konnten – auch Opels Erfolgsmodell 4PS “Laubfrosch” war die Kopie eines französischen Vorbilds.

Doch BMW machte nach der Einführung des Dixi enorme Fortschritte und zeigte mit jedem neuen Typ, dass man “nach oben” wollte. Ab 1933/34 bot man die 6-Zylindermodelle 303 und 315 an, die etwas von BMWs kommender Klasse ahnen ließen:

BMW_303_1933

© BMW 303, Baujahr 1933-34; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Aus dem BMW 303 bzw. 315 leitete man 1935 das Modell 319 ab, das ebenfalls über einen 6-Zylindermotor verfügte, nun aber mit 1,9 Liter Hubraum.

Der Wagen entsprach äußerlich weitgehend seinen Vorgängern, übernahm aber das für den Sporttyp 319/1 entwickelte leistungsfähigere Aggregat, das bereits über drei Vergaser und halbkugelige Brennräume verfügte wie später der legendäre BMW 328.

Eines von nur rund 100 gebauten Exemplaren dieses BMW 319/1 Roadsters war 2014 bei den Classic Days auf Schloss Dyck am Niederrhein zu bewundern:

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© BMW 319/1 Roadster, Baujahr:  1935/36; Bildrechte: Michael Schlenger

Während diese Sportversion über 55 PS verfügte, die ein Spitzentempo von 130 km/h ermöglichte, war die “zivile” Zweivergaservariante des BMW 319 auf 45 PS gedrosselt. Damit waren immer noch 115 km/h Höchstgeschwindigkeit drin. Man muss dies im Vergleich zu den meisten anderen Autos jener Zeit sehen, die nur 80-100 km/h erreichten.

Auf den oft noch unbefestigten Landstraßen der 1930er Jahre fühlten sich 100 km/h schon ungeheuer schnell an. Und seien wir ehrlich: Abseits unserer Autobahnen wird heute von so vielen Zeitgenossen mit 70 Stundenkilometern herumgeschlichen, dass man auch heute mit 40-50 PS mühelos mithalten kann.

Der BMW 319 in der Serienausführung, um den es hier geht, wurde von 1935-37 in rund 6.500 Exemplaren gebaut. Das war auch für damalige Verhältnisse wenig, weshalb man nicht oft auf ein originales Foto dieses Wagens stößt:

BMW_319_Cabrio_mit_Dame_Galerie

© BMW 319 Cabriolet, Baujahr: 1935-37; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zwar scheint auf den ersten Blick auf dieser Aufnahme nichts Typspezifisches zu sehen zu sein. Doch wie so oft bei alten Autofotos, die aus ungewöhnlichen Perspektiven aufgenommen wurden, macht es sich bezahlt, genauer hinzuschauen und schon einige zeitgenössische Wagentypen studiert zu haben.

So liefert uns die Frontpartie den entscheidenden Hinweis zur Identifikation:

BMW_319_Cabrio_mit_Dame_Frontpartie

Hier kann man auf dem Seitenteil der Motorhaube drei Chromleisten auf den waagerecht verlaufenden Luftschlitzen  erkennen. Dieses Detail gab es nur beim BMW 319 – man fragt sich unwillkürlich, ob damit bereits der 3er BMW visualisiert werden sollte.

Dass die Autokäufer der 1930er Jahre bereits vom 3er BMW sprachen, ist aber eher  unwahrscheinlich. Es gab ja in der Vorkriegszeit ausschließlich Wagen der Marke, deren Typbezeichnung mit einer “3” begann.

Trotz der Unschärfe der Frontpartie gut zu erkennen sind die großen tropfenförmigen Scheinwerfer, die komplett verchromt waren – keineswegs selbstverständlich in dieser Wagenklasse.

Werfen wir nun einen Blick auf die Heckpartie des Wagens:

BMW_319_Cabrio_mit_Dame_Heckpartie

Hier sieht man recht gut die Gestaltung der Radkappen, die größer waren als beim BMW 315 – neben den erwähnten Chromleisten der einzige äußerliche Unterschied der beiden Motorvarianten.

Die Zweifarblackierung und die farblich abgesetzte Zieleiste wirken elegant – leider wird dieser Eindruck durch das unglücklich gezeichnete Heck zunichtegemacht. Statt des senkrechten Abschlusses mit angesetztem Koffers wäre ein schräg abfallendes Heck mit integriertem Kofferraum angemessen gewesen.

Vermutlich handelt es sich um eine im Eisenacher BMW-Werk montierte Karosserie von Ambi-Budd. Daneben gab es deutlich gelungenere Aufbauten von anderen Anbietern.

Zuletzt noch ein Blick auf die großgewachsene junge Dame, die so dekorativ vor dem BMW steht und versonnen in die Ferne zu schauen scheint:

BMW_319_Cabrio_mit_Dame_Detail

Das figurbetonte, fast schmucklose Kleid und der Pelzüberwurf sind typisch für die Mitte der 1930er Jahre. Auch  der keck sitzende Hut mit schmaler Krempe passt in die Zeit. Demnach war der von 1935-37 gebaute BMW zum Aufnahmezeitpunkt noch recht neu.

Der BMW 319 belegte damals eine Nische, in der die einheimische Konkurrenz praktisch nicht vertreten war. Zum vergleichbaren Preis bekam man bei Adler, Ford, Hanomag oder Opel keinen Wagen mit ähnlicher Leistung. Die 6-Zylinder-Modelle von Mercedes und Wanderer derselben Hubraumklasse waren weit teurer und viel behäbiger.

