Hanomag-PKW der 1930er Jahre im Festtagsornat

Über den ersten „richtigen PKW“ der deutschen Maschinenbaufirma Hanomag – den Typ 3/16 bzw 4/20 PS  – gibt es auf diesem Blog bereits einen ausführlichen Bildbericht.

Daher sollen an dieser Stelle keine technischen Einzelheiten dieses ab 1930 gebauten soliden Wagens wiederholt werden. Vielmehr gilt es, ein kurioses Foto eines solchen Fahrzeugs vorzustellen, das zeigt, welche Rolle Automobile einst im Alltag unserer Vorfahren spielten.

Hanomag_1930_Reklame

© Hanomag 3/16 oder 4/20 PS, Anfang der 1930er Jahre, aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick könnte man meinen, der junge Mann neben dem Hanomag habe eine große Straßenkarte auf der Motorhaube seines Wagens ausgebreitet. Doch dann registriert man den Blütenschmuck an Front und A-Säule.

Die vermeintliche Landkarte entpuppt sich als Stofftuch, das an den Sucherscheinwerfern und den Frontlampen festgebunden ist. Es scheint etwas darauf geschrieben zu stehen, leider kann man nichts davon entziffern.

Doch bietet der Wagen im Detail genügend Interessantes, was eine nähere Betrachtung lohnt. Beginnen wir mit der Frontpartie:

Oben auf der Kühlermaske erkennt man das alte Logo von Hanomag, das die Seitenansicht eines „Kommissbrot“ zeigt. Der eigenwillige Wagen der 1920er Jahre war zwar kommerziell kein sonderlicher Erfolg, hatte aber einen großen Bekanntheitsgrad.

Später kam man von der Bezugnahme auf dieses kuriose Automobil ab und Hanomag-PKWs trugen nur noch ein Flügellogo. Ob man sich diese Idee beim Frankfurter Autobauer Adler abgeschaut hatte, sei dahingestellt. Jedenfalls hilft das markante Kühleremblem bei der Identifikation von Hanomag-Wagen, die häufig mit Standardkarosserien von Ambi-Budd ausgeliefert wurden.

Das Nummernschild verweist auf eine Zulassung in der Kreishauptmannschaft Zwickau/Sachsen, wo seit 1906 die römische Ziffer „V“ als Identifikation der Gebietskörperschaft diente.

Interessant ist nun das vor dem Kühlergrill angebrachte Schild. Es handelt sich um eine Werbung für die Firma Wilhelm Wagner, die seit dem 19. Jh. im Solinger Stadtteil Merscheid eine Messerfertigung betrieb. Wie es scheint, hängt das Schild an Ösen oder Drähten an der Verbindungsstange zwischen den Scheinwerfern. Das weist auf eine nur vorübergehende Montage hin, was mit Blick auf die Kühlluftzufuhr auch ratsam erscheint.

Weitere Hinweise auf die Situation gibt ein Schild, das im Rückfenster befestigt ist. Da es transparent ist, ist die Aufschrift (spiegelverkehrt) sichtbar und kann ohne Weiteres lesbar gemacht werden:

In trockenen Worten steht dort „Stahlwaren-Vertrauenssache. Kaufen Sie im Spezialgeschäft. Reichsverband deutscher Messerschmiede.“

Nun fragt man sich, was diese Werbeschilder in Verbindung mit dem Blumenschmuck und dem Tuch über der Haube zu bedeuten hatten. Da man ausschließen kann, dass ein Vertreter der Messerfirma aus Merscheid mit solchem Ornat im Alltag unterwegs war, bleibt nur ein festlicher Anlass, aber welcher?

Gegen ein Jubiläum der westfälischen Messerfirma Wilhelm Wagner spricht die sächsische Zulassung des Hanomag. Der Blütenschmuck und der elegante Anzug des jungen Mannes lässt an eine Hochzeit denken, doch hätten wir es hier dann nicht mit dem Bräutigam zu tun, da er schon einen Ehering am Finger trägt:

Am plausibelsten ist, dass der Wagen anlässlich einer Ladeneröffnung oder eines lokalen Geschäftsjubiläums eigens hergerichtet wurde und vielleicht in der Stadt auf das Ereignis als Werbeträger aufmerksam machen sollte.

Möglicherweise handelt es sich bei dem Besitzer des Hanomag um den Gesschäftsinhaber. Sein Anzug scheint Frackschöße aufzuweisen, ist aber von leichter, wohl ungefütterte Sommerqualität. Die Kombination mit blütenweißem Hemd und langer Krawatte wirkt sorgfältig gewählt, auch sonst haben wir es mit einer sehr auf ihr Äußeres bedachten Erscheinung zu tun.

Eigenwillig ist der zusätzlich zu den Hosenträgern angelegte Gürtel, der an sich nicht notwendig wäre. Merkwürdig auch die Umhängetasche, die der junge Mann über der rechten Schulter trägt und so gar nicht zu der eleganten Kleidung passen mag. So bleibt ein wenig rätselhaft, zu welchem Anlass genau der Hanomag solchermaßen geschmückt wurde und sich der Besitzer derartig herausgeputzt hat.

Übrigens hat ein Spaßvogel beim Ausstaffieren des Wagens auch den Reservekanister  auf dem Trittbrett bedacht – dort sitzen einige Blüten wie Hühner auf der Stange. Man wüsste nur gern, wie sie dort befestigt wurden…

Italienische Klassiker in Cervinia Anfang der 1950er Jahre

Die Wintersportfreunde wird es freuen: Nun haben die Skiorte in den Alpen doch noch „Schnee satt“ bekommen. Wer dagegen genug von der kalten Jahreszeit hat und als Oldtimer-Liebhaber vom Saisonauftakt träumt, findet vielleicht Gefallen an folgendem Originalfoto aus dem italienischen Cervinia (Aostatal), das Anfang der 1950er Jahre entstanden ist:

© Postkarte aus Cervinia/Oberitalien, 1950er Jahre; aus Sammlung Michael Schlenger

Wie man sieht, hat die Berglandschaft auch ohne Schnee ihren Reiz. Wer klassische italienische Fahrzeuge mag, kommt auf diesem schönen Bild ganz auf seine Kosten. So stehen auf dem Parkplatz im Vordergrund einige interessante Wagen, darunter auch solche, die damals bereits absolute Raritäten darstellten:

Praktischerweise stehen die Autos annähernd nach Baujahr und Anschaffungswert sortiert. Gehen wir sie einfach der Reihe nach von links nach rechts durch.

Links außen steht ein Fiat 1100, der in den späten 1930er Jahren vorgestellt wurde und am Anfang einer Modellgeschichte stand, die bis in die 1990er Jahre reichen sollte. Der hier zu sehende Wagen trägt den keilförmigen Kühlergrill, der 1939 erstmals verbaut wurde. In der Nachkriegszeit wurde der Wagen bis 1948 weiterproduziert. Übrigens haben wir es hier mit dem äußerst raren Cabriolet der Baureihe zu tun!

Nächster in der Reihe ist das Modell Aprilia von Lancia. Dieser aerodynamisch optimierte Mittelklassewagen wurde von 1937-49 gefertigt – in kleinen Stückzahlen auch den gesamten 2. Weltkrieg über.

Mit knapp 50 PS aus 1,5 Liter Hubraum war der Wagen für damalige Verhältnisse großzügig motorisiert. Zum Vergleich: Mercedes mutete seinen Kunden beim hubraumstärkeren Modell 170 V weniger als 40 PS zu. Lancias Aprilia erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h, ohne als unzuverlässig zu gelten.

Beim dritten Wagen sind wir bereits in den 1950er Jahren. Es handelt sich um einen Fiat 1400 in moderner Pontonform. Mit dem schon 1949 vorgestellten Modell zeigte die Turiner Marke, was in dieser Klasse möglich war, ohne auf Solidität und Verlässlichkeit zu verzichten (Bildbericht). Diesen innen wie außen großzügigen und technisch modernen Wagen kennt hierzulande kaum jemand.

Auch in dieser Zeit hielt Mercedes an formal wie technisch rückständigen Konstruktionen fest – gewiss nicht aus Unvermögen der Ingenieure, sondern aufgrund einer überängstlichen Geschäftspolitik. Borgward zeigte mit dem 1949 präsentierten Hansa, dass es auch anders ging.

Zurück zu unseren Italienern. Nächster im Bunde ist eine der Ikonen italienischen Automobilbaus der 1950er Jahre, das Lancia Aurelia B20 Coupé. Zum Rang dieses ersten Gran Turismo der Automobilgeschichte muss man nicht viel sagen.

Nur etwas mehr als 3.000 Stück wurden davon gebaut. Doch hat dieser unerhört schlichte, elegante und sportliche Wagen das Bild der Marke nach dem Krieg geprägt wie wohl kein anderes Modell. Vermutlich ist es heute schwieriger, eine der weit häufiger gebauten Limousinen des Typs anzutreffen als das herrliche Coupé.

Wer meint, dass nun keine Steigerung mehr möglich sei, muss sich eines Besseren belehren lassen. Denn rechts außen – neben einem Renault 4CV, der uns das Heck zeigt, steht eine noch größere Rarität. Es handelt sich um ein Alfa Romeo 1900 Coupé.

Das verraten nicht nur die langgestreckten, fließenden Formen und der filigrane Dachaufbau, sondern vor allem der markant ausgestellte hintere Kotflügel. Kein anderer Wagen jener Zeit wies eine solche meisterhafte Linienführung auf.

Mehr zu dem grandiosen Modell von Alfa-Romeo – vermutlich ein Superleggera-Modell der Karosseriefirma Touring aus Mailand – findet sich in diesem Bildbericht. Es ist bewegend und erschütternd zugleich, welche Klasse die Marke Alfa-Romeo einst verkörperte und was davon übriggeblieben ist.

Leider muss man auch zu Lancia und Fiat feststellen, dass diese Hersteller ihre besten Zeiten lange hinter sich haben. Auf dem historischen Bild aus einem mondänen Urlaubsort sieht man Wagen dieser einst stolzen italienischen Marken versammelt und bekommt vorgeführt, was in etwas mehr als einem halben Jahrhundert aus dem alten Europa geworden ist – eine in jeder Hinsicht entgrenzte Region, in der ein beliebiger internationaler Geschmack Einzug gehalten hat.

Bescheidene Anfänge: BMW 3/15 PS von 1929

Die Bemühungen um den Bau von Kleinwagen oder Autos für’s Volk in den 1920er Jahren sind nicht gerade ein Ruhmeskapitel der deutschen Automobilgeschichte.

Hanomags „Kommissbrot“ war ein Kuriosum, das schon aufgrund seines Erscheinungsbilds nicht massentauglich war. Erst mit dem ab 1929 gebauten Modell 3/16 bzw. 4/20 PS gelang der Firma aus Hannover ein Kompaktwagen, der formal wie technisch überzeugte:

© Hanomag 3/16 oder 4/20 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Opel aus Rüsselsheim unternahm erst gar nicht den Versuch einer eigenen Kleinwagenkonstruktion – die Marke stand bis dahin für gehobene Fahrzeuge – und kopierte ab 1924 Citroens Erfolgsmodell 5CV, ohne Erlaubnis der Franzosen. Hier ein solcher Opel mit eleganter Dame am Steuer:

© Opel 4/14 PS, Baujahr: 1925-26; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

DKW – der renommierte Motorradhersteller aus Zschopau/Sachsen – hatte mit dem 1928 vorgestellten Typ P 15 PS ein eigenständiges Gefährt in der Einsteigerklasse geschaffen, das wie ein richtiges Auto aussah:

© DKW Typ P 15 PS, 4-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch zum Publikumserfolg wurden erst die ab 1931 gebauten Frontantriebswagen (siehe Bildberichte zu F2, F4, F5, F7 und F8).

In dieser Gemengelage trat 1929 auch die Firma BMW auf den Plan, die bis dato nur Motorräder gebaut hatte. Zunächst wollte man als PKW-Erstling eine Konstruktion von SHW weiterentwickeln, doch ergab sich die Möglichkeit, durch Übernahme des Herstellers Dixi dessen Kleinwagen 3/15 PS ins eigene Programm zu übernehmen.

