DKW F7 Reichsklasse? Meisterklasse? Arbeiterklasse!

Dieser Oldtimer-Blog befasst sich hauptsächlich mit Vorkriegsautos – und zwar anhand historischer Originalfotos – gleichzeitig reicht sein Horizont aber über das Kriegsende 1945 hinaus.

Oft sind nämlich auch frühe Nachkriegsfotos von Fahrzeugen der 1930er Jahre von großem Reiz. Sie lassen die Nehmerqualitäten vieler Konstruktionen erkennen und lassen erahnen, wie schwierig der Betrieb eines Automobils in den Jahren des Neubeginns nach dem „Dritten Reich“ war.

Interessant wird die Beschäftigung mit solchen „Kriegsversehrten“ auch dadurch, dass sie oft aus mehreren Autos entstanden sind. Ein Extrembeispiel auf diesem Blog war ein Ford Buckeltaunus auf VW-Kübel-Basis, der es sogar bis ins Clubmagazin der Alto-Ford-Freunde geschafft hat.

Heute geht es um ein weniger spektakuläres, doch im Detail ebenfalls reizvolles Fahrzeug, einen DKW F7. Von diesem von 1936 bis 1939 gebauten frontgetriebenen Modell des sächsischen Zweitaktspezialisten haben wir hier schon einige Exemplare vorgestellt (hier, hier und hier).

Nun ist folgendes Exemplar an der Reihe:

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© DKW F7; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man sieht auf den ersten Blick nicht viel von der 2-türigen Limousine, die wohl bei einem Familienausflug ins Grüne abgelichtet wurde. Doch ist genug zu erkennen, um Typ und Baujahr recht genau einzugrenzen.

Die nähere Betrachtung wird aber auch erweisen, dass der Wagen modifiziert worden ist. Das Ergebnis ist aus einer historischen Perspektive ebenso original wie der einstige Auslieferungszustand und wäre für einen geschichtsbewussten heutigen Besitzers durchaus erhaltenswert.

Beginnen wir mit der Frontpartie des DKW:

Dass wir einen DKW des Typs F7 vor uns sehen, verrät ein winziges Detail: Das auf die Motorhaubenseite aufgesetzte Blech mit den Luftschlitzen. Man sieht dessen umlaufende Sicke am linken Bein des kleinen Jungen auf der Haube glänzen.

Beim Vorgänger DKW F5 – einen Typ F6 gab es nur als internes Versuchsmodell – wie auch beim Nachfolger F8 – waren die Luftschlitze direkt in die Haube gepresst, außerdem wichen Form und Anordnung ab.

An der Kühlermaske fällt die verchromte Blende mit dem DKW-Emblem auf. Sie war nur bei der 20 PS leistenden Ausführung „Meisterklasse“ erhältlich. Dort gab es auch serienmäßig verchromte Stoßstangenecken wie auf unserem Foto.

Solche Stoßstangen waren allerdings auch als Zubehör bei der 18 PS-Version „Reichsklasse“ verfügbar, sie können außerdem nachträglich montiert worden sein.

Leider fehlen die Radkappen, die ein weiteres Indiz zugunsten eines „Meisterklasse“-Modells sein könnten. Dort waren sie nämlich verchromt, während die „Reichsklasse“-Ausführung mit lackierten Radkappen daherkam.

Interessant ist nun die Motorhaube: Dort fehlt die seitliche Chromleiste, die beim F7 „Meisterklasse“ die Türleiste fortsetzen würde, deren Ende man auf dem Bild zu erkennen meint.

Die Basisausführung „Reichsklasse“ musste auf diese Haubenleiste verzichten. Es fällt schwer zu glauben, dass eine solche Leiste verlorengehen kann – also vielleicht ist der DKW doch nur ein mit Chrommaske aufgehübschtes Reichsklasse-Modell?

Warten wir es ab.

Zunächst noch ein Blick die A-Säule hinunter. Man kann dort erahnen, dass die (hinten angeschlagene) Tür leicht offen steht. Die Türvorderkante verläuft schräg nach vorn, nicht senkrecht – dieses Detail zeichnet den DKW F7 ab 1938 aus.

Nun zum Rest des Wagens und der (mutmaßlichen) Auflösung des Rätsels:

Man sieht hier die seitliche Zierleiste in einem Bogen bis ans Wagenende laufen. Das gab es so nur bei der „Meisterklasse“-Ausführung des DKW F7. Bei der simpleren „Reichsklasse“-Variante endete die Leiste über der Mitte des hinteren Kotflügels.

Nun könnte man einwenden, dass prinzipiell auch diese Leiste nachträglich angebracht worden sein kann, so wie spätere Mercedes-Fahrer aus ihrem braven 200D durch Montage des entsprechenden Schriftzugs einen 230E gemacht haben.

Doch eine Kleinigkeit verrät bei nochmaligem Hinsehen, dass dieser DKW F7 einst als besser ausgestattetes Modell „Meisterklasse“ in Zwickau vom Band lief: Das kleine Stück Chromleiste an der A-Säule! Dieses wurde beim Modell Reichsklasse nicht montiert, dort endete die seitliche Chromleiste an der Vorderkante der Tür.

Nach der Lage der Dinge können wir annehmen, dass wir es mit einem DKW F7 „Meisterklasse“ zu tun haben, an dem – aus welchen Gründen auch immer – eine schmucklose Motorhaube eines „Reichsklasse“-Modells verbaut wurde. 

Eine solche Nachkriegsbastellösung ist plausibler als die Annahme, dass jemand einst ein Reichsklassemodell von vorne bis hinten mit allen Chromteilen auf „Meisterklasse“ getrimmt hat und dann bei der Motorhaube aufgehört hat.

Die Leute, denen einst dieser DKW gehörte, waren sicher froh, überhaupt einen fahrbaren Untersatz zur Verfügung zu haben. Denn sie lebten in der russischen Besatzungszone „Brandenburg“, wie das Kürzel „SB“ auf dem Kennzeichen verrät.

Die „11“ vor dem Querstrich steht für den Landkreis Potsdam (Quelle). Unter dem Strich ahnt man eine „48“, die nur bei 1948 ausgestellten Kennzeichen zu finden ist.

Mit etwas detektivischem Gespür haben wir nicht nur beim DKW Baujahr und Typ bestimmt – ein F7 „Meisterklasse“ von 1938/39 – sondern können eingrenzen, wann das Foto entstanden ist: nicht vor 1948 und nicht nach 1953 (ab dann gab es in der DDR neue Nummernschilder).

Die Kleidung der Erwachsenen scheint ein Sammelsurium aus Vor- und Nachkriegsmode zu sein und liefert keinen näheren Datierungshinweis. Um 1950 muss diese Aufnahme jedenfalls enstanden sein. 

An sich ein schönes Foto, das kaum etwas den bedrückenden Umständen ahnen lässt. Wenn es dieser Familie nicht gelungen ist, noch vor Befestigung der innerdeutschen Grenze durch das DDR-Regime (ab 1953) bzw. vor Bau der Berliner Mauer (1961) nach Westen zu fliehen, haben die Eltern ihr ganzes und die Kinder einen Großteil ihres Lebens unter den Bedingungen des Sozialismus eingesperrt zubringen müssen.

Den vom kapitalistischen Joch befreiten „Genossen“ wurden auch in den kommenden Jahrzehnten vom Ostberliner Regime meist nur schwache Zweitakter nach Vorkriegsbauart gegönnt. Von der Form her stellte dieser alte DKW F7 bereits den Gipfel dessen dar, was die „Arbeiterklasse“ zu DDR-Zeiten erreichen konnte…

Insofern erzählen solche einst im Alltag aufgenommenen Bilder oft weit mehr als nur die Geschichte von alten Autos, ihrer Entwicklung, Technik und Gestaltung. Auch an die oft ausweglosen Zeitumstände zu erinnern, darum geht es in diesem Blog.

