Beutewagen auf Guernsey: Austin 12-6 (Light Twelve)

Zu den interessanten Seiten der Beschäftigung mit Originalaufnahmen historischer Automobile gehören die zeitgeschichtlichen Umstände, auf die man dabei stößt.

Oft ermöglicht die Auswertung solcher Fotos nämlich nicht nur eine bloße Dokumentation von Fahrzeugtypen. Unter Umständen sind darin auch einschneidende Situationen festgehalten, die das Leben der damaligen Generation bestimmten.

Mit so einem Beispiel haben wir es heute zu tun:

Austin_12-6_Beutewagen_auf_Guernsey

© Austin 12-6 Lieferwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick sind hier nur vier deutsche Wehrmachtssoldaten zu sehen, die einen Lieferwagen per Handkurbel zu starten versuchen.

Bilder solcher Beutewagen aus der Zeit des 2. Weltkrieges gibt es zuhauf. Selbst seltene Typen sind auf diese Weise reichlich dokumentiert, weil die Soldaten bevorzugt hochwertige Autos fotografierten, die für den Militäreinsatz beschlagnahmt oder vom Gegner erbeutet worden waren.

Hier ist aber kein Horch oder Mercedes und auch kein Citroen oder Peugeot zu sehen, die von Offizieren als prestigeträchtige Wagen geschätzt wurden. Zum Glück gibt uns die Situation einen winzigen Hinweis, der eine Identifikation des Autos erlaubt:

Wer genau hinsieht, erkennt über dem „Schiffchen“ des Soldaten, der die Anlasserkurbel gepackt hat, schemenhaft ein geflügeltes Markenemblem auf der Kühlermaske.

Nur wenige Marken trugen ein solches Logo an dieser Stelle. Und nur wenige der in Frage kommenden Wagen des hier zu sehenden, einfachen Typs besaßen Speichenräder. Es liegt die Vermutung nahe, dass es sich um einen englischen Austin handelt.  

Geht man nun die Austins der 1930er Jahre systematisch durch, stößt man auf ein Modell, das genau dem hier gezeigten Wagen entspricht, zumindest bis zur Fahrerkabine. Es handelt sich um den Austin 12-6, der auch als Light Twelve bekannt war.

Alle Details auf dem folgenden Ausschnitt entsprechen dem Erscheinungsbild dieses Typs:

Die Kühlermaske, die Luftschlitze in der Motorhaube, die Speichenräder, die Zierleiste entlang der Haube bis hin zur Frontscheibe stimmen überein. Auch die Belüftungsklappe vor der A-Säule ist zu erahnen. Das Erscheinungsbild der Windschutzscheibe und die keilförmig ansteigende Dachpartie passen ebenfalls.

Einige technische Details zum Austin 12-6: Der 1931 vorgestellte Wagen war in vielerlei Hinsicht konventionell, wies aber doch einige bemerkenswerte Details auf:

Der 1,5 Liter große Motor war ein 6-Zylinder – ein erstaunlicher Aufwand bei einer Leistung von 24 PS. Später wurden auch stärkere Motoren verbaut. Von Anfang an war die Elektrik auf 12 Volt Bordspannung ausgelegt. Zum Vergleich: Mercedes speiste seine Kunden beim zeitgleich gebauten 6-Zylindermodell Typ 170 mit 6 Volt ab.

Bis 1937 wurde der Austin 12-6 in über 30.000 Exemplaren gebaut, wobei die Karosserie wiederholt modernisiert wurde. Der hier zu sehende Wagen dürfte eine sehr frühe Ausführung sein, die von einer Karosseriebaufirma als Lieferwagen umgebaut wurde.

Folgende zeitgenössische Abbildung zeigt einen Austin 12-6 als einen solchen „Van“. Hier kann man die Übereinstimmung der beiden Fahrzeuge gut nachvollziehen:

© Austin 12-6 Van, 1934; Bildquelle: http://www.classiccarcatalogue.com/AUSTIN%201934.html

Kommen wir zur Aufnahmesituation. Britische PKW fielen der deutschen Wehrmacht zwar massenhaft nach der Evakuierung der englischen Truppen aus Dünkirchen im Juni 1940 in die Hände. Hier haben wir es aber mit einem Wagen zu tun, der zuvor nicht vom britischen Militär genutzt wurde.

Den entscheidenden Hinweis liefert die Aufschrift „Le Noury“ auf dem Auto. Im ersten Moment ist man geneigt, an eine französische Herkunft zu denken. Doch für einen simplen Lieferwagen hätte ein Franzose damals einen einheimischen Wagen von Renault, Peugeot, Berliet oder aus lokaler Ford-Produktion („Matford“) verwendet.

Befasst man sich mit dem Namen „Le Noury“ stellt man fest, dass dieser auf der Insel Guernsey im Golf von Saint Malo in der Bretagne verbreitet war. Guernsey gehört zu den Inseln im Ärmelkanal, die bei der Eroberung Englands im Jahr 1066 durch den Herzog Wilhelm II. der Normandie bereits in dessen Besitz waren.

Mit der Eroberung Englands und der Besetzung des englischen Throns durch „William the Conqueror“ wurden die Kanalinseln Eigentum des britischen Königshauses, was übrigens bis heute der Fall ist.

Nach der Niederlage der französisch-englischen Alliierten gegen die Wehrmacht im Sommer 1940 wurden die Kanalinseln kampflos den Deutschen überlassen. Deutsche Truppen hielten Guernsey bis zur Kapitulation im Mai 1945 besetzt. In dieser Zeit ist sehr wahrscheinlich unsere Aufnahme entstanden.

Der Austin war demnach wahrscheinlich der Wagen eines Bewohners von Guernsey, der dort ein Geschäft betrieb, das den normannischen Namen Le Noury nutzte. Das Auto wurde 1940 von deutscher Seite beschlagnahmt, jedoch muss man sich ansonsten die Besatzungszeit auf der Insel als – vergleichsweise – milde vorstellen.

Dazu passt das Erscheinungsbild der Wehrmachtssoldaten auf dem Foto:

Dies sind ganz offenbar keine jungen Männer mehr, sondern ältere Wehrdienstleistende, die zu einem eher ruhigen Einsatz fernab der Front abgeordnet worden waren. Dazu passt der Gefreitenwinkel auf dem Ärmel der drei Soldaten.

Frontkämpfer in dieser Altersgruppe wären schon längst Unteroffiziere und mit einigen Abzeichen dekoriert gewesen – oder sie wären für die Berliner Führung (Motto:“Wir schaffen das.“) gefallen.

Die Männer auf unserem Foto könnten dagegen glimpflich davongekommen sein. Der Austin dürfte den Krieg auf Guernsey ebenfalls überlebt haben.

Adler „Primus“ von 1932: Zivilwagen im 2. Weltkrieg

Anfang der 1930er Jahre zählte zu den soliden und für damalige Verhältnisse ordentlich motorisierten deutschen PKW der Mittelklasse der Adler Primus. Mit seinem 32 PS starken 1,5 Liter-Vierzylinder war er dem Hanomag Rekord vergleichbar und den populären Zweitaktmodellen von DKW in jeder Hinsicht überlegen.

Von dem nur 1932 gebauten Adler Primus mit Flachkühler wurde hier bereits ein Exemplar vorgestellt, das noch um 1960 in der damaligen DDR existierte. Nun soll ein weiterer Wagen vorgestellt werden, der im 2. Weltkrieg als Zivilfahrzeug lief:

© Adler Primus von 1932; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Adler-Emblem auf dem Kühler lässt keinen Interpretationsspielraum, auch die übrigen Details passen zum „Primus“ des ersten Modelljahrs. Die Tarnüberzüge über den Scheinwerfern lassen auf eine Aufnahme zu Kriegszeiten schließen.

Der glänzende Lack und das Fehlen von Markierungen auf den Vorderschutzblechen weisen auf ein Zivilauto hin, das nicht von der Wehrmacht beschlagnahmt wurde. Das Nummernschild mit den Initialen „III“ wurde im Zulassungsbezirk Leipzig vergeben.

Die V-förmige Markierung auf dem Nummernschild kennzeichnete PKW, die mit behördlicher Genehmigung auch im Krieg weiterhin privat genutzt werden durften, zum Beispiel von Landärzten.

Mit diesem Privileg verbunden waren Bezugsscheine für Kraftstoff, sofern der Motor nicht auf Betrieb mittels Holzgasgenerator umgestellt war. Schwieriger war die Reifenbeschaffung, da Privatleuten ab 1939 keine Reifen verkauft werden durften, auch nicht beim Kauf eines Neuwagens.

Hier war das Geschick des Besitzers beim „Organisieren“ und Improvisieren gefragt. Im vorliegenden Fall wurden an der Vorderachse zwei unterschiedliche Reifen verbaut. Sie weisen ein für PKW untypisches Profil auf und wirken schon stark abgefahren:

Der ansonsten noch gute Zustand des Wagens lässt darauf schließen, dass die Aufnahme bei Kriegsausbruch entstand. Wo das Foto gemacht wurde und ob der Wagen überlebt hat, wissen wir leider nicht. Sonderlich gut waren die Chancen in Leipzig selbst nicht – das historische Zentrum wurde im Krieg mehrfach bombardiert und fast zur Hälfte zerstört.

Rarität an der Ostfront: Adler „Diplomat“ Tourer

Der Begriff des Tourenwagens hat einen kuriosen Bedeutungswandel erfahren. Heute bezeichnet er Rennwagen von Großserienherstellern, bei denen sich unter einer optisch seriennahen Kunststoffkarosserie Hochleistungstechnik verbirgt. Sie dienen der Beförderung eines sportlichen Markenimage und haben mit Serienautos wenig gemein.

Ursprünglich bedeutete „Tourenwagen“ bloß eine spezielle offene Variante eines Serientyps. Gemeint waren vier- bis sechssitzige Wagen ohne festes Dach, die im Unterschied zum Cabriolet nur ein leichtes Verdeck und allenfalls Steckscheiben besaßen.

Die Tourenwagenausführung war bis in die späten 1920er Jahre beliebt, weil sie in der Regel die preisgünstigste und leichteste war. In diesem Blog finden sich unter dem Stichwort „Tourenwagen“ entsprechend viele Originalfotos aus jener Zeit.

In den 1930er Jahren kamen Tourenwagen allmählich aus der Mode. Bevorzugt wurden Fahrzeuge mit festem Aufbau oder Cabriolets, die geschlossen im Idealfall ganzjahrestauglich waren.

Wer dennoch einen Tourenwagen wollte, konnte sich nach wie vor einen anfertigen lassen. Dafür gab es Karosseriebaufirmen, die auf einem „rolling chassis“ – also Rahmen mit Fahrwerk, Motor,  Kühlermaske usw. – einen Aufbau nach Wunsch fertigten.

Eine solche Spezialanfertigung zeigt wahrscheinlich das folgende Originalfoto:

© Adler Diplomat Tourenwagen,  1940er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Tourenwagentypisch ist das leichte, ungefütterte Verdeck, das sich im Unterschied zum Cabriolet am Heck vollständig flachlegen ließ. Auch der von den Cabrios jener Zeit vertraute seitliche Verdeckbügel fehlt.

Recht gut zu erkennen sind die seitlichen Steckscheiben, die nur mäßigen Wetterschutz boten und keinen so klaren Durchblick wie gläserne Fensterscheiben ermöglichten. Typisch ist auch die niedrige, meist senkrecht stehende Frontscheibe.

So weit, so unspektakulär. Doch schauen wir uns den Wagen einmal näher an:

Der Kühler ist weitgehend von einer Kühlermaske verdeckt, was auf Betrieb in der kalten Jahreszeit hindeutet. Dennoch erkennt man in den freigebliebenen Kühlerpartien die Schwingen eines Adlers, des Markenzeichens der gleichnamigen Frankfurter Marke.

Der gewölbte Kühler findet sich zwar auch beim Adler Trumpf (1936-38) und beim Adler 2 Liter (1938-40), doch verfügten diese nicht über die geschwungene Vorderstoßstange, die es bei deutschen Herstellern sonst nur bei diversen Ford-Modellen gab.

Tatsächlich wies bei Adler nur das Oberklassemodell „Diplomat“ – der 1934 vorgestellte Nachfolger des Typs Standard 6 – alle genannten Besonderheiten auf. Allerdings wurde der Diplomat vom Werk nicht mehr als Tourenwagen angeboten.

Demnach haben wir es mit einem Sonderaufbau eines unabhängigen Karosseriebauers zu tun. Zum Glück erwähnt das Standardwerk „Adler Automobile – 1900-1945“ von Werner Oswald einen Tourenwagen auf Basis des Diplomat. Dieser wurde von der Stellmacherfirma Kathe & Sohn in Halle gefertigt, die von 1833 bis 1948 existierte.

Offenbar zeigt unser Foto eine solche Rarität. Wo das Bild entstanden ist, lässt sich nicht genau sagen. Doch Holzhausarchitektur und aufgeweichter Boden weisen auf Russland oder ein anderes vom deutschen Ostfeldzug ab 1941 betroffenes osteuropäisches Land hin.

Die beiden Soldaten neben dem Adler sind Offiziere bzw. Unteroffiziere einer Wehrmachtseinheit, wie an den Schirmmützen und Schaftstiefeln nebst Reithosen zu erkennen ist. Die Männer sind unbewaffnet  – sie würden ihrem Rang gemäß eine Pistole am (hier nicht vorhandenen) Koppel tragen, weshalb diese Aufnahme fern der Front aufgenommen worden sein dürfte.