Dixi ist ein weiteres Beispiel für das Unvermögen vieler deutscher Hersteller jener Zeit, erfolgreiche Kompaktautos zu entwerfen. Das 1925/26 realisierte Dixi 3/12 PS-Modell war zu kompliziert geraten und kam für eine Massenfertigung nicht in Frage. Offenbar waren sich viele deutsche Ingenieure zu gut dafür, sich auf die speziellen Anforderungen im Kleinwagenbau einzulassen.

Jedenfalls fiel auch Dixi – wie Opel – nichts Besseres ein, als ein ausländisches Modell nachzubauen, in diesem Fall wenigstens mit ordentlicher Lizenz. Man entschied sich für den britischen Austin Seven, der sich seit seiner Vorstellung 1922 zum Erfolgsmodell entwickelt hatte.

© Austin Seven beim Goodwood Revival 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

1927 schließlich begann Dixi, die nicht mehr ganz taufrische, aber unvermindert populäre Austin-Konstruktion unter eigenem Namen zu fertigen.

Nach Übernahme der Dixi-Werke Ende 1928 fertigte BMW das 3/15 PS-Modell noch wenige Monate unverändert weiter. Ab Sommer 1929 wurde der Wagen dann mit BMW-Markenlogo und Vierradbremse gebaut. Ein solches Fahrzeug ist auf folgendem Originalfoto zu sehen:

© BMW 3/15 PS, 4-sitziges Cabriolet um 1930; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

So unglaublich es erscheint: Dies ist ein viersitziges Cabriolet, wohl eines der kürzesten überhaupt. Technisch war das Gefährt mit seinem 750ccm großen 4-Zylinder und einer Leistung von 15 PS unspektakulär. Immerhin lag der Verbrauch niedriger als beim gleichstarken DKW Typ P 15 PS, dessen Zweizylinder-Zweitakter zudem lauter war.

Wirtschaftlich gesehen war der erste BMW also vernünftig.  Immerhin 16.000 Exemplare konnte man bis 1932 absetzen. Verglichen mit der formalen Klasse des DKW war es allerdings ein sehr bescheidenes, schmucklos daherkommendes Fahrzeug. BMWs Einstieg in die PKW-Produktion war somit denkbar schlicht. Es war noch ein langer Weg zu eigenständigen Qualitätswagen unter dem blauweißen Propeller-Logo

Wer sich für die hochwertigen Eigenkonstruktionen der Marke Dixi interessiert, dem wird vielleicht dieser Bildbericht gefallen.

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

Der erste Kompressor-Mercedes: Typ 6/25/40 PS

Wer denkt beim Stichwort Kompressor-Mercedes nicht an die legendären Sportwagen der zweiten Hälfte der 1920er Jahre mit reichlich Hubraum und armdicken Auspuffrohren? So selten sie auch waren und sind – sie haben das Bild der Marke Mercedes weltweit entscheidend mitgeprägt und gelten bis heute als Ikonen.

Doch nur wenigen Klassikerfreunden dürfte das erste serienmäßig gebaute Kompressormodell von Mercedes geläufig sein – der 1921 vorgestellte Typ 6/25/40 PS. Wer angesichts des Hubraums von 1,6 Liter und der Leistungswerte – 6 Steuer-PS / 25 PS Dauerleistung / 40 PS Spitzenleistung – gelangweilt abwinkt, der verkennt, dass das verbaute Aggregat seinerzeit ein Spitzenprodukt war.

Eingeflossen waren die im 1. Weltkrieg gesammelten Erfahrungen von Mercedes mit dem Bau aufgeladener Motoren für Kampfflugzeuge. Entsprechend inspiriert ging man nach Kriegsende an die Konstruktion eines sportlichen PKW-Motors heran. Mit zwei obenliegenden Nockenwellen, die über Königswellen angetrieben wurden, hängend montierten Ventilen und zuschaltbarem Kompressor entsprach das Aggregat dem „state of the art“ im damaligen Motorenbau.

Das Konzept als solches hatte Mercedes bereits beim noch aus der Vorkriegszeit stammenden großvolumigen Typ 28/95 PS in einigen Exemplaren erprobt. Mit einem solchen Wagen errang 1921 Max Sailer einen 2. Platz im Gesamtklassement bei einem der anspruchsvollsten Rennen aller Zeiten – der Targa Florio auf Sizilien. Hier ein historisches Sammelbild, das den geschmückten Wagen nach dem Rennen zeigt.

© Mercedes Typ 28/95 PS von 1921; historisches Zigarettenbild aus Sammlung Michael Schlenger

Zurück zum kleinvolumigen 6/25/40 PS-Modell. Man möchte kaum glauben, dass so eine feine Maschine, die sich in leichtgewichtigen Sportwagen vielfach bewährte, auch in herrschaftlichen Limousinen verbaut wurde. Und doch hat es das gegeben. Darauf gebracht hat den Verfasser ein Leser dieses Blogs – Lutz Heimhalt aus Fuhlsbüttel – der ihm ein Foto aus Familienbesitz in Kopie zur Verfügung gestellt hat.

Eigentlich ging es ihm nur darum, den Wagentyp zu identifizieren, doch nun hat sich das Fahrzeug als so außergewöhnlich herausgestellt, dass hier eine nähere Besprechung der großartigen Aufnahme erfolgen soll. Das ist das gute Stück:

© Mercedes Typ 6/25/40 PS; Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Lutz Heimhalt

Die Ansprache als Mercedes vor der Fusion der Firmen Daimler und Benz (1926) erlaubt der schlichte Stern auf dem Kühler. Ansonsten gab es Wagen ähnlichen Typs mit Spitzkühler kurz vor und nach dem 1. Weltkrieg auch von Adler, Horch oder Opel.

Die dem Verfasser zugängliche Literatur zur Mercedes-Wagen jener Zeit liefert ein Bild, das demjenigen auf dem Privatfoto fast genau entspricht. Es handelt sich um eine Limousine des besagten Typs 6/25/40 PS vor der Kulisse eines herrschaftlichen Anwesens. Dazu wird das Baujahr 1922 angegeben.

Der Aufbau entspricht von der Proportion und beinahe allen Details dem Fahrzeug auf unserem Bild. Es gibt nur zwei Unterschiede: Zum einen sind die Kühlluftschlitze bei den beiden Wagen einmal weiter vorne und einmal weiter hinten angebracht.Das will bei nur 250 (!) gefertigten Exemplaren allerdings nicht viel heißen. Zum anderen ist der Handbremshebel bei dem hier gezeigten Fahrzeug noch außen angebracht, während er bei den Abbildungen in der Literatur bereits innen liegt.

Das letztgenannte Detail könnte ein Hinweis auf eine sehr frühe Entstehung des abgebildeten Mercedes 16/25/40 PS sein. Wie gesagt, wurde der Typ bereits 1921 vorgestellt, doch zogen sich die Vorbereitungen bis zur „Serien“fertigung bis 1923 hin. Erst dann galt der hochbelastete Motor als hinreichend drehzahlfest.

Für den Entstehungszeitpunkt des Fotos aufschlussreich ist ein näherer Blick auf den selbstsicher in die Kamera schauenden Herrn neben dem Mercedes:

Er trägt zu Hemd und Fliege einen auffallend kurz geschnittenen Mantel, wie er erst ab Mitte der 1920er Jahre üblich wurde. Der Mercedes war zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahr alt, wie auch die Delle am rechten Vorderschutzblech verrät.

Doch war der Wagen auch Ende der 1920er Jahre für die damaligen Straßenverhältnisse noch leistungsfähig genug. Die Spitzengeschwindigkeit von 100km/h war dabei weniger wichtig, als die jederzeit zum Überholen kurzfristig verfügbare Kompressorleistung. Man darf davon ausgehen, dass sich der nicht allzu schwere Wagen so souverän bewegen ließ, wie das die Besitzer geschätzt haben dürften. „Rasen“ wollte man in einem so hochwertigen Auto ohnehin nicht.

Übrigens handelt es sich bei dem Herrn auf unserem Foto um den Großvater des Bildbesitzers Lutz Heimhalt. Er vermutet, dass sein Opa seinerzeit als Chauffeur angestellt war. Leider gebe es niemanden mehr in der Familie, der Genaueres sagen könne. Das ist natürlich bedauerlich, denn gerne hätte man mehr über das Verhältnis des Mannes zu „seinem“ Mercedes erfahren.

Hier ist der Mercedes noch einmal voll besetzt zu sehen, am Steuer Fritz Heimhalt, der vielleicht mehr Teil der Familie war, als der Beruf des Chauffeurs vermuten lässt.

© Mercedes Typ 6/25/40 PS; Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Lutz Heimhalt

Das sind in jeder Hinsicht seltene, schöne Fotos aus Familienbesitz, um die man Lutz Heimhalt beneiden darf. Er ist übrigens selbst Besitzer eines klassischen Mercedes-Roadster und freut sich über Besuch in seiner Online-Buchhandlung. Der kleine Werbehinweis ist keineswegs Zweck dieses Beitrags, sondern ist als Dankeschön für die Möglichkeit der Veröffentlichung eines außergewöhnlichen Fotos gedacht.

1928: Ein Citroen B14 „Made in Germany“ am Klausenpass

Ein interessantes, aber unterbelichtetes Kapitel der deutschen Automobilhistorie sind die Fremdfabrikate, die hierzulande in Lizenz oder aus Bausätzen montiert wurden, vor allem in der Zwischenkriegszeit. 

Ein Beispiel dafür wurde hier kürzlich vorgestellt – Citroens 8 bzw. 10 CV-Modell aus den 1930er Jahren, bekannt als „Rosalie„. Die französische Marke begann bereits in den 1920er Jahren, ihre wichtigsten Modelle in Deutschland zu produzieren.

1927 startete Citroen in Köln mit der Fertigung des B14. Wenn einem das nichts sagt, ist das keine Bildungslücke – der Verfasser stieß auch erst durch folgendes Originalfoto auf den ihm bis dahin unbekannten Typ:

© Citroen B14, aufgenommen 1928 am Klausenpass, aus Sammlung Michael Schlenger

Das grandiose Bergpanorama weckt Assoziationen an die amerikanischen Rocky Mountains, und auch das Auto könnte auf den ersten Blick ein amerikanischer Typ der 1920er Jahre sein. Doch muss sich das gute alte Europa in punkto landschaftlicher Höhepunkte nicht hinter der Neuen Welt verstecken. Zudem weist der Wagen eine ganze Reihe von Charakteristika auf, die seine europäische Herkunft verraten.

Auffallend ist die schlanke Silhouette mit dem hohen Aufbau, die in den USA unüblich war. Dort bevorzugte man von jeher den breiten Auftritt, schließlich mussten sich die Autos auch abseits geteerter Straßen im Gelände bewähren. Weiteren Aufschluss gibt folgender Bildausschnitt:

Auf den Reifen ist der Schriftzug „Michelin“ zu erkennen, was für ein französisches Fabrikat spricht. In Frankreich wäre man seinerzeit nicht auf die Idee gekommen, deutsche oder britische Reifen zu montieren – dasselbe galt natürlich auch umgekehrt. Die Bevorzugung heimischer Zulieferteile hatte meist logistische Gründe, muss also nicht als Ausdruck von Nationalismus gewertet werden.

Die hufeisenförmige Kühlermaske gibt einen Hinweis auf Citroen als Hersteller. Die Anordnung der Kühlluftschlitze in der Motorhaube und die Zugknöpfe des Werkzeugkastens oberhalb des Trittbretts erlauben schließlich die Ansprache als Modell B14, das von 1926-29 in fast 140.000 Exemplaren gebaut wurde.

Das Mittelklassemodell war mit seinem 1,5 Liter-Seitenventiler und 25 PS technisch unprätentiös, verfügte aber über Vierradbremsen – damals noch keine Selbstverständlichkeit. Außerdem waren die Wagen markentypisch solide konstruiert und zuverlässig. Vor allem die rückwärtigen Passagiere genossen ein großzügiges Platzangebot, gleichzeitig ließ der schlanke Aufbau den Wagen elegant wirken.