Krieg und Frieden: Morris 8 und VW beim Tanken

Auf diesem Oldtimer-Blog für Vorkriegswagen geht es nicht nur um die schier unerschöpfliche Vielfalt an Marken und Typen, die einst die Straßen bevölkerten.

Soweit möglich werden die Fahrzeuge anhand zeitgenössischer Originalfotos in ihrem einstigen Kontext gezeigt, also im realen Einsatz zusammen mit den Menschen, die sie einst fuhren.  

Das liefert andere Eindrücke und Erkenntnisse als die Präsentation anhand von Werks- und Prospektfotos oder gar moderner Aufnahmen, die die überlebenden Autos oft in einem Zustand „besser als fabrikneu“ zeigen.

In vielen Fällen spiegelt sich in vermeintlich unscheinbaren Privataufnahmen eindrucksvoll die Zeitgeschichte wider – mal berührend, mal bedrückend.

Heute geht es um zwei Fotos, die anhand eines Wagentyps von den Umbrüchen der 1940/50er Jahre erzählen. Das erste Bild transportiert uns mitten in den 2. Weltkrieg:

© Morris Eight Series 1; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir eine Gruppe deutscher Wehrmachtssoldaten – zwei (Unter)Offiziere und vier Mannschaftsdienstgrade – hinter einer kompakten Limousine posieren. Ein Vermerk auf der Rückseite des Fotos erwähnt als Aufnahmeort Holland.

Das Auto ist schnell als Morris Eight Series 2 identifiziert. Typisch sind der schrägstehende schmale Kühlergrill, die ebenfalls schrägen, nach hinten versetzten Luftschlitze in der Haube und die auffallend filigrane Stoßstange.

Folgender Bildausschnitt liefert weitere Details:

Die Kühlermaske ist in Wagenfarbe lackiert, auf dem in Fahrtrichtung rechten Schutzblech ist das Kürzel „WH“ für „Wehrmacht Heer“ aufgemalt, während unter der Stoßstange noch ein ziviles Kennzeichen zu sehen ist.

Dass die Kühlermaske ursprünglich verchromt gewesen sein muss, verraten die Speichenfelgen. Denn die erste Serie des 1935 vorgestellten 1-Liter-Vierzylinders wurde mit Chromgrill und Speichenfelgen ausgeliefert, während bei der Serie 2 ab 1938 ein lackierter Grill und Scheibenräder kombiniert wurden.

Folgendes, 2016 beim Goodwood Revival in England auf dem Besucherparkplatz aufgenommene Foto zeigt einen Morris Eight der 1. Serie in voller Pracht:

So technisch bodenständig der 24 PS-Wagen daherkam, wies er doch ein Detail auf, das bei deutschen Kleinwagen jener Zeit undenkbar war: Ledersitze vorne und hinten. Man sieht dies auf dem Originalfoto aus Kriegszeiten recht gut.

Der einst in Holland fotografierte Morris dürfte ein Beutewagen gewesen sein, der beim Westfeldzug 1940 dem Wehrmachtsfuhrpark einverleibt wurde. Damit kam man im Fronteinsatz nicht weit, doch wir haben es hier mit einer Einheit hinter den Linien zu tun. Die Soldaten wirken älter und dürften zum Nachschub gehört haben.

Was aus den Männern auf dem Foto wurde, wissen wir nicht. Ob man den Krieg überstand oder nicht, war spätestens ab 1944 Glückssache. In wessen Gefangenschaft die Überlebenden 1945 endeten, konnte ebenfalls über Leben und Tod entscheiden.

Der Neuanfang nach 1945 sollte nach dem Willen der Kriegsgeneration von einem friedlichen Mit- und Nebeneinander der europäischen Völker geprägt sein – vom grassierenden Gleichschaltungswahn selbstherrlicher Brüsseler Technokraten konnte damals niemand etwas ahnen.

Den Gedanken der friedlichen Koexistenz aus geteiltem Leid klug gewordener Nachbarn dokumentiert das folgende Foto auf eindrückliche Weise:

© Morris Eight Series 1 und VW Käfer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir links wieder einen Morris Eight der 1. Serie und rechts einen Volkswagen aus dem Landkreis Springe bei Hannover. Das Foto kann ausweislich des deutschen Kennzeichens frühestens 1956 entstanden sein.

Wo aber ist dieses außergewöhnliche Foto entstanden? Dazu werfen wir einen näheren Blick auf die rechte Hälfte des Abzugs:

So unscharf es auch erscheint, ist auf der Säule hinter dem Volkswagen das Wappen von „BP“ montiert, was für „British Petroleum“ steht. Auch kann man auf der Zapfsäule neben dem Käfer den Schriftzug „Petrol“ ahnen.

Demnach zeigt dieses Foto sehr wahrscheinlich eine Situation an einer Tankstelle im England Ende der 1950er Jahre. Den genauen Ort kennen wir nicht, doch das Nummernschild des Morris Eight liefert zumindest ein Indiz:

Die Buchstabenkombination „NV“ wurde von März 1931 bis Oktober 1937 in der mittelenglischen Grafschaft Northhamptonshire vergeben. Einschränkend ist zu sagen, dass Autos in Großbritannien ihr Kennzeichen auch bei einem Umzug oder Verkauf in andere Regionen behielten.

Doch die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass das Foto einst in der Nähe des ursprünglichen Zulassungsorts des Morris entstand. Was dort der Besitzer des VW einst wohl verloren hatte?

Mag sein, dass eine Dienstreise eines deutschen Unternehmensvertreters der Anlass war. Oder jemand wollte alte Bekanntschaften aus der Vorkriegszeit wiederaufleben lassen. Viele Deutsche und Engländer pflegten ungeachtet der beiden Weltkriege enge persönliche Bande, man denke nur an das englische Königshaus.

Die Besitzer des alten Morris bzw. des recht neuen Volkswagens blicken hier einträchtig in die Kamera:

Irgendetwas muss die beiden an einer englischen Tankstelle zusammengeführt haben. Ob Absicht oder Zufall – das Foto und seine Vorgeschichte mahnen uns, sich auch in Zeiten des „Brexit“-Volksentscheids“ nicht von interessierten Kreisen zu einer antibritischen Stimmung verleiten zu lassen…

Geteiltes Schicksal: Zwei Fiat 508 A im Nachkriegs-Berlin

Das Schicksal von Vorkriegsautos wird auf diesem Oldtimer-Blog anhand historischer Fotos bis in die 1950/60er Jahre nachverfolgt. So lange waren viele Fahrzeuge, die den 2. Weltkrieg überstanden hatten, hierzulande noch im Alltag unterwegs.

Ihr Erscheinungsbild unter den Bedingungen der deutschen Teilung war oft weit vom einstigen Auslieferungszustand entfernt. Entscheidend war, dass sie funktionierten – nicht selten unter abenteuerlichen Bedingungen.

Zu den Überlebenden der Vorkriegszeit gehörten nicht nur Wagen deutscher Hersteller, sondern auch in Deutschland gebaute Fremdfabrikate. Besonders verbreitet waren in den 1930er Jahren die Fiat-Typen, die im alten NSU-Werk in Heilbronn gefertigt wurden.

Vor dem populären 500er „Topolino“ und dem 1100er „Millecento“ wurde schon das Modell 508 „Nuova Balilla“ in Deutschland gebaut und als NSU/Fiat 1000 verkauft. Leser dieses Blogs sind ihm auf diesem Blog hier und hier und hier und hier begegnet.

Heute präsentieren wir zwei Exemplare dieses von 1934-38 gebauten NSU-Fiats, die im Nachkriegs-Berlin bewegt wurden. Beginnen wir mit einem Exemplar, das im Westen der Reichshaupstadt die Wirren des Kriegsendes überstanden haben muss:

© Fiat 508 A bzw. NSU-Fiat 1000; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Typ als solcher ist am schrägen Kühlergrill in Herzform zu erkennen. Auch die Radkappen wurden so nur beim Fiat 508 Nuova Balilla bzw. NSU-Fiat 1000 verbaut, zumindest zeitweise. Lack und Stoßstangen scheinen die Zeit gut überstanden zu haben.

