Hanomag „Sturm“ Cabriolet mit Hebmüller-Karosserie

Der Maschinenbauer Hanomag aus Hannover gehörte in den 1930er Jahren nach Adler, DKW, Ford, Opel und Mercedes zu den bedeutendsten Autoherstellern in Deutschland.

Hanomag-PKWs waren technisch nie sonderlich avanciert, aber sorgfältig konstruiert, hervorragend verarbeitet und ausgesprochen langlebig. Kein Wunder, dass auch nach dem Krieg viele dieser Wagen ihren Besitzern noch lange treue Dienste leisteten – heute würde man solche Qualitäten als „nachhaltig“ bezeichnen.

Wenn man vom Erstling der Hannoveraner – dem „Kommissbrot“ – absieht, waren Hanomags meist ein erfreulicher Anblick. Auch in formaler Hinsicht mied man unnötige Experimente. Speziell die von Ambi-Budd in Berlin zugelieferten Karosserien mit ihren klaren Linien standen den Hanomag-Typen „Rekord“ und „Sturm“ ausgezeichnet.

Hier eine zeitgenössische Abbildung des Hanomag „Sturm“, des 6-Zylinder-Spitzenmodells der Marke, mit makellos gezeichnetem Standardaufbau:

Hanomag_Sturm_Werksfoto_Galerie

© Hanomag „Sturm“, 6-Fenster-Limousine, Baujahr: 1934-39; Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger

Man beachte, wie die seitlichen Luftklappen an der Motorhaube präzise der Neigung der Kühlermaske, der Frontscheibe und dem vorderen Türabschluss folgen. Gleichzeitig betont eine umlaufende Sicke den Verlauf des harmonisch geschwungenen Vorderschutzblechs. Das ist blitzsaubere, bruchlose Arbeit, die dem Auge schmeichelt.

Sehr schön sind auch die organisch durchgeformten Stahlfelgen, die förmlich die Kraftlinien sichtbar machen. So markant gestaltete Räder bot damals sonst nur Fiat. Die meisten Konkurrenten kamen ab Ende der 1920er Jahre mit Scheibenrädern oder pflege- und wartungsintensiven Stahlspeichenfelgen daher.

Nun aber zu einem extravaganten Gegenentwurf auf derselben Basis – ein Hanomag „Sturm“ Cabriolet mit Karosserie von Hebmüller aus Barmen (Wuppertal):

© Hanomag „Sturm“ Cabriolet, Karosserie Hebmüller, 1938/39; Werksfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen auf diesem originalen Werksfoto von 1938/39 wirkt auf den ersten Blick mondän, die helle Zweifarblackierung lässt den mächtigen Wagen mit seinem Radstand von 3,10m leicht scheinen.

Doch so eindrucksvoll der Gesamtentwurf daherkommt, so irritierend sind einige Details. Beim genauem Hinsehen stört manches die dynamische Linie. Werfen wir zunächst einen näheren Blick auf die Frontpartie:

Zu beanstanden ist zunächst der aus der Art geschlagene Kühlergrill. Man hat sich hier wohl vom „Waterfall“-Kühler des missratenen Chrysler Airflow inspirieren lassen. Doch die exaltierte Front mag auch hier nicht so recht überzeugen, schon gar nicht der willkürliche Haken an der mittleren Zierleiste.

Zudem findet die Neigung des Kühlers keine Entsprechung an der übrigen Karosserie. Weder die Frontscheibe noch die Spalte von Motorhaube oder Tür nehmen den Schwung der Vorderpartie auf. Stattdessen weist jede dieser Linien einen eigenen Verlauf auf.

Besonders unglücklich gestaltet ist die Luftklappe zwischen Motorhaubenabschluss und der Tür – hier würde man sich die harmonische Linienführung der Standardkarosserie wünschen. Auch die beiden Reihen von Luftschlitzen in der Haube haben keinen rechten Bezug zur übrigen Frontpartie.

Ebenfalls nicht überzeugend sind die Zierleisten, die den Verlauf der Kotflügel betonen sollen. Sie wirken wie nachträglich von einem wenig geschmackssicheren Besitzer aufgenietet, man fühlt sich an den Radlaufchrom der 1970/80er Jahre erinnert. Die durchgehend geprägten Sicken bei der Serienkarosserie wirken weit eleganter.

Immerhin hat man die Standardräder beibehalten, an denen es nichts zu verbessern gibt. Man sieht fömlich den satten, hellen Lack den Stahl umfließen.

Kommen wir zur Heckpartie, an der es ebenfalls Licht und Schatten gibt:

Der Heckabschluss mit dem organisch angesetzten Kofferraum ist nicht zu beanstanden. Hier fließen alle Linien demselben Ziel zu – sehr schön.

Ein gelungenes Detail ist die Chromleiste in Form eines Kometenschweifs, die von der Seitenlinie nach unten abweicht und genau auf den Bogen des Kotflügels zielt. Eine ähnlich raffinierte Lösung findet sich bei den zeitgleichen DKW „Front Luxus“ Cabriolets.

Ein Makel ist jedoch auch hier die aufgesetzte Zierleiste um den Radausschnitt herum. Geradezu brachial wirken daneben die drei massiven Türscharniere. Zeitgenössische Wagen der gleichen Klasse kamen mit zwei Scharnieren aus, die zudem filigraner wirkten.

Genug des Lamentos – gemessen an den Linien der meisten heutigen Serienfahrzeuge, die ohne erkennbaren Zusammenhang über den Karosseriekörper verteilt sind, ist dieser Hanomag „Sturm“ mit Hebmüller-Karosserie ein Sahnestück.

Wo wir schon beim gestalterischen Können unserer Altvorderen sind: Auch das Gebäude im Hintergrund verdient unsere Beachtung:

Zu sehen ist der Seitenflügel des Rathauses von Hannover, das 1913 fertiggestellt wurde. Es ist ein spätes Beispiel des historisierenden Stils des 19. Jahrhunderts, dem wir eine Vielzahl formal eigenständiger und enorm dauerhafter Bauten verdanken.

Die Zeiten, in denen die öffentliche Hand ohne Verschuldung, Baukostenüberschreitung und andere Peinlichkeiten auf einem derartigen Niveau bauen konnte, sind lange vorbei. Leider fällt auch den meisten Architekten unserer Zeit außer öden Variationen über Schukartons mit Rasterfassaden nichts vergleichbar Spannendes und Gefälliges ein.

So findet die Leidenschaft zu klassischen Automobilen heutzutage ihr Pendant in der Freude an intakten historischen Innenstädten mit über Jahrhunderte entstandenden, vielfältigen und dennoch zueinander passenden Bauten.

Der Wunsch beides zu bewahren, entspringt dem Unbehagen an einer Moderne, die seit dem Bauhaus einer freudlos-funktionalistischen Ideologie huldigt und die dem Menschen intuitiv zugängliche organische Formen radikal meidet.

Übrigens: Mehr zu sehen gibt es von dem grandiosen Rathaus in Hannover auf Werksfotos von Hanomag mit den Typen 4/23 PS und Rekord.

Original geht so: Werksfoto des Hanomag Rekord

Nicht schon wieder ein Hanomag. So mag mancher denken, der mit deutschen Vorkriegsautos die Marken Horch, Maybach und Mercedes verbindet. In den 1920/30er Jahren waren solche Premiumwagen aber größere Raritäten als heute.

Wer sich damals in Deutschland ein Auto leisten konnte – das waren im Vergleich zu England, Frankreich und den USA nicht viele – fuhr Adler, DKW, Ford, Opel oder: Hanomag.

Die gefühlte Überlebensquote von Hanomag-PKWs geht heutzutage gegen null. Dabei begegnen einem die Wagen des Maschinenbaukonzerns aus Hannover bei der „freien Jagd“ nach alten Autofotos auf Schritt und Tritt.

Ob beim gepflegten Ausflug, im harten Kriegseinsatz oder im Alltag der Wiederaufbauzeit –  speziell das Mittelklassemodell Hanomag Rekord war offenbar ein zuverlässiger Gefährte. In der Hanomag-Galerie auf diesem Blog ist das technisch unspektakuläre, doch enorm robuste Modell in zahlreichen Originalfotos vertreten.

Viel Literatur zum Hanomag Rekord gibt es nach Kenntnis des Verfassers nicht. Neben dem unverzichtbaren „Oswald“ (Deutsche Autos 1920-1945) wäre das Standardwerk „Hanomag Personenwagen“ von Görg/Hamacher zu nennen. Das Buch ist ein Muss für Hanomag-Besitzer, bloß: Wer einen „Rekord“ besitzt, findet dort kaum Abbildungen, die ihm die Restaurierung erleichtern.

In Berichten von Hanomag-Besitzern hört man öfters, dass sie beim Kauf eines Restaurierungsobjekts nicht wussten, mit welchem Typ sie es zu tun haben. Für eine einst so angesehene Marke bedauerlicher Zustand. Dabei gibt es durchaus Abhilfe, zumindest im Netz.

Hier präsentieren wir ein Werksfoto von 1938, das das Herz jedes originalitätsversessenen Hanomag „Rekord“-Besitzers höher schlagen lassen sollte:

© Hanomag „Rekord“ Werksfoto,  Modell 1937-38; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese hervorragende Aufnahme zeigt den 1934 vorgestellten Hanomag „Rekord“ in allen Details – hier speziell die von 1937-38 gebaute Limousine.

Werksfotos zeigen zwar nicht immer genau den Auslieferungszustand. Doch die Qualität der Ausführung wird in jedem Fall deutlich – und die ist derart hoch, dass es schwer sein dürfte, sie bei einer wirtschaftlichen Restaurierung eines solchen Wagens zu erreichen.

Schauen wir uns als erstes die Frontpartie an:

Ob die wie gemeißelt wirkenden Sicken der Schutzbleche und das Wabenmuster des Kühlergrills nach rund 80 Jahren wieder so perfekt herstellen lassen? Vielleicht konserviert man den historisch gewachsenen Zustand besser, wenn man es nicht gerade mit einem Wrack zu tun hat.

Scheinwerfer und Hupe sollten sich nach dieser Vorlage originalgetreu wiederherstellen lassen. Bei späten Modellen waren die Scheinwerferringe offenbar nicht mehr verchromt. Chrom wurde kurz vor Kriegsbeginn bevorzugt der Rüstungswirtschaft zugeführt.

Die Stoßstange sollte sich bei einem fähigen Betrieb wieder so verchromen lassen, dass die satte Materialanmutung wie auf dem Foto entsteht. Einige Fettfinger wie auf unserer Aufnahme sind dann ebenfalls „original“…

Arbeiten wir uns an der Frontpartie entlang weiter nach hinten:

Anspruchsvoll ist der korrekte Sitz der Luftklappen in der Motorhaube. Die Zierstäbe sollten so gut verchromt sein, dass sie wie auf unserem Foto das Sonnenlicht reflektieren. Oder man lässt sie so, wie sie die Zeiten überdauert haben.

Eine größere Herausforderung für den Restaurierer oder den Karosseriebauer des Vertrauens sind die Spaltmaße von Motorhaube und Tür. So präzise wie auf dem Foto  arbeitete man bei Hanomag vor 80 Jahren. Wer heute partout auf „Originalzustand“ restaurieren will, muss sich an diesem hohen handwerklichen Standard messen.

Der Eindruck sehr sorgfältiger Verarbeitung setzt sich bei der Betrachtung der Seitenpartie fort:

Auch hier gilt: Wer das so nicht hinbekommt, belässt es besser beim historisch gewachsenen Zustand, solange die Karosserie komplett ist, denn auch dies ist original.

Das reizvolle Zweifarbschema lässt sich zweifellos reproduzieren. Wer an der Lackierung spart, wird aber mit dem Ergebnis nicht glücklich sein. Hier müssen Könner ran, die dieselbe Tiefe des Glanzes erreichen und nicht die „Orangenhaut“ abliefern, die man selbst bei höherwertigen Fahrzeugen bisweilen sieht.

Nebenbei: Wer auf obigem Foto genau hinsieht, erkennt auf dem Rückfenster  spiegelverkehrt den Schriftzug „Hanomag“ und das Adleremblem. Kein Muss bei der Restaurierung, aber ein nettes Detail, das sich mit heutigen Mitteln realisieren lässt.

Zum Schluss noch ein Blick auf die Räder:

Felgen und Radkappen lassen sich zweifellos wieder in diesen Zustand versetzen. Doch bei den Reifen muss man auch als Originalitätsfetischist passen. Das ist auch nicht schlimm, da heute Reifen mit historisch aussehendem Profil verfügbar sind, die zugleich bessere Eigenschaften aufweisen als die Teile anno dazumal.

Interessant: Der Vorderreifen auf unserem Foto hat die Dimension 5,00 x 17. Im „Oswald“ dagegen findet sich für den Hanomag Rekord Baujahr 1937/1938 die Angabe 4,75 oder 5,25 x 17 bzw. 5,50 x 16. Das kann ein Fehler in der Literatur sein, oder die verbauten Reifen variierten tatsächlich.