Die schmale Linie ist gut auf folgendem Foto zu erkennen, das einen Citroen B14 im 1947 entstandenen französischen Films „Non coupable – Nicht schuldig“ zeigt:

© Citroen B14, Filmfoto von 1947; Bildquelle: www.imcdb.org

Kommen wir zur Aufnahmesituation. Laut umseitiger Beschriftung ist das Bild 1928 am Klausenpass in der Schweiz entstanden. Der genaue Ort lässt sich anhand der  Bergformation im Hintergrund eingrenzen: Der Blick geht ostwärts vom oberen Ende des Urnerbodens, im Hintergrund ist der Ortstock zu sehen (Situation heute).

Interessant ist das deutsche Kennzeichen des Citroen. Das Kürzel „II Z“ verweist auf eine Zulassung im Kreis Schwaben (zu Bayern gehörig). Da wir es mit einem weitab von der französischen Grenze in Deutschland zugelassenen Wagen zu tun haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Auto aus deutscher Produktion stammt.

Citroen fertigte von 1927-28 im Kölner Werk knapp 9.000 Exemplare des Typs B14 und setzte dabei auch Zulieferteile aus deutscher Produktion ein, beispielsweise Solex-Vergaser und Bosch-Elektrik.

Im wirtschaftlich schwierigen Umfeld jener Zeit einen solchen Erfolg in Deutschland zu landen, spricht für das Preis-Leistungsverhältnis der Wagen von Citroen. Es ist kein Zufall, dass Opel seinerzeit im Kleinwagensegment nichts Besseres einfiel, als den Typ 5CV der französischen Konkurrenz zu kopieren. Dazu gelegentlich mehr…

1938: Wintersportfreuden mit einem DKW F7

Die hübschen Fronttriebler der 1930er Jahre von DKW gehörten seinerzeit zu den meistverkauften Autos in Deutschland. Nach den Bildberichten zu den Vorgängern F1, F2 und F4 soll es hier um das Modell F7 gehen, das 1937/38 gebaut wurde.

Technisch bot der Wagen keine Überraschungen: Nach wie vor wurden in den beiden Ausführungen „Reichsklasse“ und „Meisterklasse“ 2-Zylinder-Zweitaktmotoren  mit 600 bzw. 700 ccm verbaut, die 18 bzw. 20 PS leisteten. In Verbindung mit der kunstlederbezogenen, leichten Sperrholzkarosserie reichte das für 80 bzw. 85 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Das folgende Originalfoto zeigt einen solchen DKW F7:

© DKW F7, aufgenommen Weihnachten 1938, aus Sammlung Michael Schlenger

Gegenüber dem Vorgänger F5 ( das Modell F6 war nur ein Prototyp) wies die Karosserie eine Reihe von Änderungen auf. Markant war insbesondere die höhere Dachlinie, die eine größere Frontscheibe ermöglicht. In der Vorderansicht ist dieses Detail das einzige, das eine sichere Identifikation des Wagens erlaubt.

Beim näherem Hinsehen sieht man nicht nur die hinter der Frontscheibe verbaute Heizung – ein Nachrüstteil – sondern auch die oben montierten Scheibenwischer. Sie wanderten erst 1938 dorthin, vorher waren sie unterhalb der Scheibe befestigt:

Damit ist das Baujahr des Wagens gesichert, denn auf der Rückseite trägt das Foto den handschriftlichen Vermerk: 25. Dezember 1938. Der DKW war also zum Aufnahmezeitpunkt erst einige Monate alt, was die Besitzer jedoch nicht davon abhielt, ihn zu einem Wintersportausflug zu nutzen.

Die drei Ausflügler tragen zeittypische Wintersportkleidung – über der Brust gedoppelte kurze Jacken, die den Fahrtwind abhalten und zugleich Bewegungsfreiheit in der Hüfte geben. Die Hosen sind aus schwerer Wolle, die dank des materialeigenen Fetts Nässe eine ganze Weile fortzuhalten vermag:

Im Zeitalter kunststoffbasierter „Funktionskleidung“ kann man sich kaum vorstellen, dass unsere Vorfahren so auf die Piste gingen – und das auch noch ohne Sturzhelm. Aber diese Generation war aus einem anderen Holz geschnitzt als unsereins – schließlich fuhren die Leute auch meist ohne Heizung im Winter herum, wenn sie überhaupt Wagenbesitzer waren.

Bedauerlich, dass die Leidensfähigkeit dieser Generation von Politikern zur Durchsetzung ideologischer Zwangsvorstellungen missbraucht wurde. Dass das Volk in elementaren Fragen seiner Existenz nicht gehört wird, zeigt sich leider auch in unseren Tagen wieder. Übrigens trägt der DKW auf unserem Foto ein Nummernschild der Provinz Schlesien (Kürzel IK). Sofern die abgebildeten Personen den 2. Weltkrieg überlebt haben, stand ihnen damals auch noch der Verlust der Heimat bevor.

Eleganz im Kleinformat: DKW F4 von 1934/35

Zu den einst populärsten deutschen Vorkriegsautos – und bis heute zu den verbreitetsten Klassikern jener Zeit – gehören die kleinen Zweitaktmodelle von DKW aus dem sächsischen Zschopau.

Das lag gewiss nicht am mäßigen Temperament und dem wenig stabilen Aufbau der Wagen. Ein Gutteil des Erfolgs lässt sich wohl mit den von Anfang an gelungenen Linien erklären – so attraktiv verpackte sonst kein Hersteller ein Auto dieses Formats.

Nachdem wir uns bereits mit DKWs Erstling, dem Typ P 15 PS,und dem Typ F2 befasst haben, soll nun der DKW F4 den gestalterischen Anspruch der Marke illustrieren. Mit dem 1934 vorgestellten Modell blieb zwar technisch fast alles beim alten – 20 PS aus einem 700ccm-Zweizylinder verbunden mit Frontantrieb –  doch karosserieseitig gab es einen Sprung eine ganze Klasse nach oben.

Anhand des folgenden Originalfoto lässt sich dies nachvollziehen:

© DKW Typ F4 von 1934/35; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bevor wir uns den Details widmen, sei daran erinnert, dass DKW seit 1932 Teil des Auto-Union-Konzerns war, dem auch die Oberklassemarken Audi, Horch und Wanderer angehörten. Äußerlich erkennbar war die Zugehörigkeit zur Auto-Union am Emblem mit den vier Ringen, das nach der Neugründung von Audi in den 1960er Jahren zum zeitlosen Erkennungszeichen der Marke avancierte.

Ab Mitte der 1930er Jahre sind die Bemühungen unübersehbar, die Wagen von DKW äußerlich den hochwertigen Fahrzeugen der übrigen Auto-Union-Marken anzunähern. Dies ist mit dem DKW F4 uneingeschränkt gelungen. Werfen wir nun einen näheren Blick auf die Feinheiten, die seine Klasse ausmachen:

Am augenfälligsten ist wohl die neu gestaltete Kühlermaske, die nun schnittiger im Wind steht und erstmals eine verchromte Umrandung aufweist. Zu nennen ist des Weiteren die serienmäßige Montage von Stoßstangen – viele ältere DKWs tragen auf historischen Fotos lediglich nachgerüstete Teile, mitunter von ganz anderen Wagen.

Neu sind auch die verchromte Zierleiste an der Motorhaube, die nun bis an die Frontscheibe reicht und deren schräger Abschluss die dynamische Linie der A-Säule betont. Die Vorderkotflügel decken einen größeren Teil des Rades ab und schützen dank der seitlichen Schürzen nun die Karosserie besser vor Straßenschmutz.

Ein kleines, aber wichtiges Detail sind die geprägten Chromradkappen. Sie erlauben die Unterscheidung des Modells vom Nachfolgertyp F5, wo sie größer ausfallen. Erwähnenswert sind außerdem die großzügig dimensionierten Riemann-Scheinwerfer. Der Eindruck einer höheren Wagenklasse setzt sich im Innenraum fort: Das Armaturenbrett bot nun neben Tachometer und Benzinanzeige auch eine Zeituhr und einen Ampèremeter, alle Instrumente waren indirekt beleuchtet.

Angesichts dieser Ausstattungsqualität war es kein Wunder, dass der DKW F4 trotz seiner kurzen Bauzeit (1934/35) ein großer Erfolg wurde. Der Nachfolger, das Modell F5 sollte den Ruf der Marke weiter stärken, dazu gelegentlich mehr.

Leider lässt sich nicht genau sagen, was auf der unterhalb der A-Säule montierten Plakette steht. Mehr als „J.Herold“ ist auf dem Originalfoto nicht zu entziffern – vermutlich war das der Name des Autohauses, das den DKW einst verkaufte. Das Nummernschild mit der Kennung „II H“ verweist auf eine Zulassung in Oberfranken hin. Vielleicht weiß jemand, wo der Wagen damals in der Region erworben wurde.

Seltener Nachkriegs-Skoda: 1101 Tudor

Unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg brachten praktisch alle europäischen Hersteller – sofern sie überhaupt wieder zur PKW-Produktion fähig waren – zunächst kaum veränderte Vorkriegsmodelle heraus. Mercedes hielt im Fall des 170ers sogar bis in die 1950er Jahre an einem formalen Konzept der 30er fest.

Peugeot brachte immerhin 1948 mit dem Modell 203 ein neu konstruiertes Fahrzeug im amerikanischen Stil heraus, Borgward folgte 1949 mit dem Hansa in moderner Pontonform. Wer würde da glauben, dass ausgerechnet in der gerade erst  wieder neu gegründeten Tschechoslowakei bereits 1946 ein Wagen vorgestellt wurde, an dem kaum noch etwas an die Linien der 1930er Jahre erinnerte?

Der Verfasser wusste davon auch nichts, bis er auf das folgende Winterbild stieß:

© Skoda 1101 Tudor in Österreich, Ende der 1940er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Im ersten Moment ist man geneigt, an einen Ford Buckeltaunus der frühen 1950er Jahre zu denken, doch „passen“ die Zierleisten am Kühler und die ausgeprägten Scheinwerferringe nicht. Da der Wagen wie eine Kreuzung aus Peugeot 203 und Renault 4 CV („Cremeschnittchen“) wirkt, könnte man auch an ein französisches Fabrikat denken, doch auch hier: Fehlanzeige.

Erst die Recherche nach einem Vorkriegsmodell der tschechischen Marke Skoda – dem Popular 1100 – erbrachte zufällig die Lösung: Es handelt sich um den formal komplett überarbeiteten Nachfolger, den Skoda 1101 Tudor. Unter der gründlich modernisierten Karosserie wurde im Wesentlichen noch die Technik des Popular geboten: ein Vierzylinder mit 1,1 Liter Hubraum und 32 PS.

Aufgegeben wurde allerdings die Transaxle-Bauweise des Vorgängers, also die Anordnung des Getriebes hinter der Hinterachse. Dieses Detail lässt übrigens ahnen, dass Skoda vor dem 2. Weltkrieg zu den innovativen Herstellern gehörte, wenn man auch radikale Konzepte wie Tatra mied (Ausnahme: Stromlinien-Prototyp 935).

Mit dem 1101 Tudor bot Skoda ein seinerzeit konkurrenzfähiges und markentypisch solides Fahrzeug, das auch im Ausland abgesetzt werden konnte. Unser Foto liefert einen Beleg dafür:

Der Blick auf das Nummernschild verrät, dass dieser Wagen in der österreichischen Steiermark zugelassen war. Die entsprechende Kennzeichensystematik verweist auf eine Zulassung frühestens im Jahr 1947. Sehr alt wird der Skoda zum Aufnahmezeitpunkt nicht gewesen sein, er macht vom Winterdreck an der Front abgesehen einen sehr guten Zustand.

Die Kleidung des großgewachsenen Mannes neben dem Skoda spricht ebenfalls für die späten 1940er Jahre. Auch vom verbreiteten Wohlstandsspeck besser Situierter in den 1950er Jahren ist nichts zu sehen. Sicher bedurfte es auch in Österreich nach dem verlorenen Krieg einer privilegierten Position, um sich einen Neuwagen leisten zu können.