Man sieht erst im Vergleich der Leistungswerte mit anderen Wagen jener Zeit, dass BMW sich bereits damals mit sportlichen Fahrzeugen von der Konkurrenz absetzte.

 

Kübelwagen-Rarität von Adler: Typ 12 N-RW

Die Frankfurter Adlerwerke landeten mit dem 1927 vorgestellten Modell Standard 6, das amerikanischen Vorbildern folgte, einst einen großen Erfolg.

Das darauf basierende elegante 2-Fenster-Cabriolet, die eher seltene Tourenwagenvariante sowie die äußerlich sehr ähnliche 4-Zylinderversion “Favorit” wurden hier bereits anhand sehr hochwertiger Originalfotos vorgestellt.

Zuletzt hatten wir uns außerdem mit dem technisch ebenfalls aus dem Standard abgeleiteten Kübelwagen 12N-3G befasst.

Nun ist dem Verfasser ein Foto in die Hände gefallen, das auf den ersten Blick bloß ein weiteres Exemplar dieses von 1933-35 rund 1.900mal gebauten Militär-PKW zeigt:

Adler_Kübelwagen_12N-RW_Vorkrieg_Galerie

© Adler 12 N-RW Kübelwagen, 1933; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wenn man schon einige Originalfotos des Adler 12N-3G gesehen und studiert hat, sagt einem das Bauchgefühl, dass der hier gezeigte Wagen nicht ganz ins Schema passt.

Sicher, es ist ein Adler mit der Kühlermaske des Standard 6 bzw. Favorit. Das Adler-Emblem ist markant genug, um auch auf dieser etwas unscharfen Aufnahme erkennbar zu sein. Auch die Form der Kühlereinrahmung “passt”:

Adler_Kübelwagen_12N-RW_Vorkrieg_Frontpartie Doch dann fallen die hoch ausgeschnittenen Vorderkotflügel auf. Beim Adler 12 N-3G reichen diese wesentlich weiter nach unten. Außerdem irritiert das zivile Nummernschild, das auf eine Zulassung in Brandenburg hinweist (Kürzel IE).

Auf den bisher vorliegenden Originalfotos von Adler Kübelwagen des Typs 12 N-G sind stets Nummernschilder der Wehrmacht zu sehen (Kürzel WH), die 1935 die noch aus der Weimarer Republik stammende Reichswehr beerbte.

Die Lösung fand sich erst nach Recherchen auf der hervorragend gemachten Website KfZ der Wehrmacht von Holger Erdmann, der dort anhand von Originalfotos nahezu alle bei der Wehrmacht eingesetzten Fahrzeuge (mit Ausnahme von Panzern) systematisch zeigt.

Demnach scheint es sich bei unserem Adler-Kübelwagen um ein Fahrzeug des Zwischentyps 12N-RW zu handeln, der 1933-34 nur rund 200mal gebaut wurde. Von der Frontpartie her könnte es sogar der noch ältere Kübelwagen vom Typ 10 N sein. Doch bei diesem Ende der 1920er gebauten Modell waren die Reserveräder am Heck montiert.

Auf unserem Foto dagegen sind die Ersatzräder dagegen bereits seitlich angebracht:

Adler_Kübelwagen_12N-RW_Vorkrieg_Seitenpartie

Übrigens gibt das gute Profil der Stollenreifen zusammen mit dem recht glänzenden Lack auch einen ersten ungefähren Datierungshinweis. Dieser Wagen wurde auf keinen Fall im Kriegseinsatz fotografiert.

Tatsächlich muss die Aufnahme sogar deutlich vor 1939 enstanden sein. Das vermeintlich private Kennzeichen sollte nämlich von der Zugehörigkeit des Fahrzeugs zur bis 1935 existierenden Reichswehr (Nummernschildkürzel: RW) hinwegtäuschen, der nach dem Versailler Vertrag deutlich weniger Autos zustanden.

Solche Rücksichten nahm das nationalsozialistische Regime nach Umbenennung der Reichswehr in Wehrmacht im Jahr 1935 nicht mehr. Rein militärischen Zwecken dienende Fahrzeuge -also auch Kübelwagen – trugen je nach Truppengattung die Kürzel “WH” (Wehrmacht Heer), “WL” (Wehrmacht Luftwaffe) oder “WM” (Wehrmacht Marine).

Nach Kriegsausbruch eingezogene Privat-PKW fuhren dagegen oft weiter mit ihren zivilen Nummernschildern herum. Zur Identifikation wichtiger waren ohnehin die an Front und Heck aufgemalten taktischen Zeichen und Divisionssymbole.

Dass wir es mit einem frühen Kübelwagen der Reichswehr vor 1935 zu tun haben, wird auch durch das Erscheinungsbild des Soldaten unterstützt, der neben dem Wagen steht:

Adler_Kübelwagen_12N-RW_Vorkrieg_Soldat

Der etwas müde wirkende junge Mann scheint gerade keinen Dienst zu haben, da er weder Kopfbedeckung noch Koppel trägt. Auch sind keinerlei Dienstgradabzeichen zu erkennen.

Die auffallend lang geschnittene Uniformjacke gibt den entscheidenden Hinweis: Dies ist noch die bis 1933 getragene achtknöpfige Ausführung mit geradem Schnitt, die dann durch eine kürzere fünfknöpfige und taillierte Jacke ersetzt wurde.

