Kinder, wie die Zeit vergeht! Bald zwei Jahre ist es her, dass ich mich hier den P-Typen der sächsischen Marke Presto gewidmet habe, die ab 1912/13 und im Fall des P8 8/25 PS bis 1919 im Programm blieben.
Über diesen für damalige Verhältnisse recht langen Zeitraum musste sich bei grundsätzlich gleicher Konstruktion im Detail natürlich einiges tun.
Bei Einführung waren noch nicht einmal Reifen verfügbar – vermutlich waren sie ein Extra (kleiner Scherz):

Weshalb dieser Presto hier auf den Felgen draußen abgestellt war, darüber lässt sich trefflich mutmaßen. Wichtiger ist mir aber etwas anderes:
Zum einen kann man hier besser als in anderen Fällen das Markenemblem studieren, das sich aus der Distanz oder aus spitzem Winkel nur noch als Wappen darbietet, welches horizontal in eine helle obere und eine teilweise dunkle untere Fläche unterteilt war.
Zum anderen sieht man hier gasbetriebene Scheinwerfer, wie sie bis zum 1. Weltkrieg Standard waren (elektrisches Licht war jedoch ab 1913 zunehmend optional verfügbar), außerdem eine durchgehende Sitzbank im Heck.
Warum ich auf auf letztgenannte verweise, wird später noch klar. Daher prägen Sie sich jetzt bitte die schlichte Gestaltung ohne Steppung und mit durchgehendem Kissen am oberen Abschluss ein.
Den Presto-Wagen der P-Reihe sah man die genaue Motorisierung selten an. Die beiden mittleren und wohl häufigsten Varianten 8/25 PS und 10/35 PS besaßen einen nahezu identischen Radstand und unterschieden sich von den Proportionen kaum.
Diese erwachsenen und leistungsfähigen Fahrzeuge absolvierten die übliche “Karriere” im 1. Weltkrieg – hier haben wir ein Exemplar in Diensten der königlich-bayrischen Armee:

Erkennen Sie das Presto-Kühleremblem hier wieder? Solche Beispiele helfen den Blick für Situationen schulen, in denen das Markenlogo aus ungünstigem Winkel zu sehen ist. Einen birnenförmigen Kühler verwendeten damals nämlich etliche Hersteller.
An der Front sehen wir abermals Gasscheinwerfer, diese waren nur selten typspezifisch und manchmal fehlen sie sogar ganz. Es gab zahllose Varianten davon – ein ganz eigenes Sammelgebiet für Freunde früher Automobile mit wenig Platz (billig ist’s aber auch nicht).
Ein letzter Blick gilt der Rückbank, diesmal mit aufwendiger Steppung, die aber eher die Norm gewesen zu scheint, so mein Eindruck bei Fahrzeugen bis etwa 1920.
Das nächste, sehr stimmungsvolle Foto transportiert uns in die frühe Nachkriegszeit:

Sicher haben Sie diesen Wagen nun bereits auf Anhieb als Presto der P-Modellreihe erkannt, auch wenn das Markenemblem nur schemenhaft erkennbar ist.
Die Gasscheinwerfer sind ein Hinweis darauf, dass hier ein Vorkriegstyp weitergefahren wurde.
Presto baute zwar bis 1919/20 noch Exemplare der alten P-Reihe, teilweise auch mit stärkeren Motoren, diese dürften aber werksseitig mit elektrischem Licht ausgestattet worden sein.
Ich bin der Ansicht, dass der Presto auf dem folgenden Foto ein solches frühes Nachkriegsmodell vor Einführung des neuentwickelten Einheitstyps D 9/30 PS ab 1921 war:

Diese Aufnahme, die mir Matthias Schmidt aus Dresden in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt hat, ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich.
Zwar ist am Aufbau nichts zu erkennen, was von den oben gezeigten, vermutlich älteren Exemplaren abwiche.
Doch sehen wir hier erstmals elektrische Scheinwerfer in der einfachsten Ausführung, d.h. schwarz lackiert ohne glänzenden Lampenring und noch ohne die unterhalb angebrachten kleinen Zusatzleuchten zur Ausleuchtung von Kurven, die in den frühen 1920er Jahren gern montiert wurden.
Die noch manuell zu betätigende Balgenhupe war kurz nach dem 1. Weltkrieg nicht mehr der letzte Schrei, aber sie findet sich um 1920 noch vereinzelt. Der Fahrer schaut ernst in die Ferne – er zählt im Geiste die Sekunden, bis die Belichtung abgeschlossen ist:

Was an diesem Exemplar aber wohl am interessantesten ist und für eine Nachkriegsversion dieses Presto (angesichts der Zeiten wohl “nur” ein Typ P8 8/25 PS) spricht, das ist die Gestaltung der Rückbank.
Diese weist nicht nur eine vertikale Unterteilung auf, sondern auf beiden Seiten auch ausgeprägte, ergonomisch wirkende Seitenpolster – und das ganz ohne Steppung in beinahe modern anmutender Manier:

Auf den Rückbänken amerikanischer Limousinen der 1970er Jahre sah es bisweilen so aus, dort konnte man angesichts des gondelhaften Schaukelns weich gefederter Karosserien Seitenhalt auch gut gebrauchen – aber bei einem solchen Presto um 1920?
Ich muss zugeben, dass ich der Gestaltung der Sitze bei Vorkriegsautos bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe, weshalb ich vielleicht bloß nicht auf diese Variante geachtet habe.
Jedenfalls ist sie mir hier erstmals aufgefallen und das will ja etwas heißen und sei es nur etwas in dieser Hinsicht:
Presto P-Typ – Konstruktion auch im Weltkriege bewährt – für die Überlebenden jetzt mit mehr Sitzkomfort!
Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.