Aus deutscher Produktion war zu dieser Zeit für Privatleute so gut wie nichts verfügbar. Die österreichische Qualitätsmarke Steyr, die in den 1920er/30er Jahren einen hervorragenden Ruf für leistungsfähige Wagen hatte, sollte nach dem Krieg nur noch Fiat-Modelle in Lizenz fertigen (teilweise mit eigenen Motoren) und auch das erst ab 1950. Somit stellten die Skoda-Wagen der frühen Nachkriegszeit aus der benachbarten Tschechoslowakei eine naheliegende Lösung dar.

Übrigens gelangten Exemplare des Skoda 1101 Tudor in der frühen Nachkriegszeit auch nach Ostdeutschland (Bildbericht). Schade nur, dass man solche interessanten Fahrzeuge hierzulande aufgrund der Fixierung auf wenige Marken und Prestigemodelle praktisch nicht zu sehen bekommt.

Vorkriegs-Fiat mit 6-Zylindermotor: der 1500er

Auf einer Skala technischer Exzellenz wird man Mercedes heute weit oben ansiedeln, während Fiat wohl auf einem der hinteren Ränge landet. Das war aber keineswegs immer so.

Sicher gab es schon vor dem 2. Weltkrieg Mercedes-Modelle, die sich durch fortschrittliche Elemente auszeichneten. Doch meist wurde technische Hausmannskost geboten, wenn auch gepaart mit ausgezeichneter Verarbeitung und hoher Zuverlässigkeit.

Umgekehrt beschränkte sich das Angebot bei Fiat keineswegs auf Kleinwagen. Zwar gehörten der 500er („Topolino“) und der 1100er („Millecento“) schon vor dem Krieg zu den Erfolgsmodellen der Turiner Marke – auch in Deutschland. Doch daneben baute man ab 1935 einen modernen Wagen der gehobenen Mittelklasse, den 1500er.

Folgendes Originalfoto zeigt einen solchen Fiat 1500 in den späten 1930er Jahren auf einer Passtraße in Österreich:

© Fiat 1500, Ende der 1930er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Fiat 1500 ähnelte formal zwar dem 1100, war aber deutlich großzügiger dimensioniert. Auch die integrierten Scheinwerfer und die zweiteilige Frontstoßstange sind Merkmale des „großen Fiat“.

Was der 4,40 m lange Wagen technisch bot, war beachtlich: Der laufruhige 6-Zylinder-Motor mit hängenden Ventilen leistete solide 45 PS bei einem Wagengewicht von knapp 1.100 kg, die Vorderradaufhängung nach Dubonnet-Prinzip sorgte für hohen Federkomfort und die 12-Volt-Elektrik ermöglichte eine angemessene Lichtausbeute bei Nachtfahrten. 4-Gang-Getriebe und hydraulische Bremsen waren in dieser Klasse selbstverständlich.

Werfen wir zum Vergleich einen Blick auf den am deutschen Markt verbreiteten Mercedes 170V: Er verfügte nur über einen altertümlichen Vierzylinder-Motor mit Seitenventilen, der aus 1,7 Liter Hubraum gerade einmal 38 PS schöpfte. Die geringe Leistung stieß auf ein Wagengewicht von fast 1,2 Tonnen. Lediglich das Fahrwerk konnte als modern gelten. Nicht konkurrenzfähig war die 6-Volt-Elektrik, an der einige deutsche Hersteller ohne Not bis in die 1960er Jahre festhielten.

Zwar war der Mercedes 170V deutlich billiger als der Fiat 1500. Doch das spiegelte in erster Linie die höheren Produktionskosten des im alten NSU-Werk in Heilbronn für den deutschen Markt gefertigten Fiat-Modells wider. Mercedes konnte aufgrund weit höherer Stückzahlen natürlich einen attraktiveren Preis realisieren.

Das technisch und vom Platzangebot überlegene Auto war aber sicher der Fiat 1500. Selbst der großgewachsene Herr auf unserem Foto passte offenbar in den nur 1,54 m hohen, aber innen recht geräumigen Fiat:

Mercedes bot erst beim größeren und weit teureren 230er Modell einen 6-Zylinder mit moderater Leistung: 55 PS aus 2,3 Liter Hubraum. Damit waren dann dem Fiat 1500 vergleichbare Fahrleistungen möglich, doch weiterhin nur mit 6-Volt-Elektrik.

Der Fiat war also in einer Nische angesiedelt, in der selbst Mercedes nichts Entsprechendes zu bieten hatte. Ohne die deutsche Lizenzfertigung entstanden bis zum Beginn des 2. Weltkriegs über 35.000 Exemplare des Fiat 1500. In Deutschland wurde der Wagen als NSU-Fiat sogar bis 1941 weitergebaut. Das wäre unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft nicht geschehen, hätte es nicht einen Bedarf an Wagen dieser Klasse gegeben, der mit der Produktion einheimischer Hersteller nicht zu stillen war.

Zum Abschluss noch ein Bild desselben Fiat 1500 in der Seitenansicht:

© Fiat 1500, Ende der 1930er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gut zu erkennen sind die aerodynamische Frontpartie und die großzügig bemessene Kabine. Ein interessantes Detail: Der Viertürer verfügte über keine B-Säule, sodass auch hinten ein müheloser Ein- und Ausstieg möglich war. Die versenkten Türgriffe nehmen typisch italienische Lösungen der Nachkriegszeit vorweg.

Insgesamt war der Fiat 1500 ein hochinteressantes Auto, von dem leider kaum Exemplare überlebt haben. Im Krieg und in den Jahren danach wurden diese hochwertigen Wagen bis zum bitteren Ende aufgebraucht.

Der 1500er wurde nach dem Krieg mit veränderter Frontpartie noch eine Weile weitergebaut. Sein Nachfolger wurde der hochmoderne Fiat 1400 bzw. 1900. Weitere zeitgenössische Bilder des Fiat 1500 finden sich hier.

Oldsmobile von 1938 bei der Instandsetzung im Osten

Während des 2. Weltkriegs verfügte keine der europäischen Parteien annähernd über die Fahrzeugkapazitäten, die für die immer rascheren Operationen benötigt wurden. Nach den Stellungskämpfen von 1914-18 war nur wenigen Militärs mit Weitblick bewusst, dass die Auseinandersetzungen der Zukunft Bewegungskriege sein würden.

So wurde nach Kriegsausbruch 1939 auf allen Seiten hastig alles an zivilen Fahrzeugen beschlagnahmt, was einigermaßen einsatztauglich erschien und nicht für unabweisbare private Zwecke benötigt wurde. Nach der Niederlage Frankreichs und dem Desaster der britischen Truppen bei Dünkirchen im Jahr 1940 fielen der deutschen Wehrmacht tausende PKW und LKW der Alliierten in die Hände, die  willkommene Ergänzungen des eigenen Fahrzeugbestands darstellten.

Geschätzt wurden von den Soldaten nicht nur die Frontantriebswagen von Citroen und die 02er-Modelle von Peugeot. Auch Beutefahrzeuge amerikanischer Provenienz wurden in den Wehrmachtsfuhrpark aufgenommen; sie waren in vielerlei Hinsicht das Modernste, was seinerzeit verfügbar war. Einige Typen von Buick, Chevrolet und Ford wurden vor dem Krieg sogar in Deutschland montiert.

So begegnen einem auf den unzähligen Privatfotos, die einst von deutschen Landsern an allen Fronten geschossen wurden, immer wieder US-Fahrzeuge mit Nummernschildern und taktischen Zeichen der Wehrmacht. Doch selbst auf diesem vermeintlich abgegrasten Feld macht man bisweilen überraschende Entdeckungen.

Folgendes Originalfoto zeigt ein solches Beispiel:

© Oldsmobile, Bj. 1938, bei der Wehrmacht; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen stammt unverkennbar aus dem General Motors-Konzern, nur die Identifikation der Marke gelang erst mit Hilfe der kompetenten Website KfZ der Wehrmacht. Dort hat Holger Erdmann eine einzigartige Sammlung von Originalfotos zusammengetragen, die alle nur erdenklichen Fahrzeuge auf deutscher Seite während des 2. Weltkriegs in strukturierter Form zeigen.

In der Rubrik „US-Autos“ kann man dort nach Marken stöbern, und nachdem die üblichen Verdächtigen wie Buick, Chevrolet, Chrysler, Dodge und Ford nicht zum Ziel führten, wurde der Verfasser schließlich bei Oldsmobile fündig. Wagen dieser bereits 1897 gegründeten Marke scheinen nur in geringer Zahl Eingang in den Beutefahrzeugbestand der Wehrmacht gefunden zu haben.

Der Wagen auf unserem Foto lässt sich jedenfalls als Oldsmobile der F-Serie des Modelljahrs 1938 identifizieren, vor allem die waagerechten Kühlerstreben verraten dies. Der Blick auf die technischen Daten des Wagens verrät, dass man ein solches Fundstück gewiss nicht verschmähte: Das Mittelklasseauto wurde von einem Reihensechszylinder mit 3,8 Liter Hubraum und über 90 PS angetrieben. Damit bewegte man sich leistungsmäßig auf dem Niveau eines Oberklasse-Horch 930 V mit Achtzylindermotor, dessen Fahrwerk kaum besser war.

Problematisch wurden solche Exoten natürlich dann, wenn komplexe Reparaturen anstanden. Bei normaler Alltagsnutzung waren die robusten „Amis“ kaum kleinzukriegen, doch speziell der Kriegseinsatz in Russland hinterließ früher oder später Spuren. Tatsächlich befindet sich auch der Oldsmobile auf unserem Foto offenbar bei der Instandsetzung:

Jedenfalls ist der Wagen vorne aufgebockt – man kann die entlastete Einzelradaufhängung gut erkennen und innen macht sich jemand am Auto zu schaffen. Vielleicht muss etwas an der Lenkung repariert werden. Um die Vorderstoßstange scheint ein Abschleppseil gewickelt zu sein, das in der gefürchteten Morastperiode nach Winterende an der Ostfront oft benötigt wurde. Das Reifenprofil ist alles andere als geländegängig, doch noch erstaunlich gut. Möglicherweise wurde irgendein von der Dimension passender Neureifen montiert.

Die Instandsetzungseinheiten der Wehrmacht mussten angesichts des bunt durcheinandergewürfelten Fahrzeugparks über großes Improvisationsvermögen verfügen. Für Beutefahrzeuge waren – mit Ausnahme einiger französischer Modelle – keine Ersatzteile zu bekommen und Spezialwerkzeug fehlte ganz.

Die Arbeitsbedingungen in Frontnähe kamen als zusätzliche Erschwernis hinzu. Au der Ausschnittsvergrößerung sieht man hinter dem Oldsmobile einen massiven Holztisch, auf dem unter freiem Himmel einige Teile ausgebreitet scheinen.

Was von den Instandsetzungsabteilungen täglich geleistet wurde, gehört zu den unbesungenen „Heldentaten“, über die es keine Literatur gibt. Die Frontsoldaten auf allen Seiten wussten aber natürlich, was sie ihren ölverschmierten Kameraden hinter den Linien schuldig waren…

Ein Buick Master Six 18/80 PS „Made in Germany“

Freunde deutscher Automobile der Zwischenkriegszeit werden es nicht gern hören – doch in den 1920er Jahren taten sich viele Hersteller hierzulande schwer, mit der internationalen Konkurrenz mitzuhalten.

Dies wird nicht nur im Kleinwagenbereich deutlich, in dem es nur zu Kopien französischer und britischer Modelle (Opel „Laubfrosch“ und BMW Dixi) reichte – während Ford für jedermann erschwingliche Wagen einfacher, aber bedarfsgerechter Bauart in den USA millionenfach produzierte.