Zu einer Situation im einigermaßen sicheren Hinterland passt das taktische Zeichen auf dem in Fahrtrichtung linken Schutzblech des Adlers. Denn das Rechteck mit zwei Diagonalen steht für eine Nachschubeinheit (Verpflegung oder Gepäck), die hinter der kämpfenden Truppe agierte.

Wie Eberhard Georgens aus Berlin mittteilt, gehörte das Fahrzeug ausweislich der Kennungen zum Stab des Divisionsnachschubführers 58 der 7. Panzerdivision (siehe aufgemaltes Symbol „Y“). Die 7. Panzerdivision hatte 1940 unter General Rommel maßgeblich zum Erfolg des Frankreichfeldzugs beigetragen. Ihr unerwartet schnelles Vorrücken trug ihr beim Gegner den Namen „Gespensterdivision“ ein.

Von Sommer 1941 bis April 1942 war die Einheit am Russlandfeldzug beteiligt. Demnach muss unser Foto im Winter 1941/42 entstanden sein. Ab 1943 wurde die 7. Panzerdivision zwar erneut in Russland eingesetzt, trug dann aber eine abweichende Kennung.

Bislang nicht interpretierbar ist das sternförmige Kennzeichen auf dem rechten Kotflügel. Es dürfte sich um eigenes Symbol der Untereinheit handeln.

Da der Adler an der Ostfront eingesetzt wurde, waren seine Überlebenschancen grundsätzlich gering. Die für den Einsatz auf kaum befestigten Straßen und bei extremen Minustemperaturen völlig ungeeigneten Fahrzeuge unterlagen einem hohen Verschleiß und mussten bei fehlenden Ersatzteilen oft zurückgelassen werden.

Humber „Pullman“ als Beuteauto in Griechenland

Zu den interessantesten Fotos historischer Automobile gehören Aufnahmen, die erbeutete Fahrzeuge während des 2. Weltkriegs zeigen. Sämtlichen europäischen Kriegsparteien mangelte es an militärischen PKW als Stabs- und Kurierautos, weshalb an allen Fronten eingezogene Zivilwagen eingesetzt wurden.

Wenn sich die Gelegenheit bot, bediente man sich beim Gegner und reihte alles in den eigenen Fuhrpark ein, was verfügbar war. So fuhren in Nordafrika deutsche „Landser“ mit britischen Austins und englische „Tommies“ mit VW-Kübelwagen umher, beide Seiten nutzten auch Fiats der italienischen Kriegspartei.

Das folgende Originalfoto zeigt ein seltenes englisches Fahrzeug, das von einer deutschen Wehrmachtseinheit benutzt wurde:

© Humber Pullman, an der Südfront im Frühjahr 1941; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Bild ist trotz des kleinen Formats des Abzugs von so guter Qualität, dass es viele Details erkennen lässt. So lässt sich nicht nur der Wagentyp identifizieren, auch zur Truppeneinheit, die ihn verwendete, lässt sich einiges sagen. Außerdem ist eine ungefähre Angabe des Aufnahmeorts möglich.

Werfen wir zunächst einen näheren Blick auf den Wagen, bei dem bereits der hohe, schmale Kühlergrill verrät, dass es kein deutsches Modell ist.

Wer sich mit britischen Vorkriegswagen auskennt oder sehr gute Augen hat, wird anhand der Markenplakette auf der Kühlermaske auf einen „Humber“ tippen. Diese britische Traditionsmarke ist eine der vielen, die in den 1960er Jahren unterging, zuvor aber lange Zeit Erfolg mit hochwertigen Wagen hatte.

Man merkt dem Wagen auf der Aufnahme an, dass er nicht der Kompaktklasse angehört. Auch liegt man richtig mit der Vermutung, dass unter der Haube keines der schwachbrüstigen Triebwerke residiert, wie sie seinerzeit in Deutschland selbst bei Wagen der oberen Mittelklasse verbaut wurden.

Um es kurz zu machen: Wir haben es mit einem Humber „Pullman“ zu tun, einer Limousine mit großzügig dimensioniertem 6-Zylinder-Motor.

Die geteilte und leicht gepfeilte Frontscheibe verrät, dass dieses Auto frühestens 1936 gebaut worden sein kann. Ab diesem Modelljahr leistete der fast 5 Meter lange Wagen rund 100 PS aus 4,1 Liter Hubraum, was eine souveräne Fortbewegung ermöglichte. Im heutigen Sinn schnell war der Wagen nicht, doch darauf kam es damals auch nicht an.

Die Frage ist: Wie gelangte dieser alles andere als geländegängige Wagen in die menschenleere, südlich anmutende Gegend, in der das Foto entstanden ist?

Dabei hift uns das auf der Rückseite des Bildes vermerkte Datum: 13. Mai 1941. Zu diesem Zeitpunkt hatte der deutsche Afrika-Feldzug begonnen, der die verunglückte Operation der italienischen Verbündeten gegen die Briten retten sollte. Doch zu diesem Zeitpunkt bestand dort kaum Gelegenheit zu einem derart entspannten Foto.

Wahrscheinlicher ist eine Entstehung in Griechenland. Dort hatte Italien gegen den Willen der deutschen Führung einen Feldzug gestartet, der nach dem Eingreifen eines britischen Expeditionskorps mit einer krachenden Niederlage endete.

Um eine offene Flanke in Südeuropa zu vermeiden, ordnete Berlin einen Gegenstoß an. Dieser führte Ende April 1941 zum Sieg der deutschen Truppen über das britische Heer und der Besetzung Griechenlands. Bei dieser Gelegenheit fiel der Wehrmacht das schwere Gerät der englischen Verbände in die Hände, wohl auch der Humber.

Das Nummernschild weist laut Eberhard Georgens aus Berlin auf eine provisorische Zulassung des Wagens auf die Feldpostnummer des Stabs des Armee-Nachrichten-Regiments 521 hin. Die Einheit gehörte zur 12. Armee, die den Balkanfeldzug führte

Das Kürzel „WH“ auf dem in Fahrtrichtung linken Vorderschutzblech zeigt die Zugehörigkeit zu einer Heeresabteilung der Wehrmacht an.

Abschließend noch ein Blick auf die drei Soldaten neben dem Wagen:

Alle drei sind Unteroffiziere, wie an den Tressen an Schulterklappen und Kragen zu erkennen ist. Der Mittlere mit der gesunden Gesichtsfarbe dürfte auch derjenige mit dem höchsten Rang sein, wahrscheinlich ein Feldwebel. Das Tragen der Schützenschnur weist auf eine Situation fernab der Front hin.

Als einzige „Bewaffnung“ hält einer der drei eine Balgenkamera in der rechten Hand, die zusammenklappbar war. Dem Format nach war das ein Apparat mit Negativformat 6×6 cm oder größer, der – korrekte Entfernungseinstellung und Belichtung vorausgesetzt – technisch hochwertige Aufnahmen ermöglichte.

Ob diese Soldaten den Rest des Krieges im relativ ruhigen Griechenland zubringen konnten, darf bezweifelt werden. Die deutschen Truppen wurden immer wieder zwischen den zahlreichen Fronten verlegt. Genaues wissen wir in diesem Fall nicht.

Es bleibt ein schönes Bild einer eindrucksvollen Humber-Limousine vor einer friedlichen, sonnendurchglühten Landschaft im Mai vor 75 Jahren…

Chrysler „Eight“ im 2. Weltkrieg unterwegs in Österreich

Originalfotos von historischen Automobilen können den modernen Betrachter in zweifacher Hinsicht vor Herausforderungen stellen:

Das eine Mal fällt es schwer, Marke und Typ zu bestimmen. Speziell in den 1920er Jahren sahen sich viele Autos sehr ähnlich, die Hersteller-Embleme sind oft verdeckt oder unscharf abgebildet. Ein anderes Mal bleibt rätselhaft, was es genau mit dem jeweiligen Fahrzeug auf sich hat, obwohl die Identifikation als solche leicht fällt.

In die zweite Kategorie fällt der eindrucksvolle Wagen auf folgender Aufnahme:

© Chrysler „Eight“, Bj. 1931; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Solche mächtigen 6-Fenster-Limousinen gab es um 1930 zwar auch von deutschen Herstellern, doch der schräg gestellte, V-förmige Kühlergrill verweist auf ein amerikanisches Modell.

Das Stilelement taucht erstmals beim Cord L-29 auf, einem 1929 vorgestellten Frontantriebswagen, der von der unabhängigen Auburn Automobile Company in für amerikanische Verhältnisse überschaubarer Stückzahl gebaut wurde.

Chrysler kopierte die Frontpartie für sein Spitzenmodell Imperial, das Anfang der 1930er Jahre mit Wagen vom Kaliber eines Cadillac, Lincoln und Packard konkurrieren sollte. Um ein solches Fahrzeug handelt es sich bei dem Auto auf unserem Foto.

Der Chrysler Imperial war mit einem 8-Zylinder-Motor mit 6,3 Liter Hubraum ausgestattet, der 125 PS leistete. Am deutschen Markt erreichten Anfang der 1930er Jahre nur die 8- und 12-Zylindermodelle von Horch annähernd eine solche Leistung.

Schauen wir uns den Chrysler näher an:

Die Scheinwerferüberzüge, auf denen man den Schriftzug „Bosch“ ahnen kann, weisen auf eine Entstehung der Aufnahme während des 2. Weltkriegs hin. Damals war auch bei privaten Kfz eine Tarnbeleuchtung vorgeschrieben, um gegnerischen Aufklärern und Bombern die Identifikation von Städten bei Nacht zu erschweren.

Dass der Chrysler nicht von der deutschen Wehrmacht eingezogen worden war, lässt das zivile Nummernschild erkennen, das einen V-förmigen Haken oberhalb des Bindestrichs aufweist. Dieses Erkennungsmerkmal erhielten Privatfahrzeuge, die von ihren Besitzern weiterbenutzt werden durften, weil sie wichtige Funktionen hatten.

Das Kürzel „Od“ auf dem Kennzeichen wurde nach der Einbeziehung Österreichs in das Deutsche Reich für Fahrzeuge vergeben, die im Gau „Oberdonau“ (vormals Oberösterreich) registriert waren. Die nach 1938 vergebenen Kennzeichen trugen schwarze Buchstaben auf weißem Grund, zuvor war es umgekehrt.

Auffallend ist, dass die Doppelstoßstange verkehrtherum montiert ist. Auf zeitgenössischen Bildern dieses Chrysler-Modells ist das waagerecht verlaufende Element unterhalb des geschwungenen angebracht, nicht andersherum. Weshalb sollte jemand dies veranlasst haben?

Mysteriös ist außerdem ein Detail auf folgendem Bildausschnitt:

Die durchgehende Frontscheibe findet sich nur auf wenigen zeitgenössischen Fotos des Chrysler „Eight“. Die Serienvariante hatte eine zweiteilige und ab 1932 V-fömig zulaufende Windschutzscheibe. Für die abweichende Frontscheibe gibt es zwei mögliche Erklärungen:

Entweder es handelt sich um eine Sonderkarosserie, wie sie von „Le Baron“ und anderen US-Herstellern gefertigt wurde – dort wurden häufig durchgehende Windschutzscheiben verbaut. Oder – was wahrscheinlicher ist – der Chrysler wurde nur als „rolling chassis“ nach Deutschland exportiert und der Aufbau entstand hierzulande. Für die letztgenannte Möglichkeit spricht auch die verkehrt herum montierte Stoßstange.

Es bleibt die Frage, welchem Zweck dieser amerikanische Luxuswagen im Krieg diente. Die private Zulassung ist möglicherweise irreführend. Denn die Apparatur auf dem Dach des Chrysler scheint ein Lautsprecher zu sein, wie er für offizielle Durchsagen verwendet wurde; möglicherweise wurde der Wagen für Propagandazwecke eingesetzt.

Leider lässt sich der Aufnahmezeitpunkt nicht näher eingrenzen. Die Uniform des Mannes neben dem Chrysler ist vermutlich die eines Panzersoldaten auf Heimaturlaub. Die typische kurzgeschnittene Jacke und die Feldmütze wurden den ganzen Krieg über getragen.

Der Wagen im Hintergrund ist übrigens ein Steyr 120, der 1935/36 im gleichnamigen Ort gebaut wurde. Steyr liegt ebenfalls in Oberösterreich.

Als Aufnahmeort käme mit Blick auf die großstädtisch wirkende Architektur im Hintergrund die Hauptstadt des Gaus Oberdonau  – Linz – in Frage. Dort hatte der Chrysler deutlich bessere Überlebenschancen als an der Front, wo achtzylindrige Autos als Stabswagen begehrt waren.

Vermutlich war der Chrysler bei Kriegsausbruch bereits zu alt oder erschien zu exotisch – obwohl andere Bilder jener Zeit noch ganz andere Raritäten im Einsatz bei der Wehrmacht zeigen (Beispiel Jaguar). Vielleicht kann ein Leser mehr zu dieser Aufnahme sagen.

Übrigens: Die oben erwähnte österreichische Traditionsmarke Steyr wird in diesem Blog künftig ebenfalls anhand von Vorkriegsfotos ausführlich gewürdigt. Dasselbe gilt für den Luxushersteller Austro-Daimler.

Vor 100 Jahren: Ein Hubraumriese von „NAG“ steckt fest

Wer öfters auf diesem Blog vorbeischaut, hat sicher bemerkt, dass hier die vielfältige Markengeschichte der Vorkriegszeit besonders gewürdigt wird. Der Verfasser hegt dabei keine besondere Vorlieben – es wird schlicht anhand historischer Fotos aus Privatbesitz in die Automobilgeschichte eingetaucht.