Dass das Auto in Berlin zugelassen war, verrät das Nummernschild mit der Buchstabenkombination „KB“, die nach dem Krieg von den Besatzungsbehörden dort ausgegeben wurde; sie steht für „Kommandantur Berlin“.

Der Brezelkäfer im Hintergrund deutet auf eine Entstehung im Westen der geteilten Stadt hin. Kleidung und Frisur der beiden Personen am Fiat entsprechen den späten 1940er Jahren. Im Hintergrund stehen Häuser der 1920/30er Jahre.

Erkennbar ist dieser Vorkriegsfiat auch in schweren Zeiten geschätzt und gepflegt wurde. Dennoch dürfte der Wagen spätestens um 1960 auf den Schrott gewandert sein.

Im Osten Deutschlands wurden solche Vorkriegsautos noch länger in nennenswerter Stückzahl gefahren – nicht aus Nostalgie, sondern weil die sozialistische Mangelwirtschaft unfähig war, die benötigten Güter und Produkte bereitzustellen.

Im einstigen Arbeiter- und Bauernparadies, in Wahrheit eine alle Lebensbereiche erfassende Diktatur, sah das Straßenbild um 1960 Jahre aus:

© Vor- und Nachkriegswagen im Umland von Berlin; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Was aus heutiger Sicht wie eine Oldtimerparade aussieht, ist eine ganz normale Situation im Umland von Ostberlin. Die Nummernschilder entsprechen der 1953 in der Deutschen „Demokratischen“ Republik (kurz: DDR) eingeführten Konvention.

Die Buchstaben „IA“, „DP“ und „DK“ auf den Nummernschildern verweisen auf Zulassungsbezirke in und um Ostberlin. Das Umfeld mit Kiefern auf sandige Boden macht eine Entstehung des Fotos im Raum Berlin-Brandenburg wahrscheinlich.

Uns soll vor allem der Wagen ganz vorne interessieren:

Wir sehen hier den herzförmigen Kühlergrill eines Fiat 508 A Nuova Balilla oder auch eines NSU-Fiat 1000. Die Chromumrandung wurde offenbar überlackiert.

Stoßstangen und Radkappen weichen vom Fiat 1000 auf obigem Foto ab, aber das will nicht viel heißen. In der Bauzeit gab es einige Änderungen und die in Deutschland gefertigten Exemplare wichen im Detail vom italienischen Original ab. Außerdem wurde nach dem 2. Weltkrieg an überlebenden Wagen der 1930er Jahre alles Mögliche verbaut.

Bemerkenswert ist der Dachgepäckträger auf dem Fiat. Er wurde wohl nachträglich nach Gutdünken auf der Dachpartie verschraubt. Das Auto wurde trotz seines Alters offenbar für Reisen eingesetzt, bei denen für das Gepäck der Insassen sonst kein Platz war.

Schauen wir uns der Vollständigkeit halber die übrigen Wagen auf dem Foto an:

Hinter dem Fiat steht ein IFA F9, ein vor dem 2. Weltkrieg als Nachfolger des DKW-IFA F8 entwickeltes Fahrzeug, das 1948 vorgestellt wurde. Bis zur Serienproduktion brauchte man noch ein wenig Zeit, erst ab 1950 war das Modell lieferbar.

Die nach dem Krieg in Westdeutschland neugegründete Auto-Union baute ab 1950 übrigens ein äußerlich sehr ähnliches Modell, den Typ F89 „Meisterklasse“.

Interessanter ist der hinter dem IFA F9 zu sehende Ford „Eifel“, der ab 1935 gebaut wurde. Der Wagen auf dem Foto dürfte eines der formschönen 2-sitzigen Cabriolets sein, die 1936/37 von der Dresdener Karosseriemanufaktur Gläser gefertigt wurden.

Auffallend an diesem Wagen sind die in die Vorderschutzbleche integrierten Frontscheinwerfer. Das hat es so bei den Serienfahrzeugen nicht gegeben, vermutlich ist es eine der verbreiteten Nachkriegs-Bastellösungen.

Nicht unerwähnt bleiben soll der Kombi ganz links auf dem Foto. Das muss ein ab 1955 gefertigter Sachsenring P70 sein. Der in Zwickau im alten Horch- bzw. Audi-Werk gefertigte Wagen verfügte über den Motor des DKW-IFA F8, hatte aber eine Pontonkarosserie, bei der ein Holzgerippe mit Kunststoffteilen beplankt wurde. Dieses Fahrzeug gilt als einer der Vorläufer des Trabants.

Zum Zeitpunkt unserer Aufnahme war nicht absehbar, dass das 22 PS schwache Gefährt am Ende der Kolonne Vorbote der Bescheidenheit war, die den „Genossen“ in der DDR in den nächsten 30 Jahren von der wohlmeinenden Partei verordnet wurde.

Manch einer zog dieser traurigen Errungenschaft der staatlich gelenkten Industrie bis in die 1970er Jahre größere und stärkere Vorkriegsautos vor…

Hansa 1700 Cabrio-Limousine in der Nachkriegszeit

Auf hochkarätigen Klassikerveranstaltungen hierzulande wie den Classic Days auf Schloss Dyck und der Classic Gala im Schlosspark Schwetzingen findet der Liebhaber von Vorkriegsautos Fahrzeuge, die schon als Neuwagen Raritäten waren.

Oft weiß man vor lauter Bentleys, Bugattis, Delahayes, Mercedes und Rolls-Royce kaum, wohin man schauen soll – herrlich! Aus Sicht des Verfassers zu kurz kommen aber einige extravagante Autos der Mittelklasse, die heute mindestens genauso selten sind.

Dazu zählen unter den deutschen Marken neben den eleganten DKW Front Luxus Cabriolets auch die sehr schön gezeichneten Hansa-Wagen aus dem Borgward-Konzern.

Zeitgenössische Fotos der Hansa-Typen 1100 und 1700 sind außerordentlich rar. Ein Originalfoto eines Horch der 1930er Jahre zu finden, ist dagegen ein Kinderspiel. Auf diesem Blog konnte immerhin bereits ein Hansa 1100 präsentiert werden.

Heute können wir ein hervorragendes Foto des 6-Zylindermodells Hansa 1700 zeigen:

© Hansa 1700; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wenn man die zwar gut proportionierten, aber massigen Formen zeitgenössischer Hanomags und Mercedes vor Augen hat – von Opel ganz zu schweigen – wirkt dieser Wagen fast französisch leicht und elegant. Man fühlt sich an den Citroen Traction Avant erinnert, der bei einigen Ausführungen ähnliche Luftklappen in der Motorhaube aufwies.

Wer ein Auge für so etwas hat, wird bemerken, dass besagte Klappen präzise der Neigung der Kühlermaske folgen und die Form der Fahrerkabine zitieren. Bei dem abgebildeten Wagen handelt es sich übrigens nicht um die Cabriolet-Ausführung, die nur 2 Fenster hatte, sondern um eine Cabriolimousine mit feststehenden Scheibenrahmen.

Der Zustand des Hansa ist leider nicht mehr der beste, wie ein genauerer Blick zeigt:

Der Hansa 1700 –die fünf Lüftungsklappen unterscheiden ihn vom 4-Zylinder-Typ 1100 – weist deutliche Gebrauchsspuren auf. Die Stoßstange wirkt improvisiert, die Reifen sind stark abgefahren und das Vorderschutzblech ist an mehreren Stellen zerkratzt.

Das Nummernschild ist ein von 1949-56 gebräuchliches Kennzeichen aus der französischen Besatzungszone Rheinland-Pfalz („FR“). Die Ziffernfolge „04“ steht für eine Zulassung im Landkreis Germersheim.