Auch in der gehobenen Klasse machten die Amerikaner seinerzeit vor, wie man überzeugende Qualität und Leistung in wirtschaftlichen Stückzahlen produziert. Ein Beispiel dafür ist auf folgendem Originalfoto zu sehen:

© Buick Master Six 18/80 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zunächst einige Überlegungen zum Aufnahmeort: Laut umseitiger Beschriftung entstand das Foto in der „Agnesgasse“. Eine Straße mit dieser seltenen Bezeichnung gibt es in Deutschland zwar in Nürnberg, doch ein Blick auf das Satellitenfoto bei „Google Earth“ spricht dagegen: Mitten in der Nürnberger Altstadt sah es auch früher nicht so ländlich aus wie auf unserem Foto.

Das Kennzeichen weist ohnehin auf eine österreichische Zulassung hin. Bis 1939 zeichneten sich die Nummernschilder in Österreich durch weiße Schrift auf schwarzem Grund aus, wobei auf die Länderkennung eine bis zu 6-stellige Zahl folgte. Im Österreich der Zwischenkriegszeit konzentrierte sich der Fahrzeugbestand auf Wien, und siehe da: In einem Wiener Vorort gibt es eine „Agnesgasse“, die noch heute ländlich anmutet; dort dürfte das Foto entstanden sein.

Ungeachtet des Aufnahmeorts haben wir es aber mit einem amerikanischen Wagen der Marke Buick zu tun. Auf folgendem Bildausschnitt ahnt man den diagonal verlaufenden Markenschriftzug auf der Kühlermaske. Das Profil des oberen Kühlerabschlusses und die trommelförmigen Scheinwerfer erlauben es, den Typen genau zu identifizieren:

Es handelt sich um einen Buick Master Six 18/80 PS, der in dieser Form nur von 1926-27 gebaut wurde, danach änderte sich unter anderem die Scheinwerferform.

Ein Blick auf die technischen Daten macht deutlich, in welcher Leistungsklasse sich dieser Wagen damals befand: Der 80 PS starke und 4,5 Liter große Sechszylinder verfügte bereits über hängende Ventile – damals waren Seitenventiler Standard.

Eine vergleichbare Leistung bot in Deutschland nur der Adler 18/80 PS, übrigens zu einem ähnlichen Preis (rund 17.500 Reichsmark). Bei Qualitätsmarken wie Audi, Horch, Mercedes-Benz oder Opel suchte man Mitte der 1920er Jahre vergeblich eine ähnlich souveräne Motorisierung.

Wie aber kam seinerzeit ein US-Oberklassefahrzeug – Buick war im General-Motors-Konzern unterhalb von Cadillac angesiedelt – in den deutschsprachigen Raum? Nun, seit 1927 wurden Buicks in Berlin aus Montagesätzen zusammengebaut. In Deutschland gefertigte Teile dürften dabei kaum verwendet worden sein – allenfalls aufpreispflichtiges Zubehör wie beispielsweise Scheibenheizungen und Kühlerüberzüge für den Winter.

Jedenfalls scheint sich die Montage in Deutschland eine Weile wirtschaftlich gelohnt zu haben, bis die einheimischen Hersteller in der Lage waren, in der Oberklasse Vergleichbares zu liefern. 1931 endete die Buick-Produktion in Deutschland.

Interessant ist der Entstehungszeitpunkt unserer Aufnahme – laut Vermerk auf der Rückseite der 27. Juli 1933. Dazu passt das Erscheinungsbild der jungen Herren, die an jenem Sommertag wohl eine Spritztour mit dem Buick unternahmen:

Man ist geneigt, die drei lässig posierenden Herren für Studenten aus vermögendem Hause zu halten, die sich Vaters Wagen für ihren Ausflug ausgeliehen haben. Der Buick war damals zwar noch keine zehn Jahre alt, doch optisch war er „von gestern“. Die Leistung des Wagens war indessen nach wie vor mehr als konkurrenzfähig, wenngleich sich in Sachen Fahrkomfort einiges getan hatte.

Jedenfalls konnte man sich mit so einem starken Wagen nach wie vor sehen und lassen – sonst hätte man kaum so selbstbewusst davor posiert. Vielleicht haben wir es sogar mit frühen Vertretern von Altautoliebhabern zu tun, die Freude am Unkonventionellen hatten. Man würde sie von Kleidung, Frisur und Haltung her auch eher in den frühen 1950er Jahren ansiedeln.

Für die These eines fidelen Ausflugs klammer Studenten dürfte nicht zuletzt ein Blick auf die abgefahrenen Reifen sprechen – man „investierte“ wohl lieber in modische Anzüge als in neue Pneus…

Der letzte Benz: 16/50 PS-Modell der 1920er Jahre

So paradox es klingt: Wenn jemand heute hierzulande von seinem „Daimler“ oder seinem „Benz“ spricht, meint er meistens bloß seinen „Mercedes“. Dass alle drei Bezeichnungen einst unterschiedliche Marken oder auch spezielle Typen bezeichneten, ist wohl nur noch den Freunden von Vorkriegswagen bewusst.

Bis zum erzwungenen Zusammenschluss der bis dato unabhängigen Hersteller im Jahr 1926 wäre niemand auf die Idee gekommen, Daimler und Benz in einen Topf zu werfen. Und dass ein Mercedes ursprünglich nur die Bezeichnung eines speziellen Modells von Daimler war, wusste einst jedes Kind.

Umso reizvoller ist es, heute einen näheren Blick auf einen echten „Benz“ zu werfen, der als letztes Modell vor der Fusion zu Daimler-Benz entstand. Dieser letzte Benz begegnete dem Verfasser auf einem historischen Foto, das 1934 vor dem Bahnhof in Luxemburg entstand – so der handschriftliche Vermerk auf der Rückseite.

© Benz 16/50PS Tourenwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zum Aufnahmezeitpunkt waren Wagen dieses Typs mit Spitzkühler und langgestreckter Tourenwagenkarosserie schon „Oldtimer“. Die frühesten Vertreter dieser Gattung findet man kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs und so unterschiedliche Marken wie Adler, Horch, Opel und Presto, aber eben auch Benz fertigten solche Fahrzeuge, die äußerlich oft schwer auseinanderzuhalten sind.

In Fällen, in denen auf Anhieb keine sichere Identifikation möglich ist, hat es sich bewährt, die entsprechenden Bilder erst einmal ruhen zu lassen. Meist findet sich später eine ähnliche Abbildung, die den entscheidenden Hinweis gibt, so auch im vorliegenden Beispiel eines Benz 16/50PS.

Der bewährte „Oswald“ (Deutsche Autos 1920-45) bietet leider zur Marke Benz auffallend wenig Bilder. Man glaubt kaum, dass die Archive zur Entstehungszeit des Werks (1977) so wenig hergaben. Vielleicht spielten persönliche Vorlieben der Bildlieferanten eine Rolle, die seinerzeit zu dem Buch von Werner Oswald beitrugen.

Doch half der „Oswald“ am Ende (buchstäblich) doch weiter. Denn das Schlusskapitel ist den vielen Herstellern von Sonderkarosserien gewidmet, die vor dem 2. Weltkrieg zu einer heute unvorstellbaren Vielfalt am deutschen Automarkt beitrugen.

Und dort findet man unter dem Eintrag „Schebera“ doch tatsächlich die Abbildung eines ganz ähnlichen Benz-Tourenwagens wie auf unserem Foto. Dabei handelt es sich um ein 16/50PS-Modell von 1923/24. Die Schebera-Ausführung weicht nur in wenigen Details ab, beispielsweise weist der Wagen eine mittig unterteilte Frontscheibe auf, auch verfügt er über Holz- statt Drahtspeichenräder.

Doch der Gesamteindruck legt nahe, dass es sich um einen Wagen desselben Typs handelt. Möglicherweise verfügte unser Benz ebenfalls über eine Karosserie der Firma Schebera, die seinerzeit einen Großteil der Aufbauten für Benz lieferte. Die Ähnlichkeit ist jedenfalls verblüffend, und natürlich gab es das 16/50 PS Modell wahlweise auch mit Drahtspeichenrädern wie auf dem Foto.

Die Technik des letzten Benz war unspektakulär: Der Sechszylindermotor war ein Aggregat konventioneller Bauart mit Seitenventilen, der seine Leistung aus fast 4,2 Liter Hubraum schöpfte. Mitte der 1920er Jahre war das kein Ausweis technischer Exzellenz, doch die konservative Kundschaft schien mit dem Gebotenen zufrieden.

Für den Alltag auf den damaligen Straßen war die Leistung allemal ausreichend und das hohe Drehmoment des Motors ermöglichte ein entspanntes Fahren, ohne dass man laufend das unsynchronisierte Getriebe bemühen musste.

Vermutlich war den damaligen Besitzern das eindrucksvolle Erscheinungsbild des fast fünf Meter langen Wagens wichtiger als sportliche Leistung, wie sie andere Marken wie Simson oder Steiger in ähnlicher Verpackung boten. Die Tatsache, dass der Benz 16/50 PS auf unserem Foto noch rund zehn Jahre nach seiner Entstehung eigens fotografiert wurde, lässt auch auf einen gewissen Stolz des Besitzers schließen.

Steiger 11/55PS von 1925: modern, markant und rar

Kenner denken bei in Deutschland gebauten Kleinserien-Sportwagen der Zwischenkriegszeit wohl am ehesten an die Supra-Modelle von Simson, mit denen populäre Rennfahrer wie Karl Kappler seinerzeit zahllose Siege errangen.

© Simson Supra Tourenwagen; Originalfoto: Verkehrsmuseum Dresden; Sammlung Michael Schlenger

Es gab aber eine weitere Marke, die in vergleichbarer Weise anspruchsvolle Technik mit charakteristischer Optik verband – und wirtschaftlich ähnlich erfolglos blieb. Die Rede ist von der Firma Steiger, die nach dem 1. Weltkrieg im schwäbischen Burgrieden avancierte und markant gestaltete Wagen produzierte.

Firmeninhaber Walter Steiger – ein Schweizer – hatte sich bereits während des 1. Weltkriegs gemeinsam mit Konstrukteur Paul Henze Gedanken darüber gemacht, wie man die kleine, in die Rüstungsproduktion eingebundene Maschinenfabrik nach dem Krieg auslasten könnte.

Noch vor dem Ende der Kampfhandlungen hatte man einen Automobil-Prototypen entwickelt, der bereits einiges von dem vorwegnahm, was die Wagen der Marke später auszeichnen sollte: Moderne, vom Flugzeugbau inspirierte Motoren und ein sportliches Erscheinungsbild.

Mit diesem Konzept war man ab 1920 für wenige Jahre recht erfolgreich, zwar nicht betriebswirtschaftlich, aber bei einer auf sportliche Leistung und individuelle Optik fixierten Kundschaft.

Die technischen Details des Steiger 11/55 PS (1924-25) lassen exemplarisch den Anspruch erkennen, mit dem diese Fahrzeuge gebaut wurden: hängende Ventile, von obenliegender Nockenwelle betätigt, Königswellenantrieb, Leichtmetallkolben Vierradbremse, 12 Volt-Elektrik.

Das Ganze war verpackt in einem optisch geglätteten Motorblock, der bewusst auf die ästhetische Wirkung hin gestaltet war – in dieser Hinsicht Bugatti vergleichbar. Der kreative Kopf dahinter war Paul Henze, der später zu Simson wechseln sollte.

Nach nur rund 2.000 Fahrzeugen endete 1926 die Produktion der rassigen Wagen der Marke Steiger. Woher nimmt man angesichts dieser Stückzahl ein zeitgenössisches Bild? Nun, man übt sich in Geduld und lässt den Zufall walten.

Schon seit einiger Zeit ist der Verfasser im Besitz eines historischen Fotos, das eine ganze Reihe von Wagen der 1920er Jahre an einer leichten Steigung aufgereiht zeigt. Ort und Anlass der Aufnahme sind unbekannt. Lediglich die Jahreszahl 1927 findet sich auf der Rückseite des Abzugs.

© Automobile der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei einer gelegentlichen Durchsicht hatte der Verfasser den Eindruck, dass ihm die Frontpartie des ersten Wagens bekannt vorkam. Der erste Gedanke war „Simson“, doch die Vermutung bestätigte sich nicht.