Da der Adler Kübelwagen 12 N-RW nur 1933/34 gebaut wurde, können wir die Aufnahme also mit großer Wahrscheinlichkeit auf das Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland datieren. Der Soldat auf unserem Foto hat wenige Jahre später mit einiger Sicherheit am 2. Weltkrieg teilgenommen; der Kübelwagen möglicherweise auch. Einsatzfotos zeigen auch Exemplare dieses frühen Typs.

Das Bild ist ein gutes Beispiel dafür, dass man mit etwas Erfahrung und Geduld sowie Gespür für stilistische Unterschiede solchen alten Fotos oft mehr entlocken kann, als es zunächst möglich scheint. Und man wird zwangsläufig mit Momenten unserer Geschichte konfrontiert, deren Bedeutung den Zeitgenossen oft erst nachträglich klar wurde.

Der erste Kompressor-Mercedes von Porsche: 15/70/100PS

Der Titel dieses Artikels mag irritieren, doch beschreibt er genau den Wagen, der heute anhand einer hervorragenden Originalaufnahme der 1920er Jahre vorgestellt werden soll: Ein Mercedes des Kompressor-Typs 15/70/100 PS.

Die ersten Versuche von Daimler mit aufgeladenen Motoren nach dem 1. Weltkrieg wurden auf diesem Blog bereits vorgestellt – der auf einem Vorkriegsmodell basierende Typ 28/95 PS und der erste serienmäßig gebaute Kompressor-Mercedes Typ 6/25/40 PS.

1923 – nach dem Weggang des für die bisherigen Kompressortypen verantwortlichen Paul Daimler – übernahm Ferdinand Porsche die Rolle des Chef-Konstrukteurs. Er setzte die bisherigen Entwicklungsarbeiten nicht nur kongenial fort, sondern schuf die Grundlage für die begehrtesten Vorkriegs-Mercedes überhaupt.

Als erstes Modell wurde unter Porsches Leitung der Typ 15/70/100 PS entwickelt, den wir auf folgender originalen Aufnahme als Tourenwagen sehen:

Mercedes_15_70_100_PS_Mitte_1920er_Galerie

© Mercedes 15/70/100 PS, Aufnahme der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bevor wir uns mit der Aufnahmesituation befassen, einige technische Details:

Der Mercedes 15/70/100 PS (werksinterne Bezeichnung: W836) war mit einem 3,9 Liter großen Reihensechszylinder ausgestattet. Seine obenliegende Nockenwelle wurde über eine Königswelle angetrieben, die Ventile waren hängend angeordnet.

Mit diesen modernen – wenn auch nicht innovativen – Ingredienzen leistete das Aggregat im Normalbetrieb 70 PS. Trat man das Gaspedal durch, wurde der Vergaser mit vorverdichteter Luft aus dem an der Motorstirnseite montierten Kompressor (Roots-Patent) versorgt. Das erlaubte eine erheblich höhere Benzin-Beimischung und damit eine Leistungssteigerung auf kurzzeitig 100 PS. 

Man muss diese beeindruckende Leistung freilich in Relation zum Wagengewicht (über 2 Tonnen) und Luftwiderstand des Fahrzeugs sehen. Nicht ganz 120 km/h Spitzengeschwindigkeit je nach Übersetzung schaffte der Mercedes 15/70/100 PS. Genug für die damaligen Straßen war das allemal.

Auch wenn des Verfassers einstiger 34 PS-Käfer leistungsmäßig mit diesem Kompressor-Mercedes mithalten konnte, fehlten ihm jedoch drei Dinge: Souveräne Kraftentfaltung, seidenweiche Laufkultur und vor allem das prestigeträchtige Erscheinungsbild:

Mercedes_15_70_100_PS_Mitte_1920er_Frontpartie

Der Mercedes-Spitzkühler mit dem legendären Stern prägt bis heute das Markenbild der Firma, auch wenn sich diese über die Jahre einige Fehlzündungen geleistet hat. Mit dem damals noch üblichen Mercedes-Schriftzug haben diese Wagen bereits vor Jahrzehnten eine globale Werbewirkung erzielt, die unter Kennern bis heute anhält.

Auf dieser Ausschnittsvergrößerung sieht man auch Details, die den Typ 15/70/100 PS äußerlich von den Vorgängern unterscheidet – beispielsweise die großen Positionsleuchten auf den Schutzblechen. Wer genau hinsieht, wird “wolkige” Partien auf dem Bild erkennen, die von retuschierten Beschädigungen des Abzugs herrühren.

Für die Aufnahmesituation wichtig ist das Kürzel “RW”, das für die deutsche Reichswehr der Zwischenkriegszeit steht. Dazu passt das Erscheinungsbild des Fahrers:

Mercedes_15_70_100_PS_Mitte_1920er_Fahrer

Der Rang des Fahrers ist schwer einzuordnen. Auf der einen Seite lassen Schulterklappen und Kragenspiegel keinen Hinweis erkennen, dass es sich um mehr als einen einfachen Mannschaftsdienstgrad handelte. Auf der anderen Seite verweist das Pistolenholster (wohl für eine P08) zumindest auf einen Unteroffizier.

Möglicherweise war die Bewaffnung bei der Reichswehr aber auch funktionsabhängig – vielleicht kann ein Leser mehr dazu sagen. Typisch für die 1920er Jahre ist jedenfalls die Ganzledermontur, die es nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten bei der deutschen Armee so nicht mehr gab.