Den genauen Ort und Anlass der Aufnahme kennen wir nicht. Die Nadelstreifenhose des Fahrers lässt vermuten, dass man unterwegs zu einer festlichen Veranstaltung war – vielleicht einer Hochzeit.

Gut zu erkennen sind hier die oben montierten Scheibenwischer und der Winker im Frontscheibenrahmen. Der Eindruck, dass die Tür schief sitzt, täuscht – die Neigung ergibt sich aus dem schrägen Verlauf des Türendes.

Auch im Heckbereich weist einiges auf ein bewegtes Leben dieses Fahrzeugs hin. So fehlt die Radkappe und die Lackierung hat ihre besten Zeit hinter sich. Dennoch stellte ein so elegantes 6-Zylinderauto nach dem Krieg einen enormen Wert dar. Dank Ganzstahlkarosserie war der Hansa selbst nach vielen Jahren noch ausreichend robust.

Erst mit dem Siegeszug des Volkswagens ab Mitte der 1950er Jahre verschwanden solche hochwertigen Vorkriegsautos schnell aus dem Straßenbild. Unsere Aufnahme dürfte nach Lage der Dinge in der ersten Hälfte der 50er Jahre entstanden sein.

Man kann sich zwar kaum vorstellen, dass einst jemand einen Hansa 1700 wie den auf unserem Foto verschrotten ließ, doch muss es in vielen Fällen so gewesen sein. Heute gibt es nur noch sehr wenige überlebende Exemplare. Eines davon war 2012 beim Oldtimertag in Herbstein (Vogelsberg) zu sehen (siehe dortige Bildergalerie).

Pseudo-Stromlinie: Ein Standard 12 „Flying“ in Irland

Wer sich für die Geschichte der Stromlinie im Automobilbau interessiert, findet in diesem Blog reiches Anschauungsmaterial – darunter auch Abbildungen sehr früher und kaum bekannter Fahrzeuge (siehe Schlagwort „Stromlinie“).

Damit verwandt ist die Gattung der „Pseudo-Stromlinienfahrzeuge“ – also Autos, die einzelne formale Elemente des Stromlinienideals aufwiesen, ohne ein wirklich windschnittiges Gesamtbild abzugeben.

Großen Einfluss in dieser Hinsicht hatte vor allem der „Wasserfall“-Grill des Chrysler Airflow von 1934. Er taucht als Gestaltungselement bei etlichen Fahrzeugen der 1930er Jahre auf, die keine ernsthaften aerodynamischen Ambitionen verfolgten.

Ein Beispiel dafür ist auf dem folgenden Originalfoto zu sehen:

© Standard 12 „Flying“, Baujahr 1937-39; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen wirkt unverkennbar britisch, auch wenn wir Kontinentaleuropäer Hersteller und Typ nicht gleich parat haben.

Engen wir die Auswahl ein: In Frage kommen der Größe nach zu urteilen nur Mittelklassehersteller. Ausschließen kann man Austin und Morris, deren Wagen keine so markante Front aufwiesen. Ford of Britain und Vauxhall trauten sich in dieser Hinsicht mehr, doch ein „waterfall grille“ war auch dort nicht zu finden.

Es bleiben von den bekannten Marken nur Triumph und Standard. Tatsächlich war es das Modell Standard Flying, das ab 1937 mit diesem auffallenden Kühlergrill gebaut wurde.

Die Marke aus Coventry hatte bereits vor dem 1. Weltkrieg Modelle in der Klasse von 12-Steuer-PS im Programm und bot auch in den 1930er Jahren entsprechende Wagen an. Der Standard auf unserem Foto ist ein solcher Typ 12, wie ein Blick auf die Abdeckung der Öffnung für die Anlasserkurbel verrät:

Apropos 12: Der solide gebaute Standard Flying 12 war mit seinem 44 PS leistenden 1,6 Liter-Vierzylinder zwar nur mäßig motorisiert; er bot aber immerhin eine 12 Volt-Elektrik, was damals viele Hersteller noch für unnötig hielten.

Offenbar teilte man damals die (fälschlicherweise) Joseph Lucas zugeschriebene Ansicht: „A gentleman does not motor about after dark“ – also: „Ein Mann mit Stil fährt nachts nicht im Auto herum“.

Von der Elektrik abgesehen bot der Standard 12 Flying in technischer Hinsicht Hausmannskost: Die Bremsen waren seilzug- bzw. gestängebetätigt, und erst 1939 gab es eine Version mit Einzelradaufhängung vorne.

Immerhin betont der britische „Standard Motor Club“ in seiner Kaufberatung des Modells die außergewöhnlich gute Verarbeitung und die Nehmerqualitäten des Antriebs („praktisch unzerstörbar“).

Einige Überlegungen zu Aufnahmezeitpunkt und -ort: Der 1937 vorgestellte Wagen sieht auf dem Foto schon etwas mitgenommen aus. So fehlen die beiden Hupen, man sieht nur noch die Kabeldurchführungen in den Kotflügeln. Die Stoßstange hängt etwas schief und der Lack wirkt matt.

Sicher ist dieses Bild erst nach dem 2. Weltkrieg entstanden, als auch in England alles, was noch fuhr, bis zum bitteren Ende aufgebraucht wurde.

Das Nummernschild mit dem Kürzel „ZC“verweist übrigens auf eine Zulassung im Raum Dublin (Irland) zwischen 1937 und 1940. Wer sich schon immer gefragt hat, was die kryptisch anmutenden Nummernschilder britischer Wagen verraten, dem wird hier geholfen.

Weitere Blog-Einträge zu Pseudo-„Streamlinern“: Röhr 8F , Maybach und DKW.

1951: Ein 3er BMW der Vorkriegszeit in Bayern

Beim Stichwort 3er-BMW denken die meisten Auto-Enthusiasten an die sportlichen Münchener Mittelklassewagen, die seit den 1970er Jahren gebaut werden. Bei  Klassikerfreunden gelten auch gut motorisierte BMW 02 bereits als Vorläufer des „Dreier“.

Auf diesem Blog wurden jedoch schon einige 3er-BMW der Vorkriegszeit vorgestellt, die das Konzept des sportlichen Familienwagens vorwegnahmen (Bildberichte BMW 303 und 319).

Sie boten Sechszylinder-Laufkultur, gutes Leistungsgewicht und erstmals die nierenförmige Kühlermaske, die bis heute – wenn auch in geschrumpfter Form – das einzigartige „Gesicht“ eines BMW ausmacht.

BMWs dieses Typs wurden im 2.Weltkriegs sogar in einer speziellen Kübelwagen-Version für die Wehrmacht gebaut. Der kompakte und leichte Dreier war zwar nicht für den Geländeeinsatz gedacht, scheint sich aber im Vergleich zu den schweren Kübelwagen von Adler, Hanomag, Horch, Mercedes und Wanderer bewährt zu haben.

Nach 1945 wurden die überlebenden BMW 3er noch eine ganze Weile geschätzt, wie das folgende Originalfoto zeigt:

© BMW 315 oder 319; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Das Bild ist laut umseitiger Beschriftung 1951 entstanden. Der BMW dürfte ein 315 oder 319 sein und zwischen 1934 und 1937 gebaut worden sein.

Genauer lässt sich das nicht sagen, da die junge Dame auf unserem Foto so posiert, dass die Luftschlitze in der Motohaube verdeckt sind, deren Form eine nähere Ansprache ermöglichen würde. Ansonsten unterschieden sich die ersten 3er BMWs äußerlich kaum.

Das Nummernschild ist ein Besatzungskennzeichen, das in der amerikanischen Zone Bayern ausgegeben wurde – daher das Kürzel „AB“. Die Ziffernfolge 35 verweist auf eine Zulassung in Garmisch-Partenkirchen. Unter dem Bindestrich ahnt man eine zweistellige Zahl. Das muss eine 48 sein, da Besatzungskennzeichen nur im Jahr 1948 eine solche Datierung erhielten.