Natürlich ist die Verfügbarkeit zeitgenössischer Aufnahmen ein Spiegelbild der einstigen Verbreitung – in einigen Fällen auch der Wertschätzung  – bestimmter Marken und Typen.

Beispielsweise kristallisiert sich für die Zeit vor und nach dem 1. Weltkrieg eine Häufung von Abbildungen heraus, die Wagen der Berliner Firma N.A.G. zeigen. Von dieser Qualitätsmarke wurden hier bereits die Typen C4 und D4 sowie das 6-Zylindermodell von 1928 vorgestellt.

Nun soll es um das hubraumstärkste Modell gehen, das NAG je gebaut hat, den Typ K8 33/75 PS (Baujahr: 1912-14). Denn damit haben wir es wahrscheinlich auf diesem Originalfoto zu tun:

© NAG Typ K8 33/75 PS; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick wirkt das Fahrzeug wie einer der vielen Tourenwagen, die von Marken wie Adler, Daimler, Benz und Opel kurz vor dem 1. Weltkrieg gebaut wurden. Für das ungeschulte Auge sehen sich diese Autos sehr ähnlich, doch im Detail finden sich genügend Merkmale, die eine Identifizierung erlauben.

Dabei hängt viel von der Qualität der Aufnahme und dem Erhaltungszustand des Abzugs ab. An sich ermöglichten die Kameras und das Filmmaterial vor 100 Jahren scharfe und tonwertreiche Bilder. Enscheidend war aber das Können des Fotografen. Daneben zählt die Aufbewahrung der Abzüge – am Licht verblassen selbst die besten alten Fotos nach so langer Zeit.

Zum Glück haben wir es mit einer guten Aufnahme zu tun. Die Vergrößerung der Frontpartie erlaubt die Ansprache des Wagens als NAG:

Gut zu erkennen ist der ovale Kühlerausschnitt, der typisch für die NAG-Wagen bis in die 1920er Jahre bleiben sollte. Sofern das Nummernschild kein militärisches ist, verweist die römische Ziffernfolge „II“ auf eine Zulassung des Wagens im Raum Dresden.

Hier haben wir es natürlich mit einer Aufnahme aus Kriegszeiten zu tun. Dies belegen der preußische Adler auf der Flanke der Karosserie und der trotz der „verfahrenen Lage“ zuversichtlich schauende Offizier nebst Hund auf dem Rücksitz:

Man sieht sehr schön das Gestänge des leichten Verdecks, wie es für Tourenwagen der Zeit typisch war. Die Konstruktion bot nur mäßigen Schutz und blieb beim Militär meist ungenutzt, da ein offener Wagen besseren Ausblick bot und bei gegnerischen Angriffen ein schnelleres Verlassen des Fahrzeugs ermöglichte.

Am hinteren Schutzblech scheint übrigens eine Schaufel zu lehnen, aber offenbar hat man es aufgegeben, den festgefahrenen Wagen freizugraben, und wartet wohl auf den Abschleppdienst in Form eines LKW oder kräftiger Zugpferde.

Wo die Aufnahme entstand, ist unbekannt. Prinzipiell kann sie an allen Fronten gemacht worden sein, an denen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn damals Krieg führten. Verschlammte Wege waren nach Ende der Frostperiode und langen Regenfällen mangels befestigter Straßen überall möglich.

Ein Grund dafür, dass der Wagen sich nicht aus eigener Kraft befreien konnte, könnte das hohe Gewicht sein. Denn wahrscheinlich handelt es sich um einen NAG des Typs K8 33/75 PS, der über einen Vierzylindermotor mit dem kolossalen Hubraum von 9 Litern verfügte.

Dafür sprechen die Größe des Fahrzeugs und die vielen Übereinstimmungen mit der Abbildung eines solchen Typs im Standardwerk „Deutsche Autos 1885-1920“ von Halwart Schrader. Die beachtliche Motorleistung von 75 PS nützte wenig, wenn das fast 2 Tonnen schwere Fahrzeug im Dreck feststeckte.

Dass in schwierigem Gelände ein leichter Wagen mit kurzem Radstand selbst bei geringer Motorleistung einer schweren Konstruktion überlegen ist, musste auch im 2. Weltkrieg nochmals schmerzlich gelernt werden. Die von „Schreibtischtätern“ ersonnenen militärischen Einheitsfahrzeuge erwiesen sich in der Praxis meist als zu schwer. Frontsoldaten bevorzugten nicht umsonst leichte und wendige Modelle wie den VW Kübelwagen oder erbeutete amerikanische Jeeps.

Im 1. Weltkrieg gab es noch keine geländetauglichen Wagen und man darf davon ausgehen, dass Situationen wie die hier aufgenommene an der Tagesordnung waren. Eine Generation zuvor wäre man auch als hoher Offizier beritten unterwegs gewesen. Doch die Verlockung eines prestigeträchtigen Automobils war offenbar zu groß für die Herrschaften. So fuhr man auf allen Seiten ab einer gewissen Führungsebene mit völlig ungeeigneten Zivilkraftwagen umher.

Zuletzt noch ein Blick auf die mittlere Partie des mächtigen NAG:

Hier ist zu sehen, dass die Windschutzscheibe komplett nach vorne umlegbar war. An der Schottwand sind elektrische Lampen angebracht, wie sie viele Wagen jener Zeit zusätzlich zu den gasbetriebenen Frontscheinwerfern besaßen. Doch sicherheitshalber hat man daneben weitere Laternen befestigt, die möglicherweise mit Petroleum betrieben wurden, wohl ein Frontumbau.

Interessant ist die vorne auf dem Trittbrett montierte Apparatur. Gegen eine Batterie spricht die zylindrische Form, vielleicht steht die Anlage in Zusammenhang mit den gasbetriebenen Scheinwerfern. Weiter hinten ist auf dem Werkzeugkasten mit Lederriemen ein Benzinkanister in Dreiecksform befestigt.

Insgesamt haben wir es hier mit einer außergewöhnlich detailreichen, gekonnt fotografierten Aufnahme des hubraumstärksten PKWs zu tun, den die  untergegangene Marke NAG fertigte. Gleichzeitig erinnert uns die Situation an die Härten, die unsere Vorfahren vor 100 Jahren ertragen mussten.

Ein Horch 830 BL Cabriolet als Winterauto…

Wie es scheint, neigt sich die kalte Jahreszeit in unseren Breiten dem Ende zu. Die Wintersportfans sind zuletzt noch einmal auf ihre Kosten gekommen, aber wenn es nach uns Oldtimerfreunden ginge, könnte jetzt ruhig die Frühjahrssaison beginnen.

Manch einer bewegt zwar seinen Klassiker ganzjährig, was bei gut vorbereiteter Karosserie vertretbar ist. Doch die meisten schonen ihre vierrädrigen Lieblinge und auch der Verfasser wartet ungeduldig darauf, dass der nächste Regen das Salz von den Straßen spült.

Bei der Gelegenheit sei daran erinnert, dass vielen klassischen Wagen in ihrem früheren Leben solche Schonung kaum gegönnt wurde. Als vor über 70 Jahren in Europa der 2. Weltkrieg tobte, wurden auf alle Seiten massenhaft private Kraftfahrzeuge beschlagnahmt und an der Front und im Hinterland eingesetzt.

Hier ein Originalfoto eines requirierten Adler Trumpf 1,7 Liter auf einer Schlammpiste. Die Kennung WM verweist auf ein Fahrzeug der Kriegsmarine, daher ist das Bild vermutlich eher in Frankreich als in Russland entstanden:

© Adler Trumpf 1,7 Liter bei der Wehrmacht; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger

Wie bei allen Kriegsparteien – außer den USA – herrschte auch bei der deutschen Wehrmacht von Anfang an chronischer Mangel an PKW. Während der einfache Landser wie schon im 1. Weltkrieg mit Eisenbahn, LKW, Pferdegespann oder auf Schusters Rappen ins Feuer geschickt wurde, wurden für den Bedarf von Offizieren, Kurieren usw. Personenautos in großer Zahl benötigt.

Von den dafür vorgesehenen militärischen Baumustern (Einheits-Kfz) wurden zu keinem Zeitpunkt genügend gebaut, sodass für den Wehrmachtsbedarf alles beschlagnahmt wurde, was halbwegs robust erschien und nicht zwingend für andere Zwecke daheim gebraucht wurde.

Als typisches Beispiel hier ein Kriegsfoto eines eingezogenen Ford Eifel, vermutlich aufgenommen in Norwegen (Bildbericht):

© Ford Eifel Baujahr 1937-39 bei der Wehrmacht; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger

Aus heutiger Sicht ist es faszinierend zu sehen, was da alles von Skandinavien bis Afrika und von Frankreich bis Russland unterwegs war. Dabei wurden auch heute begehrte Luxuswagen nicht geschont – im Gegenteil:

Für hohe Offiziere war es eine Prestigeangelegenheit, in einem repräsentativen Wagen unterwegs zu sein. Speziell Typen von Horch oder Mercedes waren begehrt, aber auch erbeutete amerikanische Luxuswagen wurden gern genommen.

Dass diese Autos ungeeignet für den harten militärischen Einsatz waren, viel Kraftstoff verbrauchten und mit Frontmitteln kaum zu reparieren waren, interessierte die Herrschaften nicht. Auch darin kommt der Größenwahn eines Großteils der damaligen Führung zum Ausdruck.

Fronterprobte Generäle wie Guderian und Rommel bevorzugten im Einsatz dagegen bewährte Sonder-Kfz. Ihre Unterführer ließen ohnehin nichts auf den unverwüstlichen „Kübel“ von Volkswagen kommen.

Das folgende Originalfoto aus dem 2. Weltkrieg dokumentiert, in welchen Situationen Luxuswagen beim deutschen Militär entgegen alle Vernunft eingesetzt wurden:

© Horch 830 BL bei der Wehrmacht; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger

Man glaubt zunächst nicht, dass der Wagen auf diesem etwas unscharfen Bild zu identifizieren ist. Und doch ist es mit etwas detektivischem Spürsinn möglich.

Ausgangspunkt ist der mit schwarzem Überzug versehene quadratische Stander auf dem linken Vorderkotflügel. Er weist darauf hin, dass der Wagen einen Befehlshaber ab Armeekorps aufwärts und höchste Stäbe chauffierte, also den Kommandeur eines Großverbandes (Dank an Klaas Dierks für den sachkundigen Hinweis an dieser Stelle)

Auf dieser Führungsebene wurden außer ausländischen Luxuswagen Erzeugnisse der erwähnten deutschen Marken Horch und Mercedes bevorzugt. Die Neigung der Kühlermaske und der Mittelsteg sprechen für einen Horch, und diese Zuschreibung bestätigt sich bei einem Abgleich der Details (Scheinwerfer, Radkappen, Zierleiste, Trittbrettverlauf usw.) mit entsprechenden Abbildungen.

Übrigens ist auf der Motorhaube eine wohl aus Stroh hergestellte Abdeckung zu sehen, die in Verbindung mit der weitgehend blockierten Kühlluftzufuhr das Erreichen der Betriebstemperatur des Motors bei strengem Frost erleichtern sollte.

Man darf davon ausgehen, dass diese Aufnahme im Winter irgendwo an der Ostfront entstanden ist. Die langen Wintermäntel der beiden Soldaten sind von der Machart, die im ersten russischen Kriegswinter 1941/42 fatalerweise noch kaum verfügbar war.

Hier sehen wir zudem die von der russischen Armee abgeschaute Fellmütze, auf die die deutschen Soldaten anfangs ebenfalls verzichten mussten.Wenn man genau hinschaut, sieht man neben dem linken Ärmel des Soldaten einen Verdeckbügel und einen Türgriff. Diese Details erlauben die Identifikation des Wagentyps!

Offenbar handelt es sich um ein viertüriges Cabriolet. Und das gab es von Horch in Verbindung mit der flachen Frontscheibe nur beim Modell 830 BL (mit längerem Radstand als der 830 BK). Der von 1935 bis April 1940 etwas mehr als 6.000mal gebaute Wagen verfügte je nach Baujahr über einen 75 bis 92 PS starken V8-Motor mit 3,5 Liter Hubraum.

Bei über 2 Tonnen Leergewicht waren damit natürlich keine sportlichen Fahrleistungen möglich, was auch nie Ziel der sächsischen Traditionsmarke war.  Bedenklich war allerdings der Benzinverbrauch von fast 20 Liter auf 100 km.

Doch in diesem Blog geht es ebenso um die Menschen, die in einer Verbindung zu den gezeigten Fahrzeugen standen.  Daher sollen auch die beiden Männer gewürdigt werden, die sich irgendwo an der Ostfront mit dem Horch haben ablichten lassen.

Der Kamerad, der auf Höhe der Motorhaube steht, trägt über der Schulter eine lederne Kartentasche, wie man sie oft auf zeitgenössischen Bildern von Kradmeldern findet. Auf der Brust ist links eine bei Militär und Polizei einst gängige Taschenlampe zu sehen, die über einen Drehknopf auch mit Handschuhen betätigt werden konnte.

Von Dienstgradabzeichen und Auszeichnungen ist nichts zu sehen. Hier stand ganz klar der Kälteschutz im Vordergrund.

Nun könnte man vermuten, dass zwei zufällig anwesende Soldaten die Gelegenheit nutzten, sich vor einem der schon damals legendären Horch-Achtzylinder fotografieren zu lassen. Tatsächlich fällt auf, wie oft auf Kriegsfotos hochkarätige Wagen zu sehen sind, während es von weit öfter gebauten Modellen vergleichsweise wenige Bilder gibt.