Die martialische Ausstattung mit Reitstiefeln, Lederhose, zweireihiger Lederjacke und  Stulpenhandschuhen steht in denkbar großem Gegensatz zum Erscheinungsbild privat beschäftigter Chauffeure.

Zwar wissen wir nichts Genaues darüber, welchen hochrangigen Offizier dieser Mann in dem Mercedes chauffierte. Das nur rund 750mal gebaute Modell dürfte aber einem Mitglied des Generalstabs vorbehalten gewesen sein.

1914: Frontbesuch im “Rolland-Pilain”-Tourer

Als Liebhaber von Vorkriegsautos, der nicht auf eine Marke festgelegt ist, kommt man an französischen Wagen nicht vorbei.

Deutsche Erfinder hatten zwar die Grundlagen für das benzingetriebene Automobil geschaffen. Doch der rasante Fortschritt bis zum 1. Weltkrieg war maßgeblich französischen Herstellern zu verdanken. 

Die meisten davon sind heute nur noch Spezialisten geläufig, dabei gab es bis zum 2. Weltkrieg über 1.000 Automarken in Frankreich. Ein schönes Beispiel für den Grad der Vervollkommung, den die Franzosen bereits kurz nach Anfang des 20. Jahrhunderts erreichten, ist auf folgenden Bildern zu sehen:

© Rolland-Pilain, Baujahr 1909; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Das ist keine pferdelose Kutsche mehr, sondern ein Auto, wie es auch Anfang der 1920er Jahre noch Stand der Technik war, wenn man von den Scheinwerfern absieht. Nur: dieser über 100 km/h schnelle 2 Liter-Wagen wurde bereits 1909 gebaut!

Wem der Hersteller dieses Automobils – Rolland-Pilain– nichts sagt, ist nicht allein. Der Verfasser wusste auch nichts von der Marke, bis er 2014 auf der Messe Interclassics & Topmobiel in Maastricht auf dieses Prachtexemplar stieß.

Es soll hier nicht die gesamte Geschichte dieser Firma ausgebreitet werden, nur so viel: Rolland-Pilain wurde 1905 in Tours im Loire-Gebiet gegründet. Namengebend waren der Finanzier (Francois Rolland) und der technische Kopf (Emile Pilain) des Unternehmens.

Die Firma litt stets unter chronischer Kapitalknappheit, stürzte sich aber von Anfang an in ehrgeizige Vorhaben, die auch (meist erfolglose) Rennaktivitäten umfassten. Im Jahr 1910 etwa bot man neun Modelle an. Dazu gehörten neben einem ventillosen 6-Zylinder nach Knight-Patent etliche 4-Zylinder-Motoren von 1,4 bis 14 Liter Hubraum.

Mit 8-Zylinder-Rennwagen trat Rolland-Pilain in den 1920er Jahren bei diversen Grand Prix und Le-Mans-Rennen an. Diese Aktivitäten überforderten jedoch die Firma, die in der Zwischenkriegszeit lediglich mit 4-Zylinder-Wagen kommerziellen Erfolg hatte.

1927 endete die Autoprouktion nach nur 5.000 Exemplaren und 1932 erlosch auch die Firma Rolland-Pilain. Was bleibt sind die wenigen überlebenden Zeugen aus der Frühzeit der Marke und historische Fotos, die nicht minder faszinierend sind:

Rolland-Pilain_1914_Galerie

© Rolland-Pilain, Frankreich im Spätsommer 1914; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Originalfoto ist ein ganz außergewöhnlicher Fund und man weiß gar nicht, was darauf eindrucksvoller ist – das Auto oder die Situation, in der es aufgenommen wurde.

Beginnen wir mit dem Wagen und arbeiten uns dann weiter vor: Das Auto liegt außerhalb des Schärfebereichs der Aufnahme, doch es handelt sich mit einiger Wahrschenlichkeit um einen Rolland-Pilain, der kurz vor dem 1. Weltkrieg gebaut wurde.

Werfen wir einen näheren Blick auf das Fahrzeug, nachdem der störende Knick – vielleicht auch in Riss im Glasnegativ? -weitgehend wegretuschiert wurde.

Rolland-Pilain_1914_Ausschnitt

Auf der in Fahrtrichtung linken Seite des Küherlgrills ist ein schräg nach oben laufender Schriftzug zu erkennen. Man erahnt ein großes “R” oder “P” als Anfangsbuchstabe, weiter hinten deutet sich ein (vermutlich) doppeltes “l” an.

Zusammen mit der markanten Form des gemäßigten Spitzkühlers spricht dies stark für einen Rolland-Pilain. Auch die Form von Scheinwerfern und Karosserie passen zu zeitgenössischen Modellen der Marke, wenngleich diese Details nicht einzigartig sind.

Spannend ist nun die Situation, in der dieser französische Wagen abgelichtet wurde. Links davon sieht man nämlich einen Trupp deutscher Soldaten, wie an den Pickelhauben erkennbar ist.

Rolland-Pilain_1914_Soldaten

Die mit Karabiner K98 bewaffneten Männer mit Marschgepäck blicken beobachtend der Sonne entgegen. Man sieht hier gut, welche fatale Wirkung die polierten Spitzen der Pickelhauben im offenen Gelände hatten – sie waren weithin zu erkennen.

Kein Wunder, dass bald Stoffüberzüge für den Helm und ab 1915 der unverkennbar deutsche Stahlhelm angeschafft wurde. Die Pickelhauben erlauben somit eine Datierung in die Frühphase des 1. Weltkriegs. Dies wird durch den handschriftlichen Vermerk auf der Rückseite bestätigt: “1914, bei Saint-Priel”.