Der BMW war zum Aufnahmezeitpunkt mindestens 14 Jahre alt. Vermutlich ist er im Krieg nicht eingezogen worden, da der Besitzer einen zwingenden Bedarf nachweisen konnte – vielleicht gehörte der Wagen einem Landarzt.

Gegen ein ehemaliges Wehrmachtsfahrzeug spricht auch der hervorragende Zustand der Chromteile, die im Feldeinsatz überlackiert worden wären. Blech und Lack machen ebenfalls einen ausgezeichneten Eindruck; auch Fremdteile wurden nicht verbaut.

Es muss ein warmer, sonniger Tag gewesen sein, als dieses Bild im Jahr 1951 entstand. Unser „Fotomodell“ hätte auch vor dem Krieg gute Figur gemacht. Kleidung und Frisuren entsprachen Anfang der 1950er Jahre europaweit den Vorkriegsverhältnissen.

Der Fotograf muss mächtig stolz auf beides gewesen sein: Gefährtin und Gefährt in schweren Zeiten. Ein nachdenklich machende Aufnahme, die nicht verrät, was die beiden in den Jahren zuvor erlebt haben.

Ein Fiat 508 „Balilla“ Spider nach dem Krieg

Zu den interessantesten Kapiteln der Autohistorie gehört das Weiterleben von Vorkriegsfahrzeugen nach dem 2. Weltkrieg. Bevor in Deutschland eine nennenswerte Neuproduktion in Gang kam – also vor 1950 – dominierten im dezimierten Restbestand an PKW naturgemäß Wagen der Volumenhersteller Adler, DKW, Ford und Opel.

Oft waren solche Autos aus Teilen unterschiedlicher Baureihen zusammengestückelt, mitunter wurde eine neue Karosserie auf ein altes Fahrgestell gesetzt (Beispiel Buckeltaunus). In Ermangelung von Originalteilen wurden schon einmal Stoßstangen oder Scheinwerfer anderer Fahrzeuge verbaut (Beispiel Hanomag Garant).

Neben solchen Bastellösungen finden sich aber auch Beispiele für Vorkriegswagen, an denen die Jahre fast spurlos vorbeigegangen waren. Kürzlich wurde ein solches Exemplar auf diesem Blog vorgestellt, ein Fiat 508 Nuova Balilla, der auch in Deutschland als NSU/Fiat 1000 gebaut wurde.

Heute geht es um den Vorgängertyp Fiat 508 Balilla, von dem ein bestens erhaltenes Fahrzeug nach dem Krieg in Ostdeutschland weitergefahren wurde. Das folgende – technisch wie gestalterisch hervorragende – Originalfoto zeugt davon:

© Fiat 508 Balilla Spider; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Bevor wir uns den Wagen auf dem Bild näher ansehen, einige Daten zum Fiat 508. Der Wagen der unteren Mittelklasse war 1932 vorgestellt worden und erlangte rasch große Popularität. Sein 1 Liter Motor leistete standfeste 20 PS und erlaubte bei einem Wagengewicht von unter 700 kg eine Höchstgeschwindigkeit von 85km/h.

Auf den meist geschotterten Landstraßen Italiens genügte das vollkommen. Wichtiger waren die solide Verarbeitung und die Anspruchslosigkeit der Technik, verbunden mit der Anmutung eines hochwertigen Wagens.

Über 40.000 Stück dieses Typs konnte Fiat in den nur zwei Jahren der Produktion absetzen. Die Qualitäten des Wagens sprachen sich auch im Ausland herum. Ohnehin genoss Fiat dank der Erfolgsmodelle der 1920er Jahre Fiat 501 und Fiat 503 in vielen Ländern einen ausgezeichneten Ruf.

Woran erkennt man nun solch einen Fiat 508 der ersten Serie? Schauen wir uns dazu den Wagen auf unserem Foto genauer an:

Die Frontpartie mit dem „amerikanisch“ wirkenden Kühlergrill gibt wenig Anhaltspunkte, wäre da nicht der geschwungene Schriftzug „Balilla“. Der Verkäufer des Fotos hatte hier „Bella“ gelesen, wusste also nicht, um welches Fahrzeug sich handelte.

Die senkrechten Chromstreben im Kühlergrill weisen übrigens auf eine gehobene Ausstattungsvariante des Fiat 508 hin. Die Basisversion musste ohne dieses Gitter auskommen, auch Chromscheinwerfer und Stoßstange waren aufpreispflichtig.

Das Nummernschild verrät übrigens, dass der Fiat in der Sowjetischen Besatzungszone im Raum Leipzig-Sachsen zugelassen war. Die kleine Zahl „48“ weist auf das Ausstellungsjahr des Kennzeichens hin. Bis 1953 waren solche Nummernschilder gebräuchlich. Die Aufnahme dürfte also um 1950 entstanden sein.

Die Seitenpartie des Fiat erlaubt schließlich die Identifikation des genauen Modells:

Ganz offensichtlich haben wir es mit dem offenen Zweisitzer zu tun, der als Fiat 508 Spider vermarktet wurde. Er verfügte über hochwertige Austattungsdetails wie Speichenräder und Ledersitze. Der üppig verchromte Scheibenrahmen war ebenso Merkmal der Luxusvariante wie das erwähnte Kühlergitter und die Stoßstange.

Hier hat jemand ein veritables „Schätzchen“ durch den Krieg gerettet und auch danach sorgsam behütet. Der zum Aufnahmezeitpunkt schon mindestens 14 Jahre alte Wagen wirkt von der etwas schief sitzenden Stoßstange abgesehen tadellos. Gern wüsste man, was aus diesem Wagen geworden ist, auf den einst jemand sehr stolz gewesen sein muss.

Verwiesen sei bei dieser Gelegenheit auf eine hervorragenden Website, auf der sich die Modellgeschichte des Fiat 508 in allen Verästelungen nachvollziehen lässt.

Wieder kein Brezelkäfer – „nur“ ein Lancia Aprilia…

Es muss einige Leute geben, die einen „Brezelkäfer“ heute für eine Seltenheit halten und deshalb jedes historische Autofoto, auf der eine geteilte Rückscheibe zu sehen ist, reflexartig in diese Schublade einordnen und auf heftiges Interesse hoffen.

Dumm nur, dass die VW-Fraktion nicht anbeißt, wenn auf der Aufnahme etwas ganz anderes zu sehen ist. Für den Verfasser, der meist auf „freier Jagd“ im Netz unterwegs ist, sind solche Fehlzünder dagegen interessant, zumal sie für kleines Geld zu haben sind.

So entpuppte sich vor kurzem ein aufmerksamkeitsheischend als „Brezelkäfer“ titulierter Wagen als in Paris aufgenommener Peugeot 203 – keine schlechte Alternative.

Mit einem ähnlichen Fall haben wir es heute wieder zu tun:

© Lancia Aprilia und Fiat 500 C in Brunnen (Schweiz), Mai 1958; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf diesem Originalfoto sah der Anbieter ebenfalls einen „Brezelkäfer“.Dabei entging ihm nicht nur der rechts zu sehende „Volkswagen“ italienischer Herkunft. Er hatte auch keine Vorstellung davon, dass das bucklige Auto mit der geteilten Heckscheibe im Unterschied zum Käfer aus Wolfsburg eine ausgesprochene Rarität darstellt.

Bei dem Wagen links handelt es sich nämlich um einen Lancia Aprilia, der von 1937 bis 1947 in weniger als 30.000 Exemplaren gebaut wurde. Trotz der niedrigen Stückzahl verdient der seinerzeit hochmoderne Typ in mehrfacher Hinsicht Anerkennung.

Werfen wir zunächst einen näheren Blick auf die Karosserie:

Der Wagen war erkennbar von der in den 1930er Jahren von vielen Firmen erprobten Stromlinienform geprägt und weist formale Gemeinsamkeiten mit so unterschiedlichen Typen wie dem Tatra 77, dem Crossley-Burney und dem Volkswagen auf.