Man sieht: Einen Hanomag „Rekord“ originalgetreu zu restaurieren, bringt unerwartete Probleme mit sich. Daher gilt auch hier: Ein komplettes und funktionsfähiges Fahrzeug, das mit mannigfaltigen Veränderungen die Zeiten überdauert hat, ist originaler als eines, das mit ungeeigneten Mitteln in einen vermeintlichen Neuzustand versetzt wurde, der ohnehin nur ganz kurze Zeit gegeben war: bei Auslieferung.

Der Vollständigkeit halber: Aufgenommen wurde dieses Werksfoto 1938 vor dem historischen Rathaus in Hannover. Wer bei öffentlichen Bauten an das betonierte Grauen von Schulen, Stadthallen und Sparkassen unserer Tage denkt, wird vielleicht auch das städtebauliche Können unserer Altvordereren schätzen lernen…

Hanomag-Freunden sei eine vergleichbar hochwertige Werksaufnahme eines „Kurier“ aus dem Jahr 1938 ans Herz gelegt.

Hanomag 4/23 PS in seltener Übergangsversion

Auf heutigen Klassikerveranstaltungen kann man den Eindruck gewinnen, unsere Altvorderen seien vor dem 2. Weltkrieg nur mit hochkarätigen Wagen der Marken Bentley, Bugatti, Horch , MG und Mercedes unterwegs gewesen.

Wer wissen will, welche Autos im Vorkriegsdeutschland wirklich verbreitet waren, hält sich am besten an historische Originalfotos. Denn ihre Verfügbarkeit ist am ehesten repräsentativ für die einstige Präsenz auf deutschen Straßen.

Fahrzeuge von Großserienherstellern wie Adler, DKW, Ford und Opel hatten dementsprechend den größten Anteil. Doch auch Marken der „zweiten Reihe“ sind oft auf zeitgenössischen Aufnahmen vertreten. Dazu gehörte hierzulande Hanomag.

PKW des Maschinenbaukonzerns aus Hannover sind heute ausgesprochen selten, was in krassem Verhältnis zur Häufigkeit der fotografischen Aufnahmen von Hanomags steht.

Auf diesem Blog ist die gesamte Historie der PKW-Produktion von Hanomag in Originalfotos dokumentiert. Dies war ohne gezielte Suche erstaunlich leicht zu bewerkstelligen. Dabei sind auch Übergangsmodelle berücksichtigt wie dasjenige auf folgendem Foto:

© Hanomag 4/23 PS, frühe 1930er Jahre; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen, den wir hier sehen, ist in der einschlägigen Literatur kaum dokumentiert. Das Flügelemblem auf der Kühlermaske verweist zwar auf einen Hanomag. Doch der genaue Typ ist nicht ohne Weiteres einzugrenzen.

Es gibt ein ähnliches 4/23 PS-Modell von Hanomag aus dem Jahr 1931, das wir bereits besprochen haben (Porträt). Die Kühlerpartie ist auf unserem Foto etwas moderner, auch die Radkappen verweisen auf eine etwas spätere Ausführung. Eine Abbildung, die damit übereinstimmt, ist eine Werbegrafik im Standardwerk „Hanomag-Personenwagen“ von H.-D. Görg/Th. Hamacher, S. 65.

Da der Hanomag 4/23 PS schon ab 1932 einen schrägen Kühler mit weiter unten montiertem Flügelemblem erhielt, wird unser Foto wohl ein kurzlebiges Übergangsmodell zeigen.

Das Nummernschild mit dem Kürzel „II S“ verweist übrigens auf eine Zulassung im Kreis Mittelfranken (Bayern). Weiß ein Leser vielleicht, wo genau diese Aufnahme entstanden ist? Dazu zeigen wir die Gesamtsituation, die am Ende einer baumbestandenen Achse ein Schloss mit Seitenturm erkennen lässt:

© Hanomag 4/23 PS Limousine ca. 1931/32; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Rarität in Feldgrau: Ein Hanomag „Sturm“ Cabriolet

Die PKW-Palette des Maschinenbaukonzerns Hanomag wurde in den 1930er Jahren durch das 6-Zylindermodell „Sturm“ gekrönt. Damit wagten sich die stets vorsichtig agierenden Hannoveraner erstmals ins Territorum der Oberklasse vor.

Auf folgender zeitgenössischen Werbeanzeige von Hanomag steht der „Sturm“ entsprechend im Vordergrund:

© Hanomag-Reklame der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Formal ähnelte der Hanomag „Sturm“ dem Mittelklasse Modell „Rekord“, von dem hier bereits einige Exemplare anhand von Originalfotos vorgestellt wurden (Bildergalerie). Die gelungene Standardkarosserie der beiden Typen stammte von Ambi-Budd in Berlin.

Äußerlich erkennbar war der „Sturm“ in erster Linie am deutlich längeren Vorderbau und – gegebenenfalls – an den sechs Luftklappen in der Motorhaube (beim Rekord meist nur vier). Allerdings verfügten bei beiden Modellen einige Exemplare auch über fünf Luftklappen, was die Identifikation mitunter erschwert.

Im vorliegenden Fall verweist die lange Haube jedoch auf einen Hanomag „Sturm“:

© Hanomag „Sturm“ Cabriolet, Baujahr: 1934-39; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick könnte dies auch ein Adler „Diplomat“ sein, für den Ambi-Budd dieselbe Basiskarosserie lieferte. Ein Indiz dafür liefern insbesondere die geschlossenen Scheibenfelgen (beim Hanomag sieht man meist gelochte Felgen).

Doch zwei Details sprechen für einen Hanomag „Sturm“: Zum einen der flach auslaufende Vorderkotflügel, der beim Adler „Diplomat“ wuchtiger wirkt und nicht so elegant ins Trittbrett übergeht. Zum anderen entspricht das Flügellogo auf dem Kühlergrill eher demjenigen von Hanomag (beim Adler waren die Schwingen schlanker und länger).

Wer sich über die Aufnahmeperspektive und die geringe Schärfe des Fotos wundert, weiß nicht, dass dies lediglich eine Ausschnittsvergrößerung ist. Denn der Hanomag „Sturm“ auf unserem Bild war nicht allein unterwegs:

© Hanomag „Sturm“ Cabriolet und SdKfz 10; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man muss kein Spezialist für Militärfahrzeuge sein, um den Kontext der Aufnahme zu erkennen. Das Foto wurde während des 2. Weltkriegs bei einer Einheit der deutschen Wehrmacht geschossen, in der der Hanomag vermutlich als Stabsfahrzeug diente.

Leider verrät das Umfeld wenig über den Aufnahmeort. Die soliden Ziegeldächer sprechen gegen eine Entstehung in Russland, wo auf dem Lande strohgedeckte Dächer dominierten. In Frage kommt eher ein Dorf im ab 1940 besetzten Frankreich.

Mehr sagen lässt sich zu dem Halbkettenfahrzeug, dass hinter dem Hanomag steht:

Hierbei handelt es sich um ein Sonder-Kraftfahrzeug 10 (SdKfz 10), das zu Zeiten der Weimarer Republik als Artillerie-Zugfahrzeug für die Reichswehr entwickelt worden war.

Das mit einem bis zu 100 PS starken Maybach-Motor ausgestattete Gefährt erwies sich im Krieg als leistungsfähig und zuverlässig und wurde bis 1944 von diversen Herstellern – darunter auch den Frankfurter Adler-Werken – in über 17.000 Exemplaren gefertigt.

Auf unserem Foto ist wahrscheinlich die Variante mit 2cm-Maschinenkanone zur Flugabwehr zu sehen. Markant sind die außen montierten Munitionsbehälter und die Sitzplätze für das Bedienungspersonal (bis zu 8 Mann).

Soweit erkennbar handelt es sich bei den Soldaten auf dem Foto um einfache Wehrpflichtige (zu erkennen am Gefreitenwinkel auf dem Oberarm), die sich wie die meisten Soldaten der Wehrmacht den von der Berliner Führung angezettelten Krieg und seine fatalen Folgen nicht ausgesucht haben…

Fotohalt am Mittelrhein: Ein Hanomag-PKW um 1930

Die vielleicht grandioseste Kulturlandschaft auf deutschem Boden ist das Mittelrheintal zwischen Bingen und Koblenz. Schon vor 200 Jahren begeisterten sich romantisch veranlagte Reisende für das von Natur und Mensch geschaffene Meisterwerk.

Zum Glück hat dieses Juwel seither kaum Schaden genommen. Auch die hierzulande um sich greifende Zerstörung von Landschaften im Zuge einer weltweit einzigartig irrationalen Energiepolitik (Stichwort: Windindustrie) konnte bisher abgewehrt werden.

So können wir heute fast dieselbe Szenerie genießen, die Anfang der 1930er Jahre einige Automobilisten zum Fotohalt veranlasste:

© Hanomag Limousine um 1930; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer schon einmal am Mittelrhein unterweg war, wird den Aufnahmeort erkennen. Der Fotograf nahm die oberhalb von Kaub gelegene Stauferburg Gutenfels ins Visier, deren Ursprünge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen.

Unterhalb davon im Rhein liegt die Burg Pfalzgrafenstein. Sie diente seit dem 14. Jahrhundert der Erzwingung von Zolleinnahmen von den Rheinschiffern, die an dieser Stelle die Grenze vom Rheingau her kommend passierten.

Auf folgender Ausschnittsvergrößerung sieht man den Turm der im Strom gelegenen Burg hervorlugen, dahinter die steilen Weinbergterrassen des gegenüberliegenden Ufers:

Die kompakte Limousine haben wir bereits an anderer Stelle vorgestellt – es ist ein Hanomag 3/16 oder 4/20 PS, wie er von 1929-31 als Nachfolger des kuriosen „Kommissbrot gebaut wurde.

Auf dem Foto sind vier Personen zu sehen, mit dem Fotografen fünf. Sie konnten nicht alle in dem kleinen Hanomag Platz gefunden haben, der auf 3 Personen plus Kind ausgelegt war. Es dürfte also noch ein anderer Wagen mit von der Partie gewesen sein.

Das Kennzeichen des technisch anspruchslosen, aber nach Maschinenbauerart grundsoliden Hanomag mit dem Kürzel „IX“ verweist auf eine Vorkriegszulassung in der Provinz Westfalen (Quelle). Sicher ist der Hanomag aus Richtung Koblenz kommend die malerische Rheinuferstraße am Loreley-Felsen vorbei gefahren.

Dass wir es mit einer Ausflugsfahrt zu tun haben, verrät das Fernglas, dass die sommerlich gekleidete Dame in der Hand hält. So bescheiden der Hanomag auch anmutet – solch eine Lustreise im Automobil war für die meisten Deutschen damals unerreichbar.

Übrigens hat die Fahrt durch das Mittelrheintal bis heute nicht an Reiz verloren, gerade für eher schwach motorisierte Vorkriegswagen ist die Strecke ideal.

Überlebt!? Ein Hanomag „Rekord“ Diesel im Jahr 1948

Auf diesem Blog ist der Mittelklasse-PKW „Rekord“ des Maschinenbaukonzerns Hanomag bereits öfters in unterschiedlichen Varianten und Zuständen vorgestellt worden (siehe Hanomag-Bildergalerie).

Der von 1934-40 in weniger als 20.000 Exemplaren gebaute Wagen hat erstaunlich oft den 2. Weltkrieg überlebt – obwohl er von der Wehrmacht keineswegs verschmäht wurde (Beispielfoto).

Das spricht für die besonderes Robustheit des Wagens. Ein Maschinenbauer legt nun einmal besonderen Wert auf Zuverlässigkeit. So waren nach 1945 die übriggeblieben Fahrzeuge noch gut für einige Jahre Dienst im Wiederaufbau.

Eine der seltensten Versionen des Hanomag „Rekord“zeigt das folgende Originalfoto aus der frühen Nachkriegszeit:

© Hanomag „Rekord“ Diesel, aufgenommen 1948; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Als „Opel Rekord“ pries der ahnungslose Anbieter der Aufnahme den Wagen an. Das ist insofern verzeihlich, als das typische markentypische Flügelemblem fehlt und auf dem Kühlergrill nun einmal der Schriftzug „Rekord“ zu sehen ist.

Zwar könnte es sich auf den ersten Blick auch um eine Nachkriegsbastellösung handeln, bei der Teile unterschiedlicher Autos kombiniert wurden. Das war in jener Zeit gar nicht so selten, als jedes motorisierte Fahrzeug einen enormen Wert repräsentierte.

Doch ein genauer Blick auf die Frontpartie bestätigt, dass es sich um einen originalen Hanomag Rekord handelt:

So weist die Mittelstange der Kühlermaske im oberen Drittel eine Abflachung auf – dort saß das Hanomag-Flügellogo. Vermutlich hat es in der Endphase des Kriegs ein Souvenirjäger mitgehen lassen – die von der Wehrmacht genutzten Autos wurden ja bei Kriegsende einfach irgendwo stehengelassen, wenn das letzte Benzin aufgebraucht war.

Zu einem späten Hanomag „Rekord“ passt auch die Montierung der Scheinwerfer rechts und links in der Kühlermaske, frühe Modelle verfügten über eine durchgehende Querstange. Typisch sind außerdem die ausstellbaren Luftklappen in der Motorhaube.