Solche Aufnahmen künden vom Bedürfnis, der eigenen Existenz auch unter schlimmsten Bedingungen eine gewisse Qualität abzuringen. Und sei es nur, dass man mit den Negativen die Botschaft nach Hause schickte: „Schaut, ich lebe noch und hatte heute in der Stellung hohen Besuch.“

Doch hier liegt der Fall anders. Denn zu der Aufnahme gehört ein zweites Foto, dass die beiden Soldaten im Horch sitzend zeigt:

Offenbar gehörten die beiden Männer zu dem Wagen. Einer war der Fahrer und der andere möglicherweise der Adjutant des „hohen Tieres“, der in dem Horch auf der Rückbank unterwegs war.

Wer aber das Bild gemacht hat, wann und wo, lässt sich nicht mehr klären. Der Blick des verhalten lächelnden Fahrers berührt auch nach über 70 Jahren noch. Was wohl aus den beiden und dem Horch wohl geworden ist?

Ford Eifel im Wintereinsatz bei der Wehrmacht

Auch wenn heute abend (23. Februar 2016) die ersten Wildgänse über Bad Nauheim nach Osten in Richtung ihrer Sommerquartiere flogen, ist der Winter wohl noch nicht ganz vorbei. Und solange der Bilderfundus dazu passende Aufnahmen hergibt, genießen Fotos von Autos im Wintereinsatz Vorrang auf diesem Blog.

Vor einiger Zeit geriet der Verfasser an den nachstehenden Abzug im ungewöhnlich großen Format von 18×13 cm. Vermutlich ist das Foto aber im Kleinbildformat entstanden, denn für eine Großbildkamera ist die Schärfe nicht ausreichend.

© Ford Eifel Baujahr 1937-39 bei der Wehrmacht; Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger

Stimmungsvoll ist die Aufnahme aber allemal und man darf einen erfahrenen Amateur als Urheber vermuten. Angesichts der extremen Helligkeitsunterschiede hat er die einzig richtige Belichtung gewählt. So weist die Schneelandschaft im Hintergrund noch viel Zeichnung auf, gleichzeitig sind die Schattenpartien im Vordergrund nicht völlig „zugelaufen“. Mehr Differenzierung war in einer solchen Situation mit dem damaligen Filmmaterial kaum möglich.

Auch der Bildbau ist gekonnt, der Schneewall neben der geräumten Straße ist geschickt in die Gestaltung einbezogen und die Silhouetten der beiden Männer sorgen für eine wirkungsvolle Zentrierung. Uns interessiert aber mehr der Wagen, der neben ihnen steht; schauen wir ihn uns näher an:

Der keilförmige Kühler mit der schemenhaft erkennbaren Kühlerfigur ist typisch für Ford-Modelle der späten 1930er Jahre. Größe und Proportionen weisen auf einen europäischen Typ hin – es handelt sich eindeutig um einen Ford „Eifel“ in der von 1937-39 gebauten Ausführung.

Die für das Modell charakteristische mittig abwärtsgeknickte Stoßstange – ein seltenes Detail bei deutschen Fahrzeugen – ist ansatzweise zu erkennen. Man kann sie unterhalb des Nummernschilds nach rechts verfolgen und ahnt dann den weiteren Verlauf.

Dass von der durchgängig verchromten Stoßstange so wenig zu sehen ist, ist mit der Aufnahmesituation zu erklären. Es handelt sich um einen von der deutschen Wehrmacht eingezogenen Privatwagen, dem der beim Militär übliche mattgraue Anstrich verpasst wurde. Da Lack auf Chrom am schlechtesten haftet, geht er dort auch am schnellsten wieder ab, Ansätze dazu sind auf dem Foto zu erkennen. Wer genau hinsieht, kann auf dem in Fahrtrichtung linken Schutzblech die aufgemalten Buchstaben „WH“ erahnen, die für „Wehrmacht Heer“ standen.

Das zivile Nummernschild mit Kennung „IE“ für Provinz Brandenburg ist allerdings noch vorhanden. Oft war keine Zeit zur Montage eines militärischen Kennzeichens, das dann ebenfalls mit „WH“ begonnen hätte. Kurios ist, dass nur einer der Scheinwerfer den üblichen Tarnüberzug trägt, der Nachtfahrten erlaubte, ohne dass das Fahrzeug gleich kilometerweit zu sehen ist. Dies ist ein Indiz dafür, dass das Bild an einem sicheren Ort fern der Front entstanden ist. Die beiden Soldaten scheinen keinerlei Ausrüstung bei sich zu haben, sie tragen nur die Feldjacke mit den aufgesetzten bauchigen Taschen.

Wo könnte eine solche Aufnahme entstanden sein? Leider trägt das Foto auf der Rückseite keinen entsprechenden Hinweis, sodass man auf Vermutungen angewiesen ist. Für eine Entstehung in Russland sieht das Bild zu sehr nach einer friedlichen Lustreise aus. Auch die geräumte und offenbar solide Straße spricht gegen einen Aufnahmeort im Osten. Und einen Ausflug in die heimischen Alpen mit einem Militär-PKW und rationiertem Benzin darf man im Krieg ebenfalls ausschließen.

Die Landschaft wirkt zudem eher skandinavisch und dann käme nur Norwegen als Aufnahmeort in Betracht, das 1940 von deutschen Truppen besetzt wurde, um der Bildung eines britischen Stützpunktes in dem rohstoffreichen Land zuvorzukommen. Die rechtswidrige Besetzung des neutralen Norwegens nahm man ebenso in Kauf, wie das die in diesen Fragen auch nicht pingeligen Briten vorhatten.

Norwegen blieb bis 1945 besetzt und spielte eine wichtige Rolle bei der Versorgung der deutschen Rüstungsindustrie mit sonst nicht ausreichend vorhandenen Metallen. Abgesehen von begrenzten Auseinandersetzungen mit Widerstandsgruppen blieb die Lage in Norwegen bis zur Kapitulation vergleichsweise friedlich, wenngleich das Land unter der Fremdherrschaft natürlich litt, auch wirtschaftlich.

Dennoch konnten die einigen hunderttausend deutschen Soldaten in Norwegen von Glück reden, da es ihnen wenigstens dort erspart blieb, für die vermessenen Ziele ihrer politischen und militärischen Führung ins Feuer gejagt zu werden. Diese Situation würde am besten zu der friedlichen Stimmung auf dem Foto passen.

Der Rücktransport der Soldaten aus Norwegen zog sich übrigens bis Sommer 1946 hin. und man kann sich vorstellen, dass mancher es nicht allzu eilig hatte, in ein am Boden liegendes Deutschland zurückzukehren. Der Ford Eifel ist damals sicherlich im Norden zurückgeblieben und hat mit seinem soliden 1,2 Liter-Vierzylinder mit 34 PS – diese Zahlenkombination wird VW-Freunden bekannt vorkommen – einem Einheimischen vielleicht noch gute Dienste geleistet…

1916: Ein deutsch-belgischer „Bergmann“ im Krieg

Wer sich nach der Überschrift fragt, ob er auch im richtigen Blog sei, kann beruhigt sein: Auch beim folgenden Eintrag geht es natürlich um ein historisches Gefährt, aber auch um die allgemeinen Verhältnisse in seiner Zeit.

Die Geschichte ist verwickelt, doch spannend genug, um sie ausführlich zu erzählen: Sie beginnt Mitte des 19. Jh. im frankophonen Süden Belgiens, der frühzeitig stark industriell geprägt war, während im flämischen Norden des Landes der Handel dominierte. In jener Zeit gehörte Belgien zu den wichtigsten Industriestandorten Europas, wo zeitweilig auch Motorrad- und Autohersteller florieren sollten.

Nach Gründung der Eisenbahnfabrik La Métallurgique in Belgien baute man ab 1899 auch Automobile, zunächst Wagen mit Kettenantrieb. Doch schon wenig später rückte die Firma zu den führenden Autoherstellern auf dem Kontinent auf.

Dafür sorgte der deutsche Ingenieur Ernst Lehmann, der 1903 von Daimler zu Métallurgique wechselte. Zusammen mit seinem Landsmann Martin Stolle (später bei BMW) schuf er eine Reihe moderner Sportwagen, die mit Motorenleistungen von 80 bis 100 PS aufwarteten. Daneben gab es Modelle mit kleineren Aggregaten mit 18 und 40 PS, die für den Ruf der Marke Métallurgique aber weniger wichtig waren.

Ein Merkmal dieses Produkts deutsch-belgischer Kooperation war der Spitzkühler, wohl der erste seiner Art überhaupt (ab 1906). Unverwechselbar war das pyramidenförmige Oberteil des Kühlergehäuses. Dieses Detail ermöglichte die Identifikation des Wagens auf folgendem Originalfoto:

© Bergmann-Métallurgique, aufgenommen im Jahr 1916, aus Sammlung Michael Schlenger

Bevor wir uns der Aufnahmesituation zuwenden, ein weiterer interessanter Exkurs: Seit 1905 gab es eine Niederlassung der Firma Métallurgique in Deutschland  (Köln). Diese wurde auf Initiative von Herzog Ludwig von Bayern, dessen Schwester mit dem belgischen (!) König verheiratet war, von der Berliner Bergmann Elektrizitätswerke AG übernommen, die auch Elektroautos (ein alter Hut…) baute.

Diese weitere deutsch-belgische Verbindung wurde dadurch unterstrichen, dass der autobegeisterte Herzog sich nicht zu schade war, Mitglied des Aufsichtsrats der neu gegründeten Bergmann-Métallurgique-Gesellschaft zu werden. Sie baute die Wagen von Métallurgique bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs in Lizenz.

Die bis dahin gedeihliche Verbindung deutscher und belgischer Schaffenskraft fand mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 ein jähes Ende. Die deutschen Truppen rückten in Erwartung eines raschen Sieges wie 1870/71 im August durch das neutrale Belgien vor und besetzten dieses.

Zwei Jahre später, im Jahr 1916, war Belgien immer noch vom deutschen Militär besetzt, doch eine Entscheidung des Kriegs war in weiter Ferne. Nach der gescheiterten deutschen Offensive gegen Verdun kam es ab Sommer 1916 zur Schlacht an der Somme, die 1 Million Soldaten das Leben kostete, ohne dass es zu einer Änderung der Lage kam.

In dieser Zeit gnadenloser Stellungskämpfe ist die oben vorgestellte Aufnahme entstanden. Es handelt sich um ein im Postkartenformat abgezogenes Foto. Auf der Rückseite schreibt wahrscheinlich der im Auto sitzende Träger eines imposanten Schnauzbartes mit Datum vom 15. August 1916 an eine ihm nahestehende Person.

Die Ausschnittsvergrößerung lässt erkennen, dass die beiden Soldaten Lederjacken mit doppelter Knopfleiste und Schutzbrillen tragen – sicher waren sie Fahrer hoher Offiziere, denen als einzigen im 1. Weltkrieg Automobile zur Verfügung standen. Die beiden konnten von Glück reden, dass Ihnen der Dienst in den Schützengräben erspart blieb, und sie waren sich vermutlich ihrer privilegierten Stellung bewusst.

Es kann sein, dass dieser Wagen kein in Belgien beschlagnahmter Métallurgique war, sondern ein in Deutschland in Lizenz produzierter Bergmann-Métallurgique. Das auf der Karosserie angebrachte Wappen des bis 1918 existierenden Königreichs Bayern verweist auf eine Einheit der bayrischen Armee, wobei das Kürzel E.K.K.65 auf der Motorhaube vermutlich die Truppenbezeichnung ist (wer weiß mehr darüber?).

Es ist ein merkwürdiger Zufall, dass ausgerechnet eine Truppeneinheit aus dem Königreich Bayern, das einst für die Verbindung von Bergmann & Metallurgique gesorgt hatte, über einen solchen Wagen verfügt. Könnte dahinter mehr stecken?

Wir wissen es nicht. Jedenfalls ging der Krieg trotz des deutsch-österreichischen Friedensangebots von Ende 1916 erbarmungslos weiter. Erst zwei Jahre später war das Schlachten vorbei, danach wurde der deutschen Firma Bergmann die Lizenz um Bau von Métallurgique-Wagen entzogen. Bergmann baute bis 1939 Elektrofahrzeuge für die Deutsche Post, während Métallurgique 1928 die Autoproduktion einstellte.

Das hier gezeigte Auto ist damit ein Zeuge der komplizierten Verhältnisse, die zwischen den Völkern Europas vor 100 Jahren herrschten und seither nicht einfacher geworden sind. Eine Konstante scheint zu sein, dass die breite Bevölkerung in Europa für Ideale, Konflikte und Projekte einer „Elite“ aus selbstherrlichen Politikern herhalten muss, ohne nach ihrer Meinung gefragt zu werden.

Ein Hanomag „Sturm“ im russischen Winter

In der PKW-Palette der Hannoveraner Firma Hanomag war in den 1930er Jahren oberhalb des kompakten „Kurier“ und des populären „Rekord“ (Bildberichte 1, 2, 3) das Spitzenmodell „Sturm“ angesiedelt.

© Hanomag PKW-Palette, Originalreklame der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Wie bei Hanomag üblich bot der Wagen technisch keine Überraschungen, doch bekam der Käufer des „Sturm“ ein großzügiges, solides und angemessen motorisiertes Fahrzeug in stilsicherer Verpackung.

Hier eine Originalreklame des von 1934-39 gebauten Wagens:

© Hanomag Sturm, Originalreklame der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Man muss die Leistung des Wagens von 55 PS im damaligen Kontext sehen. Damit war der Hanomag Sturm einem Mercedes 230 durchaus ebenbürtig. Beide Wagen hatten einen 6-Zylinder-Motor, auch die Fahrleistungen waren vergleichbar (Spitze ca. 115 km/h). Allerdings verfügte das Aggregat des Hanomag bereits 1934 über hängende Ventile, während Mercedes bei der Vorstellung des 230ers im Jahr 1937 am überholten Seitenventilprinzip festhielt.