Einen Ort dieses Namens sucht man zunächst vergeblich, doch nach einigen Recherchen lässt er sich lokalisieren. Es ist eine alte Flurbezeichnung in der Nähe von Moyenmoutier in den nördlichen Vogesen. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen zu Kriegsbeginn im August 1914 fanden auch in dieser Gegend Kämpfe statt. In Gefallenenmeldungen auf französischer Seite aus jener Zeit wird Saint-Priel jedenfalls erwähnt.

Danach blieb es dort vergleichsweise ruhig. Im Spätsommer 1914 fand ein Truppenbesuch in der Region seitens des deutschen Kronprinzen – des Sohns Kaiser Wilhelms II. – statt. Bei dieser Gelegenheit könnte unsere Aufnahme entstanden sein, vermutlich zeigt sie eine Übung hinter der Front.

Der Rolland-Pilain war zu diesem Zeitpunkt ein deutsches Beutefahrzeug und er scheint eine entsprechende Markierung unterhalb der Windschutzscheibe zu tragen. Die Soldaten auf unserem Foto wirken übrigens nicht wie Rekruten, offenbar hat man hier ältere Wehrpflichtige eingesetzt, die abseits der Front in Nachschubeinheiten Dienst taten.

Dessenungeachtet erinnert das Bild an eine Zeit, in der die deutsche Führung – wie übrigens die französische auch – kein Problem damit hatte, Einheit auf Einheit in die Materialschlachten im Westen zu schicken, so wie man Holzscheite ins Feuer schiebt.

Nach all den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts sind die Völker Europas auch heute gut beraten, hochfliegenden politischen Plänen und Utopien abgehobener Eliten auf Kosten der Mehrheit eine Absage zu erteilen. Insofern vermittelt dieses über 100 Jahre alte Foto eines Automobils eine zeitlose Botschaft…

Stoewer R 140: Traum-Cabriolet der 1930er Jahre

Leser dieses Blogs wissen, dass hier schwerpunktmäßig deutsche Vorkriegs-PKW anhand originaler Fotografien vorgestellt werden. Dabei soll nach und nach ein Bildarchiv entstehen, dass die Historie der gängigsten Marken bis 1945 komplett abdeckt.

Damit aber vor lauter Wagen der Marken Adler, BMW, DKW, Horch, Mercedes und Wanderer keine Langeweile aufkommt, werden ab und zu auch reizvolle Bilder von Exoten vorgestellt. Das sind oft Fahrzeuge ausländischer Marken wie zum Beispiel Humber aus England, Mathis aus Frankreich oder O.M. aus Italien.

Von Zeit zu Zeit finden sich aber auch Perlen des deutschen Automobilbaus der Zwischenkriegszeit, die dem Publikum nicht vorenthalten werden sollen. Freunde von Marken wie Brennabor, NAG und Steiger kommen dann auf ihre Kosten.

Heute haben wir es mit einem Vertreter der einstigen Prestigemarke Stoewer aus Stettin in Pommern zu tun:

Stoewer_R-Typ_1937_Galerie

© Stoewer R 140 Cabriolet, Baujahr 1932-35; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Wagen von Stoewer waren stets etwas für Auto-Gourmets, fast immer stilistisch markant und oft auch technisch avanciert. Das war ganz maßgeblich dem Einfluss von Bernhard Stoewer zu verdanken, der nicht nur Mitglied der Besitzerfamilie, sondern auch technischer Direktor war.

Bernhard Stoewer war eines der seltenen Beispiele für einen Ingenieur, der auch gestalterisch talentiert war. Sein Einfluss auf die oft verwegen gezeichneten Stoewer-Wagen ab den späten 1920er Jahren ist unübersehbar.

Folgende Ausschnittsvergrößerung zeigt für den Stoewer-Stil typische Details:

Stoewer_R-Typ_1937_Frontpartie

Die lange Motorhaube, die unerhört niedrige Windschutzscheibe, der V-förmige Kühlergrill und die aggressiv wirkenden Scheinwerfer gaben dem Wagen in seiner Klasse eine einzigartig rassige Erscheinung.

Dieses Fahrzeug ist ein Cabriolet des Typs R, der über 4-Zylindermotoren mit 1,4 bzw. später 1,5 Liter Hubraum verfügte. Mit seinen 30-35 PS war es – technisch gesehen – in der unteren Mittelklasse angesiedelt. Frontantrieb boten auch Adler und DKW, doch formal war der Stoewer eine Klasse für sich.

Dass Stoewer sich zu so einer schwachen Motorisierung herabließ – schließlich verbaute man zuvor meist 6- und 8-Zylinder-Aggregate –  war auf wirtschaftliche Schwierigkeiten zurückzuführen, die der Firma wiederholt zu schaffen machten.

Tatsächlich gehörten die 4-Zylinder-Wagen von Stoewer -einschließlich des Typs V mit seinem V4-Zylindermotor zu den erfolgreichsten Typen der Marke überhaupt. Nur um es klarzustellen: Wir sprechen hier von knapp 6.000 Exemplaren.

Dass von den faszinierenden Wagen aus Stettin heute überhaupt einige existieren, grenzt an ein Wunder. Werfen wir nochmals einen Blick auf das Cabriolet auf unserem Foto:

Stoewer_R-Typ_1937_Seitenpartie

Man beachte den ungewöhnlich ausgeprägten Bogen der Frontscheibe, die einzigartige Gestaltung der Fahrertür mit der raffiniert gestalteten Zierleiste und den abrupten Abwärtssschwung der Heckpartie.