Auch der übrige Wagen erscheint original, wenn man von der fehlenden Radkappe und der verlorengegangenen Abdeckung der Öffnung für die Anlasserkurbel absieht.

Zu einer Rarität wird dieses Fahrzeug durch die umseitige Beschriftung: „Unser Dieseler, 1948“ ist dort vermerkt. Demnach haben wir es mit einem von nur rund 1.000 Diesel-Modellen des Hanomag „Rekord“ zu tun, die von 1938-40 gebaut wurden.

Was viele nicht wissen: Fast zeitgleich mit Mercedes stellt Hanomag 1936 einen Dieselmotor für PKW vor – allerdings gelang den Stuttgartern die Serienproduktion vor den Hannoveranern. Erst 1938 wagte man sich bei Hanomag aus der Deckung und bot den „Rekord“ bis 1940 mit einem 1,9 Liter großen und 35 PS leistenden Selbstzünder an.

Das Fahrzeug auf unserem Foto muss irgendwie den Krieg überlebt haben – vielleicht galt das Dieselmodell als zu exotisch und wurde daher nicht eingezogen.

Auf durchgehenden Privatbesitz weist hin, dass auf der Rückseite noch das Kennzeichen vor Kriegsausbruch vermerkt ist, das nach der Unabhängigkeit Österreichs wieder Nummernschildern nach der bis 1938 geltenden Konvention (weiße Schrift auf schwarzem Grund) wich.

Das Kennzeichen auf unserem Foto ist frühestens 1947 im Bundesland Niederösterreich vergeben worden. Die Aufnahme ist – wie gesagt – auf 1948 datiert und zeugt von der Wertschätzung, die der treue Hanomag damals noch genoss. Filmmaterial war kostbar und die meisten Leute hatten andere Sorgen, als ein gebrauchtes Auto zu fotografieren.

In unserem Fall war jemand erkennbar stolz auf seinen „Dieseler“ und hat ihn ohne störendes Beiwerk aus einer vorteilhaften Perspektive aufgenommen. Ob dieses Auto auch die nächsten rund 70 Jahre überstanden hat – wer weiß?

Die Hanomag PKW besaßen nie besonderes Prestige, doch heute ist ein solcher „Rekord Diesel“ vermutlich seltener als ein Mercedes 300 SL Flügeltürer…

Hanomag „Rekord“ Pullman-Limousine (1934-36)

Leser dieses Blogs finden hier nicht nur reizvolle Originalfotos von Vorkriegsautos heute noch bekannter Hersteller wie BMW, Ford, Opel oder Mercedes. Auch längst untergegangene Marken werden ihrer einstigen Verbreitung entsprechend gewürdigt.

Dazu zählt neben Adler, Brennabor, DKW, NAG und Wanderer auch die niedersächsische Marke Hanomag. Der Maschinenbauhersteller aus Hannover existiert zwar noch – doch PKW baute er nur bis zum 2.Weltkrieg.

In den 1930er Jahren waren die soliden – wenn auch technisch konventionellen – Hanomags in der Mittelklasse recht beliebt. Am häufigsten ist auf alten Aufnahmen der von 1934-38 gebaute 4-Zylinder-Typ „Rekord“ zu sehen. Ihn haben wir hier bereits in mehreren Varianten besprochen, noch zu Friedenszeiten, im Krieg und nach 1945.

Das historische Bilder des Hanomag „Rekord“ recht gut zu bekommen sind, ist erstaunlich – von ihm wurden weniger als 20.000 Exemplare gebaut. Es mag an seiner großzügigen Anmutung und Haltbarkeit gelegen haben, dass er vergleichsweise oft fotografiert wurde:

© Hanomag Rekord 6-Fenster-Limousine, 1934-36; Foto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese schöne Originalaufnahme ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass der Hanomag „Rekord“ beinahe luxuriös wirken konnte. Man würde dieses Auto von den Dimensionen her glatt der Oberklasse zurechnen.

Tatsächlich sieht die Karosserie – von der Zahl der Luftklappen in der Motorhaube abgesehen – derjenigen des Spitzenmodells Hanomag „Sturm“ sehr ähnlich. An diesem wurde serienmäßig ebenfalls eine solche Karosserie von Ambi-Budd aus Berlin verbaut, die übrigens auch bei zeitgenössischen Wagen von Adler auftaucht.

Dass wir es dennoch „nur“ mit einem Rekord zu tun haben, verrät der entsprechende Schriftzug auf dem Kühlergitter:

Auf der Oberseite des Kühlers ist das Flügelwappen der Firma zu sehen, auf dem in einem Bogen HANOMAG geschrieben steht.

Der reichliche Einsatz von Chrom bei den Scheinwerfern, der Verbindungsstange dazwischen, an der Hupe und dem Verschlussdeckel der Öffnung für die (kaum benötigte) Anlasserkurbel sowie an der Stoßstange, lässt den Qualitätsanspruch von Hanomag ahnen.

Das Nummernschild mit dem Kürzel „IS“ verweist übrigens auf eine Zulassung im Bezirk Hannover – vielleicht handelt es sich um ein Werksfoto. Das große Format und die hervorragende technische Qualität des des Abzugs sprechen jedenfalls dafür.

Ein für die Datierung wichtiges Detail sind die Scheibenfelgen, die 1937 von Lochfelgen abgelöst wurden. Werfen wir noch einen Blick auf die Seitenpartie des Wagens und nehmen wir auch die junge Dame davor näher in Augenschein:

Hier erklärt sich nun, weshalb der Wagen so einen mächtigen Eindruck macht: Es ist eine viertürige Limousine mit sechs (!) Seitenfenstern. Eigentlich müsste diese Version über einen verlängerten Radstand verfügen und wäre dann eine Pullman-Limousine.

Leider gibt die spärliche Literatur zu Hanomag-PKWs diesbezüglich nichts her, sodass dieser Punkt vorerst offen bleiben muss. Hervorzuheben ist auf jeden Fall die exzellente Verarbeitung mit engen Spaltmaßen, die die horizontalen Linien kaum merklich unterbrechen – die Länge des Wagens wird so zusätzlich betont.

Dass der Wagen größer wirkt, als man es bei einem Mittelklasseauto vermuten würde, hat auch mit unserem Fotomodell zu tun. Der Hanomag „Rekord“ hatte eine Gesamthöhe von 1,61 Meter und unser Fräulein scheint kaum wesentlich größer gewesen sein, wenn man die Absätze und den Hut berücksichtigt.

Dass die junge Dame dennoch ausgesprochen wohlproportioniert wirkt, liegt nicht zuletzt an ihrer schlanken Figur und der körpernah geschnittenen Kleidung.

Der lange Rock mit dem hohen Bund würde sicher noch vorteilhafter an ihr wirken, wenn sie weniger verkrampft dastünde. Auch der wenig freundliche Blick trübt das ansonsten sehr elegante Erscheinungsbild, das heute leider selten geworden ist – auch auf Klassikerveranstaltungen…

Originales Pressefoto von 1938: Hanomag „Kurier“

Die Geschichte des PKW-Baus beim hannoveranischen Maschinenbaukonzern Hanomag lässt sich auf diesem Blog in Bildberichten sowie einer umfassenden Fotogalerie nahezu lückenlos nachvollziehen.

Jüngster Zugang ist der Hanomag „Kurier“, der von 1934-38 gebaut wurde. Er war eine großzügigere Variante des seit 1934 gebauten Kleinwagens „Garant“ (Bildbericht). Technisch waren die beiden Wagen weitgehend identisch.

Hier eine Reklame aus der Mitte der 1930er Jahre mit der PKW-Palette von Hanomag:

© Hanomag PKW-Palette, Originalreklame der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Zwar trafen die 23 PS des konventionellen 1,1 Liter-Motors beim Kurier auf ein höheres Wagengewicht von 1.000 kg (Ganzstahl-Limousine). Untermotorisiert waren damals aber alle deutschen Klein- und Mittelklassewagen, eine Folge der rigiden PS-Besteuerung.

Zudem war auf den Straßen der Vorkriegszeit ein Tempo von mehr als 70-80 km/h ohnehin selten zu erreichen. Wirklich überfordert waren die schwachen Motoren jedoch auf Bergstrecken. In Österreich waren daher stärkere Wagen von Steyr und Fiat verbreitet.

Dass der Hanomag Kurier – wie seine Verwandten auch – nicht billig sein konnte, zeigt ein Blick auf das folgende originale Pressefoto des Typs aus dem letzten Modelljahr 1938:

© Hanomag Kurier, Baujahr 1938; originales Pressefoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der über vier Meter lange Wagen wirkt nicht nur erwachsen, sondern strahlt auch in jedem Detail Solidität aus. Die blitzsaubere Verarbeitung lässt sich auf dieser professionellen Aufnahme besonders gut erkennen.

Solche Werksfotos wurden mit Großformatkameras gemacht, bei denen die Negativplatten dem Format des Abzugs entsprachen. Bei sorgfältiger Entwicklung und Ausbelichtung war damit eine überragende Feinzeichnung möglich.

Zwar hat der Abzug über die letzten Jahrzehnte etwas Schaden genommen. Er ist aber immer noch von sehr guter Qualität und eignet sich damit für Detailstudien, wie sie für die originalgetreue Restaurierung eines solchen Wagens nötig sein können.

Nachfolgend werden die wichtigsten Bestandteile anhand von Ausschnittsvergrößerungen gezeigt, die direkt vom (nicht datenreduzierten Ausgangsbild) stammen. Beginnen wir mit der Frontpartie:

Sehr schön erkennen kann man hier das geflügelte „H“, das Markenzeichen von Hanomag in jener Zeit. Genau nachvollziehbar ist die Art der Anbringung der Scheinwerfer, auch der Hupentyp sollte sich anhand des Fotos identifizieren lassen.

Ein Detail, das bei überlebenden Wagen oft fehlen dürfte, ist die verchromte Kappe am unteren Ende des Kühlers, die die Öffnung für die Anlasserkurbel verdeckt. Der Kurier besaß zwar einen elektrischen Anlasser, doch bei leerer Batterie konnte er so von Hand gestartet werden. Interessant ist die unterschiedliche Größe der beiden Schlosschrauben zur Befestigung der Stoßstange.

Weiter geht es nun mit dem Vorderrad:

Hier sieht man deutlich die zweiteiligen Radkappen mit dem Hanomag-Flügelemblem auf dem verchromten Oberteil. Die Lochfelge erlaubt einen Blick auf die eindrucksvoll dimensionierte Bremstrommel, die übrigens hydraulisch betätigt wurde.

Der Dunlop-Reifen weist die seit 1937 gebräuchliche Dimension von 5,25 x 16 Zoll auf. Ein entsprechendes Format sollte über den einschlägigen Fachhandel verfügbar sein.

Im nächsten Schritt werfen wir einen Blick auf die Frontscheibenpartie:

Auf zeitgenössischen Fotos sonst kaum zu sehen ist der Stopfen in der werksseitigen Bohrung für den optionalen zweiten Scheibenwischer. Klar zu sehen ist sogar die Folie auf der Innenseite der Scheibe, auf der die Einfahrvorschriften festgehalten sind. Form und Montage der Winker sowie die Art des Türgriffs sind gut nachzuvollziehen.

Rätselhaft ist das Erscheinungsbild des Zierrahmens um die Windschutzscheibe. Wäre dieser verchromt, sollte er gleichmäßig glänzen, hier wirkt er aber stumpf und unregelmäßig. Es könnte sein, dass zwecks Rohstoffeinsparung – Chrom wurde als Mittel zur Zylinderbeschichtung zunehmend der Rüstung zugeführt – ein improvisiert wirkender Aluminiumersatz verbaut wurde.

Kommen wir zur hinteren Dachpartie:

Für den modernen Betrachter beachtlich sind die engen Spaltmaße, doch solche Präzision darf bei einem Hersteller wie Hanomag nicht wundern. Dafür verzichtete man lieber auf technisch meist fruchtlose Experimente, nachdem man mit dem eigenwilligen Kommissbrot einst in eine technologische Sackgasse geraten war.

Kurios ist der Aufkleber auf der Heckscheibe mit der Aufschrift: „HANOMAG – Wagen ist gedrosselt“. Was könnte damit gemeint sein? Vielleicht war während der Einfahrzeit die Höchstdrehzahl werksseitig begrenzt und erst danach entfernte eine Vertragswerkstatt die Drosselung. Sachkundige Hinweise dazu sind willkommen.

Zu guter letzt ein Blick auf das Hinterrad und die Heckpartie:

Für den Restaurator interessant sein könnte hier die Stelle, an der Trittbrett und Schutzblech aufeinanderstoßen; so sauber sollte das am Ende auch aussehen.

Einen alten zerdellten, womöglich geschweißten und gespachtelten Kotflügel wieder so hinzubekommen, dass die umlaufende Sicke so filigran wirkt wie hier, das dürfte einen echten Könner erfordern. Aber original sah es nun einmal so aus.

Sollte ein Besitzer eines Hanomag Kurier an einer hochauflösenden Datei des Ausgangsfotos für private Zwecke interessiert sein, kann er dies gerne über die Kommentarfunktion oder per E-Mail (Kontakt) kundtun.