Der Lancia Aprilia war das letzte Modell, das noch unter Aufsicht von Firmengründer Vincenzo Lancia entwickelt wurde. Markentypisch war der 1,5 Liter messende Vierzylinder in kompakter V-Form, der knapp 50 PS leistete. Dank im Windkanal optimierter Form erreichte der Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h.

Der Überlieferung nach war Vincenzo Lancia bei einer Mitfahrt im noch schnelleren Prototypen zunächst skeptisch. Nachdem er selbst das Steuer übernommen hatte, zeigte er sich begeistert vom Fahrverhalten des Wagens, der neben Einzelradaufhängung an der Hinterachse innenliegende Bremsen aufwies, die die ungefederten Massen reduzierten.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Viertürer, der dank fehlender Mittelsäule einen besonders bequemen Einstieg ermöglichte, praktisch unverändert weitergebaut.

Übrigens gebührt dem Lancia Aprilia das Verdienst, der einzige Zivil-PKW zu sein, der in einem am 2. Weltkrieg teilnehmenden europäischen Land durchgängig produziert wurde – wenn auch zeitweise in winzigen Stückzahlen.

Wer wissen möchte, wie der Lancia Aprilia von vorne aussah, wird in einem anderen Bildbericht auf diesem Blog fündig, in dem das Modell zufällig ebenfalls zu sehen ist

Nun noch ein Seitenblick auf den Wagen, der rechts auf unseren Bild zu sehen ist:

Es handelt sich um ein Exemplar des ab 1949 gebauten Fiat 500 C – eine Weiterentwicklung des bereits 1936 vorgestellten legendären „Topolino“. Die Frontpartie erscheint eigenwillig, vermutlich war der Kühlergrill nicht serienmäßig.

Das Nummernschild mit der Buchstabenkombination „SZ“ gefolgt von vier schwarzen Ziffern auf weißem Grund gab zunächst Rätsel auf. Ein aufmerksamer Leser gab den Hinweis, dass es wahrscheinlich ein schweizerisches „Kontrollzeichen“ ist, wobei das Kürzel „SZ“ für den Kanton Schwyz stünde. Da die laufenden Nummern damals noch recht niedrig waren, konnte die Schrift größer ausfallen als heute.

Dies passt zum Entstehungsort des Fotos. Laut umseitigem Vermerk wurde das Bild im Mai 1958 in Brunnen (Schweiz) gemacht. Das dortige Gasthaus „Ochsen“ sieht heute noch fast genauso aus. Nur so attraktive Autos wird man vergeblich suchen…

Überlebt!? Ein Hanomag „Rekord“ Diesel im Jahr 1948

Auf diesem Blog ist der Mittelklasse-PKW „Rekord“ des Maschinenbaukonzerns Hanomag bereits öfters in unterschiedlichen Varianten und Zuständen vorgestellt worden (siehe Hanomag-Bildergalerie).

Der von 1934-40 in weniger als 20.000 Exemplaren gebaute Wagen hat erstaunlich oft den 2. Weltkrieg überlebt – obwohl er von der Wehrmacht keineswegs verschmäht wurde (Beispielfoto).

Das spricht für die besonderes Robustheit des Wagens. Ein Maschinenbauer legt nun einmal besonderen Wert auf Zuverlässigkeit. So waren nach 1945 die übriggeblieben Fahrzeuge noch gut für einige Jahre Dienst im Wiederaufbau.

Eine der seltensten Versionen des Hanomag „Rekord“zeigt das folgende Originalfoto aus der frühen Nachkriegszeit:

© Hanomag „Rekord“ Diesel, aufgenommen 1948; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Als „Opel Rekord“ pries der ahnungslose Anbieter der Aufnahme den Wagen an. Das ist insofern verzeihlich, als das typische markentypische Flügelemblem fehlt und auf dem Kühlergrill nun einmal der Schriftzug „Rekord“ zu sehen ist.

Zwar könnte es sich auf den ersten Blick auch um eine Nachkriegsbastellösung handeln, bei der Teile unterschiedlicher Autos kombiniert wurden. Das war in jener Zeit gar nicht so selten, als jedes motorisierte Fahrzeug einen enormen Wert repräsentierte.

Doch ein genauer Blick auf die Frontpartie bestätigt, dass es sich um einen originalen Hanomag Rekord handelt:

So weist die Mittelstange der Kühlermaske im oberen Drittel eine Abflachung auf – dort saß das Hanomag-Flügellogo. Vermutlich hat es in der Endphase des Kriegs ein Souvenirjäger mitgehen lassen – die von der Wehrmacht genutzten Autos wurden ja bei Kriegsende einfach irgendwo stehengelassen, wenn das letzte Benzin aufgebraucht war.

Zu einem späten Hanomag „Rekord“ passt auch die Montierung der Scheinwerfer rechts und links in der Kühlermaske, frühe Modelle verfügten über eine durchgehende Querstange. Typisch sind außerdem die ausstellbaren Luftklappen in der Motorhaube.

Auch der übrige Wagen erscheint original, wenn man von der fehlenden Radkappe und der verlorengegangenen Abdeckung der Öffnung für die Anlasserkurbel absieht.

Zu einer Rarität wird dieses Fahrzeug durch die umseitige Beschriftung: „Unser Dieseler, 1948“ ist dort vermerkt. Demnach haben wir es mit einem von nur rund 1.000 Diesel-Modellen des Hanomag „Rekord“ zu tun, die von 1938-40 gebaut wurden.

Was viele nicht wissen: Fast zeitgleich mit Mercedes stellt Hanomag 1936 einen Dieselmotor für PKW vor – allerdings gelang den Stuttgartern die Serienproduktion vor den Hannoveranern. Erst 1938 wagte man sich bei Hanomag aus der Deckung und bot den „Rekord“ bis 1940 mit einem 1,9 Liter großen und 35 PS leistenden Selbstzünder an.

Das Fahrzeug auf unserem Foto muss irgendwie den Krieg überlebt haben – vielleicht galt das Dieselmodell als zu exotisch und wurde daher nicht eingezogen.

Auf durchgehenden Privatbesitz weist hin, dass auf der Rückseite noch das Kennzeichen vor Kriegsausbruch vermerkt ist, das nach der Unabhängigkeit Österreichs wieder Nummernschildern nach der bis 1938 geltenden Konvention (weiße Schrift auf schwarzem Grund) wich.

Das Kennzeichen auf unserem Foto ist frühestens 1947 im Bundesland Niederösterreich vergeben worden. Die Aufnahme ist – wie gesagt – auf 1948 datiert und zeugt von der Wertschätzung, die der treue Hanomag damals noch genoss. Filmmaterial war kostbar und die meisten Leute hatten andere Sorgen, als ein gebrauchtes Auto zu fotografieren.

In unserem Fall war jemand erkennbar stolz auf seinen „Dieseler“ und hat ihn ohne störendes Beiwerk aus einer vorteilhaften Perspektive aufgenommen. Ob dieses Auto auch die nächsten rund 70 Jahre überstanden hat – wer weiß?

Die Hanomag PKW besaßen nie besonderes Prestige, doch heute ist ein solcher „Rekord Diesel“ vermutlich seltener als ein Mercedes 300 SL Flügeltürer…

Sommerurlaub in den Bergen mit DKW F7 und 20 PS

Zu den vielen Facetten der Beschäftigung mit historischer Mobilität gehört die Konfrontation mit der Lebenswirklichkeit früherer Generationen.

In Zeiten, in der allerlei Unzuträglichkeiten beklagt werden, deren Zustandekommen sich die Betroffenen meist selbst zuzuschreiben haben – etwa das modische Ausgebranntsein – ist es heilsam, sich die Belastungen zu vergegenwärtigen, die noch unsere Großeltern im Alltag klaglos bewältigten.   