So eine expressive Formensprache bot in dieser Klasse am deutschen Markt kein anderer Serienhersteller der 1930er Jahre. Leider ist das Foto dieses herrlichen Wagens etwas körnig, daher lohnt sich ein Blick auf einen der ganz wenigen Überlebenden des ähnlichen Typs R 150  ,der vor einiger Zeit restauriert und an einen neuen Besitzer verkauft wurde.

Fahrzeuge wie diese sind wahre Raritäten und echte Persönlichkeiten, im Unterschied zu den gegenwärtig hochgeredeten Massenfabrikaten der 1960-70er Jahre. Im Unterschied dazu dürften seltene Vorkriegswagen vom Schlage eines Stoewer immer ihren Wert behalten. Dazu reichen ein paar Kenner mit Geschmack…

Besonderer Dank gilt übrigens Manfried Bauer vom Stoewer-Museum in Wald-Michelbach, der Hinweise zur Identifikation des genauen Typs geliefert hat.

Adler “Favorit” – der gar nicht kleine Bruder des “Standard 6”

Mit dem Modell “Standard 6” schaffte die einstige Frankfurter Qualitätsmarke Adler Ende der 1920er Jahre den Anschluss an die damals führende Autoindustrie in den USA (Bildbericht).

Man mag das angesichts der seit den 1970er Jahren indiskutablen US-Produkte kaum glauben; doch in der Zwischenkriegszeit waren die Amerikaner im PKW-Bereich in jeder Hinsicht tonangebend: technisch, gestalterisch und wirtschaftlich.

Bei Adler war man realistisch genug, um seinerzeit einen US-Wagen zu kopieren. Nach anfänglichen Kinderkrankheiten wurde das neue 6-Zylindermodell ein Erfolg – zumindest gemessen an den hierzulande üblichen Stückzahlen.

Eine interessante Variante bot Adler seinerzeit mit dem äußerlich fast identischen “Favorit” an. Er verfügte nur über einen 4-Zylindermotor mit 35 PS, während der Standard 6 erst 45 und später 50 PS leistete.

Folgendes Originalfoto zeigt einen solchen Adler “Favorit” in Tourenwagen-Ausführung:

Adler_Favorit_Tourer_Galerie

© Adler “Favorit“, Baujahr 1928-30; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Der eindrucksvolle Wagen ist nur an einem Detail als “Favorit” zu erkennen, dazu später mehr. Man fragt sich: Warum grenzte Adler den weit teureren Standard 6 nicht äußerlich deutlich vom 4-Zylinder-Modell ab? Die Frage stellt sich umso mehr, wenn man die Leistungsdaten beider Ausführungen vergleicht.

Der Standard 6 leistete mit seinem 2,5 Liter 6-Zylinder gerade einmal 5 PS mehr als der Favorit mit seinen 1,9 Litern Hubraum. In der Endgeschwindigkeit (90 ggü. 85 km/h) machte sich das kaum bemerkbar. Dafür schluckte der 6-Zylinder zwei bis drei Liter mehr Kraftstoff auf 100km.

Beide Versionen waren nur mit 3 Gängen und 6 Volt-Elektrik ausgestattet, damals in dieser Klasse nicht mehr standesgemäß. Der Verfasser würde heute nach der Lage der Dinge dem billigeren und ansonsten praktisch ebenbürtigen Favorit den Vorzug geben.

Das dachten sich wohl auch die beiden Herren auf dem Foto. Schauen wir genauer hin:

Adler_Favorit_Tourer_Frontpartie

Hier sieht man die Räder mit nur fünf Radbolzen (statt sieben beim Standard 6). Gut erkennbar ist zudem die schwarz-weiße Lackierung der Stoßstangenhalterung, die offenbar original ist.

Interessant für Restaurateure ist vielleicht auch die verchromte Abdeckung der Verbindungsstange zwischen den Frontscheinwerfern. Oder war das ein Zubehörteil? Was das pfeilförmige Emblem auf dem Kühlergrill zu bedeuten hat, ist unklar. Es taucht auf unserem Foto an anderer Stelle abermals auf.

Ungewöhnlich ist, dass an diesem Tourenwagen die Steckscheiben noch montiert sind, während das Verdeck bereits geöffnet ist. Bei Aufnahmen offener Tourenwagen sieht man fast nie die Steckscheiben und bei geschlossenem Verdeck sind sie selten gut zu erkennen.

Adler_Favorit_Tourer_Aufbau

Weitere Details sind die Winker an der A-Säule, die herausgeklappte obere Frontscheibenhälfte und die vorne angeschlagenen Türen. Auch dieses Bild belegt: das Klischee der Selbstmördertüren in der Vorkriegszeit ist … ein Klischee.

Nun noch ein Blick auf den auf der Vorderstoßstange posierenden Herrn mit dem militärisch wirkenden Erscheinungsbild:

Adler_Favorit_Tourer_BesitzerSchirmmütze, zweireihige Jacke und stiefelartige Ledergamaschen über den Schuhen finden sich zwar auch auf Bildern von Chauffeuren der 1920er Jahre. Die Kombination mit einer Armbinde – vermutlich des ADAC – gibt dem Herrn aber eine beinahe offizielle Note.