Hanomag 4/23 PS vom Anfang der 1930er Jahre

Allmählich nähern wir uns auf diesem Blog einer vollständigen Dokumentation der einstigen PKW-Typen des Maschinenbaukonzerns Hanomag anhand zeitgenössischer Originalfotos (Bildergalerie).

Aus den Anfängen der Autoproduktion bei Hanomag haben wir uns bereits mit dem Kommissbrot und dem ersten „richtigen“ Wagen aus Hannover befasst – dem Typ 3/16 bzw. 4/20 PS.

Anfang der 1930er Jahre näherte sich Hanomag in kleinen Schritten dem Bau immer leistungsfähigerer Wagen. Ganz am Ende dieser Entwicklung sollte das eindrucksvolle 6-Zylindermodell Hanomag Sturm stehen.

Heute geht es um einen selten abgebildeten Hanomag der frühen 1930er Jahre, das Modell 4/23 PS, das die Vorstufe zum Modell Garant darstellte. Ein solcher Wagen ist auf folgender Fotopostkarte zu sehen, die Mitte der 1930er in Bad Tölz entstand:

© Hanomag 4/23 PS, Mitte der 1930er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Man glaubt zunächst nicht, dass das Auto, das mit der Front uns zugewandt parkt, überhaupt interessant sein könnte. Mancher mag auf einen Opel oder einen Fiat um 1930 tippen – von beiden Marken waren solche kompakten Limousinen mit kantigen Linien in Deutschland einst stark verbreitet.

Bei näherem Hinschauen offenbaren sich aber Details, die eine Zuschreibung als Hanomag 4/23 PS erlauben. Der Wagen verfügte über einen konventionellen 1,1 Liter Motor, dessen Leistung bei einem Wagengewicht von 750 kg als ausreichend gelten konnte. Immerhin hatte das Auto schon hydraulische Bremsen, was VW beim anfänglich ähnlich motorisierten Käfer lange Zeit nicht für erforderlich hielt.

Woran erkennt man nun dieses spezielle Hanomag-Modell? Schauen wir genauer hin:

Mit etwas gutem Willen und Erfahrung erkennt man zwei Details am Kühler, die es so nur bei Hanomag-PKW der frühen 1930er Jahre gab: Da ist zunächst das Markenemblem, das ein „Kommissbrot“ in Seitenansicht einrahmt. Außerdem ahnt man die Umrisse der typischen Kühlerfigur – eines sich aufbäumenden Pferds, das für das Land Niedersachsen steht, wo die Wagen gefertigt wurden.

Wer beide Details in besserer Qualität studieren will, sei auf die oben verlinkten Bildberichte zum 3/16 bzw. 4/20 PS-Modell verwiesen.

Auf den ersten Blick scheinen die schwächeren Vorgänger dieselbe Karosserie gehabt zu haben. Doch zwei Elemente irritieren: Merkwürdig ist der starke Schwung des unteren Frontscheibenrahmens und dessen großer Abstand zur Motorhaube. Das sieht bei den früheren Modellen ganz anders aus. Außerdem verfügten diese über keine Radkappen, wie sie der Wagen auf unserem Bild eindeutig trägt.

Vergleiche mit Fotos in der einschlägigen Literatur (Werner Oswald: Deutsche Autos 1920-1945) ergeben, dass diese beiden Details das Modell 4/23 PS auszeichnen. Ein Foto eines überlebenden Exemplars des Typs ist hier zu sehen (allerdings fehlen dort die Radkappen).

Man könnte es nun dabei bewenden lassen, wenn im gegebenen Zusammenhang nicht noch etwas anderes auffällig wäre. Was jetzt folgt, ist für Hanomag-Kenner gedacht, zu denen sich der dem Verfasser ausdrücklich nicht zählt. Es gibt ein bereits an anderer Stelle erwähntes, hervorragend gemachtes Buch zur einstigen PKW-Produktion von Hanomag:

„Hanomag-Personenwagen. Von Hannover in die Welt“ von Görg/Hamacher, Verlag Mundschenk, ISBN: 978-3-933-802026.

Dort wird auf den Seiten 56-59 eine Rekordfahrt eines Hanomag 4/20 PS-Modells beschrieben, die 1929 über eine Strecke von 10.000 km führte. Abgebildet ist dort zum einen – erwartungsgemäß – ein Hanomag des genannten Typs. Gezeigt wird daneben aber auch eine Aufnahme des hier beschrieben Nachfolgers 4/23 PS mit der abweichenden Frontscheibe und den Radkappen (Foto Nr. 92 auf S. 57, rechts unten).

Kurios ist: Beide Wagen tragen auf den Bildern dasselbe Nummernschild und auch am zweiten, erst ab 1931 gebauten Hanomag ist ein zusätzlicher Hinweis auf die vom 4/20 PS-Wagen absolvierte 10.000km-Fahrt an der Front montiert.

Vermutlich wurde der modernere Hanomag 4/23 PS einst für Werbezwecke kurzerhand mit dem Nummernschild des eigentlichen Rekordwagens ausstaffiert. Es wäre interessant zu erfahren, ob dieser Reklametrick bereits seinerzeit aufgefallen ist…

Hanomag-PKW der 1930er Jahre im Festtagsornat

Über den ersten „richtigen PKW“ der deutschen Maschinenbaufirma Hanomag – den Typ 3/16 bzw 4/20 PS  – gibt es auf diesem Blog bereits einen ausführlichen Bildbericht.

Daher sollen an dieser Stelle keine technischen Einzelheiten dieses ab 1930 gebauten soliden Wagens wiederholt werden. Vielmehr gilt es, ein kurioses Foto eines solchen Fahrzeugs vorzustellen, das zeigt, welche Rolle Automobile einst im Alltag unserer Vorfahren spielten.

© Hanomag 3/16 oder 4/20 PS, Anfang der 1930er Jahre, aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick könnte man meinen, der junge Mann neben dem Hanomag habe eine große Straßenkarte auf der Motorhaube seines Wagens ausgebreitet. Doch dann registriert man den Blütenschmuck an Front und A-Säule.

Die vermeintliche Landkarte entpuppt sich als Stofftuch, das an den Sucherscheinwerfern und den Frontlampen festgebunden ist. Es scheint etwas darauf geschrieben zu stehen, leider kann man nichts davon entziffern.

Doch bietet der Wagen im Detail genügend Interessantes, was eine nähere Betrachtung lohnt. Beginnen wir mit der Frontpartie:

Oben auf der Kühlermaske erkennt man das alte Logo von Hanomag, das die Seitenansicht eines „Kommissbrot“ zeigt. Der eigenwillige Wagen der 1920er Jahre war zwar kommerziell kein sonderlicher Erfolg, hatte aber einen großen Bekanntheitsgrad.

Später kam man von der Bezugnahme auf dieses kuriose Automobil ab und Hanomag-PKWs trugen nur noch ein Flügellogo. Ob man sich diese Idee beim Frankfurter Autobauer Adler abgeschaut hatte, sei dahingestellt. Jedenfalls hilft das markante Kühleremblem bei der Identifikation von Hanomag-Wagen, die häufig mit Standardkarosserien von Ambi-Budd ausgeliefert wurden.

Das Nummernschild verweist auf eine Zulassung in der Kreishauptmannschaft Zwickau/Sachsen, wo seit 1906 die römische Ziffer „V“ als Identifikation der Gebietskörperschaft diente.

Interessant ist nun das vor dem Kühlergrill angebrachte Schild. Es handelt sich um eine Werbung für die Firma Wilhelm Wagner, die seit dem 19. Jh. im Solinger Stadtteil Merscheid eine Messerfertigung betrieb. Wie es scheint, hängt das Schild an Ösen oder Drähten an der Verbindungsstange zwischen den Scheinwerfern. Das weist auf eine nur vorübergehende Montage hin, was mit Blick auf die Kühlluftzufuhr auch ratsam erscheint.

Weitere Hinweise auf die Situation gibt ein Schild, das im Rückfenster befestigt ist. Da es transparent ist, ist die Aufschrift (spiegelverkehrt) sichtbar und kann ohne Weiteres lesbar gemacht werden:

In trockenen Worten steht dort „Stahlwaren-Vertrauenssache. Kaufen Sie im Spezialgeschäft. Reichsverband deutscher Messerschmiede.“

Nun fragt man sich, was diese Werbeschilder in Verbindung mit dem Blumenschmuck und dem Tuch über der Haube zu bedeuten hatten. Da man ausschließen kann, dass ein Vertreter der Messerfirma aus Merscheid mit solchem Ornat im Alltag unterwegs war, bleibt nur ein festlicher Anlass, aber welcher?

Gegen ein Jubiläum der westfälischen Messerfirma Wilhelm Wagner spricht die sächsische Zulassung des Hanomag. Der Blütenschmuck und der elegante Anzug des jungen Mannes lässt an eine Hochzeit denken, doch hätten wir es hier dann nicht mit dem Bräutigam zu tun, da er schon einen Ehering am Finger trägt:

Am plausibelsten ist, dass der Wagen anlässlich einer Ladeneröffnung oder eines lokalen Geschäftsjubiläums eigens hergerichtet wurde und vielleicht in der Stadt auf das Ereignis als Werbeträger aufmerksam machen sollte.

Möglicherweise handelt es sich bei dem Besitzer des Hanomag um den Gesschäftsinhaber. Sein Anzug scheint Frackschöße aufzuweisen, ist aber von leichter, wohl ungefütterte Sommerqualität. Die Kombination mit blütenweißem Hemd und langer Krawatte wirkt sorgfältig gewählt, auch sonst haben wir es mit einer sehr auf ihr Äußeres bedachten Erscheinung zu tun.

Eigenwillig ist der zusätzlich zu den Hosenträgern angelegte Gürtel, der an sich nicht notwendig wäre. Merkwürdig auch die Umhängetasche, die der junge Mann über der rechten Schulter trägt und so gar nicht zu der eleganten Kleidung passen mag. So bleibt ein wenig rätselhaft, zu welchem Anlass genau der Hanomag solchermaßen geschmückt wurde und sich der Besitzer derartig herausgeputzt hat.

Übrigens hat ein Spaßvogel beim Ausstaffieren des Wagens auch den Reservekanister  auf dem Trittbrett bedacht – dort sitzen einige Blüten wie Hühner auf der Stange. Man wüsste nur gern, wie sie dort befestigt wurden…

Ein Hanomag-Kübelwagen der 1930er Jahre im Feld

Vermutlich fällt den meisten Liebhabern historischer Automobile beim Stichwort „Kübelwagen“ der legendäre Typ 82 von Volkswagen ein, der im 2. Weltkrieg für seine unübertroffene Zuverlässigkeit und Geländegängigkeit geschätzt wurde.

Doch offene Militär-PKW mit kübelartigen Sitzen gab es seinerzeit von etlichen deutschen Herstellern. Die Modelle von Adler, Horch (Bildbericht) und Mercedes findet man vergleichsweise häufig auf zeitgenössischen Aufnahmen. Rar sind dagegen Bilder des nachfolgend abgebildeten Fahrzeugs:

© Hanomag Kübelwagen, 1940er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Dabei handelt es sich um ein Modell von Hanomag, das die Firma aus Hannover in den 1930er Jahren auf Basis des kompakten Typs 4/23 PS baute. Dieser einfache, aber solide konstruierte PKW wurde auch unter der Bezeichnung „Garant“ verkauft (Bildbericht).

Die Stückzahlen des darauf basierenden Kübelwagens scheinen nicht sehr groß gewesen zu sein. Die Identifikation des Fahrzeugs auf unserem Bild ist einem Detail der Kühlermaske zu verdanken, wo man trotz der Überbelichtung der Frontpartie das stilisierte Emblem von Hanomag zumindest teilweise erkennen kann:

Die gesamte Frontpartie des Hanomag-Kübelwagens scheint vom Zivilmodell übernommen worden zu sein. Der hinter der Windschutzscheibe liegende Teil dagegen ist auf den militärischen Einsatz ausgerichtet, bei dem es im Ernstfall um schnelles Ein- oder Aussteigen und dennoch guten Seitenhalt im Gelände ging.

Die recht große Bodenfreiheit der damaligen PKW-Typen, der stabile Rahmen und die stark profilierten Reifen dürften eine gewisse Geländegängigkeit gewährleistet haben. Allradantrieb oder zumindest eine Differentialsperre hatten diese Fahrzeuge aber nicht. Abseits befestigter Straßen war man damit so lange recht beweglich, wie kein Schlamm das Vorwärtskommen erschwerte.

Während des fatalen Russlandfeldzugs sollten diese nicht dafür konstruierten Fahrzeuge in der Tauperiode regelmäßig an ihre Grenzen geraten. Auf unserem Bild ist von derlei Kalamitäten dagegen nichts zu sehen. Möglicherweise ist die Aufnahme im Frühjahr 1941 während des Feldzugs in Jugoslawien und Griechenland entstanden. Die lichtdurchflutete Vegetation spricht für eine entsprechende Aufnahmesituation.

Leider sind auf dem Hanomag keine Markierungen zu erkennen, die auf die Art der Einheit schließen lassen, der die beiden Wehrmachtssoldaten angehören. Ob die Flagge am Stander Näheres verrät, dürften nur Spezialisten klären können.