Zum Glück wird im „Oswald“ (Deutsche Autos 1920-45) gleich nach Simson die Marke Steiger abgehandelt. Der markante Spitzkühler und die sehr hoch ansetzenden Kühlluftschlitze in der Motorhaube des im „Oswald“ abgebildeten 10/50 PS-Tourenwagens von Steiger weckten einen Anfangsverdacht.

Zum Glück ist die Marke Steiger mit einer umfangreichen eigenen Website im Internet repräsentiert. Der Inhaber der Seite – Michael Schick – hat dort die Ergebnisse jahrzehntelanger Recherchen zu der Marke online gestellt, darunter auch den kompletten Inhalt seines leider vergriffenen Buchs zu Steiger.

Besonders hilfreich sind die zahlreichen Orginalfotos und -dokumente zu andernorts nicht abgehandelten Typen von Steiger, darunter auch des 11/55 PS-Modells von  1924/25. Denn um einen solchen Wagen handelt es sich offenbar bei dem Fahrzeug auf unserer Aufnahme:

Steigertypisch ist der Spitzkühler mit einer Unterteilung ähnlich den Mercedes-Modellen. Man meint auf der in Fahrtrichtung rechts befindlichen Seite des Kühlers einen diagonal verlaufenden Schriftzug zu erahnen – dort war bei Steiger-Wagen der Markenname angebracht.

Die Anordnung der Anlasserkurbel, die Form der bis zu den vorderen Enden des Rahmens reichenden Kotflügel, Scheinwerferkombination, Kühlwasserthermometer und Suchscheinwerfer finden sich alle an zeitgenössischen Fotos von Steiger-Tourenwagen des Typs wieder. Selbst die Zahl der Kühlluftschlitze (15) „passt“.

Dass es sich tatsächlich um ein Fahrzeug des genannten Typs mit langem Radstand (3,25m) handelt, konnte Steiger-Spezialist Michael Schick bestätigen. Seine oben erwähnte Website ist – man muss es nochmals sagen – eine wahre Fundgrube an Informationen, Dokumenten und Bildern rund um die Marke aus Burgrieden.

Man erfährt dort nicht nur, dass es (anders als im „Oswald“ vermerkt) doch mehr als nur einen noch erhaltenen Steiger-Wagen gibt, sondern kann auch genüsslich durch ein komplettes historisches Fotoalbum mit Steiger-Bildern blättern (übrigens auch  solchen aus unserer Region) – und das alles in bester Qualität.

Davon kann sich manche Online-Präsenz weit bekannterer Vorkriegsmarken eine Scheibe abschneiden…

Hanomag „Garant“: Ein versehrter Kriegsheimkehrer

Dass PKW der 1930er Jahre den 2. Weltkrieg unbeschadet überstanden haben, war eine seltene Ausnahme. Was nicht an der Front geblieben war, kehrte oft in ebenso desolatem Zustand zurück wie die geschlagenen Truppen.

In den letzten Tagen und Wochen des Kriegs wurden viele Wehrmachts-Fahrzeuge irgendwo stehengelassen, wenn das Benzin alle war. Wie diese Kriegsheimkehrer auf vier Rädern neue Besitzer fanden, gehört aus Sicht des Verfassers zu den spannenden Kapiteln, zu denen nur wenig bekannt ist. Denn beinahe alle nicht-militärischen Fahrzeuge, die von der Wehrmacht eingesetzt wurden, waren ja zuvor in Privatbesitz, und nach der Kapitulation 1945 waren sie formal weiterhin Eigentum der öffentlichen Hand.

Viele Bilder belegen jedoch, dass solche ehemaligen Wehrmachts-Fahrzeuge in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren wieder von Privatleuten gefahren wurden (siehe auch Ford Taunus auf VW-Kübel-Chassis). Wie das ohne Papiere und Kaufvertrag bewerkstelligt wurde? Auf dem Land genügte es wohl, die richtigen Leute zu kennen, die mit einer gesunden Prise Pragmatismus gesegnet waren und keine unnötigen Fragen stellten – das Leben musste ja weitergehen.

Ein mutmaßliches Beispiel für ein solches Fahrzeug soll hier vorgestellt werden:

© Hanomag „Garant“, Ende der 1940er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen als solcher ist schnell identifiziert. Auf dem Kühlergrill ist in Fahrtrichtung rechts ein Emblem der Firma Hanomag montiert, die in den 1930er Jahren solide, technisch anspruchslose Mittelklassewagen baute. Während die Modelle „Rekord“ und „Sturm“ durch entsprechende Schriftzge auf dem Kühler leicht zu erkennen sind, verfügten die kleineren Vorgänger „Garant“ und „Kurier“ nicht immer über solche Erkennungsmerkmale.

Doch die Kühlermaske ist hinreichend individuell, um zusammen mit dem wohl nachträglich montierten Hanomag-Emblem die Ansprache als Modell „Garant“ zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite des Kühlers ist eine ADAC-Plakette angebracht, die auf der Originalaufnahme besser zu erkennen ist als im hier gezeigten Bild:

Gebaut wurde der Hanomag Garant mit seinem 1,1 Liter-Vierzylinder und 23 PS von 1934-38. Er war als Limousine sowie als Cabriolimousine (von Karmann) verfügbar. Mit einem solchen Wagen mit Karmann-Aufbau haben wir es hier zu tun.

Was spricht nun dafür, dass es sich um ein ehemaliges Wehrmachts-Fahrzeug handelt? Aufschlussreich ist vor allem die matte Lackierung der Kühlermaske, die serienmäßig verchromt war. Bei requirierten Wehrmachts-PKW wurden alle Chromteile grau überlackiert, um verräterische Reflektionen zu vermeiden.

Der Kühler scheint noch diese der Tarnung dienende Lackierung zu tragen, während die verchromten Scheinwerfer nachgerüstet sein können. Vielleicht trugen sie im Krieg auch einen Tarnüberzug aus Stoff, der eine Lackierung der Chromringe überflüssig machte.

Allerdings fällt der Chromrahmen der Frontscheibe auf – entweder wurde die Scheibe nach dem Krieg ausgetauscht oder die Lackierung ließ sich hier leichter entfernen als anderswo. Bei Wehrmachtsfahrzeugen sieht man oft, dass schon während des Kriegseinsatzes die Lackierung speziell an den Scheibenrahmen wieder abblättert, da der Untergrund dort vermutlich nicht eigens angerauht wurde (Beispiel hier).

Möglich ist zwar, dass nur die Kühlermaske von einem Wehrmachtsfahrzeug stammt und später an einem während des Kriegs zivil genutzten Hanomag verbaut wurde. Allerdings weisen mehrere Indizien darauf hin, dass der Wagen härter beansprucht wurde als ein Zivilfahrzeug.

Zum einen fehlen vorne und hinten die Radkappen, die ein privater Besitzer nach Wechsel der Räder oder Schmierung der Radlager sicher wieder montiert hätte. Auch die Reifen sehen nach rustikalem Geländeeinsatz aus. Zum anderen scheinen die Vorderkotflügel demoliert zu sein und die Frontstoßstange ist ersetzt worden:

Die montierte Stoßstange stammt von einem anderen Fahrzeug. Der markante mittige Knick nach unten ist beispielsweise beim Ford Köln bzw. Rheinland ab 1934 sowie beim Ford Eifel ab 1935 zu finden. Einen solchen Umbau unternimmt man nur, wenn die Originalstoßstange nicht mehr vorhanden ist. Nach einem leichten Unfall könnte man diese ja richten – wenn sie aber ganz fehlt, weist dies darauf hin, dass der Wagen zuletzt nicht im normalen Straßenverkehr bewegt wurde.

Es ist nur eine Vermutung, doch spricht einiges dafür, dass dieser Hanomag Garant in seinem früheren Leben feldmäßig eingesetzt wurde, also einen harten Dienst in der Wehrmacht verrichten musste. Nach dem Krieg wurde der irgendwo gestrandete Wagen wieder in Betrieb genommen und notdürftig hergerichtet.

Übrigens scheint die nachträglich montierte Ford-Stoßstange auch von einem Wehrmachts-Fahrzeug zu stammen, da sie werksseitig verchromt war. Oder der Zustand war so schlecht, dass der Besitzer sie kurzerhand in Wagenfarbe lackierte.

Dass wir es jedenfalls mit einer Aufnahme aus der frühen Nachkriegszeit zu tun haben, beweist das Nummernschild. Es wurde in der „Amerikanischen Besatzungsszone Bayern“ (AB) vergeben, wahrscheinlich 1948 (siehe untere Ziffernkombination in der Mitte).

Derartige Bilder aus der Nachkriegszeit zeigen Fahrzeuge, die mit Mühe und Not am Laufen gehalten wurden und an denen vieles nicht mehr „original“ war. Gerade solche schwer mitgenommenen, aber immer noch genutzten Vehikel sind in besonderer Weise authentisch. Entsprechende Originalbilder sind daher historisch interessanter als andere, die die Fahrzeuge noch im Neuzustand zeigen, der am wenigsten repräsentativ für ein Autoleben ist.

Leider hatten in der Vergangenheit nur wenige Veteranen-Liebhaber hierzulande das Gespür, solche Originale im vorgefundenen Zustand zu konservieren, anstatt sie wieder „auf neu“ zu machen und damit alle Spuren ihrer Geschichte zu zerstören.

Mercedes 170 V: Geburtstagsgrüße aus Budapest

Vor genau 80 Jahren – im Februar 1936 – stellte Mercedes mit dem 170 V ein Modell vor, das bis in die Nachkriegszeit das wichtigste Standbein der Marke werden sollte.

Ein technisches Porträt des Mercedes 170 V findet sich hier. An dieser Stelle sei nur der Zusatz „V“ erläutert. Bei dem 1,7 Liter Vierzylindermotor handelte es sich keineswegs um ein Aggreat mit V-Anordnung der Zylinder – so etwas gab es seinerzeit nur von Lancia (Modell Aprilia). Wer auf Vorderradantrieb tippt, liegt ebenfalls daneben, das war das Revier von Adler und DKW.

Vielmehr diente der Buchstabe der Unterscheidung vom zeitgleich angebotenen Typ 170 H, der über denselben Motor verfügte – diesen jedoch im Heck trug (siehe auch MB 130 H). Somit verweist „V“ schlicht auf die Motorposition „vorne“. Mit dem Zusatz „V“ stellte man – unfreiwillig? – auch heraus, dass der Wagen im Gegensatz zum alten 170er Mercedes (1931-36) nur vier statt sechs Zylinder hatte.

Anstelle weiterer Details zum Mercedes 170 V, die andernorts reichlich verfügbar sind, soll hier nur das Jubiläum des Modells zum Anlass genommen werden, zwei schöne zeitgenössische Aufnahmen des Wagens zu präsentieren:

© Originalfoto Mercedes-Benz 170 V in Budapest; Sammlung Michael Schlenger

Erkennbar steht der Mercedes hier nicht im Mittelpunkt, dient aber ebenso als dekorative Staffage wie der mächtige Gebäudekomplex im Hintergrund. Dabei handelt es sich um das Parlamentsgebäude in Budapest, das Ende des 19. Jh. im neugotischen Stil errichtet wurde.

Man darf ausschließen, dass die technisch hochwertige Aufnahme bei einer Präsentation des Mercedes in der ungarischen Haupstadt entstand. Denn insbesondere auf dem zweiten Bild sieht man Gebrauchsspuren an dem Wagen, die man auf einem Werksfoto sicher vermieden hätte:

© Originalfoto Mercedes-Benz 170V in Budapest; Sammlung Michael Schlenger

Man liegt wohl mit der Vermutung nicht verkehrt, dass es sich hier um Modeaufnahmen handelt. Zwar lächeln die beiden Damen auf dem zweiten Bild etwas angestrengt – vermutlich war es ein kalter Tag – aber wie normale Reisende sehen sie nicht aus. Die insgesamt vier Personen hätten sicher Platz im Mercedes gefunden, doch für Gepäck wäre kein Raum mehr gewesen. Damit kann man eine Urlaubsreise ausschließen.