Der Mercedes 230 verfügte über das modernere Fahrwerk, war allerdings auch merklich teurer als der Hanomag Sturm. Die Ganzstahl-Karosserie des Hanomag wurde von Ambi-Budd zugeliefert und bot weniger Variationsmöglichkeiten als dies beim Mercedes der Fall war. Doch von Prestigeaspekten abgesehen war der große Hanomag in seiner Klasse sehr konkurrenzfähig.

Viele Hanomag-Käufer überzeugte nicht zuletzt die solide Qualität, die man bei Produkten eines Maschinenbaukonzerns erwarten würde. So verwundert es einen nicht, dass PKWs von Hanomag auch häufig auf historischen Fotos auftauchen, die Zivilfahrzeuge im Kriegseinsatz zeigen. Hier ein Beispiel:

© Hanomag Sturm in Russland, 1940er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das laut umseitiger Beschriftung in Russland aufgenommene Bild zeigt eindeutig einen Hanomag Sturm. Zwar kam dessen Ambi-Budd-Karosserie auch bei Adler zum Einsatz, doch verweisen das schmalere Kühleremblem, die markanten Hupen und die typische Anordnung der Kühlluftklappen auf Hanomag als Hersteller.

Interessant ist der Wagen auf der Aufnahme aus mehreren Gründen: In markantem Gegensatz zum Einsatzzweck stehen die glänzenden Chromteile (Scheinwerfer, Hupen, Scheibenrahmen), die bei Wehrmachtsfahrzeugen normalerweise grau lackiert wurden. Auch sind keine Tarnüberzüge für die Scheinwerfer vorhanden. Dagegen ist die verchromte Stoßstange bereits überlackiert, und die Chromradkappen fehlen. Für den Wintereinsatz ist eine Frontscheibenheizung verbaut:

Der merkwürdig uneinheitliche Zustand des Wagens könnte damit zu erklären sein, dass er erst kurz vor Entstehung der Aufnahme für das Militär requiriert wurde. Vielleicht war bei der Einheit, der er zugeteilt wurde, nicht mehr genug Farbe vorhanden, um die Tarnlackierung zu vervollständigen.

Das Kennzeichen verweist übrigens auf eine eilige Beschlagnahmung des Hanomag. Der Buchstabe „P“ steht für eine Zulassung in der ab 1939 besetzten Region Posen (seit 1918 polnisch). Die V-förmige Markierung oberhalb des Bindestrichs bedeutete, dass es sich um einen Privatwagen handelte, der mit behördlicher Genehmigung auch nach Kriegsbeginn vom Besitzer verwendet werden durfte.

Dennoch ist der Hanomag auf irgendeine Weise an die Front gelangt und scheint nur noch auf sein Wehrmachts-Kennzeichen und die üblichen taktischen Zeichen auf den Schutzblechen zu warten. Die rückseitige Beschriftung des Fotos „Russland“ lässt jedenfalls keinen Zweifel am Aufnahmeort zu. Denkbar ist auch, dass das Bild während der späten Phase des deutschen Ostfeldzugs entstand, als vorschriftsmäßige Tarnung und Markierung der Fahrzeuge oft vernachlässigt wurden.

Welche persönlichen Schicksale mit dieser Aufnahme aus dem russischen Winter vor über 70 Jahren verbunden sind – die des einstigen Besitzers des Hanomag und die seiner militärischen Nutzer – bleibt im Dunkel der Geschichte.

Oldsmobile von 1938 bei der Instandsetzung im Osten

Während des 2. Weltkriegs verfügte keine der europäischen Parteien annähernd über die Fahrzeugkapazitäten, die für die immer rascheren Operationen benötigt wurden. Nach den Stellungskämpfen von 1914-18 war nur wenigen Militärs mit Weitblick bewusst, dass die Auseinandersetzungen der Zukunft Bewegungskriege sein würden.

So wurde nach Kriegsausbruch 1939 auf allen Seiten hastig alles an zivilen Fahrzeugen beschlagnahmt, was einigermaßen einsatztauglich erschien und nicht für unabweisbare private Zwecke benötigt wurde. Nach der Niederlage Frankreichs und dem Desaster der britischen Truppen bei Dünkirchen im Jahr 1940 fielen der deutschen Wehrmacht tausende PKW und LKW der Alliierten in die Hände, die  willkommene Ergänzungen des eigenen Fahrzeugbestands darstellten.

Geschätzt wurden von den Soldaten nicht nur die Frontantriebswagen von Citroen und die 02er-Modelle von Peugeot. Auch Beutefahrzeuge amerikanischer Provenienz wurden in den Wehrmachtsfuhrpark aufgenommen; sie waren in vielerlei Hinsicht das Modernste, was seinerzeit verfügbar war. Einige Typen von Buick, Chevrolet und Ford wurden vor dem Krieg sogar in Deutschland montiert.

So begegnen einem auf den unzähligen Privatfotos, die einst von deutschen Landsern an allen Fronten geschossen wurden, immer wieder US-Fahrzeuge mit Nummernschildern und taktischen Zeichen der Wehrmacht. Doch selbst auf diesem vermeintlich abgegrasten Feld macht man bisweilen überraschende Entdeckungen.

Folgendes Originalfoto zeigt ein solches Beispiel:

© Oldsmobile, Bj. 1938, bei der Wehrmacht; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen stammt unverkennbar aus dem General Motors-Konzern, nur die Identifikation der Marke gelang erst mit Hilfe der kompetenten Website KfZ der Wehrmacht. Dort hat Holger Erdmann eine einzigartige Sammlung von Originalfotos zusammengetragen, die alle nur erdenklichen Fahrzeuge auf deutscher Seite während des 2. Weltkriegs in strukturierter Form zeigen.

In der Rubrik „US-Autos“ kann man dort nach Marken stöbern, und nachdem die üblichen Verdächtigen wie Buick, Chevrolet, Chrysler, Dodge und Ford nicht zum Ziel führten, wurde der Verfasser schließlich bei Oldsmobile fündig. Wagen dieser bereits 1897 gegründeten Marke scheinen nur in geringer Zahl Eingang in den Beutefahrzeugbestand der Wehrmacht gefunden zu haben.

Der Wagen auf unserem Foto lässt sich jedenfalls als Oldsmobile der F-Serie des Modelljahrs 1938 identifizieren, vor allem die waagerechten Kühlerstreben verraten dies. Der Blick auf die technischen Daten des Wagens verrät, dass man ein solches Fundstück gewiss nicht verschmähte: Das Mittelklasseauto wurde von einem Reihensechszylinder mit 3,8 Liter Hubraum und über 90 PS angetrieben. Damit bewegte man sich leistungsmäßig auf dem Niveau eines Oberklasse-Horch 930 V mit Achtzylindermotor, dessen Fahrwerk kaum besser war.

Problematisch wurden solche Exoten natürlich dann, wenn komplexe Reparaturen anstanden. Bei normaler Alltagsnutzung waren die robusten „Amis“ kaum kleinzukriegen, doch speziell der Kriegseinsatz in Russland hinterließ früher oder später Spuren. Tatsächlich befindet sich auch der Oldsmobile auf unserem Foto offenbar bei der Instandsetzung:

Jedenfalls ist der Wagen vorne aufgebockt – man kann die entlastete Einzelradaufhängung gut erkennen und innen macht sich jemand am Auto zu schaffen. Vielleicht muss etwas an der Lenkung repariert werden. Um die Vorderstoßstange scheint ein Abschleppseil gewickelt zu sein, das in der gefürchteten Morastperiode nach Winterende an der Ostfront oft benötigt wurde. Das Reifenprofil ist alles andere als geländegängig, doch noch erstaunlich gut. Möglicherweise wurde irgendein von der Dimension passender Neureifen montiert.

Die Instandsetzungseinheiten der Wehrmacht mussten angesichts des bunt durcheinandergewürfelten Fahrzeugparks über großes Improvisationsvermögen verfügen. Für Beutefahrzeuge waren – mit Ausnahme einiger französischer Modelle – keine Ersatzteile zu bekommen und Spezialwerkzeug fehlte ganz.

Die Arbeitsbedingungen in Frontnähe kamen als zusätzliche Erschwernis hinzu. Au der Ausschnittsvergrößerung sieht man hinter dem Oldsmobile einen massiven Holztisch, auf dem unter freiem Himmel einige Teile ausgebreitet scheinen.

Was von den Instandsetzungsabteilungen täglich geleistet wurde, gehört zu den unbesungenen „Heldentaten“, über die es keine Literatur gibt. Die Frontsoldaten auf allen Seiten wussten aber natürlich, was sie ihren ölverschmierten Kameraden hinter den Linien schuldig waren…

Hanomag „Garant“: Ein versehrter Kriegsheimkehrer

Dass PKW der 1930er Jahre den 2. Weltkrieg unbeschadet überstanden haben, war eine seltene Ausnahme. Was nicht an der Front geblieben war, kehrte oft in ebenso desolatem Zustand zurück wie die geschlagenen Truppen.

In den letzten Tagen und Wochen des Kriegs wurden viele Wehrmachts-Fahrzeuge irgendwo stehengelassen, wenn das Benzin alle war. Wie diese Kriegsheimkehrer auf vier Rädern neue Besitzer fanden, gehört aus Sicht des Verfassers zu den spannenden Kapiteln, zu denen nur wenig bekannt ist. Denn beinahe alle nicht-militärischen Fahrzeuge, die von der Wehrmacht eingesetzt wurden, waren ja zuvor in Privatbesitz, und nach der Kapitulation 1945 waren sie formal weiterhin Eigentum der öffentlichen Hand.

Viele Bilder belegen jedoch, dass solche ehemaligen Wehrmachts-Fahrzeuge in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren wieder von Privatleuten gefahren wurden (siehe auch Ford Taunus auf VW-Kübel-Chassis). Wie das ohne Papiere und Kaufvertrag bewerkstelligt wurde? Auf dem Land genügte es wohl, die richtigen Leute zu kennen, die mit einer gesunden Prise Pragmatismus gesegnet waren und keine unnötigen Fragen stellten – das Leben musste ja weitergehen.

Ein mutmaßliches Beispiel für ein solches Fahrzeug soll hier vorgestellt werden:

© Hanomag „Garant“, Ende der 1940er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen als solcher ist schnell identifiziert. Auf dem Kühlergrill ist in Fahrtrichtung rechts ein Emblem der Firma Hanomag montiert, die in den 1930er Jahren solide, technisch anspruchslose Mittelklassewagen baute. Während die Modelle „Rekord“ und „Sturm“ durch entsprechende Schriftzge auf dem Kühler leicht zu erkennen sind, verfügten die kleineren Vorgänger „Garant“ und „Kurier“ nicht immer über solche Erkennungsmerkmale.

Doch die Kühlermaske ist hinreichend individuell, um zusammen mit dem wohl nachträglich montierten Hanomag-Emblem die Ansprache als Modell „Garant“ zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite des Kühlers ist eine ADAC-Plakette angebracht, die auf der Originalaufnahme besser zu erkennen ist als im hier gezeigten Bild:

Gebaut wurde der Hanomag Garant mit seinem 1,1 Liter-Vierzylinder und 23 PS von 1934-38. Er war als Limousine sowie als Cabriolimousine (von Karmann) verfügbar. Mit einem solchen Wagen mit Karmann-Aufbau haben wir es hier zu tun.

Was spricht nun dafür, dass es sich um ein ehemaliges Wehrmachts-Fahrzeug handelt? Aufschlussreich ist vor allem die matte Lackierung der Kühlermaske, die serienmäßig verchromt war. Bei requirierten Wehrmachts-PKW wurden alle Chromteile grau überlackiert, um verräterische Reflektionen zu vermeiden.

Der Kühler scheint noch diese der Tarnung dienende Lackierung zu tragen, während die verchromten Scheinwerfer nachgerüstet sein können. Vielleicht trugen sie im Krieg auch einen Tarnüberzug aus Stoff, der eine Lackierung der Chromringe überflüssig machte.

Allerdings fällt der Chromrahmen der Frontscheibe auf – entweder wurde die Scheibe nach dem Krieg ausgetauscht oder die Lackierung ließ sich hier leichter entfernen als anderswo. Bei Wehrmachtsfahrzeugen sieht man oft, dass schon während des Kriegseinsatzes die Lackierung speziell an den Scheibenrahmen wieder abblättert, da der Untergrund dort vermutlich nicht eigens angerauht wurde (Beispiel hier).

Möglich ist zwar, dass nur die Kühlermaske von einem Wehrmachtsfahrzeug stammt und später an einem während des Kriegs zivil genutzten Hanomag verbaut wurde. Allerdings weisen mehrere Indizien darauf hin, dass der Wagen härter beansprucht wurde als ein Zivilfahrzeug.

Zum einen fehlen vorne und hinten die Radkappen, die ein privater Besitzer nach Wechsel der Räder oder Schmierung der Radlager sicher wieder montiert hätte. Auch die Reifen sehen nach rustikalem Geländeeinsatz aus. Zum anderen scheinen die Vorderkotflügel demoliert zu sein und die Frontstoßstange ist ersetzt worden:

Die montierte Stoßstange stammt von einem anderen Fahrzeug. Der markante mittige Knick nach unten ist beispielsweise beim Ford Köln bzw. Rheinland ab 1934 sowie beim Ford Eifel ab 1935 zu finden. Einen solchen Umbau unternimmt man nur, wenn die Originalstoßstange nicht mehr vorhanden ist. Nach einem leichten Unfall könnte man diese ja richten – wenn sie aber ganz fehlt, weist dies darauf hin, dass der Wagen zuletzt nicht im normalen Straßenverkehr bewegt wurde.