Der Soldat, der sich im Rückspiegel betrachtet, ist übrigens dabei sich zu rasieren – in seiner linken Hand hält er den Rasierhobel, mit der rechten trägt er Rasierseife auf. Sein auf dem Wagen herumturnender Kamerad genießt dagegen eine morgendliche Zigarette, die er in der linken Hand hält.

Die Uniformen der beiden wirken sehr hell, doch muss es sich nicht um die Tropenvariante der üblichen Wehrmachtsuniform handeln. Das Foto ist im Original sehr stark ausgeblichen und war wohl von Anfang an überbelichtet.

Das Abzeichen über der linken Brusttasche sagt dem Verfasser nichts, jedenfalls scheint es weniger gängig zu sein. Vielleicht kann ein sachkundiger Leser hierzu etwas sagen, was womöglich doch Rückschlüsse auf Ort und Zeitpunkt dieses Dokuments eines friedlichen Moments aus der Zeit des 2. Weltkriegs erlaubt.

1930: Endlich ein „richtiges“ Auto von Hanomag!

Der Maschinenbaukonzern Hanomag hatte mit seinem ersten PKW-Modell – dem eigenwilligen 2/10 PS „Kommissbrot“ – Mitte der 1920er Jahre zwar eine gewisse Öffentlichkeitswirkung erlangt – doch mit einer Gesamtproduktion von nur 15.000 Exemplaren verfehlte man klar den Anspruch, ein Auto für’s Volk zu bauen.

Mittlerweile hatte Opels P4 einen großen Publikumserfolg erzielt – obwohl oder gerade weil er eine dreiste Kopie des Citroen 5 CV Typ C3 war. Gleichzeitig schickte sich DKW an, in der Kleinwagenklasse mitzuspielen. Wenn Hanomag mit dem PKW-Bau Erfolg haben wollte, musste man endlich ein vollwertiges Fahrzeug anbieten. Genau das gelang auf Anhieb mit den ab 1929/30 gebauten 3/16 PS bzw. 4/20 PS-Modellen.

Hier eine Originalreklame für das zuerst vorgestellte 2-Sitzer-Cabriolet mit „Schwiegermuttersitz“ im Heck:

© Hanomag-Originalreklame um 1929/1930 aus Sammlung Michael Schlenger

Der hübsche Wagen bot zwar technisch nur Hausmannskost: Der wassergekühlte 4-Zylinder-Seitenventiler mit 800 ccm (später 1.000 ccm) leistete gerade einmal 16 PS (später 20 PS), doch das Höchsttempo von 75-80 km/h war für die damaligen Straßen ausreichend. Die Firma Hanomag bürgte für eine solide Konstruktion – Zuverlässigkeit war seinerzeit wichtiger als Spitzenleistung.

Zum Beweis wurde noch 1929 ein serienmäßiges Fahrzeug unter Aufsicht des ADAC über eine Strecke von 10.000 km geschickt, die im Wesentlichen die Geröllpisten diverser Balkanstaaten abdeckte. Der Wagen überstand diese Tortur glänzend und existiert noch heute unrestauriert in einer Privatsammlung.

1930 legte Hanomag nach und bot auch eine Limousine an. Davon zeugt die folgende zeitgenössische Werbung:

© Hanomag-Originalreklame um 1930 aus Sammlung Michael Schlenger

Interessant ist zum einen der Hinweis auf ein Differential, die erste Serie musste noch ohne ein solches auskommen. Zum anderen ist die Angabe „3-4 Sitze „aufschlussreich. Sie bedeutet verklausuliert, dass nur Platz für 3 Erwachsene in dem Wagen ist, ein kleingewachsener Passagier aber noch mitgekommen werden kann.

Übrigens spiegelt die eigentümliche Schreibweise von Limousine und Cabriolet die Versuche zur Eindeutschung von Fremdwörtern wider, denen wir auch Schöpfungen wie die „Kekse“ (von engl. „cakes“)  und das Kuvert (von frz.“couvert“) verdanken.

Da Reklamebilder schon immer ein möglichst günstiges Bild der beworbenen Fahrzeuge zeichneten, werfen wir einen Blick auf ein Originalfoto einer Hanomag-Limousine des Typs 3/16 PS bzw. 4/20 PS (äußerlich nicht zu unterscheiden):

© Hanomag 3/16 oder 4/20 PS, Anfang der 1930er Jahre, aus Sammlung Michael Schlenger

Auf dem gestochen scharfen und gekonnt aufgebauten Foto wird deutlich, dass der Hanomag erwachsen wirkte, zumindest gemessen an der Körpergröße unserer Vorfahren. Zu dem Eindruck trägt sicher auch die Stoßstange bei, die wohl nachgerüstet wurde und möglicherweise von einem anderen Fahrzeug stammt.

Auch ohne Vergrößerung gut erkennbar sind der Kühlerüberzug, der bei Winterbetrieb unerlässlich und für alle gängigen Fahrzeuge als Zubehör erhältlich war. Sehr schön zur Geltung kommt auch die typische Kühlerfigur, die das Wappentier des Landes Niedersachsens zeigt, in dem Hanomag ansässig war.

Der Wagen macht auf dem Foto bereits einen gut gebrauchten, aber nicht heruntergekommenen Eindruck. Der Stolz des mutmaßlichen Besitzers ist unübersehbar. Wer sich für zeitgenössische Kleidung jener Zeit interessiert, sollte einen Blick auf folgende Ausschnittsvergrößerung werfen:

Der gutgekleidete Herr trägt keineswegs Reitstiefel, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Stattdessen hat er zu seinen Halbschuhen passende Ledergamaschen angelegt. Damit ist eine ähnliche Optik erzielbar, ohne sich der Prozedur des Stiefelan- und -ausziehens unterziehen zu müssen. Dazu passend trägt er eine Kniebundhose mit seitlicher Schnürung und sicherlich Kniestrümpfe, sodass auch nach Ablegen der Gamaschen ein ordentliches Erscheinungsbild gewährleistet war.

Insgesamt hat man den Eindruck, dass es sich um eine Szene in ländlicher Umgebung handelt. Das Kennzeichen verweist auf eine Aufnahme in der Gegend von Braunschweig.  Wer Freude an so etwas hat, wird die handwerklichen Details an der Hausfassade im Hintergrund registrieren, die bei heutigen „Sanierungen“ oft ohne Not und ohne Gespür zerstört oder durch minderwertiges Material ersetzt werden…

Ein Hanomag „Sturm“ im russischen Winter

In der PKW-Palette der Hannoveraner Firma Hanomag war in den 1930er Jahren oberhalb des kompakten „Kurier“ und des populären „Rekord“ (Bildberichte 1, 2, 3) das Spitzenmodell „Sturm“ angesiedelt.

© Hanomag PKW-Palette, Originalreklame der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Wie bei Hanomag üblich bot der Wagen technisch keine Überraschungen, doch bekam der Käufer des „Sturm“ ein großzügiges, solides und angemessen motorisiertes Fahrzeug in stilsicherer Verpackung.

Hier eine Originalreklame des von 1934-39 gebauten Wagens:

© Hanomag Sturm, Originalreklame der 1930er Jahre aus Sammlung Michael Schlenger

Man muss die Leistung des Wagens von 55 PS im damaligen Kontext sehen. Damit war der Hanomag Sturm einem Mercedes 230 durchaus ebenbürtig. Beide Wagen hatten einen 6-Zylinder-Motor, auch die Fahrleistungen waren vergleichbar (Spitze ca. 115 km/h). Allerdings verfügte das Aggregat des Hanomag bereits 1934 über hängende Ventile, während Mercedes bei der Vorstellung des 230ers im Jahr 1937 am überholten Seitenventilprinzip festhielt.

Der Mercedes 230 verfügte über das modernere Fahrwerk, war allerdings auch merklich teurer als der Hanomag Sturm. Die Ganzstahl-Karosserie des Hanomag wurde von Ambi-Budd zugeliefert und bot weniger Variationsmöglichkeiten als dies beim Mercedes der Fall war. Doch von Prestigeaspekten abgesehen war der große Hanomag in seiner Klasse sehr konkurrenzfähig.

Viele Hanomag-Käufer überzeugte nicht zuletzt die solide Qualität, die man bei Produkten eines Maschinenbaukonzerns erwarten würde. So verwundert es einen nicht, dass PKWs von Hanomag auch häufig auf historischen Fotos auftauchen, die Zivilfahrzeuge im Kriegseinsatz zeigen. Hier ein Beispiel:

© Hanomag Sturm in Russland, 1940er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das laut umseitiger Beschriftung in Russland aufgenommene Bild zeigt eindeutig einen Hanomag Sturm. Zwar kam dessen Ambi-Budd-Karosserie auch bei Adler zum Einsatz, doch verweisen das schmalere Kühleremblem, die markanten Hupen und die typische Anordnung der Kühlluftklappen auf Hanomag als Hersteller.

Interessant ist der Wagen auf der Aufnahme aus mehreren Gründen: In markantem Gegensatz zum Einsatzzweck stehen die glänzenden Chromteile (Scheinwerfer, Hupen, Scheibenrahmen), die bei Wehrmachtsfahrzeugen normalerweise grau lackiert wurden. Auch sind keine Tarnüberzüge für die Scheinwerfer vorhanden. Dagegen ist die verchromte Stoßstange bereits überlackiert, und die Chromradkappen fehlen. Für den Wintereinsatz ist eine Frontscheibenheizung verbaut:

Der merkwürdig uneinheitliche Zustand des Wagens könnte damit zu erklären sein, dass er erst kurz vor Entstehung der Aufnahme für das Militär requiriert wurde. Vielleicht war bei der Einheit, der er zugeteilt wurde, nicht mehr genug Farbe vorhanden, um die Tarnlackierung zu vervollständigen.

Das Kennzeichen verweist übrigens auf eine eilige Beschlagnahmung des Hanomag. Der Buchstabe „P“ steht für eine Zulassung in der ab 1939 besetzten Region Posen (seit 1918 polnisch). Die V-förmige Markierung oberhalb des Bindestrichs bedeutete, dass es sich um einen Privatwagen handelte, der mit behördlicher Genehmigung auch nach Kriegsbeginn vom Besitzer verwendet werden durfte.

Dennoch ist der Hanomag auf irgendeine Weise an die Front gelangt und scheint nur noch auf sein Wehrmachts-Kennzeichen und die üblichen taktischen Zeichen auf den Schutzblechen zu warten. Die rückseitige Beschriftung des Fotos „Russland“ lässt jedenfalls keinen Zweifel am Aufnahmeort zu. Denkbar ist auch, dass das Bild während der späten Phase des deutschen Ostfeldzugs entstand, als vorschriftsmäßige Tarnung und Markierung der Fahrzeuge oft vernachlässigt wurden.

Welche persönlichen Schicksale mit dieser Aufnahme aus dem russischen Winter vor über 70 Jahren verbunden sind – die des einstigen Besitzers des Hanomag und die seiner militärischen Nutzer – bleibt im Dunkel der Geschichte.

Hanomag „Garant“: Ein versehrter Kriegsheimkehrer

Dass PKW der 1930er Jahre den 2. Weltkrieg unbeschadet überstanden haben, war eine seltene Ausnahme. Was nicht an der Front geblieben war, kehrte oft in ebenso desolatem Zustand zurück wie die geschlagenen Truppen.

In den letzten Tagen und Wochen des Kriegs wurden viele Wehrmachts-Fahrzeuge irgendwo stehengelassen, wenn das Benzin alle war. Wie diese Kriegsheimkehrer auf vier Rädern neue Besitzer fanden, gehört aus Sicht des Verfassers zu den spannenden Kapiteln, zu denen nur wenig bekannt ist. Denn beinahe alle nicht-militärischen Fahrzeuge, die von der Wehrmacht eingesetzt wurden, waren ja zuvor in Privatbesitz, und nach der Kapitulation 1945 waren sie formal weiterhin Eigentum der öffentlichen Hand.

Viele Bilder belegen jedoch, dass solche ehemaligen Wehrmachts-Fahrzeuge in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren wieder von Privatleuten gefahren wurden (siehe auch Ford Taunus auf VW-Kübel-Chassis). Wie das ohne Papiere und Kaufvertrag bewerkstelligt wurde? Auf dem Land genügte es wohl, die richtigen Leute zu kennen, die mit einer gesunden Prise Pragmatismus gesegnet waren und keine unnötigen Fragen stellten – das Leben musste ja weitergehen.

Ein mutmaßliches Beispiel für ein solches Fahrzeug soll hier vorgestellt werden:

© Hanomag „Garant“, Ende der 1940er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen als solcher ist schnell identifiziert. Auf dem Kühlergrill ist in Fahrtrichtung rechts ein Emblem der Firma Hanomag montiert, die in den 1930er Jahren solide, technisch anspruchslose Mittelklassewagen baute. Während die Modelle „Rekord“ und „Sturm“ durch entsprechende Schriftzge auf dem Kühler leicht zu erkennen sind, verfügten die kleineren Vorgänger „Garant“ und „Kurier“ nicht immer über solche Erkennungsmerkmale.