Dass der Wagen keinen ortsansässigen Besitzer hatte, sondern aus Deutschland stammte, verrät neben dem Nummernschild vor allem der DDAC-Wimpel am Frontstander. DDAC stand für „Der Deutsche Automobil Club“, in dem seinerzeit alle deutschen Automobilclubs zwangsvereinigt waren, darunter auch der ADAC.

Denkbar ist, dass hier jemand von einer Modefirma oder der Redaktion einer Modezeitschrift einen Privatwagen zur Verfügung gestellt hat.

Wieso man ausgerechnet das entfernte Budapest statt etwa Wien oder München als weltstädtischen Hintergrund für die Bilder gewählt hat, bedarf noch der Klärung. Vielleicht weiß ja ein Leser mehr – für weiterführende Hinweise einfach die Kommentarfunktion nutzen (persönliche Angaben werden nicht veröffentlicht).

Feststeht, dass der Mercedes 170 V auf beiden Bildern eine gute Figur abgibt, auch wenn er seinerzeit nur als dekoratives Beiwerk diente. Für ein 80-jähriges Jubiläum ist dieser Gruß aus der Vergangenheit sicher eine angemessene Würdigung.

Nachtrag: Leser Peter Steenbuck konnte anhand der Detailaufnahme der Frontpartie ermitteln, dass der hier gezeigte 170 V frühestens ab September 1937 gebaut wurde. Zuvor trug das 1936 vorgestellte Modell einen sogenannten Schiffchenstern auf der Kühlermaske und das Wasser wurde unter der Motorhaube eingefüllt. Das abgebildete Fahrzeug verfügt aber bereits über den normalen Stern mit Wassereinfüllung von außen. Somit kann der frühestmögliche Aufnahmezeitpunkt Herbst oder Winter 1937 sein.

Für solches Expertenwissen ist der Verfasser ausgesprochen dankbar!

Opel Spitzkühler-Modell 8/25 PS von 1921/22

Die Firma Opel hat sich in der Vergangenheit nicht gerade als Musterbeispiel für Traditionspflege hervorgetan. Das mag –  ähnlich wie bei Fiat – damit zu tun haben, dass man speziell den hochwertigen Modellen der Vorkriegszeit heute nichts Vergleichbares zur Seite zu stellen vermag.

Dennoch sind die Bemühungen der Enthusiasten von Opel-Classic zu loben, mit Veteranen aus der reichen Markengeschichte auf einschlägigen Veranstaltungen Flagge zu zeigen. Besucher des jährlichen Klassikertreffens an den Opel-Villen in Rüsselsheim kennen vielleicht das eindrucksvolle 8/25 PS-Modell vom Anfang der 1920er Jahre, das eines der Glanzstücke im Oldtimerbestand von Opel ist.

PS-fixierte Zeitgenossen werden dem Fahrzeug mit seinem 2 Liter-Vierzylinder wenig abgewinnen können. Doch muss man so einen großen Wagen „in natura“ gesehen haben, um die Klasse zu begreifen, in der sich Opel damals bewegt hat.

Der offene Viersitzer mit seinem Spitzkühler wirkt sportlich und lässt den Anspruch erkennen, den Opel auch in der Inflationszeit der frühen 1920er Jahre durchzuhalten vermochte. Hier ein historisches Originalfoto des 8/25 PS-Modells:

© Opel 8/25 PS Tourenwagen im Saarland, Anfang der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Verfasser hat einige Zeit gerätselt, um welches Modell es sich handelt, da auch andere deutsche Qualitätshersteller wie Horch in der frühen Nachkriegszeit sehr ähnliche Wagen bauten. Speziell der Spitzkühler war schwer in Mode und Horch brachte damals seinen Markenschriftzug ebenfalls links und rechts der Mittelachse des Kühlers unter.

Selbst der bewährte „Oswald“ (Deutsche Autos 1920-45) half hier nicht weiter. Gewissheit brachte erst Band 1 der Opel-Fahrzeug-Chronik von Eckhart Bartels und Rainer Manthey, hrsg. 2012 vom Podszun-Verlag. Dort ist auf Seite 62 das Opel-Modell 8/25 PS in zwei Tourenwagen-Versionen abgebildet.

Werfen wir zum Vergleich einen näheren Blick auf den Wagen auf unserem Foto:

Möglich wird die Identifikation des Wagens trotz des unleserlichen Logos auf dem Kühler durch die Scheinwerferkombination nebst Verbindungsstange, den markanten Schwung im Kotflügel zur Aufnahme des Ersatzrads, die Gestaltung der Speichenräder, die Position des Kastens auf dem Trittbrett und die zweiteilige Frontscheibe. Auch die übrigen Details entsprechen den beiden im Buch von Bartels/Manthey abgebildeten Wagen.

Ein historisch interessantes Detail an dem Opel 8/25 PS auf dem Foto offenbart sich erst bei genauem Hinsehen:

Auch wenn der linke Teil des Kennzeichens durch die vordere Rahmenspitze und die Blattfederaufnahme teilweise verdeckt ist, braucht es nicht viel Fantasie, um dort „SAAR“ zu lesen. Tatsächlich wurde diese Buchstabenkombination von 1920-35 im Saargebiet vergeben, das offiziell unter Verwaltung des Völkerbunds stand, faktisch aber französisch besetzt war und wirtschaftlich Frankreich angegliedert war, das erheblichen Nutzen aus den Bodenschätzen der Region zog.

Leider lässt sich nicht mehr über Aufnahmeort und -situation herausfinden. Dennoch bleibt das Foto ein wertvolles und seltenes Originaldokument des Opel 8/25 PS-Modells, von dem nicht einmal die Zahl der produzierten Exemplare bekannt ist.

Wer nun wissen möchte, wie so ein 8/25 PS-Modell „in Farbe“ aussah, sei auf einen Beitrag zu den Teilnehmern an der Kronprinz-Wilhelm-Rasanz 2013 verwiesen. Das zweite dort abgebildete Foto zeigt einen raren Überlebenden genau des Wagentyps auf unserer historischen Aufnahme.

Außerdem gibt es inzwischen einen weiteren Blog-Eintrag mit einem technisch exzellenten Originalfoto eines weiteren Opel 8/25 PS Tourers. Dort bestätigt sich auch die Ansprache des hier vorgestellten Fahrzeugs.

Fiat 1400 von 1954 – Halt an der VAROL-Tankstelle

Zu den Automarken, die es in den letzten Jahren verstanden haben, ihre einstige Klasse weit hinter sich zu lassen, gehört neben Opel und Ford leider auch Fiat. Man muss gar nicht die oft siegreichen Sportwagen der Vorkriegszeit bemühen, um zu erkennen, wie weit die Turiner Marke heruntergekommen ist.

Noch die Modelle der 1950er und 60er Jahre künden von Fiats Ehrgeiz, zur Speerspitze des automobilen Fortschritts zu gehören. Damit sind weniger die genialen Kleinwagen der Typen 500 und 600 gemeint, sondern die Mittelklasse-Modelle, die einst auch hierzulande präsent waren, aber weitgehend vergessen sind.

Fiats 1950 präsentiertes Ponton-Modell 1400 (und später 1900) wurde hier kürzlich bereits besprochen (Bildbericht). Nun ist dem Verfasser ein weiteres Originalfoto der ersten Serie dieses hochmodernen Wagens in die Hände gefallen, das Fiats Anspruch noch eindrucksvoller unterstreicht:

© Fiat 1400 an VAROL-Tankstelle, 1954; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf dieser Aufnahme werden nicht nur die großzügigen Dimensionen des Wagens deutlich, sondern auch die saubere Linienführung, die die Traditionen der Vorkriegszeit vollständig hinter sich gelassen hat. Dagegen sah selbst der erst 1953 vorgestellte Ponton-Mercedes alt aus – er gehört bis heute nach Meinung des Verfassers zu den freudlosesten Hervorbringungen der Stuttgarter Marke.

Die technischen Qualitäten des Ponton-Modells von Fiat werden in besagtem Beitrag eingehend geschildert. Hingewiesen sei nur auf die Anordnung der Scheibenwischer, die sich im Betrieb genau in der Mitte der leicht gewölbten Frontscheibe trafen:

Die Anbauten an der A-Säule und der Gegenstand auf der Motorhaube des Fiat lassen sich leider nicht identifizieren (vielleicht hat ja ein Leser eine zündende Idee). Hier soll es auch um das Drumherum gehen, das nicht weniger interessant ist.

Als Erstes fällt der senkrechte Schriftzug VAROL ins Auge. Offenbar steht der Fiat an einer Zapfsäule des gleichnamigen Tankstellenverbunds. Die VAROL-Gesellschaft betrieb ein Netz von weit mehr als hundert Tankstellen in Westdeutschland und wurde in den 1960er Jahren von der bis heute existierenden US-Ölfirma Occidental Petroleum übernommen. Nähere Informationen zu VAROL sind willkommen.

Dann gibt es noch etwas Interessantes links im Hintergrund des Ausgangsfotos zu sehen:

Verschwommen ist das Heck eines Volkswagens mit Brezelfenster zu erkennen und davor mit etwas gutem Willen die Frontpartie eines Tempo-Dreirads.

Für den VW muss man kein Belegfoto liefern, doch im Fall des Tempo kann ein Bild zum Vergleich nicht schaden, hier eines von den Classic Days auf Schloss Dyck 2014:

© Tempo Dreirad der 1950er Jahre, Classic Days Schloss Dyck 2014; Bildrechte: Michael Schlenger

Tempo-Dreiräder mit ihren bewährten Zweitaktmotoren und hoher Zuladung gehörten zu den Helden des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg. Noch Mitte der 1950er Jahre waren tausende dieser Vehikel in Deutschland zugelassen. Überlebt haben nur sehr wenige- ein typisches Nutzfahrzeugschicksal.

Zum Nummernschild des Fiat ist zu sagen, dass das Kürzel KB von 1948-56 bei Fahrzeugen verwendet wurde, die in Westberlin zugelassen waren. Das 1400er Modell von Fiat wurde übrigens auch in Österreich von Steyr in Lizenz gefertigt. Das hat seine Verbreitung im deutschsprachigen Raum deutlich gefördert. Hier ist ein solcher Steyr-Fiat 1400 auf einer Urlaubsfahrt im italienischen Triest zu sehen:

© Steyr-Fiat 1400 in Triest, 1954; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Heute scheinen Fiat 1400 der 1950er Jahre rarer als manche Luxuswagen jener Zeit zu sein, die bei einschlägigen Veranstaltungen rudelweise auftreten. Der Verfasser hat jedenfalls noch keinen zu Gesicht bekommen…

NAG-Protos 6-Zylinder-Limousine von 1928

Die großzügigen Wagen der Berliner Automarke NAG hatten es dem Verfasser schon angetan, als er noch ein Schüler war. Zu verdanken war das dem „Oswald“ (Deutsche Autos 1920-45), den es in der Friedberger Stadtbibliothek gab, die direkt am Schulweg lag. Die darin abgebildeten NAG-Cabriolets der 1930er Jahre mit ihrer eleganten, sehr niedrigen Linie gehörten zu seinen Favoriten.

Heute, über 30 Jahre später, ist der „Oswald“ immer noch erste Wahl, wenn es um einen kompetenten und annähernd kompletten Überblick über deutsche Wagen der Zwischenkriegszeit geht.

Speziell der Qualitätsmarke NAG widmete sich zuletzt Hans-Otto Neubauer in seinem Werk „Autos aus Berlin – Protos und NAG“, erschienen 1983 im Kohlhammer-Verlag, ISBN: 3-17-008130-6, derzeit nur antiquarisch erhältlich.