Es ist nur eine Vermutung, doch spricht einiges dafür, dass dieser Hanomag Garant in seinem früheren Leben feldmäßig eingesetzt wurde, also einen harten Dienst in der Wehrmacht verrichten musste. Nach dem Krieg wurde der irgendwo gestrandete Wagen wieder in Betrieb genommen und notdürftig hergerichtet.

Übrigens scheint die nachträglich montierte Ford-Stoßstange auch von einem Wehrmachts-Fahrzeug zu stammen, da sie werksseitig verchromt war. Oder der Zustand war so schlecht, dass der Besitzer sie kurzerhand in Wagenfarbe lackierte.

Dass wir es jedenfalls mit einer Aufnahme aus der frühen Nachkriegszeit zu tun haben, beweist das Nummernschild. Es wurde in der „Amerikanischen Besatzungsszone Bayern“ (AB) vergeben, wahrscheinlich 1948 (siehe untere Ziffernkombination in der Mitte).

Derartige Bilder aus der Nachkriegszeit zeigen Fahrzeuge, die mit Mühe und Not am Laufen gehalten wurden und an denen vieles nicht mehr „original“ war. Gerade solche schwer mitgenommenen, aber immer noch genutzten Vehikel sind in besonderer Weise authentisch. Entsprechende Originalbilder sind daher historisch interessanter als andere, die die Fahrzeuge noch im Neuzustand zeigen, der am wenigsten repräsentativ für ein Autoleben ist.

Leider hatten in der Vergangenheit nur wenige Veteranen-Liebhaber hierzulande das Gespür, solche Originale im vorgefundenen Zustand zu konservieren, anstatt sie wieder „auf neu“ zu machen und damit alle Spuren ihrer Geschichte zu zerstören.

Ein Jaguar Mk IV bei der Deutschen Kriegsmarine

Oft hört man, dass sich historische Autotypen leichter auseinanderhalten ließen als der formlose Einheitsbrei, der den Käufern heute verordnet wird. Natürlich erkennt auch ein ungeschultes Auge auf Anhieb einen VW Käfer, einen Fiat 500 oder eine Citroen DS – solche Stilikonen waren sogar als Rohkarosserie zu identifizieren.

Doch was die Autos der 1950er bis 70er Jahre an Charakter boten, war vorher keinesfalls immer gegeben. Wagen der späten 1920er und frühen 1930er Jahre sind in der Seitenansicht oft schwer auf Anhieb zu identifizieren. Viele europäische Typen folgten damals der von der Automobilindustrie in den USA vorgegebenen Mode.

Erst in den späten 1930er Jahren besannen sich die europäischen Marken auf eine eigene Formensprache. Mit einem Mal waren Fahrzeuge von Citroen oder Peugeot, Fiat oder Tatra auf den ersten Blick als solche erkennbar. Selbst die Modelle der in der Auto-Union zusammengefassten Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer hatten ein eigenes Gesicht.

Daneben gab es in Großbritannien eine Automobilkultur, deren Erzeugnisse sehr „eigen“ waren. Man sieht vielen britischen Wagen ihre Herkunft an, ohne dass sich genau sagen lässt, warum – hier ein besonders interessantes Beispiel:

© Originalfoto eines Jaguar Mk IV, 1940er Jahre; Bildquelle: Sammlung Michael Schlenger

Dieses Foto stammt aus dem Nachlass eines Offiziers der Deutschen Kriegsmarine, der im 2. Weltkrieg in Frankreich stationiert war. Die Buchstabenkombination „WM“ auf dem Kennzeichen steht für „Wehrmacht Marine“ und die Zahl gehört zum Nummernkreis des „Kommandierenden Admirals Frankreich“.

Zivilfahrzeuge, die im Krieg als Stabswagen eingezogen wurden, gab es tausendfach. Doch die Linien verraten, dass das kein deutsches Auto ist. Ein Jaguar, dachte der Verfasser, obwohl kein Markenname zu sehen ist. Der Verkäufer des Fotos wusste nicht, was er da hatte, und war mit dem gebotenen Preis einverstanden.

Die Recherche ergab, dass das abgebildete Fahrzeug ein Jaguar des Typs Mk IV 1.5 Litre mit Vierzylindermotor (Hubraum: 1,6 später 1,8 Liter) sein muss. Der ab 1935 gebaute Wagen trug als erstes Modell des Herstellers S.S. Cars Ltd. den Namen Jaguar. Ein markanter Unterschied zu den Sechszylindermodellen sind die freistehenden (nicht in die Kotflügel integrierten) Positionsleuchten.

Die Tarnscheinwerfer entsprechen nicht den auf deutscher Seite üblichen Bauteilen. So scheinen statt Überzügen zur Begrenzung des Lichtaustritts spezielle Scheinwerfergläser verbaut worden zu sein. Die Umgebung lässt ein Dünengelände erkennen, was für einen Aufnahmeort in Nordfrankreich spricht, wo die deutsche Kriegsmarine von 1940 bis 1944 zahlreiche Stützpunkte hatte.

Wie aber gelangte ein Jaguar Mk IV im 2. Weltkrieg nach Frankreich und in deutsche Hand? Da vom Jaguar Mk IV nur einige tausend Exemplare gebaut und kaum exportiert wurden, ist die naheliegendste Erklärung: ein Beutefahrzeug!

Nach der Kriegserklärung Frankreichs und Englands gegenüber dem Deutschen Reich im Jahr 1939 gelangten mit dem britischen Expeditionskorps bis 1940 tausende in England requirierte Zivilfahrzeuge nach Frankreich. Wie auf deutscher und französischer Seite auch verfügte die englische Armee nicht über genügend Kraftfahrzeuge; für Offiziere wurden massenhaft Privatwagen beschlagnahmt.

Der Jaguar dürfte von einem englischen Militärangehörigen genutzt worden sein, dessen Einheit mit den britischen Truppen im Mai 1940 bei Dünkirchen eingekesselt wurde. Zwar gelang die Evakuierung des Großteils des englischen Expeditionskorps über den Ärmelkanal. Doch mussten schwere Waffen und tausende von Fahrzeugen zurückgelassen werden.

Wahrscheinlich wurde der abgebildete Jaguar im Sommer 1940 in Frankreich erbeutet und in den Fahrzeugbestand der Wehrmacht eingegliedert. Das Heer war an einem so seltenen Wagen kaum interessiert, da im Unterschied zu den erbeuteten französischen Citroen, Renault und Peugeot keine Ersatzteile verfügbar waren.

Der Jaguar wurde aber von dem in Frankreich stationierten Kriegsmarine-Offizier geschätzt – das eigens angefertigte Foto spricht dafür. Ob der Wagen die erbitterten Kämpfe in Nordfrankreich nach der Invasion der Alliierten im Sommer 1944 überlebt hat, wissen wir nicht. Jedenfalls ist das Bild ein frühes Zeugnis eines deutschen Jaguar-Liebhabers.

Nach dem Krieg wurde das Modell Mk IV bis 1949 kaum verändert weitergebaut. Hier ein besonders schönes Exemplar, das 2014 auf der Classic Gala in Schwetzingen zu sehen war:

© Jaguar Mk IV in Schwetzingen, 2014 Bildrechte: Michael Schlenger

Und wer partout nicht genug von diesem klassischen Jaguar der 1930/40er Jahre bekommen kann, dem wird sicher das folgende Video eines Exemplars von 1947 gefallen, das auf Michael Helds Konto geht. Das Auto verfügt noch über seine originale Lederinnenaustattung und den seltenen Werkzeugsatz:

https://www.youtube.com/watch?v=FM2wVCLtRIg

© Videoquelle: Youtube; Coypright: Michael Held

Unterwegs im Adler Trumpf Cabriolet im Winter 1940

Dass der Winter in unseren Gefilden bereits vorüber ist, ist keineswegs ausgemacht. Und da der Fundus noch einige stimmungsvolle Winterbilder hergibt, bleiben wir vorerst bei dem Thema. Heute geht es um ein Cabriolet der 1930er Jahre, das auf folgendem Originalfoto zu sehen ist:

© Adler Trumpf Cabriolet, Baujahr 1934/35; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch ohne besondere Kennerschaft erkennt man, dass es sich um ein zum Militär eingezogenes Zivilfahrzeug handelt. Sofern der linke Teil des Nummernschildes nicht verdreckt ist, beginnt die Kennung mit der Ziffern-Buchstaben-Kombination „IA“, die auf eine Zulassung im Bezirk Berlin hinweist.

Das auf den in Fahrtrichtung linken Kotflügel gemalte Kürzel „WH“ steht für „Wehrmacht / Heer“. Darüber ist ein taktisches Zeichen angebracht, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Truppengattung – hier die Infanterie – erkennen lässt.

Der in die Ferne schauende Offizier links – zu erkennen an der silbernen Mützenkordel – dürfte zum Führungsstab seiner Einheit gehören. Auf dieser Ebene war während des 2. Weltkriegs der Transport in nicht-militärischen PKW eher die Regel als die Ausnahme – das gilt auch für die europäischen Kriegsgegner:

Was verrät die Frontpartie über den Wagen? Anhand der Gestaltung von Kühlermaske, Motorhaube, Schutzblechen und Radkappen lässt sich das Fahrzeug als Adler Trumpf identifizieren. Das markante Adler-Logo ist entweder unter dem Bezug des Kühlergrills verborgen oder bereits entfernt worden. Der Kühlerüberzug lässt nur den Mittelteil des Kühlers frei, wo ein schmaler Mittelsteg zu erkennen ist.

An der Mittelstange zwischen den eventuell nachgerüsteten, sehr großen Hauptscheinwerfern ist ein Nebelscheinwerfer montiert. Nur schemenhaft zeichnet sich die Hupe ab. Auch sie erscheint recht voluminös – vielleicht ebenfalls ein von einem größeren Wagen stammendes Ersatzteil.

Sämtliche Chromteile – Stoßstange, Scheinwerferringe, Scheibenrahmen – sind wie der gesamte Wagen grau überlackiert. Hinter der Windschutzscheibe ist eine nachträglich angebrachte Heizvorrichtung zu erkennen. Sie wurde mit Saugnäpfen von innen befestigt und an das Bordnetz angeschlossen. Dieses sinnvolle Zubehör gab es in unterschiedlichen Größen und technischen Spezifikationen zu kaufen:

© Heizgitter für die Frontscheibe, Marken “Melas” und Avog“ im Katalog des Zubehörhändlers Otto Plümecke, Hannover; Faksimile des Archiv-Verlags

Bei der genauen Identifikation des Modells ist ein Blick auf die Seitenpartie des Adler hilfreich. Denn die Grundform des Wagens findet sich sowohl beim großen „Trumpf“ in der von 1932-36 gebauten Version mit 1,5 oder 1,7 Liter-Motor als auch beim 1934 vorgestellten, kleineren „Trumpf Junior“ mit 1-Liter-Aggregat.

Der Schlüssel zur Lösung ist die Ausführung als 4-Fenster-Cabriolet. Denn diese gab es laut einschlägiger Literatur nur beim Trumpf, während die Cabrio-Ausführung des Trumpf-Junior mit zwei Fenstern auskommen musste. Die Cabrio-Limousine des Trumpf-Junior verfügte zwar ebenfalls über vier Fenster, wies aber einen stärkeren Mittelholm auf als der hier zu sehende Wagen.

Somit haben wir es hier sicher mit einem Adler Trumpf Cabriolet zu tun, das in der 4-Fenster-Ausführung nur 1934/35 verfügbar war. Diese Version wurde im Normalfall von Karmann gebaut, seit 1932 der von Adler bevorzugte Lieferant von Cabrio-Aufbauten.

Stutzig macht nur eines: Die Unterseite der Zierleiste, die unterhalb der Fensterlinie verläuft, fällt bereits vor den Türscharnieren ab. Auf Abbildungen des Cabriolets von Karmann scheint die Leiste länger geradlinig zu verlaufen, um dann abrupter abzufallen, ähnlich übrigens wie bei der seltenen Ausführung des Trumpf-Cabriolets von Autenrieth.

Möglicherweise täuscht die Perspektive aber auch. Zudem wurden die Karosserien bei Karmann größtenteils handwerklich gefertigt, sodass wohl keine im Detail ganz genau wie die anderen ausfiel. Auf jeden Fall eine sehr gelungene Form, die von der großen Stilsicherheit kündet, die seinerzeit typisch für Karmann war.

Was lässt sich zu Ort und Zeitpunkt der Aufnahme sagen? Nur dieses: Auf der Rückseite des Fotos steht der handschriftliche Vermerk „Mein Wagen, 1940“. Damals war der Frankreichfeldzug mit dem Sieg der Wehrmacht beendet. Was das Neue Jahr bringen würde, den fatalen Angriff auf die Sowjetunion, dass wussten der Offizier auf dem Bild und sein junger Fahrer, der hinter dem Adler steht und den Fotografen uns anschaut, ganz sicher nicht.

Der finstere in die Ferne gehende Blick des Offiziers kommt uns heute dennoch wie ein Vorgriff auf das noch Kommende vor.