Zwar genossen diejenigen, die sich in der Vorkriegszeit ein kleines Auto leisten konnten und nicht mehr zu Fuß, mit der Eisenbahn oder dem Moped zur Arbeit mussten, einen Komfort und Bewegungsspielraum, der den meisten Mitbürgern verschlossen war. Mühsam blieb das Leben mit fahrbarem Untersatz und Dach über’m Kopf in vielerlei Hinsicht dennoch.

Aus heutiger Sicht – in der PS-Protzerei, Sicherheitswahn und Komfortbesessenheit  grassieren – erscheinen die meisten Vorkriegsautos für viele Klassikerfreunde hierzulande daher unattraktiv. Das muss aber nicht so sein.

Dieser Blog wirbt dafür, Autos aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus einer anderen Warte zu betrachten: Es sind die einzigen funktionierenden Zeitmaschinen, mit denen wir uns in vergangene Epochen und Welten zurückversetzen können.

Ihr Reiz liegt gerade darin, dass sie uns einen anderen Rhythmus aufzwingen und ein höheres Maß an Können und Aufmerksamkeit in technischer wie fahrerischer Hinsicht abverlangen. Eine gemütliche Runde über Land nach Feierabend fährt man gerade nicht mit einem klimatisierten Automatikwagen mit Einparkhilfe und Regensensor.

Dafür nimmt man am besten ein möglichst langsames, lautes und unbequemes Fahrzeug und genießt es, wenn bei Tempo 70 die Landluft durchs offene Fenster weht und jede schwungvoll genommene Kurve ein Erlebnis ist.

Genug des Philosophierens – schauen wir uns doch eines dieser „primitiven“ Gefährte an, mit dem unsere Großeltern einst sogar Fernreisen unternahmen:

© DKW F7  Cabriolimousine, aufgenommen um 1950, aus Sammlung Michael Schlenger

Der erste Eindruck ist gar nicht mal schlecht. Stilsichere Linien, wie man sie von der Luxusautoschmiede Horch kennt, geschmackvolle Zweifarblackierung, dezenter Chromeinsatz, Cabrioletverdeck, eleganter Heckabschluss (heute ganz selten).

Dabei ist das bloß ein Kleinwagen von DKW mit Zweitaktmotor und 20 PS. „Unfahrbar“ wird jetzt mancher sagen. In der Tat: Für die linke Spur auf der Autobahn ist das nichts. Aber hübsch wie kaum ein anderes Auto seiner Klasse ist er schon, der Fronttriebler mit seiner kunstlederbespannten Holzkarosserie. 

„Frontantrieb? So etwas Modernes? Und dann nur eine Holzkarosserie? Das hielt doch bestimmt nicht lange.“ Tat es aber, sofern man keinen Unfall baute. Unsere Aufnahme stammt aus den frühen 1950er Jahren, als der DKW schon rund 15 Jahre und einen Weltkrieg hinter sich hatte.

Der Wagen zeigt bei näherem Hinsehen deutliche Spuren seines Alters:

Die unten eingedellte Tür hängt an der A-Säule schon etwas herab, auch das Spaltmaß der Motorhaube (die war aus Blech) könnte besser sein. Übrigens erlaubt dieser Bildausschnitt eine genaue Ansprache des Typs und sogar eine recht präzise Datierung.

Das auf die Motorhaube aufgesetzte Blech mit den Luftschlitzen in Verbindung mit der leicht nach vorn geschwungenen A-Säule und der den Schweller abdeckenden Tür spricht für einen DKW F7 (gebaut ab 1936) und das Herstellungsjahr 1938 oder 1939. Diese Information hilft uns bei der Datierung des Fotos, wie wir gleich sehen werden.

Dazu werfen wir einen genaueren Blick auf die Heckpartie:

Hier kann man die makellose Linienführung studieren, die die DKWs der Vorkriegszeit auszeichnete. Dabei wirkte sich die Nähe zur Marke Horch positiv aus, die ebenfalls zum Auto-Union-Verbund gehörte. Die auf diesem Blog vorgestellten Luxus-Cabriolets auf DKW-Basis wurden sogar bei Horch entworfen und teilweise auch dort gefertigt.

Uns interessiert hier aber ein ganz anderes Detail, nämlich die Zahl der Aufkleber an der hinteren Seitenscheibe. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Reiseandenken, wie man sie früher auch auf Koffern anbrachte – übrigens ein schöner Brauch, der eine treffliche Individualisierung des Gepäcks bewirkt.

Gehen wir davon aus, dass der Besitzer des DKW einmal pro Jahr Urlaub machte und einen solchen Aufkleber als Erinnerung mitnahm, dann landen wir mit unserem Foto in den frühen 1950er Jahren. Zwischen Kauf des Wagens und Kriegsausbruch wären bloß zwei Urlaubsreisen drin gewesen. Nach dem Krieg darf man das Jahr der Währungsreform – 1948 – als das erste ansehen, in dem Gutsituierte wieder in die Ferne reisen konnten.

Dann landen wir mit den vier weiteren Aufkleber im Jahr 1951, sofern man weiterhin jedes Jahr wegfuhr und solch einen Aufkleber als Trophäe mitbrachte. Natürlich sind das nur Indizien, aber das Ergebnis würde gut zum stark gebrauchten Zustand des DKW passen, der auf jeden Fall weder vor noch während des Krieges so ausgesehen haben kann.

Wo die Aufnahme entstanden ist, wissen wir nicht. Landschaft und Architektur lassen von Bayern über Österreich und die Schweiz alles möglich erscheinen. Ein interessantes Detail ist der Strohhut, der auf dem zweiten Foto auf den Dach des DKW zu erkennen ist. Sollte das vielleicht ein Mitbringsel aus Italien sein?

Dann hätte der treue DKW seine Besitzer mit seinen gerade einmal 20 PS sogar über die Alpen gebracht. Unmöglich war das keineswegs, wie Bilder und Erzählungen von Italientouren mit noch schwächeren Fahrzeugen belegen.

Vielleicht sieht man diese einst so populären Vorkriegswagen und ihre stolzen Besitzer nun in einem anderen Lichte…

Oldtimer-Liebhaber mit Vorkriegs-Fiat im Jahr 1960

Wenn man alten Hasen aus der hiesigen Klassikerszene glauben darf, muss das Sammeln und Fahren von Vorkriegswagen bis in die 1970er Jahre bei Nachbarn, Schwiegermüttern und beim TÜV als grenzwertig bis verwerflich gegolten haben.

Man hat den Eindruck, dass der Konformitätsdruck in Frankreich, den Niederlanden und in England nicht so hoch war – kein Wunder, dass dort viel mehr richtig alte Autos überlebt haben und die Vorkriegsszene äußerst lebendig ist.

Zum Glück war es einigen Enthusiasten auch hierzulande herzlich egal, was die Zeitgenossen über die Leidenschaft für altes Blech, ölverschmierte Finger und unkomfortable Fortbewegung denken.

So einen Individualisten dürfen wir auch hinter dem äußerlich korrekt daherkommenden jungen Mann vermuten, der auf folgendem Originalfoto zu sehen ist:

© Fiat 508 A „Nuova Balilla“; Baujahr: 1934-37; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Foto ist eines der raren Dokumente, die von Oldtimer-Liebe in den 1960er Jahren künden, einer Zeit, die in formaler Hinsicht von einer bis heute fortwirkenden, zerstörerischen Sachlichkeit besessen war.

Auf der Rückseite des  Fotos ist „Mai 1960“ vermerkt. Anhand des Anzugs hätte man eher auf die 1950er Jahre getippt. Der ernst zu Boden blickende Besitzer war dem Alter nach sicher ein Kriegsteilnehmer. Was ihn mit dem alten Wagen verbindet, wissen wir nicht. Doch wenn man genau hinsieht, weisen Details darauf hin, dass dieses Auto keine Verlegenheitslösung war, wie sie ein klammer Student gewählt hätte.