Nachdem hier bereits zwei Beiträge zu sportlichen 4-Zylinder-Wagen von NAG erschienen sind (C4 Monza und D4 Tourer), sind nun die mächtigen 6-Zylinder-Limousinen an der Reihe, die ab 1926 gebaut wurden. Hier ein Originalfoto:

NAG-Protos 12/60 oder 14/70 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Es handelt sich entweder um das 12/60 PS-Modell mit 3,1-Liter-Motor (Typ 201) oder um das sonst offenbar baugleiche 14/70 PS-Modell mit 3,6 Liter Hubraum (Typ 204). Weniger Leistung hätten die NAG-6-Zylinder kaum haben dürfen, denn der Wagen hatte je nach Karosserieaufbau ein Gewicht von bis zu 1,9 Tonnen.

Übrigens gab es ab diesem Modell nicht mehr den einst NAG-typischen Ovalkühler, sondern einen konventionellen Flachkühler. Dennoch ist die Identifikation einfach, denn auf folgendem Ausschnitt kann man das markante Logo erkennen, das nach der Übernahme von Protos durch NAG im Jahr 1925 verwendet wurde:

Die trommelförmigen Scheinwerfer, die Gestaltung der Stahlspeichenräder, die untere Ersatzradhalterung, die Anordnung der Zierlinien an der Fahrerkabine und das Blech am Einstieg stimmen vollkommen mit den Verhältnissen bei der im „Oswald“ abgebildeten 6-sitzigen Limousine mit Wendler-Karosserie überein.

Interessant ist die Zweifarblackierung, wobei Schweller, Dach, Motorhaube und wohl auch Kotflügel dunkel und die übrigen Partien des Wagens heller sind. Möglicherweise war dies eine Kombination aus schwarzer und hellgrüner Lackierung. Im „Oswald“ ist ein NAG mit identischer Farbgebung zu finden, ebenfalls mit Wendler-Karosserie.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Aufnahmesituation. Das Kennzeichen verrät, dass der NAG in Sachsen zugelassen war (Kürzel „I M“). Laut handschriftlichem Vermerk auf der Rückseite ist das Foto 1928 entstanden, dem Licht nach zu urteilen vielleicht an einem sonnigen Frühlingstag:

 

Der NAG war zu diesem Zeitpunkt noch beinahe neu und sicher der Stolz der vermögenden Besitzer. 12.600 Reichsmark waren seinerzeit für den Sechssitzer zu berappen.

Zusammen mit dem Fotografen war der Wagen vollbesetzt und wird dann sicher nur ein gemächliches Tempo an den Tag gelegt haben. Das war angesichts der starren Hinterradfederung mit Rücksicht auf die rückwärtigen Passagiere auch anzuraten. Übrigens scheinen die Herrschaften allesamt recht groß gewesen zu sein. Der NAG war genau 2 Meter hoch, und der junge Mann ganz links erreicht annähernd die Dachlinie des – allerdings etwas schräg stehenden – Wagens.

Welches Format die Sechszylinder-Modelle von NAG tatsächlich hatten, lässt sich anhand dieses Fotos also nur erahnen. Leider scheint es keine Gelegenheit mehr zu geben, einen Überlebenden zu begutachten…

Übertroffen wurden diese Fahrzeuge nur noch von den grandiosen 8-Zylinder-Typen aus den letzten Jahren von NAG.

Rarer DKW „Special“: der Tornax Rex

Die hübschen Zweitakter mit Frontantrieb von DKW kennt noch heute jeder, der sich für alte deutsche Automarken interessiert. Viele dieser Wagen haben die Zeiten überdauert und ermöglichen auch bei kleinem Geldbeutel den Einstieg in die Vorkriegsszene.

Kürzlich wurde hier ein DKW F2 vorgestellt, der typisch für den Stil der Marke in den 1930er Jahren ist (Bildbericht). Dass es von diesem braven 20PS-Vehikel einst auch einen rassigen Roadster gab, den man so nur den Briten zutrauen würde, wissen selbst manche Experten nicht.

Besagter DKW F2 „Special“ war so selten – nur 168 Stück wurden gebaut – dass man eigentlich nicht damit rechnen kann, auch nur ein zeitgenössisches Foto davon aufzutreiben, geschweige denn ein Originalfahrzeug.

Doch Sammler halten sich oft an die Devise des Universalgenies Karl Lagerfeld: „Ich suche auch, was ich nicht suche“ und lassen sich vom Angebot überraschen. Dass einem so der Zufall die schönsten Funde in die Hände spielt, beweist folgendes Foto:

© Tornax „Rex“ auf DKW-Basis, Baujahr: 1934-36; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dies ist übrigens kein Bildausschnitt, sondern bereits die ganze Aufnahme. Und doch sieht der Kenner genug, um sicher zu sein: Die Frontpartie des Wagens, der hier gerade auf einer Fähre den Rhein überquert, gehört zu einem „Rex“ Roadster!

Es ist keine Bildungslücke, wenn einem das nichts sagt. Dieses Modell wurde von 1934 bis 1936 von der deutschen Motorradfirma Tornax in Manufaktur gebaut. Die technische Basis dafür – also Motor und Fahrwerk – lieferte das Modell F2 von DKW.

Die Motorenspezialisten von Tornax steigerten die Leistung des 700ccm-Motors mal eben um 40 % auf immerhin 28 PS – dafür gab es einst das schöne Wort des „Frisierens“. Kombiniert wurde das Aggregat mit einem selbstentwickelten Rahmen und einer hinreißenden Karosserie der Firma Hebmüller – später bekannt für ihr elegantes Käfer-Zweisitzer-Cabriolet.

Eine näherungsweise Vorstellung vom Aussehen des Wagens gibt folgendes Sammelbild der 1930er Jahre – wie gesagt, ist an andere historische Aufnahmen kaum heranzukommen.

© Tornax „Rex“, originales Sammelbild der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Man fühlt sich unwillkürlich an Typen der britischen Marke Morgan erinnert. Deutlich wird auf dem kleinen Sammelbild die breite Spur des Wagens, die vom sportlichen Anspruch des Tornax Rex kündet. Mit der flachen Silhouette und dem niedrigen Gewicht war ein Tempo von über 100km/h möglich, was einem in dieser reduzierten Verpackung vermutlich doppelt so schnell vorkam.

In einem Punkt kann der Tornax seine Herkunft von einem Motorradhersteller nicht verbergen. So verfügen die Vorderräder über mitlenkende Schutzbleche, was man in der folgenden Ausschnittsvergrößerung erahnen kann:

Trotz sensationeller Optik und beachtlicher Fahrleistungen schlief die Produktion des Tornax Rex bald wieder ein. Ob das an mangelndem Kundeninteresse – der Wagen war nicht billig – oder an der Einstellung der Motorenlieferungen durch DKW lag, sei dahingestellt.

Auf jeden Fall gehört dieser DKW „Special“ made by Tornax heute zu den ganz großen Raritäten und hätte ohne Zweitakttechnik vielleicht das Zeug zu einem „der“ deutschen Traumwagen der 1930er Jahre gehabt. Nur ganz wenige dieser Roadster existieren heute noch (hier zwei Beispiele).

Horch 10/50 PS: Neubeginn nach dem 1. Weltkrieg

Wie andere deutsche Automobilhersteller auch brauchte die Nobelmarke Horch nach dem 1. Weltkrieg einige Zeit, um wieder Anschluss an die allgemeine Entwicklung zu bekommen. Bis 1922 stellt man im sächsischen Zwickau noch die Vorkriegsmodelle her, bis sie durch den völlig neuen Typ 10 M abgelöst wurden.

Mit diesen bis 1927 gebauten Wagen, die es als 10/35 PS und 10/50 PS-Ausführung gab, war Horch nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern in mancher Hinsicht führend, zumindest am deutschen Markt. So konservativ die Linienführung wirkt, so kompromisslos modern war die verbaute Technik.

Aber werfen wir erst einmal einen Blick auf eines dieser neuen Horch-Modelle:

© Originalfoto eines Horch 10/50 PS, späte 1920er Jahre; Bildquelle: Sammlung Michael Schlenger

Das Originalfoto ist von ausgezeichneter Qualität, doch glaubt man erst einmal nicht, dass sich das Fahrzeug identifizieren lässt. Der großgewachsene Herr in Mantel und Schiebermütze hat sich so vor den Kühler gestellt, dass man fast nichts davon sehen kann. Markenlogos sucht man an dem Wagen ansonsten vergebens.

Doch wie so oft helfen mehrere Indizien weiter: Das Stadtbild im Hintergrund, die Insassen und letztlich der Wagen selbst wirken sehr „deutsch“. Für eine so großzügige Tourenwagenkarosserie mit sechs Sitzen kam seinerzeit hierzulande nur eine Handvoll Hersteller in Frage.

Letztlich ist es das Zusammentreffen mehrerer Merkmale, das die Identifikation als Horch 10/50 PS-Modell ermöglicht: die Parabelform der Stahlspeichen, die Gestaltung der Bleche unterhalb der Türen, die verchromten/vernickelten Nabenkappen, die tiefliegenden Kühlluftschlitze und die spitzgiebelartige Form der Motorhaube, die für eine entsprechende Kühlermaske spricht. In Werner Oswalds Standardwerk „Deutsche Autos 1920-45“ ist genau diese Ausführung abgebildet.

Zwar waren diese Horch-Modelle noch weit von der gestalterischen Raffinesse der späteren 8-Zylinder-Wagen der Marke entfernt. Doch scheint die Kundschaft auch so verstanden zu haben, dass man damit Fahrzeuge der gehobenen Klasse erwarb. Der Anspruch, den die Geschäftspolitik von Horch (heute würde man von „Philosophie“ sprechen) auszeichnete, kam nicht nur in der makellosen Verarbeitung zum Ausdruck. Auch die fortschrittliche Technik zeugt vom Ehrgeiz der Firma.

So hatte das von 1924-26 gebaute 10/50 PS-Modell zwar nur einen 4-Zylinder-Motor mit 2,6 Liter Hubraum. Doch die hängenden Ventile wurden von einer königswellengetriebenen obenliegenden Nockenwelle gesteuert – noch präziser ließ sich das damals kaum bewerkstelligen. Verantwortlich für die Konstruktion war übrigens Paul Daimler, der 1922 zu Horch kam.

Der Motorblock bestand aus einer Aluminium-Legierung, die Kolben waren sogar ganz aus Aluminium. Hochbelastete Flächen waren nitriert, also mit Stickstoff zeitaufwendig gehärtet; eine Bearbeitung war dann nur noch mit Diamanten möglich.

Der Horch 10/50 PS wurde serienmäßig mit Vierradbremsen geliefert – was keine Selbstverständlichkeit darstellte. Ein Novum waren die Bandstoßdämpfer, die dem unkontrollierten Ausfedern entgegenwirkten. Dass immer noch 40 Schmiernippel an Fahrwerk, Lenkung und Bremsen mit Fett versorgt sein wollten, verrät einiges darüber, wie stark Automobilbesitzer einst in Anspruch genommen wurden.

Dennoch: wer einen solchen Wagen Mitte der 1920er Jahre sein eigen nennen konnte, durfte stolz darauf sein. Diese Selbstzufriedenheit kommt in unserem Foto gut zum Ausdruck. Die Herrschaften – wohl eine Familie – hatten sich für die populäre Phaeton-Ausführung entschieden, also den offenen Tourenwagen mit leichtem Verdeck und seitlichen Steckscheiben aus Zelluloid.

Die Pelzmäntel der Damen und die Schneereste im Hintergrund verweisen auf einen Wintertag in einer nördlich gelegenen deutschen Stadt – die Backsteinarchitektur spricht dafür. Vielleicht erkennt ein Leser die Silhouette mit der markanten zweitürmigen Kirche und den mächtigen Bastionen.

Nachtrag: Dank eines Fotos aus der Sammlung von Helmut Kasimirowicz konnte ich den Ort als Tangermünde identifizieren.

Dass man bei trockenem Wetter mit einem solchen Wagen auch bei Kälte offen fuhr, mutet in Zeiten beheizbarer Lenkräder irritierend an. Doch auch Vermögende waren damals offenbar aus einem anderen Holz geschnitzt…

Literaturtipp: Kirchberg/Pönisch: Horch – Typen, Technik, Modelle, Verlag Delius-Klasing, 2. Ausgabe 2011, ISBN: 9-783768-817752