© Adler Cabriolet, Russland 1943; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

„La Petite Rosalie“ – allein unter Männern…

Ob Käfer, Landy oder Pappe – auf so geniale Autonamen kommt wohl nur der Volksmund. Leider versiegte diese kreative Quelle mit dem Einzug der neuen Sachlichkeit in den 1960er Jahren weitgehend: Seither gab man sich auch am Stammtisch mit Bezeichnungen wie 02er BMW, Strich-8er Mercedes oder Einser-Golf zufrieden. Rare Ausnahmen waren „Erdbeerkörbchen“ (Golf 1 Cabriolet ) und „Baby-Benz“ (Mercedes 190).

Interessanterweise waren auch in den 1920/30er Jahren Kosebezeichnungen für Automobile eher selten. Abgesehen vom Hanomag „Kommissbrot“ fiel dem Volksmund hierzulande zu zeitgenössischen Autos nicht viel ein. Das mag an der nur geringen Verbreitung von Kraftfahrzeugen gelegen haben.

In Frankreich sah das damals ähnlich aus, man begnügte sich meist mit der offiziellen Typangabe, die in der Regel der nach der Steuerformel berechneten PS-Zahl entsprach. Eine interessante Ausnahme der 1930er Jahre waren Citroens 8 bzw. 10 CV-Modelle, die den Beinamen Rosalie erhielten.

Dabei mag der Vertrieb von Citroen nachgeholfen haben, denn unter der Bezeichnung „La Petite Rosalie“ stellte 1933 ein Fahrzeug des Typs 8CV einen vielbeachteten Rekord auf. Als Nachweis der Zuverlässigkeit des 1932 vorgestellten 1,5 Liter-Modells ließ Citroen einen technisch identischen Special auf der Rennstrecke von Monthléry bei Paris 300.000 km abspulen. Der Wagen lief fast ununterbrochen über 133 Tage und Nächte und erzielte ein Durchschnittstempo von über 90 km/h. 

Hier ein historisches Filmdokument dieser Rekordfahrt (Sprache: Französisch):

© Filmquelle: Youtube; Urheberrechte: vermutlich Citroen S.A.

Der Kosename übertrug sich in der Folge auf alle Motorvarianten des Modells, also neben dem 8CV auch auf den stärkeren 10CV (1,8 Liter, 36 PS) und das seltene Sechszylindermodell 15CV (2,7 Liter, 56 PS). Äußerlich unterschieden sich die einzelnen Versionen von der Wagenlänge abgesehen kaum. Ab 1934 wurde die bisher senkrecht stehende Kühlermaske schräggestellt.

Eine solche „Rosalie“ von Citroen hat sich auf dem folgenden Bild versteckt. Es zeigt auf den ersten Blick lediglich eine Gruppe von Männern, die im Wald auf abenteuerliche Weise ihr Mittagessen zubereitet bzw. einnimmt:

  © Wehrmachtssoldaten mit Citroen Rosalie, um 1940; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

So viele junge Männer auf einem Haufen deuten auf eine Armee-Einheit hin, tatsächlich sind es deutsche Wehrmachtssoldaten. Uniformjacken, Kopfbedeckungen und persönliche Ausrüstung haben sie weitgehend abgelegt. Dies ließe darauf schließen, dass die Aufnahme bei einem Manöver entstanden ist.

Doch der Wagen rechts im Hintergrund legt eine andere Interpretation nahe. Denn weshalb sollte die kleine Rosalie einer Wehrmachtsübung beiwohnen? Der folgende Ausschnitt zeigt das Fahrzeug deutlicher:

Das Fahrzeug verfügt noch über den senkrecht stehenden Kühler und nur vier seitliche Kühlluftklappen. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um ein vor 1934 gebautes Vierzylindermodell (8CV oder 10 CV).

Der Wagen hat zwar keine Tarnscheinwerfer, aber möglicherweise bereits ein deutsches Nummernschild. Es wird wohl ein Beutefahrzeug sein, das den deutschen Truppen bei der Besetzung Frankreichs im Sommer 1940 in die Hände gefallen ist. Nach der Kapitulation Frankreichs war es vertretbar, wenn eine Wehrmachtseinheit jenseits des Rheins Rast machte, ohne gefechtsbereit zu sein.

Wer sich für deutsche Militaria jener Zeit interessiert, bemerkt die ungefärbte Arbeitshose (Drillichanzug) des im Vordergrund sitzenden Soldaten. Sein Kamerad ganz links ist am Winkel auf dem Ärmel als einfacher Mannschaftsdienstgrad (Gefreiter) zu erkennen. Gut zu erkennen ist der typische Schnitt der Uniformhosen mit hohem Bund. Was auf den ersten Blick wie T-Shirts aussieht, sind kurzärmlige Hemden mit Knopfleiste, die in der warmen Jahreszeit getragen wurden.

Wahrscheinlich wurde der erbeutete Citroen erst einmal in den Wehrmachtsfuhrpark eingegliedert – französische Qualitätsautos wurden auf deutscher Seite geschätzt. Doch sein fortgeschrittenes Alter dürfte ihn vor einem späteren harten Einsatz beim Russlandfeldzug (ab 1941) bewahrt haben. Dort mussten vor allem die modernen Citroen des Typs Traction Avant als Stabsfahrzeuge herhalten, wie viele Fotos zeigen.

Somit könnte es der kleinen Rosalie gelungen zu sein, dieser abenteuerlichen Männergesellschaft irgendwann wieder zu entwischen…

„Voll“ praktisch – Hanomag Rekord Pickup

Auch im Internet-Zeitalter hat das Oldtimer-Buch längst nicht ausgedient. Denn oft gerät das Netz an seine Grenzen, wenn es um zuverlässige, in die Tiefe gehende, ansprechend präsentierte Informationen zu entlegenen Marken und Fahrzeugtypen geht. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Meist liegt das daran, dass die entscheidende Recherchearbeit zu einem Zeitpunkt geleistet wurde, als es das Internet noch nicht gab. Die Ergebnisse wurden dann in Druckwerken festgehalten, deren Auflage sich an der Zahl der dafür empfänglichen Enthusiasten orientierte; danach ist meist nichts mehr passiert.

Man nehme etwa das Werk von Görg/Hamacher: Hanomag-Personenwagen – Von Hannover in die Welt, erschienen 1999. Wer sich für die einstige PKW-Produktion des Maschinenbaukonzerns interessiert, kommt an dieser Publikation nicht vorbei – vorausgesetzt, man kann ein antiquarisches Exemplar ergattern wie der Verfasser.

Diese Situation ist unbefriedigend: Zum einen rückt der Tag näher, an dem es heißt „Was nicht online ist, existiert auch nicht“. Für Hanomag-Enthusiasten werden künftig die gedruckten Informationen zur Marke unerreichbar sein, wenn sie nicht ins Internet überführt werden. Zum anderen ist ein laufendes Fortschreiben des Recherchestands nicht gesichert, wenn die Basis dafür nicht online ist.

Ein Beispiel dafür soll hier präsentiert werden, ein Hanomag „Rekord“ Pickup der frühen Nachkriegszeit. Ab Werk war keine Transporterversion dieses von 1934 bis 1938 produzierten Mittelklassewagens verfügbar. Und doch hat es so etwas als Spezialanfertigung eindeutig gegeben:

© Hanomag Rekord Pickup 1940/50er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses scheinbar unspektakuläre Foto liefert bei näherem Hinsehen hochinteressante Details. Dabei stand der Wagen bei der Aufnahme gar nicht im Mittelpunkt – der Fotograf hat die Person am Steuer in den Mittelpunkt gesetzt – ein schönes, ausdrucksstarkes Bild.

Das Auto lässt sich anhand weniger Details als Hanomag Rekord ansprechen. Die Kühlluftklappen, die zur A-Säule aufsteigende Linie, die sich in einer Zierleiste an der Regenrinne am Dach fortsetzt, die parallele Ausrichtung von Motorhaubenabschluss und Türvorderkante – alles das gibt es bei der für den Rekord (und den seltenen „Sturm“) von Ambi-Budd gelieferten Karosserie, Typ „Jupiter“.

Doch die Standardkarosserie endet hinter dem Fahrersitz, eigentlich schon hinter der A-Säule. Denn die horizontale Linie, die sich von der Motorhaube nach hinten fortsetzen sollte, ist abgeschnitten – die Tür hat eine komplett flache Außenhaut. Dahinter folgt ein rein funktionell gestaltete Ladefläche mit hohen Seitenwänden.

Was ist das für ein Umbau? Den entscheidenden Hinweis liefert die Plakette, die oberhalb des hinteren Kotflügelendes seitlich angebracht ist:

Klar zu lesen ist dort „VOLL“. Wer hier an die Berliner Karosseriemanufaktur Voll & Ruhrbeck denkt, liegt daneben. Vielmehr gab es von 1926 bis 1992 in Würzburg die Karosseriefabrik Voll KG, die wahrscheinlich für diesen Umbau veranwortlich war.

Dafür spricht der Name des Fotostudios, der auf der Rückseite des Fotos  vermerkt ist: „A. Schmal, Hammelburg“. Der Ort liegt nur 50 km von Würzburg entfernt. Das macht es plausibel, dass von der dort ansässigen Firm Voll in der Nachkriegszeit ein Hanomag Rekord zu einem Transporter umgebaut wurde.

Möglicherweise handelte es sich um ein ehemaliges Wehrmachtsfahrzeug, das bei Kriegsende 1945 in der Nähe aufgegeben worden war. So fragwürdig ein Erwerb von Militäreigentum war: Man brauchte auf dem Land dringend Transportkapazität und man kann davon ausgehen, dass das von offizieller Seite möglich gemacht wurde.

Zu einer Datierung in die frühe Nachkriegszeit passt das Erscheinungsbild der Fahrerin. Sie trägt lange Zöpfe, die spätestens in den 1950er Jahren „abgeschnitten gehörten“. Der grobe Strickpullover unterstreicht die rustikal anmutende Gesamtsituation. Interessant ist die Frontscheibenheizung, die man auf folgender Ausschnittsvergrößerung zusammen mit dem Winker an der A-Säule gut erkennen kann:

Es ist unwahrscheinlich, dass der Besitzer des Wagens dieses nützliche Accessoire in der frühen Nachkriegszeit anbrachte – man hatte andere Sorgen. Vermutlich war das Zubehör bereits im Hanomag installiert, als er nach Kriegsende den Besitzer wechselte. Auf Fotos von Wehrmachts-PKW an der Ostfront sieht man öfters solche Scheibenheizungen.

Dass der in Fahrtrichtung rechte Scheibenwischer fehlt, passt ebenfalls zu einem bereits intensiv genutzten Fahrzeug, bei dem nur noch der praktische Wert zählte. Für eine entspannte Einstellung zu dem einst begehrten Vehikel spricht nicht zuletzt, dass an der zweiteiligen Radkappe am linken Hinterrad der Abschlussdeckel fehlt:

Bilder wie diese sagen viel darüber, wie ein Hanomag Rekord einst wirklich genutzt wurde. Das hat nichts mit dem Zustand „besser als neu“ zu tun, den leider immer noch viele vermeintliche Oldtimer-Freunde gerade hierzulande anstreben.

Zur Geschichte einer Automarke und eines speziellen Wagentyps gehören auch historische Belegstücke wie das hier präsentierte. Es wäre zu wünschen, dass Bilder und Informationen wie diese künftig ebenso systematisch aufbereitet und allgemein zugänglich gemacht würden, wie dies bislang in einschlägigen Druckwerken – und dort oft auch nur eingeschränkt  – der Fall war.

Weiterer Artikel zum Hanomag Rekord

Hanomag „Rekord“ Cabriolet im Militäreinsatz

Mit dem deutschen Maschinenbauer Hanomag verbinden die meisten Lastkraftwagen und Schlepper. Dass der Konzern aus Hannover bis 1941 auch PKW baute, ist vielen Klassikerfreunden kaum präsent. Allenfalls das skurrile Hanomag „Kommissbrot“ aus den 1920er Jahren erfreut sich noch einer gewissen Bekanntheit.

Tatsächlich landete Hanomag seinen größten Erfolg im Autobau erst Mitte der 1930er Jahre, mit dem Mittelklassewagen „Rekord“. Nachdem die Firma zuvor nur Kleinwagen gebaut hatte, stieß sie damit in den Kreis der größten PKW-Produzenten in Deutschland vor.

Der Hanomag Rekord wartete mit einem 1,5 Liter großen Vierzylinder-Motor auf, der besonders robust ausgelegt war, da daraus auch ein Dieselaggregat abgeleitet werden sollte. Mit 35 PS war der Rekord für damalige Verhältnisse ausreichend motorisiert, er erreichte knapp die 100 km/h-Marke.

Mit 4-Gang-Getriebe, Einzelradaufhängung vorne und hydraulischen Bremsen war der Rekord auf der Höhe der Zeit. Die gefällige Ganzstahlkarosserie vom Ambi-Budd tat ihren Teil dazu, den Wagen zu einem – gemessen an deutschen Verhältnissen – Verkaufserfolg werden zu lassen. Von 1934 bis 1938 entstanden gut 18.000 Exemplare.

So ist es kein Wunder, dass auch der Hanomag Rekord ab Kriegsbeginn 1939 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Die Konstruktion galt als robust und Ersatzteile waren relativ schnell verfügbar. Nur Zweitakter und Exoten entgingen seinerzeit der Requirierung. Hier ein Originalfoto eines Hanomag Rekord im Militäreinsatz:

© Hanomag Rekord Cabriolet, um 1940; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Foto zeigt die Cabriolet-Version des Hanomag Rekord, für die es gegen Aufpreis sogar Lederpolster gab. Ob der hier gezeigte Wagen so luxuriös ausgestattet war und ob es sich um die 2- oder 4-Fenster-Variante handelte, lässt sich nicht entscheiden.