Doch die Kühlermaske ist hinreichend individuell, um zusammen mit dem wohl nachträglich montierten Hanomag-Emblem die Ansprache als Modell „Garant“ zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite des Kühlers ist eine ADAC-Plakette angebracht, die auf der Originalaufnahme besser zu erkennen ist als im hier gezeigten Bild:

Gebaut wurde der Hanomag Garant mit seinem 1,1 Liter-Vierzylinder und 23 PS von 1934-38. Er war als Limousine sowie als Cabriolimousine (von Karmann) verfügbar. Mit einem solchen Wagen mit Karmann-Aufbau haben wir es hier zu tun.

Was spricht nun dafür, dass es sich um ein ehemaliges Wehrmachts-Fahrzeug handelt? Aufschlussreich ist vor allem die matte Lackierung der Kühlermaske, die serienmäßig verchromt war. Bei requirierten Wehrmachts-PKW wurden alle Chromteile grau überlackiert, um verräterische Reflektionen zu vermeiden.

Der Kühler scheint noch diese der Tarnung dienende Lackierung zu tragen, während die verchromten Scheinwerfer nachgerüstet sein können. Vielleicht trugen sie im Krieg auch einen Tarnüberzug aus Stoff, der eine Lackierung der Chromringe überflüssig machte.

Allerdings fällt der Chromrahmen der Frontscheibe auf – entweder wurde die Scheibe nach dem Krieg ausgetauscht oder die Lackierung ließ sich hier leichter entfernen als anderswo. Bei Wehrmachtsfahrzeugen sieht man oft, dass schon während des Kriegseinsatzes die Lackierung speziell an den Scheibenrahmen wieder abblättert, da der Untergrund dort vermutlich nicht eigens angerauht wurde (Beispiel hier).

Möglich ist zwar, dass nur die Kühlermaske von einem Wehrmachtsfahrzeug stammt und später an einem während des Kriegs zivil genutzten Hanomag verbaut wurde. Allerdings weisen mehrere Indizien darauf hin, dass der Wagen härter beansprucht wurde als ein Zivilfahrzeug.

Zum einen fehlen vorne und hinten die Radkappen, die ein privater Besitzer nach Wechsel der Räder oder Schmierung der Radlager sicher wieder montiert hätte. Auch die Reifen sehen nach rustikalem Geländeeinsatz aus. Zum anderen scheinen die Vorderkotflügel demoliert zu sein und die Frontstoßstange ist ersetzt worden:

Die montierte Stoßstange stammt von einem anderen Fahrzeug. Der markante mittige Knick nach unten ist beispielsweise beim Ford Köln bzw. Rheinland ab 1934 sowie beim Ford Eifel ab 1935 zu finden. Einen solchen Umbau unternimmt man nur, wenn die Originalstoßstange nicht mehr vorhanden ist. Nach einem leichten Unfall könnte man diese ja richten – wenn sie aber ganz fehlt, weist dies darauf hin, dass der Wagen zuletzt nicht im normalen Straßenverkehr bewegt wurde.

Es ist nur eine Vermutung, doch spricht einiges dafür, dass dieser Hanomag Garant in seinem früheren Leben feldmäßig eingesetzt wurde, also einen harten Dienst in der Wehrmacht verrichten musste. Nach dem Krieg wurde der irgendwo gestrandete Wagen wieder in Betrieb genommen und notdürftig hergerichtet.

Übrigens scheint die nachträglich montierte Ford-Stoßstange auch von einem Wehrmachts-Fahrzeug zu stammen, da sie werksseitig verchromt war. Oder der Zustand war so schlecht, dass der Besitzer sie kurzerhand in Wagenfarbe lackierte.

Dass wir es jedenfalls mit einer Aufnahme aus der frühen Nachkriegszeit zu tun haben, beweist das Nummernschild. Es wurde in der „Amerikanischen Besatzungsszone Bayern“ (AB) vergeben, wahrscheinlich 1948 (siehe untere Ziffernkombination in der Mitte).

Derartige Bilder aus der Nachkriegszeit zeigen Fahrzeuge, die mit Mühe und Not am Laufen gehalten wurden und an denen vieles nicht mehr „original“ war. Gerade solche schwer mitgenommenen, aber immer noch genutzten Vehikel sind in besonderer Weise authentisch. Entsprechende Originalbilder sind daher historisch interessanter als andere, die die Fahrzeuge noch im Neuzustand zeigen, der am wenigsten repräsentativ für ein Autoleben ist.

Leider hatten in der Vergangenheit nur wenige Veteranen-Liebhaber hierzulande das Gespür, solche Originale im vorgefundenen Zustand zu konservieren, anstatt sie wieder „auf neu“ zu machen und damit alle Spuren ihrer Geschichte zu zerstören.

Hanomag „Kommissbrot“ – das verhinderte Volksauto

Zu den Mysterien der deutschen Automobilgeschichte gehört, dass es vor dem 2. Weltkrieg keinem der zahlreichen Hersteller hierzulande gelang, ein eigenständiges Volksauto zustandezubekommen. Dabei hatte in den USA Ford bereits vor dem 1. Weltkrieg mit dem „Model T“ das Rezept dafür vorgestellt:

Ein erwachsenes, robustes Auto ohne technische Experimente, rationell produziert und dadurch erschwinglich für jedermann – ob für den Arbeiter, der es fertigte, oder den einfachen Bauern. Und es sage niemand, dass es anno 1914 in den USA auf dem Lande moderner zuging als im Deutschen Reich – wohl eher im Gegenteil.

Sicher – nach dem 1. Weltkrieg und dem wirtschaftlich wie politisch fatalen Frieden von Versailles brach der Markt für Automobile in Deutschland nach kurzer Scheinblüte ein. Dennoch ergingen sich viele Hersteller weiter in Sport- und Luxuswagenträumen. Im Kleinwagenbereich reichte es dagegen nur zu Plagiaten bzw.  Lizenznachbauten von Citroen (Opel 4PS) bzw. Austin Seven (BMW Dixi).

Die Botschaft aus den USA war wohl vernommen, doch kaum richtig verstanden worden. Der Maschinenbaukonzern Hanomag, der später grundsolide und durchaus elegante Wagen zu bauen wusste, legte trotz sogenannter Fließbandfertigung auch erst einmal einen Fehlstart hin. Die Rede ist vom Hanomag 2/10PS, dem  „Kommissbrot“ oder „Kohlenkasten“. Hier sieht man eines dieser Fahrzeuge bei einem Ausflug Ende der 1920er Jahre:

© Hanomag 2/10 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das 1924 vorgestellte und von 1925-28 hergestellte Wägelchen war in vielerlei Hinsicht außerordentlich – und genau das stand seinem Erfolg im Wege:

Die Form war unkonventionell und gemessen an den meisten Wagen jener Zeit schlicht verunglückt. Ein Fahrzeug mit 10 PS und einem Höchsttempo von 60km/h braucht gewiss keine äußerlich „geglättete“ oder „avantgardistische“ Karosserie.

Der lärmige Einzylinder-Motor wollte von innen per Seilzug gestartet werden wie ein Rasenmäher – allerdings ging das nur mit der linken Hand – keine gute Idee. Eine Kurbel wäre bei bloßen 500 ccm Hubraum die bessere Lösung gewesen.

Der Einstieg war nur von der Fahrerseite möglich, einen Kofferraum gab es auch nicht. Nun betrachte man sich einmal die beiden Herren auf unserem Foto im Verhältnis zur Wagengröße:

Wäre einer von beiden etwas stattlicher gebaut – oder eine Dame mit einer gut gefüllten Einkaufstasche dabei, wie würde das wohl ausgehen? Vermutlich wäre in der Stadt eher eine Heimfahrt mit der Tram anzuraten, und auf dem Land fuhr seinerzeit zum Glück noch überall die Eisenbahn.

Es ist kein Wunder, dass dieses zweifellos interessante Mobil den hehren Anspruch des „Volksautos“ seinerzeit nicht einlösen konnte. Die zeitgenössische Werbung „rassiger Bergsteiger“, „im schwierigsten Gelände glänzend bewährt“, „2 bequeme Sitze nebeneinander“ usw. konnte angesichts der Sachlage nicht verfangen.

Als einziger Vorteil kann der verbesserte Wetterschutz gegenüber dem Motorrad vorgebracht werden. Doch darüber hinaus bot der Hanomag keinen nennenswerten Zusatznutzen. Im Gegenteil setzte man sich dem Gespött der Mitmenschen aus, die sich unter einem vollwertigen Automobil zurecht etwas anderes vorstellten.

Und so blieb es von 1925-28 bei einer Gesamtproduktion des Hanomag 2/10 PS von etwas mehr als 15.000 Stück. Leider meint auch ein sonst hervorragendes heutiges Werk wie „Hanomag Personenwagen – Von Hannover in die Welt“ dieses bescheidene Ergebnis in einen Erfolg umdeuten zu müssen. Da ist von „besonderer Popularität“ und dem „ersten deutschen Volksauto“ die Rede.

Die Fakten: 1925 lebten in Deutschland über 60 Millionen Menschen. Bei einer Gesamtproduktion von 15.000 Hanomag 2/10 PS macht das rund 2,5 Wagen auf 10.000 Einwohner. Zum Vergleich: das Model T von Ford wurde zu Spitzenzeiten 9.000mal pro Tag (!) gebaut, obwohl es Mitte der 1920er Jahre bereits veraltet war…

Zum Glück bekam Hanomag mit den Nachfolgemodellen 3/16 PS bzw. 4/20 PS gerade noch die Kurve (Bildbericht folgt), doch ein exklusives Vergnügen blieben auch sie.

Auch das ist original: Hanomag „Rekord“ in der DDR

Auf die Frage, was bei einem historischen Fahrzeug als Originalzustand anzusehen ist, gibt es für viele Klassikerfreunde nur eine Antwort – Neuzustand. Tatsächlich kommt man in vielen Fällen nicht umhin, sich bei der Restaurierung daran anzunähern oder sich zumindest daran zu orientieren:

Bei Unfallfahrzeugen, unvollständigen Teileträgern oder völlig verschlissenen und nicht mehr funktionsfähigen Vehikeln führt am Neuaufbau kein Weg vorbei. Doch leider werden hierzulande immer noch komplette Fahrzeuge mit guter Substanz und viel Charakter ohne Not auseinandergerissen und „restauriert“.

Das heißt oft genug, dass unersetzliche Originalsubstanz wie Leder, Stoffe und Chromteile durch modernes, selten gleichwertiges Material ersetzt wird. Es bedeutet häufig auch, dass in einem langen Autoleben dazugekommene Accessoires und zeitgenössische Umbauten entfernt werden. Dabei ist früher kaum ein Fahrzeug nach der Auslieferung unverändert geblieben.

Zu den Spuren der Nutzung an Lack, Chrom und Innenraum traten Modifikationen, die der Verschönerung oder der Alltagstauglichkeit dienten. Gängig waren auch Improvisationen, weil keine Originalteile mehr zu bekommen waren. Dass das Ergebnis solcher Veränderungen nicht nur „originell“, sondern auch „original“ und damit erhaltenswert sein kann, zeigt folgendes Beispiel eines Hanomag Rekord aus den 1930er Jahren:

© Hanomag Rekord in der DDR, um 1960; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Anstelle einer bereits andernorts erfolgten technischen Besprechung des Modells soll es hier um das gehen, was das abgebildete Exemplar „besonders original“ macht.

Zunächst einige Worte zum Entstehungszeitpunkt und Ort der Aufnahme. Ins Auge fällt das Nummernschild, das der 1953 in der DDR eingeführten Systematik entspricht. Dabei bezeichnete das Buchstabenpaar keine Städte, sondern Bezirke und Kreise. „KW“ stand für den Kreis Sangerhausen im Bezirk Halle in Sachsen-Anhalt.

Praktischerweise ist auf der Rückseite als Ortsangabe „Wippra“ vermerkt, ein idyllisch am Harz gelegenes Städtchen, keine 20km von Sangerhausen entfernt. Anlass war offenbar eine Wochenendspritztour der Familie – Muttern wird dabei das Foto geschossen haben. Vaters schmale Krawatte deutet auf die frühen 1960er Jahre.

Da als Wagentyp „Hanomag Rekord“ auf der Rückseite vermerkt ist, können wir das für bare Münze nehmen. Ohne diesen Hinweis wäre man auch darauf gekommen, doch hätten etliche Unstimmigkeiten für Irritation gesorgt. Werfen wir also einen näheren Blick auf den Wagen – es gibt einiges zu entdecken:

Merkwürdig mutet zunächst der Kühler an. So fehlt der geschwungene Schriftzug „Rekord“, der meist auf der rechten Seite (in Fahrtrichtung angebracht) war. Entweder ist er verlorengegangen oder der Kühler ist durch ein Teil des schwächer motorisierten Hanomag „Garant“ oder „Kurier“ ersetzt worden, der ähnlich aussah.