Schauen wir uns die Frontpartie des Wagens näher an:

Man erkennt hier den Kühlergrill des Fiat 508 Nuova Balilla, der in den 1930er Jahren auch als NSU-Fiat 1000 in Deutschland gebaut wurde. Von diesem erfolgreichen Modell mit 1 Liter Hubraum gibt es auf diesem Blog bereits ein Bildporträt.

Man beachte den makellosen Zustand des filigranen Kühlergitters, die wie gemeißelt wirkenden Sicken entlang der Schutzbleche, die blitzsaubere Chromstoßstange und die glänzende Nummernschildunterlage. Auch das Vorhandensein der markanten Radkappen weist auf den hervorragenden Zustand des zum Aufnahmezeitpunkt 25 Jahre alten Autos hin.

Der Fahrer dieses aus heutiger Sicht beinahe perfekt wirkenden Wagens scheint sich nur eine kleine Freiheit erlaubt zu haben. Das Trittbrett wurde offenbar entfernt und das Ende des Vorderschutzblechs wurde mit einer Kunstlederabdeckung versehen:

Wann dieser Eingriff erfolgte und warum, ist ungewiss. Ein Trittbrett ist kein Verschleißteil und auch nach einer Beschädigung leicht zu reparieren. Könnte diese Veränderung bereits vor dem Krieg erfolgt oder gar serienmäßig sein?

Auf jeden Fall haben wir es hier mit einem vorbildlich gepflegten Wagen zu tun, der gute Chancen hatte, bis heute zu überleben. Wer weiß etwas über diesen Fiat 508 mit Düsseldorfer Nachkriegszulassung?

BMW 3/20 PS der 1930er Jahre in der Nachkriegszeit

Kürzlich haben wir hier den ersten von BMW selbstkonstruierten Wagen vorgestellt – das Modell 3/20 PS von 1932.

Man mag es kaum glauben, doch nach den Anfängen mit einem Lizennachbau des britischen Kleinwagens Austin Seven leistete der erste „echte“ BMW nur 20 PS. Doch dann machte die Automobilentwicklung im Eisenacher Werk der Firma rapide Fortschritte – so waren die ab 1933 vorgestellten 6-Zylinder-Modelle bereits eine Klasse für sich.

Trotz der steilen Karriere der ersten sportlichen BMWs überlebten auch einige der wenig überzeugenden Wagen des 3/20 PS-Modells den 2. Weltkrieg.

So kündet auch folgendes in den 1950er Jahren entstandene Originalfoto eines BMW 3/20 PS Cabriolets trotz des Alters des Wagens von Besitzerstolz:

© BMW Typ 3/20 PS Cabriolet; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Nun mag man sich fragen, wie sich der nur ausschnitthaft abgebildete Wagen so genau identifizieren lässt. Schließlich ist außer dem zusammengelegtem Verdeck, dem Innenraum und Teilen der Motorhaube kaum etwas zu sehen.

Wie so oft bei solchen eher zufälligen Aufnahmen, bei denen das Auto nicht im Mittelpunkt steht, sind es kleine Details, die den entscheidenden Hinweis geben. Im vorliegenden Fall ist es die Zierleiste mit dem mittigen Oval auf der Tür.

Dieses Detail findet sich nach den Recherchen des Verfassers nur beim BMW 3/20 PS und dort auch nur beim 2-türigen Cabriolet. Für die Zuschreibung als BMW spricht auch das oben auf dem Kühler montierte, hier nur schwach zu erkennene Markenemblem.

Bei der Datierung hilft der im Hintergrund zu sehende Volkswagen mit Faltschiebedach und seitlich in der B-Säule montiertem Winker:

Das Faltdach war beim VW erstmals ab 1950 als Extra lieferbar, die Winker wurden bis 1960 verbaut. Kenner können das Baujahr des Käfers anhand der Stärke der Karosserieholme und der Chromleisten vielleicht noch weiter einengen.

Der Fahrer des BMW mit weitgeschnittenem Zweireiher-Jackett scheint wohlgenährt zu sein – vermutlich ist die Aufnahme in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre entstanden, als das Wirtschaftswunder auch auf die Statur vieler Bundesbürger durchschlug.

Ein selten zu sehendes Detail ist das elfenbeinfarbene Federspeichenlenkrad des BMW, das möglicherweise ein zeitgenössisches Nachrüstteil ist. Hier sind die Experten für frühe BMW-Modelle gefragt.

Der BMW scheint zum Aufnahmezeitpunkt trotz seines Alters von rund 20 Jahren noch in sehr gepflegtem Zustand gewesen zu sein. Er ist im Krieg offenbar nicht von der Wehrmacht eingezogen worden, obwohl auch leistungsschwache Wagen für frontferne Verwendungen durchaus requiriert wurden.

Heute ist ein solches 3/20 PS-Modell eine Rarität – die zur Geschichte der BMW-Automobile ebenso gehört wie die auch nicht gerade sportliche, aber charakterstarke Isetta.

BMW 319 Limousine im Berlin der Nachkriegszeit

Kürzlich wurde hier die Cabriolet-Version des BMW 319 der 1930er Jahre vorgestellt. Dabei waren die zur Identifikation des Modells entscheidenden Details nur schwach zu erkennen.

Auch wenn der 319er in seiner kurzen Bauzeit von 1935-37 nur einige tausend Mal gebaut wurde, ist dem Verfasser nun ein weiteres Originalfoto in die Hände gefallen. Darauf sind die typischen Elemente deutlich zu sehen:

© BMW 319 Limousine, Baujahr:  1935-37; Bildrechte: Michael Schlenger

Hier haben wir es mit der zweitürigen Limousine zu tun, die den Sechszylinder braver wirken lässt, als er tatsächlich war. Mit seinen 45 PS aus 1,9 Liter Hubraum war er den meisten deutschen Wagen seiner Klasse leistungsmäßig überlegen.

Alle damaligen 3er-Typen der Marke zeichnete außerdem das neu geschaffene BMW-Gesicht mit der Doppelniere aus. Nur Rosengart in Frankreich und der britische Ford Popular wiesen einen ähnlichen Kühlergrill auf – die BMW-Lizenznachbauten von Frazer-Nash natürlich auch.

Von den kleineren Modellen 305, 309 und 315 unterschied sich der BMW 319 vor allem durch die drei waagerechten Chromzierleisten auf den Seitenflächen der Motorhaube. Die großen Radkappen sind ein weiteres Indiz. Ansonsten waren die Serienkarosserien der ersten „Dreier“-BMWs nahezu identisch.

Insofern eignet sich dieses Foto gut als Muster zur Identifikation des BMW 319. Bei weiteren Details – etwa den Scheinwerfern – ist dennoch etwas Vorsicht angebracht.

Denn dieses Auto war zum Zeitpunkt der Aufnahme schon über 10 Jahre alt und hat den 2. Weltkrieg hinter sich. Das belegt das Kürzel „KB“ auf dem Nummernschild, das ab 1946 in Berlin unter Besatzungsrecht vergeben wurde und für „Kommandantur Berlin“ stand.

Der Lack des Autos sieht an der Tür zwar etwas herunterpoliert aus, doch ansonsten macht der Wagen einen erstaunlich gesunden Eindruck. Dagegen sieht man in der Nachkriegszeit fotografierten Autos der 1930er Jahre ihr bewegtes Leben meist deutlich an. Oft ist die Karosserie verbeult, es fehlen Teile oder es wurden fremde verbaut.

Auf unserem Foto dürfte aber noch alles original sein. Wenn der BMW auch die nächsten 10 Jahre so überstanden hat, stehen die Chancen gut, dass er noch heute existiert.

Offen ist übrigens, um was für ein Auto es sich bei dem Wagen hinter dem BMW handelt:

Leider ist der Schriftzug auf dem Kühler nicht zu entziffern. Doch die Kühlerform mit dem vage zu erkennenden Emblem zusammen mit der fast senkrecht stehenden Frontscheibe sollten eine Identifikation ermöglichen.

Vielleicht hat ein Leser eine zündende Idee…