Mit der Marke Apollo aus dem thüringischen Apolda verbinden Kenner deutscher Vorkriegswagen vor allem die luftgekühlten Modelle der Firma A. Ruppe & Sohn, die ab 1905 in beachtlichen Stückzahlen gefertigt wurden.
Diese 5 oder 6 PS Voiturette von 1905/06 haben wir hier bereits kennengelernt:

Piccolo 5 oder 6 PS Modell, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Den luftgekühlten V2-Motor mit davorliegendem Kühlventilator – damals eine ungewöhnliche Lösung im Automobilbau – kann man nur erahnen.
Doch zum Glück liefert der Fundus eine weitere Ansicht eines ganz ähnlichen Modells, das einst das Atelier eines Fotografen zierte und Kunden damit die Möglichkeit bot, sich als stolze Automobilisten ablichten zu lassen.
Das Ergebnis ist von ganz eigenem Reiz, auch wenn jedermann sehen konnte, dass die Situation “gestellt” war:

Piccolo 5 oder 6 PS Voiturette; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Während diese Aufnahme noch das Stadium der pferdelosen Kutsche dokumentiert, blieb man bei Ruppe & Sohn in Apolda nicht untätig.
Das Konzept des luftgekühlten V-Motors wurde vorerst beibehalten, doch äußerlich näherte man sich schon 1906/07 dem Erscheinungsbild eines “richtigen” Automobils mit Motorhaube und Kühlergrill an.
Der Kühler war zwar eine Attrappe, das Publikum erwartete aber eine solche Optik von einem modernen Automobil:

Piccolo von 1906/07; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Wann diese außergewöhnliche Aufnahme entstanden ist und was vom Baujahr auf der Haube zu halten ist, habe ich seinerzeit hier berichtet.
Wir springen fünf Jahre weiter – ins Jahr 1912 – und auf einmal haben wir es mit einem sportlichen Zweisitzer aus Apolda zu tun, der nichts mehr mit seinen Kleinwagenvorfahren gemein hatte.
Der technologische Richtungswechsel schlug sich auch in der in “Apollo” geänderten Markenbezeichnung nieder, in der der Herstellungsort Apolda anklang und gleichzeitig auf den altgriechischen Gott der Schönheit angespielt wurde.
Ein gefälliges Äußeres kann man diesem ab 1912 gebauten Apollo 4/12 PS Zweisitzer in der Tat nicht absprechen:

Apollo 4/12 PS Sport-Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger
Lange Haube, kurzes Heck – dieses Rezept war schon damals kennzeichnend für sportliche Automobile.
Und trotz auf dem Papier geringerer Leistung bot dieser Apollo sportliche Qualitäten. Dafür hatte Karl Slevogt gesorgt, ein renommierter und auf sportliche Modelle spezialisierter Konstrukteur, den man 1910 gewinnen konnte.
Mit den nunmehr wassergekühlten Vierzylindermotoren und strömungsgünstig im Zylinderkopf hängenden Ventilen waren diese 1-Liter-Apollo-Wagen mit einem Mal bei zahlreichen Wettbewerben erfolgreich.
Wenn man der Literatur trauen darf, waren die von Slevogt agil angelegten Apollo-Typen mit kopfgesteuerten Ventilen selbst den frühen Bugattis gewachsen.
Dies dürfte wohl nur für “heißgemachte” Werksrenner gegolten haben, da der parallel gebaute Bugatti Typ 13 mit seinem 1,3 Liter und 15 PS leistenden Motor schon von der Papierform her überlegen war.
Jedenfalls vermochte sich Apollo speziell in den Jahren 1911/12 einigen Ruhm zu erwerben, der sogar Hoffnungen auf eine internationale Karriere weckte:

Apollo-Reklame; Original aus Sammlung Michael
Diese Anfang 1914 entstandene Originalreklame verrät das gestalterische Können des großen deutschen Grafikers und Automobil-Enthusiasten Ernst Neumann-Neander.
Sein charakteristisches Signet ist links unten in dem schwarzen Feld oberhalb des Apollo-Schriftzugs zu sehen. Wer sich für das Werk dieses vielseitig begabten Menschen interessiert, dem sei der nach ihm benannte Ausstellungskatalog von Kraft/Müller/Solms (Verlag Hahne&Schloemer, 2004) ans Herz gelegt.
Zwar sollten sich die Hoffnungen auf bedeutenden wirtschaftlichen Erfolg nicht erfüllen, doch hielt dies die Apollo-Werke nicht davon ab, weitere noch leistungsfähigere Modelle zu entwickeln.
Damit wären wir endlich beim Fund des Monats November 2018, nämlich diesem hier:

Apollo “Record” Typ F8 8/28 PS; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks
Die Aufnahme dieses mächtigen Tourenwagens, die wohl an der winterlichen Balkanfront im 1. Weltkrieg entstand, verdanken wir wieder einmal der Großzügigkeit von Blog-Leser Klaas Dierks.
Die Situation als solche ist eindeutig. Ein schwerer Kurier- oder Offizierswagen der deutschen bzw. österreichisch-ungarischen Truppen steckt mit seinen weitgehend profillosen Reifen im – möglicherweise überfrorenen – Schnee fest.
Die Lage ist im wahrsten Sinne so “verfahren”, dass offenbar die Kräfte der 16 Männer und Burschen auf dem Foto nicht ausreichten, den Wagen zu befreien.
Denkbar ist auch, dass der Wagen mit schwerem Defekt liegengeblieben ist und über eine längere Strecke zu einer Instandsetzungseinheit geschleppt werden muss.
Diese Aufgabe obliegt Ponys, sodass die Männer nur “Anschubhilfe” leisten müssen:
Überwacht wird die “Befreiungsaktion” wohl vom Fahrer des Wagens, den wir am rechten Bildrand sehen. Ihm steht gerade nicht der Sinn nach einem Foto. Man sieht ihm die Sorge um das Automobil an, für dessen Einsatzfähigkeit er verantwortlich war.
Nun, wir dürfen davon ausgehen, dass die Sache mit den vereinten Kräften von vier Pferdestärken und den “Hilfstruppen” glimpflich ausgegangen ist. In Frontnähe wäre diese Situation garantiert nicht eigens von einem Fotografen festgehalten worden.
Doch um was für einen Wagen bemühte man sich einst so intensiv? Nun, das wäre schwer zu beantworten, würde uns nicht das Foto selbst entscheidende Hinweise geben:
Den Kühler in markanter Schnabelform – damals eine gegenüber dem Spitzkühler seltenere Variante – schmückt der schräg nach oben weisende Schriftzug “Apollo”.
Man findet ihn auf etlichen Dokumenten jener Zeit, wie sie vor allem auf der von privaten Enthusiasten Apollo-Website zusammengetragen worden sind. Damit in Verbindung steht auch eine interessante Facebook-Seite zu den Wagen aus Apolda.
Doch selbst dort konnte ich nach erster Durchsicht keinen Apollo-Wagen finden, der dem entspricht, den das über 100 Jahre alte Foto von Klaas Dierks zeigt.
Es lässt sich aber ein Indizienbeweis führen, der zu einem ausgesprochen interessanten Ergebnis führt. Ausgangspunkt sind dabei die Drahtspeichenräder mit Zentralverschlussmutter nach Patent der englischen Firma Rudge.
Die mir zugängliche Literatur – ein Buch speziell über die Apollo-Wagen scheint es (noch?) nicht zu geben – nennt nur bei einem Modell der unmittelbaren Vorkriegszeit Rudge-Drahtspeichenräder als Serienausstattung.
Dabei handelt es sich um das von 1912-14 gebauten Typ “Record” F8 mit 8/28 PS-Motorisierung. Sein Zweiliter-Aggregat war im Unterschied zum parallel erhältlichen Typ N 8/24 PS kopfgesteuert, was eine höhere Leistungsausbeute ermöglichte.
Statt lediglich 75 km/h Spitze erreichte der Apollo “Record” eine Höchstgeschwindigkeit von 95 km/h – für ein Serienautomobil vor dem 1.Weltkrieg eine außergewöhnliche Leistung.
Ausfahren ließ sich das zwar kaum – schon gar nicht unter den Umständen auf dem heute neu vorgestellten Foto.
Doch die um mehr als 15 % höhere Motorleistung bedeutete auch bei niedrigeren Geschwindigkeiten ein besseres Antrittsvermögen und – was noch wichtiger war – am Berg mehr Reserven, bevor man zurückschalten musste.
Mit der heute vorgestellten Aufnahme hat Apollo in meinem Blog den Sprung aus der Rubrik “Exoten von A-Z” in eine eigene Bildergalerie geschafft. Nach und nach soll auch bei dieser Marke eine strukturierte Dokumentation entstehen, die bislang noch fehlt.