Anlass für die Modifikation des Kühlers könnte ein Unfall gewesen sein. Dabei wäre dann vermutlich auch die Stoßstange ersetzt worden. Diese entspricht nicht mehr dem durchgehenden Hanomag-Originalteil, sondern ähnelt der bei DKW in den 1930er Jahren verbauten zweiteiligen, geschwungenen Stoßstange. Sie wurde nach dem Krieg beim IFA F8 – der Wiederauflage des DKW F8 – weiterverbaut. Im Unterschied zu Vorkriegsversion wies sie oft eine horizontal verlaufende Verdickung auf, die auch auf dem Foto zu erahnen ist.

Wahrscheinlich hat man sich hier mit einem IFA-Teil beholfen, das gemessen am Alter des Wagens noch in auffallend gutem Zustand ist. Ebenfalls Standardteile aus DDR-Produktion dürften die mittig montierte Hupe (evtl. von einem Motorrad MZ RT 125) und der Rückspiegel am Dachholm sein. Letzter entspricht der Form nach bei Mofas und Mopeds der „Vogelserie“ verbauten Teilen.

Vermutlich von einem Fremdfahrzeug stammen auch die Radkappen, die glattflächiger wirken als bei Hanomag-Modellen. Möglicherweise wurden sogar komplette Räder eines anderen Wagens verbaut, eventuell eines Wanderer W24. Rätselhaft erscheint die Verkleidung vor dem Unterteil des Kühlers.

Man fragt sich, ob es den Hanomag auf dem Bild heute noch gibt, immerhin war er zum Zeitpunkt der Aufnahme schon rund 25 Jahre alt. Liebhaber dieser soliden Wagen aus Hannover gab es schon früh, und in der DDR hat man selten etwas Hochwertiges weggeworfen. Wenn er nicht irgendwann selbst als Ersatzteilspender herhalten musste, könnte dieser „Rekord“ noch existieren. Vielleicht weiß jemand aus der Hanomag-Szene Näheres. 

Auf jeden Fall zeigt das Bild eindrucksvoll, wie ein solcher Wagen einst im Alltag ausgesehen hat. Würde man ihn in genau diesem Zustand bekommen, wäre es das Beste, ihn auch so zu konservieren. Originaler als in diesem authentischen Zustand kann ein historisches Fahrzeug kaum sein. Vielleicht eine Anregung für Klassikerbesitzer, bei wirklich gut erhaltenen Fahrzeugen auf unnötige Rückbauten und Neuteile zu verzichten.

Ein in Würde gealtertes Fahrzeug wie der hier vorgestellte Hanomag wird auch vom Publikum als echte Persönlichkeit wahrgenommen, was man von „auf neu“ gemachten und nicht mehr genutzten Fahr(Steh)zeugen kaum behaupten kann.

Rätselhaftes Foto eines Hanomag-Cabriolets von 1933

Vielleicht kennen andere Sammler das auch: Selbst wenn man nicht immer zielgerichtet sucht – oder vielleicht gerade dann – finden die schönsten Fundstücke von alleine den Weg zu einem. So geschehen bei dem hier vorgestellten Originalfoto aus der Vorkriegszeit.

Der Anbieter vermutete, dass ein Ford darauf zu sehen und das Bild in den 1920er Jahren entstanden ist. Damit lag er zwar nicht richtig, doch war sein Bauchgefühl einigermaßen fundiert. Denn zweisitzige Cabriolets dieser Machart („rumble seat“) wurden in den späten 20ern und frühen 30ern auch von amerikanischen Marken wie Buick, Chrysler und eben Ford gebaut.

© Originales Pressefoto der 1930er Jahre; Bildquelle: Sammlung Michael Schlenger

Bevor es an den Versuch einer Identifikation des Wagens geht, eine Spekulation über die Aufnahmesituation. Das Auto scheint neu zu sein – unter dem vorderen Kennzeichen mit der Buchstabenkombination IS für Provinz Hannover sieht man ein Blanko-Nummernschild wie bei Ausstellungsstücken in einem Autohaus.

Das Foto ist eine Profiarbeit: der gekonnte Bildaufbau, die präzise Steuerung der Tiefenschärfe und die von den Schatten bis in die hellsten Partien differenzierten Tonwerte sprechen ebenso dafür wie das großzügige Format von 16,5 x 21 cm. Die elegant gekleidete junge Dame auf dem Bild posiert wie ein Fotomodell und ist wohl auch eins. Man fragt sich, ob es bei dem Bild in erster Linie um das Auto ging, oder ob es nicht eher eine Modeaufnahme war.

Für letzteres spricht, dass der Fotograf die Zone maximaler Schärfe auf das Model gelegt hat. Dennoch sind in der Vergrößerung der Frontpartie des Wagens  entscheidende Details zu erkennen:

Das Kühleremblem gehört eindeutig zu einem Hanomag und die sich nach unten zuspitzende Form ist so typisch, dass nur zwei Modelle in Frage kommen: der Typ 11 mit 4/23 PS (später „Garant“) oder der Typ 15 mit 6/32 PS (später „Rekord“).

Die Kombination aus Kühlerform, mittig geknicktem Scheinwerferbügel mit Hupe und die markante Verdickung der Stoßstange deutet auf die von 1933-34 gebaute frühe Version des Wagens hin. Beim 4/23 PS gab es ein 2-Fenster-Cabriolet nur 1933. Auf Bildern des 2-Fenster-Cabrios des 6/32 PS-Modells sind bereits Kotflügelschürzen zu sehen, außerdem ist die Heckpartie anders. Markant ist mittig angebrachte, leicht nach unten geneigte (Nebel)-Scheinwerfer, ein selten zu sehendes Zubehör.

Die Wahrscheinlichkeit spricht für eine Cabrio-Version des 4/23 PS-Modells, von dem Werner Oswald („Deutsche Autos 1920-45“) schreibt, dass ihm der Hersteller unbekannt sei. Da es seit Erscheinen des Buchs (1977) Erkenntnisfortschritte gegeben haben könnte, an dieser Stelle die Bitte an sachkundige Leser, sich mit etwaigen weiterführenden Informationen zu melden (siehe Kommentarfunktion).

Vielleicht hilft auch eine nähere Betrachtung der Heckpartie des Hanomag weiter:

Auf dem hinteren Kotflügel ist eine Trittplatte zu erkennen, über die der Zugang zum Schwiegermuttersitz („rumble seat“) möglich ist. Wenn nicht alles täuscht, ist das Ersatzrad unter einer separaten Blechverkleidung verborgen. Die sehr schmal wirkenden Reifen sind ein weiteres Indiz für das schwächere 4/23 PS-Modell.

Noch eine Anmerkung zum Aufnahmeort: Ein Hanomag mit Kennzeichen der Provinz Hannover ist natürlich in der gleichnamigen Stadt aufgenommen. Das Gebäude im Hintergrund ist das Alte Rathaus Hannovers. Seine Außenmauern haben die weitgehende Zerstörung der Altstadt im 2. Weltkrieg so gut überstanden, dass es wiederaufgebaut werden konnte. Bemerkenswert ist, dass die Rüstungsproduktion bei Hanomag erst nach dem letzten von 80 Bombenangriffen auf die historische Stadt eingestellt werden musste, das war Ende März 1945…

 

„Voll“ praktisch – Hanomag Rekord Pickup

Auch im Internet-Zeitalter hat das Oldtimer-Buch längst nicht ausgedient. Denn oft gerät das Netz an seine Grenzen, wenn es um zuverlässige, in die Tiefe gehende, ansprechend präsentierte Informationen zu entlegenen Marken und Fahrzeugtypen geht. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Meist liegt das daran, dass die entscheidende Recherchearbeit zu einem Zeitpunkt geleistet wurde, als es das Internet noch nicht gab. Die Ergebnisse wurden dann in Druckwerken festgehalten, deren Auflage sich an der Zahl der dafür empfänglichen Enthusiasten orientierte; danach ist meist nichts mehr passiert.

Man nehme etwa das Werk von Görg/Hamacher: Hanomag-Personenwagen – Von Hannover in die Welt, erschienen 1999. Wer sich für die einstige PKW-Produktion des Maschinenbaukonzerns interessiert, kommt an dieser Publikation nicht vorbei – vorausgesetzt, man kann ein antiquarisches Exemplar ergattern wie der Verfasser.

Diese Situation ist unbefriedigend: Zum einen rückt der Tag näher, an dem es heißt „Was nicht online ist, existiert auch nicht“. Für Hanomag-Enthusiasten werden künftig die gedruckten Informationen zur Marke unerreichbar sein, wenn sie nicht ins Internet überführt werden. Zum anderen ist ein laufendes Fortschreiben des Recherchestands nicht gesichert, wenn die Basis dafür nicht online ist.

Ein Beispiel dafür soll hier präsentiert werden, ein Hanomag „Rekord“ Pickup der frühen Nachkriegszeit. Ab Werk war keine Transporterversion dieses von 1934 bis 1938 produzierten Mittelklassewagens verfügbar. Und doch hat es so etwas als Spezialanfertigung eindeutig gegeben:

© Hanomag Rekord Pickup 1940/50er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses scheinbar unspektakuläre Foto liefert bei näherem Hinsehen hochinteressante Details. Dabei stand der Wagen bei der Aufnahme gar nicht im Mittelpunkt – der Fotograf hat die Person am Steuer in den Mittelpunkt gesetzt – ein schönes, ausdrucksstarkes Bild.

Das Auto lässt sich anhand weniger Details als Hanomag Rekord ansprechen. Die Kühlluftklappen, die zur A-Säule aufsteigende Linie, die sich in einer Zierleiste an der Regenrinne am Dach fortsetzt, die parallele Ausrichtung von Motorhaubenabschluss und Türvorderkante – alles das gibt es bei der für den Rekord (und den seltenen „Sturm“) von Ambi-Budd gelieferten Karosserie, Typ „Jupiter“.

Doch die Standardkarosserie endet hinter dem Fahrersitz, eigentlich schon hinter der A-Säule. Denn die horizontale Linie, die sich von der Motorhaube nach hinten fortsetzen sollte, ist abgeschnitten – die Tür hat eine komplett flache Außenhaut. Dahinter folgt ein rein funktionell gestaltete Ladefläche mit hohen Seitenwänden.

Was ist das für ein Umbau? Den entscheidenden Hinweis liefert die Plakette, die oberhalb des hinteren Kotflügelendes seitlich angebracht ist:

Klar zu lesen ist dort „VOLL“. Wer hier an die Berliner Karosseriemanufaktur Voll & Ruhrbeck denkt, liegt daneben. Vielmehr gab es von 1926 bis 1992 in Würzburg die Karosseriefabrik Voll KG, die wahrscheinlich für diesen Umbau veranwortlich war.

Dafür spricht der Name des Fotostudios, der auf der Rückseite des Fotos  vermerkt ist: „A. Schmal, Hammelburg“. Der Ort liegt nur 50 km von Würzburg entfernt. Das macht es plausibel, dass von der dort ansässigen Firm Voll in der Nachkriegszeit ein Hanomag Rekord zu einem Transporter umgebaut wurde.

Möglicherweise handelte es sich um ein ehemaliges Wehrmachtsfahrzeug, das bei Kriegsende 1945 in der Nähe aufgegeben worden war. So fragwürdig ein Erwerb von Militäreigentum war: Man brauchte auf dem Land dringend Transportkapazität und man kann davon ausgehen, dass das von offizieller Seite möglich gemacht wurde.

Zu einer Datierung in die frühe Nachkriegszeit passt das Erscheinungsbild der Fahrerin. Sie trägt lange Zöpfe, die spätestens in den 1950er Jahren „abgeschnitten gehörten“. Der grobe Strickpullover unterstreicht die rustikal anmutende Gesamtsituation. Interessant ist die Frontscheibenheizung, die man auf folgender Ausschnittsvergrößerung zusammen mit dem Winker an der A-Säule gut erkennen kann:

Es ist unwahrscheinlich, dass der Besitzer des Wagens dieses nützliche Accessoire in der frühen Nachkriegszeit anbrachte – man hatte andere Sorgen. Vermutlich war das Zubehör bereits im Hanomag installiert, als er nach Kriegsende den Besitzer wechselte. Auf Fotos von Wehrmachts-PKW an der Ostfront sieht man öfters solche Scheibenheizungen.

Dass der in Fahrtrichtung rechte Scheibenwischer fehlt, passt ebenfalls zu einem bereits intensiv genutzten Fahrzeug, bei dem nur noch der praktische Wert zählte. Für eine entspannte Einstellung zu dem einst begehrten Vehikel spricht nicht zuletzt, dass an der zweiteiligen Radkappe am linken Hinterrad der Abschlussdeckel fehlt:

Bilder wie diese sagen viel darüber, wie ein Hanomag Rekord einst wirklich genutzt wurde. Das hat nichts mit dem Zustand „besser als neu“ zu tun, den leider immer noch viele vermeintliche Oldtimer-Freunde gerade hierzulande anstreben.

Zur Geschichte einer Automarke und eines speziellen Wagentyps gehören auch historische Belegstücke wie das hier präsentierte. Es wäre zu wünschen, dass Bilder und Informationen wie diese künftig ebenso systematisch aufbereitet und allgemein zugänglich gemacht würden, wie dies bislang in einschlägigen Druckwerken – und dort oft auch nur eingeschränkt  – der Fall war.