Da auf dem Nummernschild der Hohheitsadler mit dem Hakenkreuz fehlt, dürfte die Aufnahme noch vor Beginn des “Dritten Reichs” um 1930 entstanden sein. Wir enthalten uns hier eines Urteils und werfen einen Blick in die benachbarte Garage:

Adler_Favorit_Tourer_Garage

Viel zu erkennen ist dort nicht, aber soviel ist klar: Hier steht ein weiterer Adler, aber wohl einer des Vorgänger-Modells von Standard 6 und Favorit – ein 6/25 PS Modell, das auf diesem Blog bereits vorgestellt wurde (Bildbericht). Das Auto trägt dasselbe pfeilförmige Emblem wie der Favorit – was könnte das bedeuten?

Beide Wagen tragen Nummernschilder, die auf eine Zulassung im Rheinland verweisen (Kennung: I Z). Leider wissen wir nicht mehr über Ort und Anlass der Aufnahme. Auch in welchem Verhältnis die beiden Männer auf dem Foto zueinander standen, ist ungewiss.

DKW F5: Versionen “Reichsklasse” & “Meisterklasse”

Die PKW-Palette des einst im sächsischen Zschopau angesiedelten Zweitaktspezialisten DKW ist auf diesem Blog bereits umfassend behandelt worden. Einige wenige Lücken sind aber noch zu schließen.

Heute soll das Modell F5 in den zwei DKW-typischen Ausstattungsvarianten “Reichsklasse” und “Meisterklasse” vorgestellt werden. Diese Bezeichnungen klangen beide nach Tradition und Solidität, sodass man sich auch für die einfachere Variante nicht genieren musste.

So gab es auch für die Reichsklasse-Modelle Überzüge für das am Heck montierte Reserverad, auf denen die Ausstattungsvariante zu lesen war. Erst die Diktatur des “Dritten Reichs” hat es geschafft, positive Assoziationen mit dem Reichsbegriff  im offiziellen Sprachgebrauch unmöglich zu machen.

Dass es soweit kommen sollte, davon wussten die drei jungen Unteroffiziere der Luftwaffe nichts, die sich zu Friedenszeiten mit folgendem DKW F5 Reichsklasse aus dem Zulassungsbezirk Braunschweig ablichten ließen:

DKW_F5-Reichsklasse_1936_Galerie

© DKW F5 “Reichsklasse”, Baujahr 1936; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Abzug ist ungewöhnlich klein für die Vorkriegszeit; das Foto muss mit einer der ersten Kleinbildkameras entstanden sein. Neben Leica kommt auch Contax in Frage – bis heute eine der begehrtesten Sucherkameras der 1930er Jahre.

Welche Qualität selbst ein Amateur damit produzieren konnte, lässt sich auf folgendem Ausschnitt erahnen. Nicht vergessen: das eingelesene Bild ist bald 80 Jahre alt und kein professioneller Abzug. Dennoch beeindrucken die differenzierten Tonwerte der perfekt belichteten Aufnahme. Hier war ein erfahrener Fotograf mit gutem Auge am Werk:

DKW_F5-Reichsklasse_1936_AusschnittZum Auto: Wir sehen hier einen DKW F5 der Ausstattungsvariante “Reichsklasse”, wie sie so nur 1936 gebaut wurde. Der DKW F5 als solcher löste 1935 den Vorgänger F4 ab, von dem er sich äußerlich vor allem durch die Türform unterschied.

Wies der F4 noch eine vorne abgerundete und über dem Schweller endende Tür auf, verlief das Vorderende der Tür beim F5 gerade. Zudem reichte die Tür bis an die Unterkante der Karosserie. Dies war durch den neuen Zentralkastenrahmen möglich.

Ein Merkmal der Basisaustattung “Reichsklasse” war der Verzicht auf Seitenschürzen an den vorderen Schutzblechen. Auch das Fehlen einer Zierleiste entlang der Motorhaube ließ erkennen, dass es das einfache Modell mit 18 PS aus 600ccm war.

Folgendes Originalfoto zeigt nun die Seitenschürzen und die Zierleiste an der Motorhaube, die den DKW F5 “Meisterklasse” kennzeichnen. Außerdem verfügt der Wagen über breitere seitliche Luftschlitze als das Basismodell “Reichsklasse”:

DKW_F5_Meisterklasse_1936_Galerie

© DKW F5 “Meisterklasse”, Baujahr 1936; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Vor 1936 gebaute Wagen dieses Typs hätten sich außerdem durch verchromte statt lackierte Radkappen und komplett verchromte Scheinwerfer von der Einfachausführung unterschieden.

Ab dem Modelljahr 1936 zeichnet sich jedoch der bevorzugte Einsatz von Chrom für die Aufrüstung des Dritten Reichs ab. Chrom wurde aufgrund seiner Härte als Beschichtung für Zylinder von Militärfahrzeugen und Flugzeugen benötigt. Bei zivilen PKWs wurde der Einsatz von Chrom daher zunehmend eingschränkt, ein Kennzeichen der national-sozialistischen Planwirtschaft.

Die zunehmende Militarisierung war also schon vor Kriegsbeginn im Alltag spürbar. Das war freilich in ganz Europa der Fall, denn nach dem fatalen Versailler Vertrag war klar, dass Deutschland so oder so die angelegten Ketten abschütteln würde.

Dass zum Zeitpunkt der Aufnahme des DKW F5 “Meisterklasse” bereits der 2. Weltkrieg tobte, ist an den vorgeschriebenen Tarnüberzügen der Scheinwerfer zu sehen. Leider kann man das Nummernschild aus dieser Perspektive nicht entziffern.