Jedenfalls sieht der Wagen schon gut gebraucht aus, die vorderen Kotflügel sind zerdellt und an der Stoßstange kommt unter der Lackierung in Feldgrau die Verchromung wieder zum Vorschein.

Kurios ist, dass die vor dem Kühler montierte Hupe nicht ebenfalls überlackiert worden ist. Sie war serienmäßig ebenso verchromt wie der Bügel zwischen den Scheinwerfern, an dem sie befestigt ist.

Denkbar ist, dass die Hupe nach einem Defekt nachträglich ersetzt worden ist. So weist der Mittelstab der Kühlermaske auf eine Beschädigung hin. Dann wäre eine improvisierte Reparatur zu vermuten, vielleicht war gerade keine Tarnfarbe verfügbar.

Dass man auf konsequente Tarnung keinen Wert legte, mag mit der Aufnahmesituation zu tun haben. Zwar sind auf der Rückseite des Fotos keine Hinweise auf Ort oder Zeitpunkt vermerkt. Jedoch lassen sich aus dem Kontext einige Rückschlüsse ziehen. Das Bild zeigt offenbar einen Nachschubtreck mit Pferdewagen. Während die meisten deutschen Kampfeinheiten ab 1940 motorisiert waren, wurde das Gros des Materials nach wie vor mit der Eisenbahn oder von Pferden gezogenen Lastwagen transportiert.

Das erklärt auch den unstillbaren Hunger der Wehrmacht nach privaten PKW – zu keinem Zeitpunkt des Krieges waren ausreichend motorisierte Transportkapazitäten vorhande. Das war übrigens bei den europäischen Kriegsgegnern nicht anders. Nur die Amerikaner waren dank ihrer Massenproduktion nicht auf Zivilfahrzeuge angewiesen.

Werfen wir einen näheren Blick auf die drei Soldaten im Hanomag:

Der schon etwas Ältere links ist der Schirmmütze nach zu urteilen ein Unteroffizier, vom Alter her könnte er als junger Mann schon den 1. Weltkrieg erlebt haben. Der jüngere Kamerad in der Mitte dürfte den Schulterklappen nach zu urteilen ein Feldwebel sein. Er trägt den linken Arm in einem Dreieckstuch, was auf eine jüngst erlittene Verletzung hindeutet. Der Soldat zu seiner Linken ist ein Gefreiter – zu erkennen am Winkel auf dem Ärmel. Als Mannschaftsdienstgrad trägt er keine Schirmmütze, sondern ein Schiffchen.

Alle drei Soldaten tragen die feldgraue Uniform der Infanterie mit dunkelgrünem Kragen, die es nur bei Kriegsbeginn gab. Das spricht für eine frühe Entstehung des Bildes. Zieht man die Benutzungsspuren des Hanomag ins Kalkül – siehe auch den Frontscheibenrahmen – spricht einiges für den Frankreichfeldzug, der im Sommer 1940 nach sechs Wochen „Blitzkrieg“ mit der französischen Kapitulation beendet war.

Vermutlich ist die Aufnahme bei einer nachrückenden Versorgungseinheit im Hinterland fernab jeder Bedrohung entstanden. Was aus dem Hanomag und den Männern auf dem Bild wurde – wer weiß…

Weiterer Bildbeitrag zum Hanomag Rekord

Automobiler Neujahrsgruß aus der Vergangenheit

Heute vor 100 Jahren tobte an mehreren Fronten in Europa der Erste Weltkrieg. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 31.12.1915 (Pdf-Datei) von Kämpfen in Galizien, Tirol und auf dem Balkan sowie Seegefechten in der Nordsee und im Mittelmeer.

Ein weiterer Beitrag in derselben Ausgabe berichtet davon, dass in den Wiener Kaffeehäusern kriegsbedingt keine Milch mehr erhältlich sei. Auf die berühmte Melange muss daher wie so vieles verzichtet werden. Schritt für Schritt rückt der Krieg auch in den Alltag der Zivilisten ein.

Zahllose zeitgenössische Dokumente zeugen noch heute davon, dass der Krieg damals in Europa allgegenwärtig war. So auch dieser Neujahrsgruß, den einst eine gewisse Helene Kuhlmann auf einer Postkarte sandte.

© Originale Neujahrskarte von 1915 aus Sammlung Michael Schlenger 

Zu sehen ist ein offener Viersitzer mit zwei Offizieren auf der Rückbank. Sie tragen noch die traditionellen Pickelhauben, die 1916 vom Stahlhelm abgelöst wurden. Der Fahrer ist mit Schirmmütze und Pelzkragen ausgestattet. Links neben ihm scheint ein Gewehrhalter angebracht zu sein.

Auf der hinteren Tür ist der Doppelkopfadler der österreichisch-ungarischen Monarchie angebracht, den man auch auf zeitgenössischen Fotos häufig findet. Die Flagge des verbündeten Deutschen Reichs hat der Gestalter der Karte dazuerfunden – wohl aus patriotischer Gesinnung.

Der Wagen folgt einem seinerzeit verbreiteten Typ und lässt sich nicht näher bestimmen. Das folgende historische Foto zeigt ein ähnliches Fahrzeug im Winter an einer gesprengten Brücke.

© Originalfoto Winter 1915; Sammlung Michael Schlenger 

Dokumente wie diese sind geeignet, einen nachdenklich und dankbar zu stimmen, auch wenn man sich eigentlich „nur“ für Zeugnisse historischer Mobilität interessiert.

Eine pannenfreie Fahrt in ein friedliches und glückliches Neues Jahr allen Freunden klassischer Fahrzuge!

 

Mercedes-Wagenwäsche vor 100 Jahren

Während heutzutage „Feinstaub“ herhalten muss, um ständig neue Umweltauflagen zu rechtfertigen, und in Großstädten wie Frankfurt auf mehrspurigen Ringstraßen Tempo 30 verordnet wird (der „Red Flag Act“ lässt grüßen), ist es hilfreich, sich die Ökostandards vor 100 Jahren zu vergegenwärtigen.

Damals war es eine Errungenschaft, dass jede Kleinstadt im Deutschen Reich an das Eisenbahnnetz angeschlossen war, das freilich auf Dampfbetrieb beruhte. In den Industriemetropolen qualmten die Schornsteine Tag und Nacht. Damals wurden die Grundlagen des Wohlstands geschaffen, den wir heute wie selbstverständlich genießen.

Automobile setzten sich nach Jahren der Anfeindung als sinnvolle und begehrenswerte Schöpfungen durch. Für die damit verbundenen Vorteile – individuelle Mobilität für berufliche und private Zwecke – war jedoch ein Preis zu zahlen, der schon bald deutlich wurde.

Die Unfallgefahren waren hoch, für Insassen und sonstige Verkehrsteilnehmer gleichermaßen. Die Abgas- und Lärmbelästigung durch das Automobil wurde bereits früh angeprangert. Elektro- und Dampfwagen waren entsprechend populär, solange Reichweite und Gewicht weniger wichtig waren.

Kein Thema war dagegen lange Zeit die Belastung von Gewässern und Boden durch Öl und sonstige Schmierstoffe. Als Beispiel mag das folgende Originalfoto dienen, das Soldaten bei der Wagenwäsche im 1. Weltkrieg zeigt.

© Originalfoto Mercedes in Serbien, wohl 1914/15; Sammlung: Michael Schlenger 

Laut umseitiger Beschriftung wurde das Bild an der Morawa aufgenommen, einem serbischen Zufluss der Donau. Der Wagen – wohl ein Stabsfahrzeug – trägt unter der Windschutzscheibe ein militärisches Nummernschild und die Bezeichnung der Truppeneinheit, einer Jäger-Kompanie.

Es handelt es sich um einen Mercedes der Daimler-Werke, doch das genaue Modell ist bislang unbekannt. Die simple Form der Schutzbleche verweist auf ein Exemplar um 1910, während der Übergang der Motorhaube zur Schottwand und die integrierten Leuchten auf eine spätere Entstehung hindeuten.

Kurios ist das Erscheinungsbild der Drei, die den Mercedes im Fluss waschen. Der Soldat rechts posiert vorschriftsmäßig im Arbeitsanzug mit „Knobelbechern“ und Schirmmütze. Sein Kamerad in der Mitte ist an Kopfbedeckung und Brille immerhin noch als Fahrer zu erkennen. Doch er hat sich schon eine „Anzugerleichterung“ erlaubt. Der Soldat links trägt nur eine Schirmmütze – ansonsten ein Handtuch als Lendenschurz.

Wer meint, das sei ein Privatfoto unter Kameraden, liegt falsch. Es handelt sich ausweislich der Beschriftung auf der Rückseite um eine offizielle Aufnahme, die vom Stellvertretenden Generalstab zur Veröffentlichung freigegeben war. Offenbar wollte man zeigen, dass es an der Front mitunter fidel und freizügig zugeht. Aus dem 2. Weltkrieg gibt es ähnliche Aufnahmen, die es bis in die Deutsche Wochenschau geschafft haben. So verklemmt, wie man heute meint, waren unsere Ahnen nicht.

Nur der Umweltschutz hatte damals noch keine Priorität. In Zeiten hervorragender Luft- und Wasserqualität hierzulande ist das ein Anlass, heutige Weltuntergangsszenarien etwas gelassener zu sehen.

Ein Fiat 1100 Transporter der 1940er Jahre

Transporter-Versionen klassischer Automobile haben einen ganz eigenen Reiz. Gerade bei Pritschenwagen der Vorkriegszeit sorgt der Bruch zwischen der gefälligen Frontpartie und dem schmucklosen Aufbau für eine Spannung, die der Limousine meist fehlt.

Oft genug ist das Heck ohnehin die weniger attraktive  Partie. Beim Peugeot 202 etwa hat der Abschluss der Normalausführung keine Chance, mit der großartigen Linienführung an der Front mitzuhalten. Folglich vermisst man beim Pickup hinter der Fahrerkabine auch nichts.

© Peugeot 202UH von 1949, Peugeot 201, NSU Fiat 500, Autobianchi Panoramica, Fiat 500 Giardiniera; Bildrechte: Michael Schlenger 

Dann gibt es Modelle mit hohem Niedlichkeitsfaktor, denen man kaum eine Nutzfahrzeugvariante zutraut. Die als „Giardiniera“ bezeichnete Kombiversion des Fiat 500 beispielsweise sorgt immer wieder für Erstaunen. Auch hier hat der Kontrast zwischen der hübschen Ausgangsversion und der sachlichen Heckpartie seinen Reiz.

Es gibt allerdings auch Fahrzeuge, bei denen das Bemühen erkennbar ist, die schnöde Transportfunktion durch handwerklich aufwendige und formschöne Gestaltung des Hecks zumindest etwas zu kaschieren. Eines der seltenen Beispiele dafür zeigt das folgende Bild:

© Originalfoto Fiat 1100 L Transporter aus dem 2. Weltkrieg; Sammlung: Michael Schlenger 

Zu sehen ist ein Fiat 1100 L mit offener Ladefläche, der als Furgoncino oder Camioncino bezeichnet wurde, was so viel wie Kleintransporter bedeutet. Das „L“ weist auf das gegenüber der Standardversion verlängerte Chassis hin, das es von 1938 bis 1948 gab.

Für das italienische Militär wurden tausende Exemplare der Transportversion des „Millecento“ gebaut, für den harten Einsatz im Afrika-Feldzug (1940-1943) auch als „Coloniale“mit verstärktem Fahrwerk und höherer Zuladung (750 kg).

Der Fiat auf obigem Bild ist offenbar einer dieser militärisch genutzten Transporter vom Typ 1100L. Dennoch verfügt auch er über die schön geschwungene Heckpartie in bester Schreinerarbeit, die in merkwürdigem Gegensatz zum eigentlichen Nutzwert steht.

Die Ausschnittsvergrößerung lässt nur ahnen, wie aufwendig der Aufbau des Transporters tatsächlich war. An einem restaurierter Fiat 1100L Camioncino kann man die sorgfältige Holzkonstruktion genau studieren.

Das Bild muss zwischen 1943 und 1945 in Italien entstanden sein. Die drei Soldaten tragen die für die Südfront typische deutsche Uniform. Der Fiat stammt wohl von den ehemaligen italienischen Verbündeten, die nach der Eroberung Siziliens durch die Alliierten 1943 die Seiten wechselten. Er trägt jedenfalls keine Divisionsabzeichen und taktischen Zeichen, wie sie bei der Wehrmacht auch bei Fremd- und Beutefahrzeugen üblich waren.

Über den genauen Entstehungsort des Fotos lässt sich nur mutmaßen. Die Landschaft deutet auf eine dünn besiedelte Gegend irgendwo im Apenninen-Gebirge hin. Die Straße scheint jedoch bereits asphaltiert zu sein, was eher für Mittelitalien spricht als für den tiefen Süden.

Die Ladung umfasst offenbar einen Motorradreifen und allerlei Ausrüstung. Sollte der Fiat allein unterwegs gewesen sein, hätten zwei der vier Mann (einschließlich des Fotografen) nur Platz auf der Ladefläche finden können. Die Szenerie hat etwas von einer „Lustreise“ abseits des Dienstalltags.

Sollte der Fiat den Krieg überstanden haben, stand ihm noch ein hartes Dasein bevor. Denn im Nachkriegsitalien wurde jede Form motorisierter Transportkapazität gnadenlos aufgebraucht. Deshalb sind gerade die Nutzfahrzeugvarianten von Fiat und Co. heute so selten und faszinierende Zeitzeugen.

Mehr zur Modellgeschichte des Fiat 1100 hier.