Weiterer Artikel zum Hanomag Rekord

Hanomag „Rekord“ Cabriolet im Militäreinsatz

Mit dem deutschen Maschinenbauer Hanomag verbinden die meisten Lastkraftwagen und Schlepper. Dass der Konzern aus Hannover bis 1941 auch PKW baute, ist vielen Klassikerfreunden kaum präsent. Allenfalls das skurrile Hanomag „Kommissbrot“ aus den 1920er Jahren erfreut sich noch einer gewissen Bekanntheit.

Tatsächlich landete Hanomag seinen größten Erfolg im Autobau erst Mitte der 1930er Jahre, mit dem Mittelklassewagen „Rekord“. Nachdem die Firma zuvor nur Kleinwagen gebaut hatte, stieß sie damit in den Kreis der größten PKW-Produzenten in Deutschland vor.

Der Hanomag Rekord wartete mit einem 1,5 Liter großen Vierzylinder-Motor auf, der besonders robust ausgelegt war, da daraus auch ein Dieselaggregat abgeleitet werden sollte. Mit 35 PS war der Rekord für damalige Verhältnisse ausreichend motorisiert, er erreichte knapp die 100 km/h-Marke.

Mit 4-Gang-Getriebe, Einzelradaufhängung vorne und hydraulischen Bremsen war der Rekord auf der Höhe der Zeit. Die gefällige Ganzstahlkarosserie vom Ambi-Budd tat ihren Teil dazu, den Wagen zu einem – gemessen an deutschen Verhältnissen – Verkaufserfolg werden zu lassen. Von 1934 bis 1938 entstanden gut 18.000 Exemplare.

So ist es kein Wunder, dass auch der Hanomag Rekord ab Kriegsbeginn 1939 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Die Konstruktion galt als robust und Ersatzteile waren relativ schnell verfügbar. Nur Zweitakter und Exoten entgingen seinerzeit der Requirierung. Hier ein Originalfoto eines Hanomag Rekord im Militäreinsatz:

© Hanomag Rekord Cabriolet, um 1940; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Foto zeigt die Cabriolet-Version des Hanomag Rekord, für die es gegen Aufpreis sogar Lederpolster gab. Ob der hier gezeigte Wagen so luxuriös ausgestattet war und ob es sich um die 2- oder 4-Fenster-Variante handelte, lässt sich nicht entscheiden.

Jedenfalls sieht der Wagen schon gut gebraucht aus, die vorderen Kotflügel sind zerdellt und an der Stoßstange kommt unter der Lackierung in Feldgrau die Verchromung wieder zum Vorschein.

Kurios ist, dass die vor dem Kühler montierte Hupe nicht ebenfalls überlackiert worden ist. Sie war serienmäßig ebenso verchromt wie der Bügel zwischen den Scheinwerfern, an dem sie befestigt ist.

Denkbar ist, dass die Hupe nach einem Defekt nachträglich ersetzt worden ist. So weist der Mittelstab der Kühlermaske auf eine Beschädigung hin. Dann wäre eine improvisierte Reparatur zu vermuten, vielleicht war gerade keine Tarnfarbe verfügbar.

Dass man auf konsequente Tarnung keinen Wert legte, mag mit der Aufnahmesituation zu tun haben. Zwar sind auf der Rückseite des Fotos keine Hinweise auf Ort oder Zeitpunkt vermerkt. Jedoch lassen sich aus dem Kontext einige Rückschlüsse ziehen. Das Bild zeigt offenbar einen Nachschubtreck mit Pferdewagen. Während die meisten deutschen Kampfeinheiten ab 1940 motorisiert waren, wurde das Gros des Materials nach wie vor mit der Eisenbahn oder von Pferden gezogenen Lastwagen transportiert.

Das erklärt auch den unstillbaren Hunger der Wehrmacht nach privaten PKW – zu keinem Zeitpunkt des Krieges waren ausreichend motorisierte Transportkapazitäten vorhande. Das war übrigens bei den europäischen Kriegsgegnern nicht anders. Nur die Amerikaner waren dank ihrer Massenproduktion nicht auf Zivilfahrzeuge angewiesen.

Werfen wir einen näheren Blick auf die drei Soldaten im Hanomag:

Der schon etwas Ältere links ist der Schirmmütze nach zu urteilen ein Unteroffizier, vom Alter her könnte er als junger Mann schon den 1. Weltkrieg erlebt haben. Der jüngere Kamerad in der Mitte dürfte den Schulterklappen nach zu urteilen ein Feldwebel sein. Er trägt den linken Arm in einem Dreieckstuch, was auf eine jüngst erlittene Verletzung hindeutet. Der Soldat zu seiner Linken ist ein Gefreiter – zu erkennen am Winkel auf dem Ärmel. Als Mannschaftsdienstgrad trägt er keine Schirmmütze, sondern ein Schiffchen.

Alle drei Soldaten tragen die feldgraue Uniform der Infanterie mit dunkelgrünem Kragen, die es nur bei Kriegsbeginn gab. Das spricht für eine frühe Entstehung des Bildes. Zieht man die Benutzungsspuren des Hanomag ins Kalkül – siehe auch den Frontscheibenrahmen – spricht einiges für den Frankreichfeldzug, der im Sommer 1940 nach sechs Wochen „Blitzkrieg“ mit der französischen Kapitulation beendet war.

Vermutlich ist die Aufnahme bei einer nachrückenden Versorgungseinheit im Hinterland fernab jeder Bedrohung entstanden. Was aus dem Hanomag und den Männern auf dem Bild wurde – wer weiß…

Weiterer Bildbeitrag zum Hanomag Rekord

Hanomag „Rekord“ Cabriolet im Vogelsberg

Taunus, Wetterau und Vogelsberg sind uralte Kulturlandschaften mit großem Reichtum an bedeutenden historischen Bauten – leider sind die Einheimischen diesbezüglich vernagelt und machen zuwenig daraus.

Besucher aus der „Großstadt“ Frankfurt staunen oft, wenn man ihnen Perlen wie die römische Kapersburg, das Bad Nauheimer Jugendstilensemble, die staufische Münzenburg oder das Zisterzienserkloster Arnsburg zeigt. Und bei Landpartien nach Büdingen oder Laubach sorgen Schlösser und Parkanlagen zuverlässig für Entzücken.

Der Vogelsberg dagegen ist selbst für manche Alteingesessene in Sachen Baudenkmälern „terra incognita“. Sicher, man kennt idyllische Örtchen vom Durchfahren, liebt das Streunen über kurvenreiche Strecken in abwechslungsreicher Landschaft. Aber von einem herrschaftlichen Schloss oder einer mächtigen Burg in dieser dünnbesiedelten Gegend wissen die wenigsten.

Dass es so etwas tatsächlich gibt, daran erinnerte sich der Verfasser, als er durch Zufall an das folgende alte Foto geriet:

Hanomag „Rekord“ Cabriolet von Hebmüller, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

 

Auf den ersten Blick sieht man „nur“ ein viersitziges Cabriolet der 1930er Jahre, das natürlich noch eingehender studiert werden soll. Der Stil des Wagens ist unverkennbar „deutsch“ und der Typ lässt sich zuverlässig identifizieren, auch wenn keine Markenembleme zu erkennen sind.

Zwar ist das Bild etwas verwackelt, doch der leicht verschwommene Effekt trägt zum Charme der Aufnahme bei. Je länger man darauf schaut, desto mehr meint man zu erkennen. Und so kam dem Verfasser bald der Hintergrund merkwürdig bekannt. Dort zeichnet sich die Silhouette eines mächtigen Baukörpers ab, umgeben von majestätischen Bäumen.

Die Ausschnittsvergrößerung liefert zwar nur wenig mehr Details, doch sie genügen, um den Verdacht zu begründen: Ist das womöglich Schloss Eisenbach im nördlichen Vogelsberg, nahe Lauterbach gelegen?

Links ahnt man eine mehrstöckige Fassade mit steilem Dach und Mansarden, rechts einen Kirchturm mit dem für unsere Region  typischen polygonalen Helm, davor hohe Bäume. Endgültige Gewissheit liefert ein aktuelles Bild der Schlossanlage, das vom selben Standpunkt aufgenommen wurde.

Die 800 Jahre alte, herrlich gelegene Anlage ist unbedingt einen Besuch wert, auch wenn man in das nach wie vor bewohnte Schloss selbst nicht hineinkann. Der es umgebende Landschaftspark ist frei zugänglich und ermöglicht es, den Bau aus allen Perspektiven zu studieren.

Zurück zu unserem Cabriolet, das einst genau dort Halt machte, wo man heute noch den schönsten Blick auf Schloss Eisenbach hat. Zufällig fand sich im privaten Fotofundus ein Bild des gleichen Fahrzeugtyps, das genügend Anhaltspunkte für die Identifizierung liefert:

Hanomag „Rekord“ Cabriolet von Hebmüller, Originalfoto aus Sammlung Michel Schlenger

 

Das Fahrzeug mit deutscher Zulassung verfügt wie der ganz oben abgelichtete Wagen über fünf seitliche Kühlluftklappen in der Motorhaube und drei Türscharniere statt zwei. Der Schwung der Kotflügel und die waagerecht nach hinten laufende seitliche Sicke finden sich ebenso auf beiden Abbildungen wie die Scheibenräder mit verchromten Radkappen. Auch der Suchscheinwerfer sitzt an derselben Stelle. Sicher handelt es sich um dasselbe Modell.

Das zweite Foto erlaubt dank der Kühlermaske und der Stoßstangen mit der typischen Anordnung der Schrauben die Identifikation als Fahrzeug des einstigen Mittelklasseherstellers Hanomag. Die „Hannoversche Maschinenbau AG“ – so einfach ging das früher mit Firmennamen – baute zwischen 1925 und 1941 recht erfolgreich auch PKW. Anfang der 1930er Jahre hatte Hanomag in der Klasse bis 1,2 Liter Hubraum in Deutschland einen Marktanteil von 25 %. Bis kurz vor Kriegsbeginn gehörte die Firma zu den sechs bedeutendsten Autobauern im Deutschen Reich.

Hanomags größter Erfolg im Autobau war der hier zu sehende Mittelklassewagen “Rekord” – den entsprechenden Schriftzug am Kühler kann man auf dem Foto ahnen.

Der Rekord hatte einen 1,5 Liter großen Vierzylinder-Motor mit 35 PS Leistung, das genügte für knapp 100 km/h. Mit 4-Gang-Getriebe, Einzelradaufhängung vorne und hydraulischen Bremsen war der Rekord auf der Höhe der Zeit. Gefällige Limousinen- und Cabrioletaufbauten taten ihren Teil dazu, den Wagen zu einem Verkaufserfolg werden zu lassen. Von 1934 bis 1938 entstanden gut 18.000 Exemplare.

Interessant ist, dass der Wagen auf den beiden Fotos nicht die Standardkarosserie von Ambi-Budd zu haben scheint, mit dem der Hanomag Rekord und auch das etwas größere 6-Zylindermodell „Sturm“ meist ausgeliefert wurden. Bei der Ambi-Budd-Karosserie, die fast identisch auch von Adler verwendet wurde, endet die Haube weit vor der Frontscheibe und die A-Säule entwickelt sich in einer schwungvollen Bewegung aus der Karosserie nach oben. Außerdem fällt am 4-Fenster-Cabriolet von Ambi-Budd die Gürttellinie nach hinten ab, verläuft also nicht horizontal.

Ein Leserhinweis lieferte die wahrscheinlich zutreffende Erklärung: Es handelt sich um eine von Karmann für Hanomag gefertigte Cabriolet-Karosserie. Darauf weisen auch die an den Kotflügel entlang der Radausschnitte angebrachten Zierleisten hin. Bei der Ambi-Budd-Karosserie findet sich dort nur eine durchgehende Blechsicke. Dieselben Details weist auch die Karmann-Karosserie für den Hanomag Sturm auf.

Die eindeutige Identifikation wird durch den Umstand erschwert, dass es in der spärlichen Literatur zu deutschen Vorkriegswagen nur beispielhafte Abbildungen gibt. Auch das aufwendig gemachte Hanomag-Buch von Görg/Hamacher* beschränkt sich auf eine Handvoll Fotos von „Rekord“ und „Sturm“. Leider muss man sagen, dass der in den 1970er Jahren erschienene „Oswald“** in Sachen deutsche Vorkriegswagen nach wie vor nicht übertroffen worden ist.

Dabei ist heute leichter an historisches Fotomaterial heranzukommen. Von einigen vorbildlichen, meist typbezogenen Initiativen im Netz abgesehen, wird jedoch zuwenig von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht, Originalfotos historischer Fahrzeuge in strukturierter Form allgemein zugänglich zu machen. Einen kleinen Beitrag dazu soll nicht zuletzt diese Netzpräsenz leisten.

Buchtips:

*Horst Görg und Torsten Hamacher: Hanomag-Personenwagen – Von Hannover in die Welt, erschienen 1999 im Mundschenk-Verlag, vergriffen, antiquarisch erhältlich bei www.amazon.de

**Werner Oswald: Deutsche Autos 1920-1945, erschienen 1977 im Motorbuch-Verlag, antiquarisch bei www.zvab.com oder als Neuauflage im Buchhandel erhältlich.