DKW_F5_Kühlerpartie

Das Foto wurde im Winter gemacht, darauf weisen der Kühlerüberzug zur Begrenzung der Luftzufuhr und der Schneehaufen im Hintergrund hin. 

Auch der Herr im mittleren Alter, der in den äußerlich schon etwas mitgenommenen DKW steigen will, ist winterlich gekleidet.

DKW_F5_Passagier

Mit Hut, langem zweireihigen Wollmantel, Schal und Handschuhen war er gut gerüstet für eine Fahrt im DKW, der über keine serienmäßige Heizung verfügte. Die Nadelstreifenhosen lassen vermuten, dass wir es mit einem höheren Angestellten oder Beamten zu tun haben. Genaues wissen wir nicht.

Im Unterschied zu den drei Luftwaffensoldaten dürfte der Krieg für ihn glimpflich ausgegangen sein. Doch Verluste zu beklagen hatte seinerzeit letztlich so gut wie jede Familie in den betroffenen Ländern, und sei es der Verlust der Heimat oder anderer elementarer Dinge wie Reise- und Redefreiheit.

Daher ist die Beschäftigung mit den Fahrzeugen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unweigerlich immer wieder eine Konfrontation mit der Zeitgeschichte.

Typischer Stil der 1920er Jahre mit Wanderer W10/II

Jede Generation hat ihre Stil-Heroen und versucht, diesen nachzueifern. Auch heutzutage sind das natürlich nicht die Eltern – die wirken mit kinderbunter Funktionsjacke und obligatorischem Fahrradhelm bei Tempo 15 eher peinlich.

Wie es scheint, nimmt sich die “Jugend von heute” das Erscheinungsbild einer B-Prominenz aus Möchtegern-Gangstern und IS-Kriegern bzw. dem Hungertod entronnenen und zu spät aufgestandenen Models im Hausanzug zum Vorbild…

Genug davon, blenden wir zurück in die späten 1920er Jahre:

Wanderer_W10-III_Galerie

© Wanderer Typ W10/II, Bj. 1927-29; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch dieser junge Mann hat seine modischen Vorbilder genau studiert. Der Nadelstreifenanzug mit Taschentuch und der elegante Hut sind der “feinen Gesellschaft” abgeschaut.

Gleichzeitig hat er nach britischer Art die Anzugjacke verkehrt geknöpft – will nach alter Dandy-Manier heißen: Natürlich kenne ich die Regeln, ich verstoße aber bewusst gegen diese. Auch die Krawatte ist einwandfrei geknotet – gelernt ist gelernt – doch ihr Muster ist zu verwegen für einen nüchternen Juristen oder braven Bankangestellten.

Genau dieser Stil, der Konventionen gezielt bricht, aber diese damit auch anerkennt, ist Ausweis von Geschmack. Das ist das Gegenteil des “anything goes” unserer Tage, wo jede Entgleisung als Ausdruck von “Vielfalt” gilt.

Jetzt aber zum Automobil auf dem Foto. Man meint zunächst, der nur teilweise zu sehende Wagen sei nicht zu identifizieren. Unser stilbewusster junger Mann posiert schließlich genau vor dem Kühler und verdeckt das Markenemblem.

Gehen wir aber systematisch vor und schauen uns einmal das Umfeld an:

Wanderer_W10-III_Ausschnitt1

Wer statt künstlicher Urlaubswelten lieber das gute alte Europa bereist, weiß: im Hintergrund ist deutsches Fachwerk zu sehen. Ein Spezialist in dieser Hinsicht könnte sogar die Region näher bestimmen.

Uns genügt aber die Beobachtung, dass das Foto in Deutschland entstanden ist. Die Wahrscheinlickeit spricht dann dafür, dass der Wagen auf dem Foto auch von einer deutschen Marke stammt.

Welcher Autotyp aus Deutschland weist nun die auf folgendem Ausschnitt zu sehenden Charakteristika auf?

Wanderer_W10-III_Ausschnitt

Wir sehen genug, um Marke und Typ präzise anzusprechen. Da sind zum einen die einzigartigen Positionsleuchten auf den Schutzblechen. Dann fällt der leichte Abwärtsschwung in der Mitte der Kühlermaske auf. Das findet sich so nur bei Wagen der sächsischen Marke Wanderer, die bis 1945 Teil des Auto-Union-Verbunds war.

Den entscheidenden Hinweis auf den Typ gibt die hinter dem Scheinwerfer zu sehende Unterteilung der Luftschlitze in der Motorhaube in zwei Felder. Das ist ein Kennzeichen des Wanderer W10/II, der von 1927-29 gebaut wurde.

Der Wagen verfügte über einen 2 Liter-Vierzylindermotor mit 40 PS. Die Leistungssteigerung war durch den Erfolg des Ford Model A erzwungen worden, der mit seiner großzügigen Motorisierung auch in Europa Maßstäbe setzte.

Die Automobilindustrie in den USA gab in den 1920er Jahren in praktisch jeder Hinsicht den Ton an: Gestalterisch, technisch und preislich. Die selbstgefälligen Hersteller in Europa mussten auf das Entwicklungstempo der Amerikaner reagieren – zum Vorteil der Kunden.

Und so mag es sein, dass sich der stilbewusste junge Mann auf unserem Foto in modischer Hinsicht auch ein wenig an amerikanischen Vorbildern aus der Film- und Musikindustrie orientiert hat…